Protocol of the Session on December 10, 2020

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt wieder auf heimischem Pflaster. - Die Reform der Bundesfernstraßenbauverwaltung hat bekanntlich 2016 nicht unbedingt nur Freunde gehabt. Das will ich ganz deutlich sagen. Auch die FDP gehörte nicht unbedingt zu den Befürwortern der Übertragung der Auftragsverwaltung in eine bundesunmittelbare Verwaltung. Schon damals haben viele Leute darauf hingewiesen, dass es wahrscheinlich nicht preiswerter wird, sondern deutlich teurer werden könnte

(Beifall FDP)

ein Umstand, der sich jetzt zeigt.

Wer eine solche Bundesfernstraßenreform dahin gehend plant, dass er auf einen Stichtag hin, zum 1. Januar 2021, einen kompletten Übergang einer Straßenverwaltung aus der Auftragsverwaltung des Bundes quasi mit einem Schalterumlegen auf eine bundesunmittelbare Verwaltungseinheit vorschlägt, hat offensichtlich vorher jedenfalls eine solche Organisationsveränderung noch nicht gemacht.

Deshalb hat Schleswig-Holstein gemeinsam mit Hamburg einen anderen Weg gewählt: nicht auf Schlag zum 1. Januar 2021 den Schalter umlegen und alles übertragen, sondern bereits frühzeitig in einzelnen Abschnitten dafür sorgen, dass seit dem 1. Januar 2020 und sicherlich noch eine Zeitlang in 2021 und 2022 stückweise Dinge an die Autobahngesellschaft übertragen werden. Unser Interesse muss es nämlich sein, dass der Betrieb, die Planung, der Bau, aber eben auch die Sicherheit auf den Autobahnen rundherum gewährleistet sind egal, in welcher Hand die Verwaltung dafür liegt.

(Beifall FDP)

Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist durchaus erfolgreich. Bereits vor einem Monat habe ich gemeinsam mit der Autobahngesellschaft ein erstes Betriebsstück, ein erstes Sanierungsstück, das die Autobahngesellschaft in Schleswig-Holstein selbst zu verantworten hatte, nämlich den Abschnitt der A 1 zwischen Ahrensburg und Bargteheide, für den Verkehr wieder freigegeben. Das ist eine Maßnahme, die die Autobahngesellschaft in eigener Hoheit im Zeitplan und im Budget abgeliefert hat. Damit hat sie gezeigt, dass sie in diesem Bereich durchaus leistungsfähig ist. Das will ich betonen. Ich glaube, dass es richtig war, diesen Weg zu gehen.

Der Personalübergang, der Sachmittelübergang, der Übergang der Grundstücke sind weitestgehend geregelt. Bis zum heutigen Zeitpunkt gehen 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom LBV auf die Autobahngesellschaft über. Das ist prozentual weniger als in anderen Bundesländern. Das liegt aber auch daran, dass die Vorgängerlandesregierung schon die Zusage gemacht hat, dass bei uns im Lande der Arbeitgeber nur auf freiwilliger Basis gewechselt wird. Daran haben wir uns gehalten, und zwar gern, denn wir halten es für richtig, dass das so gemacht wird.

An dieser Stelle will ich sagen: Ich bin für die Zusammenarbeit mit Personalräten und Gewerkschaften, die in diesem Fall hervorragend funktioniert hat, ausgesprochen dankbar.

(Beifall FDP, SPD und SSW)

Sie hat sichergestellt, dass wir auf der einen Seite 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Autobahngesellschaft zur Verfügung stellen konnten, wir auf der anderen Seite aber auch einen leistungsfähigen LBV behalten, denn offensichtlich ist die Tätigkeit beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr nicht so unattraktiv, wie mancher vorher befürchtete. Das ist ein guter Arbeitgeber.

(Beifall FDP)

Eines muss jetzt auch klar sein: Wer geglaubt hat, am 1. Januar 2021 werde der Schalter umgelegt und die sogenannte Tag-eins-Bereitschaft, die der Bundesverkehrsminister einmal ausgerufen hat, sei dann hundertprozentig gegeben, sieht sich getäuscht. Das ist natürlich nicht der Fall.

