Protocol of the Session on December 9, 2020

Die Würde des Menschen ist unantastbar. - So ist es in unserer Verfassung festgeschrieben. Wir wissen aber auch, dass wir nicht immer in einer idealen Welt leben. Rassismus und Extremismus sind eine permanente Bedrohung für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ganz besonders kritisch wird es, wenn sie sich dort Bahn brechen, wo aufgrund staatlicher Entscheidungsbefugnisse ein Machtgefälle zum Bürger entsteht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Polizei mit weitreichenden Eingriffsbefugnissen besondere Aufmerksamkeit erfährt. Aber müssen wir nicht auch dorthin schauen, wo die Machtstrukturen nicht so offensichtlich im Blickpunkt der Öffentlichkeit sind?

Lehrer, Justizbedienstete und Finanzbeamte zeigen durch ihre vielfältigen Aufgaben: Unser öffentlicher Dienst in seiner Gesamtheit trägt eine große Verantwortung. Sein Handeln hat Vorbildcharakter. Er schafft die Grundlagen für das Vertrauen der Bürger, dass in unserem Land Recht und Gesetz gelten und dass es gerecht zugeht.

Wir alle wissen, dass es Alltagsrassismus gibt, dass Sexismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nicht ausgerottet sind. Wenn wir dieses Wissen zugrunde legen, dann ist doch eines auch klar: Es wird derartige Verhaltensmuster auch auf die eine oder andere Weise in allen unseren Verwaltungen geben. Darüber zu sprechen und das zu erforschen, ist keine Zumutung und keine Pauschalverurteilung. Wer das behauptet, verweigert sich der Realität und vor allem der Diskussion, wie wir unsere staatlichen Strukturen möglichst widerstandsfähig aufstellen und wie wir unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen möglichst stark machen können.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dieser Stärke gehört nicht nur, in der Außenwirkung formal korrekt aufzutreten. Dazu gehört auch, nach innen offensiv Haltung zu zeigen und gegen Vorurteile und Verächtlichmachung einzutreten. Mittel und Wege zu finden, das zu befördern, ist nicht nur eine Kulturfrage innerhalb der Polizei, sondern in allen Landesbehörden.

Als SPD-Fraktion möchten wir die unterschiedlichen Herausforderungen in unserem öffentlichen Dienst untersuchen lassen. Dazu gehört ausdrück

lich auch die Polizei. Demokratiestärkung mag in unterschiedlichen Verwaltungszweigen unterschiedliche Maßnahmen erfordern. Sie zu erkennen und im Sinne des Best Practise zu vergleichen, sollte uns allen ein Anliegen sein.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein letzter Satz noch: Wer diese Parlamentsdiskussion und auch die Anträge dazu ernst nimmt, könnte sich dazu entschließen, beide Anträge in den Ausschuss zu verweisen und dort darüber zu diskutieren. Denn wir haben hier nicht nur zwei leicht variierende Anträge vorliegen, von denen einer weiter gefasst ist, sondern wir haben jetzt auch noch die Bundesstudie vorliegen, die ja doch schon relativ ausdifferenziert ein Maßnahmenpaket zur Gewaltforschung im Bereich der Polizei vorlegt. Dementsprechend glaube ich, wäre dies ein Thema, über das wir in der Tat noch einmal im Ausschuss diskutieren sollten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich persönlich finde, der schwierigste Ort, um über Rassismus und Rechtsextremismus zu sprechen, ist Politik, gerade wenn es dann auch noch um die Polizei geht. Und das aus zwei Gründen: erstens, weil dann gesagt wird, ja, Aminata, Rassismuserfahrung hast du vielleicht „aus deinen Kreisen“ mitbekommen, aber strukturell gibt es dieses Problem nicht, zweitens, weil gesagt wird, man stelle die Polizei unter einen Generalverdacht.