Wir als Landesbetrieb werden der Bundesautobahngesellschaft auch in den nächsten zwei Jahren unter die Arme greifen müssen, weil nicht alles übergeben werden kann. Das haben wir jetzt in Kooperationsvereinbarungen geregelt, indem viele einzelne

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

Dinge übertragen werden, die wir erst einmal für die Autobahngesellschaft vornehmen und bei denen wir helfen, dass es funktioniert. Noch einmal: Unser Interesse ist, dass es funktioniert. Es gibt Kooperationsvereinbarungen etwa zur Bauwerksprüfung, zum Betriebsdienst, zur Fernmeldemeisterei, zur Betriebsdienstzentrale, zu Anhörungsverfahren bei Großraum- und Schwertransporten - all das leistet wahrscheinlich auch in den nächsten zwei Jahren immer noch der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr für die Autobahngesellschaft.

Natürlich machen wir das gern, aber dafür muss es auch einen Endpunkt geben. Es darf nicht dazu führen, dass sich jemand zurücklehnt und sagt: Na ja, die machen das schon ganz anständig. - Der Bund hat gewollt, dass dies in seiner eigenständigen Verwaltung geschieht. Das soll dann auch so stattfinden.

Die Autobahnen im Lande sind für die Logistik und die Menschen in diesem Lande von besonderer Bedeutung. Gerade diese Pandemiezeiten zeigen, welches logistische Rückgrat unser Autobahnnetz ist, dass die Versorgung mit Gütern im Lande, aber auch das Pendeln zur Berufstätigkeit über dieses Autobahnnetz stattfinden. Deshalb - machen wir uns nichts vor - ist es nicht ganz einfach, dass das Land auf diese Autobahnen zukünftig deutlich weniger Zugriff haben wird, weil der Bund bestimmt, wie es dort weitergeht.

Deshalb ist die Phase des Übergangs, die wir jetzt mit den Kooperationsvereinbarungen, die wir schließen müssen, haben, ein wichtiger Punkt, um dem Bund zu signalisieren: Wir möchten es bitte gern anders als bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, wir möchten es gern anders als bei der DB Netz AG, wir würden gern in kooperativer Art und Weise mit dem Bund gemeinsam darüber sprechen, was sich in unserem Land tatsächlich tut und wo ausgebaut und wo gearbeitet wird.

(Beifall FDP und CDU)

Deshalb haben mein Amtskollege aus NordrheinWestfalen und ich bei der letzten Verkehrsministerkonferenz einen Antrag gestellt, mit dem wir sagen: Wir würden gern in einem dauerhaft installierten Gremium als Länder mit der Autobahngesellschaft gemeinsam durchaus auch über die Prioritäten reden, damit nicht passiert, was an anderer Stelle passiert, wo Verkehrsminister aus dem Süden dafür sorgen, dass im Norden herzlich wenig passiert. Das gilt es zu verhindern. Wir wollen einen Zugriff darauf.

Anders als noch am Anfang der Beratung, als brüsk aus Berlin abgelehnt worden ist, dass man etwa eine Art von Mitsprache bekäme, erkennt man nun, wie schwierig und kompliziert dieses ganze Verwaltungswerk ist, und ist bereit, auf uns einzugehen. Das finde ich gut und richtig und wichtig.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Lassen Sie mich einen letzten Punkt sagen. Dass das Ganze nicht billiger wird, haben viele schon vorhergesagt. Das stellen wir jetzt fest. In den Haushaltsbereinigungssitzungen vor einer Woche hat der Haushaltsausschuss des Bundes für die Autobahngesellschaft 400 Millionen € zusätzlich genehmigen müssen, weil viel teurer geworden ist, was als Apparat aufgebaut worden ist. Es wirkt sich derzeit nicht auf die Infrastrukturkosten aus. Es ist oben draufgesattelt worden. Aber das ist nicht zwingend für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte sichergestellt.

Deshalb ist mein wichtiger Appell an Berlin und an die Autobahngesellschaft, dass in der Zusammenarbeit auch darauf geachtet wird, dass nicht etwa zugunsten der Autobahngesellschaft und dann zulasten des Bundes, des restlichen Bundesfernstraßennetzes Gelder umgeschichtet werden, denn die Bundesstraßen sind uns ebenso wichtig. Man muss sich sehr wohl ansehen, dass die Infrastruktur in diesem Bereich nicht etwa so sträflich vernachlässigt wird, wie wir das an anderen Stellen im Lande über viele Jahrzehnte leider beobachten mussten.