Diesen Argumenten möchte ich einiges entgegnen: Wenn ich mit 30 schwarzen Frauen zusammensitze und viele davon berichten, Vorverdächtigungen erlebt zu haben, mich eingeschlossen, Schwarze und Männer of Color mir von unschönen Ereignissen berichten, dann kann uns das nicht egal sein. Wir sprechen über Bürgerinnen und Bürger dieses Staates, die rassistische Erfahrung machen. Das ist doch genau der Kern der Debatte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

(Kathrin Bockey)

Das haben wir als Volksvertreterinnen und Volksvertreter ernst zu nehmen und uns darum zu kümmern, weil es um mögliche Grundrechtsverletzungen geht, nämlich rassismusfrei leben zu dürfen.

Wir müssen uns angucken, wo das Problem liegt, wie die Fakten aussehen. Wir müssen wegkommen von den Debatten, die im Ungefähren sind. Das stärkt Bürgerinnen- und Bürgerrechte, so wie es auch die Polizei stärkt.

Wir haben uns die Frage zu stellen, ob nicht wir als Politik es sind, die durch Gesetze Praktiken wie die des Racial Profilings ermöglichen. Deshalb werden wir uns als Grüne massiv dafür einsetzen, dass es Kontrollquittungen geben wird und dass es auch Veränderungen an § 181 unseres Polizeigesetzes geben wird.

Wir Grüne hier unterstützen ausdrücklich den Vorschlag der grünen Bundestagskollegin Irene Mihalic, die Polizei für unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen zu öffnen, und fordern das auch für unseren Aktionsplan gegen Rassismus.

Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von der Polizei erheben wollen, müssen sie diese beim Innenministerium abfragen. Das erschwert die Forschung. Wieso nicht über einen Forschungserlass nachdenken, so wie es einen Medienerlass gibt? Dadurch könnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich direkt an die Polizeidienststellen wenden.

Zum vermeintlichen Generalverdacht gegenüber der Polizei: Wir haben diesen Antrag als Koalition gestellt, weil wir ein hohes Interesse daran haben, unsere Sicherheitsbehörden gegen menschenverachtende Einstellungen zu immunisieren, wie mein Kollege Burkhard Peters immer so schön sagt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Das geschieht nicht aus einem Misstrauen heraus, sondern aus einem Vertrauen in unsere demokratischen Strukturen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vertrauen in unsere demokratischen Strukturen bedeutet aber nicht, einfach wegzusehen. Es bedeutet, sich als Legislative der Verantwortung bewusst zu sein, welchen Rahmen wir für die Exekutive stecken müssen.

Wir tun das nicht im Polizeibereich, wir tun das auch im Justizbereich und haben dort im letzten Haushalt eine Stelle geschaffen. Gemeinsam mit dem Institut für Menschenrechte soll das Projekt

„Rassismus - Stärkung der Strafjustiz“ vollzogen und das Justizpersonal geschult werden. Wir diskutieren das nicht nur selektiv für die Polizei, sondern wollen uns mit allen staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft im Rahmen unseres Aktionsplanes gegen Rassismus auseinandersetzen.

Natürlich gibt es Anlass, über Rassismus und Rechtsextremismus zu sprechen. „ARD Monitor“ berichtet über 25 rassistische Berliner Polizistinnen und Polizisten, vier Mitarbeitende im Verfassungsschutz NRW in einer rassistischen Chat-Gruppe. 60 Polizeibeamte aus NRW stehen unter Verdacht, rechtsextreme Inhalte geteilt zu haben. Es gibt sieben Rechtsextremismus-Vorfälle an der Fachhochschule der Polizei in Brandenburg. In Dresden gibt es einen mutmaßlichen rechtsextremen Polizeibeamten.

Das waren nur die Vorfälle aus dem Oktober 2020. Wenn weitere Fälle von Rassismus und Rechtsextremismus angesprochen werden sollen, dann können wir das tun in Bezug auf NRW, Sachsen-Anhalt, Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Brandenburg und Sachsen. Um alle Fälle aus dem Jahr 2020 aufzuführen, reicht meine Redezeit nicht. Was sagt uns das? Es sagt uns, dass wir ein Problem haben. Wir in Schleswig-Holstein sollten nicht auf einen Riesenskandal warten, sondern vorher handeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Wir haben in der Polizeischule Eutin einige Vorwürfe bezüglich Rassismus und Sexismus gehabt. Die Polizeischule hat sich zum Glück selbstkritisch auf den Weg gemacht mit dem Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich freue mich, gemeinsam mit unserem Ministerpräsidenten Daniel Günther Patin dafür zu sein. Ich schätze gemeinsame Termine mit den Polizeischülerinnen und Polizeischülern, wie zuletzt bei der Ausstellung #StolenMemory, bei der es um persönliche Besitzstücke ehemaliger KZ-Häftlinge geht.

Danach haben wir über Antisemitismus und Rassismus diskutiert. In einem Gespräch mit dem Leiter der Polizeischule, Herrn Dunka, haben wir über politische Bildung als festen Bestandteil der Aus- und Fortbildung gesprochen. Das ist nun Teil des Antrags geworden.

Teil des Antrags ist außerdem eine Studie geworden, bei der der Arbeitsalltag, das Werteverständnis

(Aminata Touré)

und die Widerstandfähigkeit der Polizei gegen menschenverachtende Verhaltensweisen wie zum Beispiel Rassismus untersucht werden sollen.

Abschließend, auch mit Blick auf das, was die GdP heute als Pressemitteilung herausgegeben hat, und das Gespräch, das ich vor der Tür mit Herrn Petersdotter und Herrn Jäger eben gerade geführt habe: Es geht nicht um ein Gegeneinander. Es geht um das Vertrauen und die Stärkung unserer demokratischen Strukturen. Ich bin froh, dass wir uns als Koalition nach vielen intensiven Gesprächen dazu entschlossen haben, diesen Antrag zu stellen, für die Bürgerinnen und Bürger unseres Staates, für die Polizei und damit für die Stärkung unserer demokratischen Institutionen in unserem Bundesland. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Hansen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Sommer kamen Berichte hoch, die Rassismus in der Polizei thematisierten. Ich habe das auf meine eigenen Erfahrungen projiziert; denn ich kann aus eigener Erfahrung guten Gewissens behaupten, dass in unserer Landespolizei Schleswig-Holstein eine Null-Toleranz-Strategie gefahren wird. Wir hatten bei uns in der Fraktion auch die Diskussion, ob wir bei einer Respektkampagne diese Diskussion ausblenden können. Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass wir das sogar trennen müssen. Wir können für die Polizei nicht auf der einen Seite Respekt einfordern und sie auf der anderen Seite mit dem unterschwelligen Vorwurf eines Rassismus- oder RechtsextremismusProblems gewollt oder ungewollt in die Ecke stellen.

(Beifall FDP und CDU)

Daher bin ich meiner Fraktion und meinen Koalitionspartnern sehr dankbar, dass sie meinen Argumenten gefolgt sind. So ist es möglich, dass wir bei beiden Punkten getrennt voneinander richtige und gute Akzente setzen können.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die jüngsten Umfragen und Studien belegen, dass die Polizei höchste Zustimmungswerte aus der Be

völkerung genießt, dass die Bürgerinnen und Bürger gute Erfahrungen im Kontakt mit der Polizei haben, aber auch, dass das Beschwerdewesen in Richtung der Polizeibeauftragten, im Verhältnis zu den tagtäglichen Kontakten betrachtet, verschwindend gering ist. Auch ein Defizit in Sachen Rassismus oder Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein ist nach der Faktenlage nicht belegbar. Das sind die Fakten.

Lässt man diese Fakten bei einer Bewertung außer Betracht, wird man pauschal und erschafft ein Quasi-Feindbild, das der Polizei nicht gerecht wird und dem Urteil aus der jüngst veröffentlichten Dunkelfeldstudie nicht im geringsten Rechnung trägt.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Ich stelle gleichwohl klar: Man wird nicht alles verhindern können, und es wird diese Fälle geben; dessen müssen wir uns bewusst sein.

Warum also überhaupt dieser Antrag? Damit will ich auch eine Frage der GdP beantworten. Zu dem tief empfundenen Respekt für das Berufsbild der Polizistin beziehungsweise des Polizisten gehört auch, dass wir sie vor Einflüssen schützen, die ihnen und ihrer Reputation schaden können.