(Beifall FDP, CDU und Volker Schnurrbusch [AfD])

In diesem Sinne sage ich heute: Bis jetzt klappt die Zusammenarbeit mit der Autobahngesellschaft hervorragend in Schleswig-Holstein. Das ist auch dem geschuldet, dass wir sehr frühzeitig den Kontakt aufgenommen und die Übergänge langfristig gewährleistet haben. Ich wünsche mir, dass das so bleibt - im Interesse und zum Wohle des Straßennetzes in Schleswig-Holstein. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Der Minister hat die vorgesehene Redezeit um dreieinhalb Minuten erweitert. Diese zusätzliche Redezeit steht nun allen Fraktionen auch zur Verfügung. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze das Wort.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, ich danke Ihnen zunächst einmal für diesen Bericht. Lassen Sie es mich einmal kurz zusammenfassen: Sie sind ja ein Optimist und schauen positiv in die Zukunft. Das zeichnet Sie aus. Sie haben uns in Ihrem Bericht aber auch deutlich gemacht, dass die Übertragung der Autobahnen auf den Bund tatsächlich ein Handwerk ist. Es bedarf einer gewissen Verwaltungserfahrung, einer gewissen Erfahrung im Organisationsmanagement, und ich kann es bestätigen, ich beobachte das schon seit einigen Jahren im Ausschuss, auch als Vorsitzender: Das, was Sie in dieser Frage hier im Land tun, ist wirklich eine sehr gute Arbeit. Vielen Dank dafür!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Lukas Kilian [CDU] - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- In anderen Bereichen macht er das auch. Ich habe überhaupt keine Beschwerden an der Stelle. Vielleicht ist das ein bisschen missverständlich ausgedrückt.

(Zurufe)

- Nein, die Zusammenarbeit ist hervorragend, ich bedanke mich ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren, aber ich mache mir doch einige Sorgen über das, was hier heute vorgetragen worden ist. Ich verfolge die Presse. Herr Scheuer ist ja nicht so sehr bekannt im Land für die erfolgreiche Durchführung von Projekten, wenn ich das einmal bescheiden sagen darf. Ich habe ein Zitat zu dieser Autobahngesellschaft von ihm gefunden: Großhirn der deutschen Autobahnen. Er hat vor zwei Jahren eine wunderbare Party gemacht, 100.000 € hat er dafür bezahlt. In einem französischen Grand Hotel hat er noch einmal gesagt: Zukunft 2021. Das war eine super Party. Im Trommeln ist er gut, aber in dem, was er tatsächlich erzeugt, zeigt sich auch: Es sind große handwerkliche Fehler gemacht worden. Es sind Versprechungen gemacht worden, die schon aufhorchen lassen. Das sage nicht ich, sondern das sagt der Bundesrechnungshof in einem Bericht vom Oktober 2020.

Ich habe mir diesen Bericht einmal heruntergeladen. Wenn man ihn liest, dann denkt man unwillkürlich an den Berliner Hauptstadtflughafen, an Stuttgart 21 oder an einige Dinge, die mit großen Ankündigungen zu tun haben, die aber dann als

Elefant gestartet und als Maus gelandet sind und gegebenenfalls nicht umgesetzt wurden.

Meine Damen und Herren, Personalmangel ist hier schon angesprochen worden. Was sind die Punkte, die in dem Papier des Bundesrechnungshofs genannt wurden? Es gibt fünf Punkte, Big Five des Risikos und auch eines möglichen Scheiterns dieses Autobahnprojekts. Erstens. Kostenexplosion, Sie haben es gesagt: 400 Millionen. Es geht viel um Gebäude, IT-Leitungen und alles für das, was er an schönen Büros hat.

Zweitens. Zum Personalproblem: 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In diesem Fall wissen wir ja auch in Schleswig-Holstein, wie schwer es ist, junge Planerinnen und Planer zu finden. Die wollen lieber Radwege planen und schöne Modelle für Innenstädte machen. Sie wollen nicht ihr Leben lang, 40 Jahre lang, Teer auf Autobahnen kippen. Wenn ich das einmal so sagen darf, da besteht auch ein Mentalitätswechsel bei Ingenieurinnen und Ingenieuren. Die wollen engagiert Räume verändern, aber das ist ja keine Aufgabe, die unbedingt immer Spaß macht.

Drittens. Sanierungsstau ohne Ende. Schauen Sie sich einmal die A 45 an. Auf der bin ich im Oktober einmal gefahren: 68 Brücken. Wenn ich mir anschaue, was da zu tun ist, dann sehe ich eine riesige Mammutaufgabe vor ihm. Das, was mich wirklich sehr besorgt, sind die rechtlichen Hürden, und dazu komme ich jetzt, wenn Sie erlauben.

Ich möchte hier jetzt nicht den Lukas Kilian von gestern machen, aber wenn ich das richtig lese, dann bedeutet die Verschmelzung von Autobahn AG und DEGES doch erhebliche Risiken. Das hat der Bundesrechnungshof in seinem Bericht gesagt, und er hat auf Verfassungsrisiken hingewiesen. Sie können bei der jetzigen DEGES und bei der derzeitigen Auftragsverwaltung auch einmal Inhouse-Projekte vergeben. Demnächst werden Sie komplexe und europaweite Ausschreibungen mit einem sehr komplexen Vergaberecht haben, mit sehr vielen juristischen Spitzfindigkeiten.

Meine Damen und Herren, eine GmbH ist eben nicht eine eigene Auftragsverwaltung, sondern sie unterliegt dem Wettbewerbsrecht. Auch hier besagt der Bundesrechnungshofbericht - und ich fand es schon erschreckend, das zu lesen -, es bestehe zumindest die Gefahr, dass die jetzigen Aufträge an die DEGES, wenn sie an die Autobahngesellschaft übergehen, gegebenenfalls noch einmal neu ausgeschrieben werden müssen. Es besteht ein erhebliches Risiko in der Frage der Auftragsvergabe.

Meine Damen und Herren, wir hatten hier vor einigen Monaten die Diskussion, dass Herr Habeck ein Moratorium bei deutschen Autobahnen wegen des Klimawandels forderte. Ich habe gesagt: Wir sind vertragstreu in Schleswig-Holstein. Aber dass es ein Moratorium durch Unfähigkeit gibt, das geht mir als Grünem doch ein bisschen zu weit. Ich finde, das sind Steuergelder. Wir haben hier Verantwortlichkeiten. Deshalb will ich einmal sagen, was wir eigentlich mit der Autobahngesellschaft wollten. Sie erinnern sich bestimmt an diesen Pfingstmontag, an dem meine ehemalige Kollegin Frau Wilms sehr nachhaltig versucht hat, Sie von diesem Modell zu überzeugen.

Es ging um betriebswirtschaftliches und organisatorisches Management von öffentlichem Bundesbesitz. Es ist ja das Hauptproblem, dass die Infrastruktur verrottet und sich nicht ständig erneuert. Das ist ein gemeinsames Thema, das wir auch hatten. Da ist die Zuständigkeit für Erhalt und Finanzierung. So eine Straße muss man erhalten, sie ist öffentlicher Besitz. Wenn man sie verrotten lässt, dann hat man später das Problem von viel höheren Instandsetzungskosten. Das ist eine Verschwendung von Bundesmitteln und von Steuergeldern, und das finde ich unethisch. Insofern haben auch wir Grüne ein gewisses Prä dafür, dass man ordentlich mit öffentlichem Besitz umgeht, meine Damen und Herren.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dass ein neuer Neu- und Ausbauplan auf einem Bundesnetzplan beruht, bedeutet, hier geht es nicht um Wünsch dir was. Hier geht es um echte Netzwirkung. Das ist auch ein Aspekt, den muss eine Autobahngesellschaft können. Gleiches gilt für die Finanzierung von Projekten.

Wenn wir eine Autobahn bauen und wenn wir als Grüne sie auch wollen, dann müssen wir einige ökologische Aspekte wirklich nach vorn stellen. Da geht es um Netzwirkung, da geht es um Klima- und Umweltwirkung. Da geht es im Kern auch darum, dass man vielleicht einmal Elektroinfrastruktur so baut, dass der Verbrennungsmotor nicht die Norm auf der Autobahn ist, sondern vielleicht das E-Auto und das wasserstoffbetriebene Auto. Hier haben wir viele Aufgaben, wenn man eine Autobahn vielleicht auch nach ökologischen Gesichtspunkten baut.

Es gilt auch, dass man nicht überflüssig baut, dass man Verkehrsverlagerung diskutiert, dass man Geld nicht verschwendet, dass man Life-Cycle-Kosten hat und dass man wirklich sagt: Das Netz muss

funktionieren, nicht aber die einzelne Autobahn, die man immer ganz besonders hervorhebt. Es muss eine Netzwirkung da sein, und das muss funktionieren. Stau, meine Damen und Herren, ist umweltschädlich. Stau will niemand, auch das ist eine Belastung, die wir vermeiden müssen.