Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nicht jede Schwangerschaft ist gewollt, und es gibt viele Gründe, weshalb eine Frau eine Schwangerschaft beenden möchte. Diese Entscheidung trifft in letzter Konsequenz die schwangere Person. Es geht um ihr Leben und ihren Körper, und niemand hat das Recht, diese Entscheidung zu bewerten oder zu verurteilen. Das ist und bleibt unsere grüne Überzeugung.
Dafür haben wir seit jeher gekämpft und tatsächlich auch einige Verbesserungen hinbekommen, beispielsweise einen Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Bedingungen straffrei zu lassen.
Zusätzlich gibt es das Schwangerschaftskonfliktgesetz, ein ganz wichtiges Bundesgesetz. Es schafft für die Betroffenen konkret und vor Ort das Recht auf Beratung und auf den Abbruch. Die Bundeslän
der sind in der Verantwortung, dass die Infrastruktur für beides vorhanden ist. Deshalb finde ich es auch richtig und wichtig, dass wir diese Debatte heute hier führen und dort, wo wir Defizite haben, uns ehrlich in die Augen blicken und gucken, wo wir nachbessern müssen.
Flensburg ist ein zentraler Punkt dieser Debatte gewesen. Dort gibt es eine Situation für sich. Es gibt dort Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und beispielsweise das Diakonissenkrankenhaus. Die Malteser verweigern Schwangerschaftsabbrüche aus religiösen Gründen grundsätzlich. Das wollen sie auch im gemeinsamen Zentralkrankenhaus durchsetzen. Aber es gibt deutlichen Gegenwind. Viele Frauen wehren sich an der Stelle. Der Petitionsausschuss hier hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt, und auch die grüne Ratsfraktion in Flensburg hat bei der Bürgermeisterin Einsicht in die Vertragsunterlagen gefordert. Das alles ist wichtig und richtig. Die zentrale Frage in dieser Debatte ist für uns: Können sich Schwangere hier in Schleswig-Holstein zeitnah und einfach informieren, wenn sie Hilfe brauchen?
Diese Frage muss man beantworten mit: leider nur bedingt. Über die Beratungsangebote im Schwangerschaftskonflikt gibt es viele Informationen: auf den Seiten der einzelnen Anbieter wie Pro Familia oder der AWO oder auch durch eine zentrale Zusammenstellung auf den Seiten des Ministeriums. Bei den Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sieht es jedoch ganz anders aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung muss nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz eine entsprechende Liste führen. Aber deren Angaben sind leider lückenhaft. Sehr viele Adressen sind in Berlin und Hamburg. Für Schleswig-Holstein gibt es dort nur einige. Das Problem ist, dass die Meldung freiwillig ist. Viele trauen sich nicht, sich dort registrieren zu lassen - aus Angst vor Repressionen. Das ist für die hilfesuchenden Personen eine Katastrophe.
Wir Grüne wollen, dass sich hier etwas ändert. Wir wollen, dass die Landesregierung tätig wird und mit den Ärztinnen und Ärzten spricht, wie wir zu einer realistischen Lösung kommen können. Es darf nicht dabei bleiben, dass sich die Frauen in einer solch schwierigen Situation sozusagen durchtelefonieren müssen. Und wir wollen einen besseren Schutz für die Schwangeren und die Institutionen erreichen, die einen Abbruch vornehmen. Selbsternannte Lebensretter und Lebensretterinnen dürfen keine Möglichkeit haben, Frauen, Ärzte und Ärztinnen
Hessen hat den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, Demonstrationen vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken einzuschränken. Dabei ist eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Schwangeren, der Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit zu treffen. Persönlich halte ich dies für einen sehr guten Weg, den wir hier gehen wollen. Wir bitten deshalb als Koalition die Landesregierung, diese Option auch hier für uns in Schleswig-Holstein zu prüfen.
Abschließend ist es wichtig, dass Personen, die einen Abbruch durchführen wollen, dies tun können. Wir wollen uns deshalb auch nach dieser Debatte weiterhin mit der Situation in Schleswig-Holstein auseinandersetzen. Wir wollen uns vor allen Dingen, wie die Kollegin Katja Rathje-Hoffmann es gerade eben schon gesagt hat, die Situation dahin gehend ansehen, wie das Projekt anläuft, das die Landesregierung auf den Weg bringt, um Beratungsstellen zu ermöglichen, aber auch um es Personen und Ärztinnen und Ärzte zu ermöglichen, diesen Abbruch durchzuführen.
Wir hatten eigentlich geplant, es schon in diesem Jahr zu machen. Coronabedingt mussten wir dieses Projekt jedoch für das nächste Jahr auf den Weg bringen. Ich bin mir sicher, dass wir dadurch auch die Versorgungssituation in Schleswig-Holstein verbessern werden und bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig: Schwangerschaftsabbrüche sind immer und zu jeder Zeit eine zutiefst persönliche und schwierige Entscheidung. Ich bin mir sicher, dass keine Frau eine solche Entscheidung leichtfertig trifft. Umso wichtiger ist, dass es für jede selbst getroffene Entscheidung eine gute Entscheidungsgrundlage gibt. Das umfasst - es ist hier schon angesprochen worden - zum einen die sensible Beratung, zum anderen natürlich die passende medizinische Einrichtung.
Schwangerschaftskonfliktgesetz daher staatlich geförderte Unterstützungsregelungen festgeschrieben. Danach hat jede Frau das Recht, sich zum Zwecke der gesundheitlichen Vorsorge und der Vermeidung und Lösung von Schwangerschaftskonflikten in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle informieren und beraten zu lassen.
Natürlich ist es richtig: Eine grundsätzliche Reform der § 218 und § 219 Strafgesetzbuch wäre wichtig. Da muss ich der Abgeordneten Pauls aber sagen: Den guten Draht zur regierungstragenden Fraktion in Berlin haben Sie. Nutzen Sie ihn, wenn es wichtig ist!
In Schleswig-Holstein setzen wir dieses Beratungsangebot um - anders, als die Anträge von SPD und SSW glauben machen wollen. Es wird zwar immer Beispiele geben - auch das haben wir in einer Anhörung im Petitionsausschuss gehört -, dass es Menschen gibt, die sagen, die Wege zu Beratungsangeboten seien zu lang oder es gebe zu viel Bürokratie. Die Fakten zeigen aber ein ganz anderes Bild.
Die Beratungsstellen werden mit Landesmitteln und zusätzlich kommunal gefördert. Dazu sollte eigentlich in diesem Jahr - coronabedingt wird es ins nächste Jahr verlagert - ein weiteres Projekt mit Beratungsstellen auch mit Landesmitteln auf den Weg gebracht werden. Dazu liegen wir mit der Anzahl von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, aber auch sogenannten Meldestellen in den Einrichtungen, wo ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird, im Bundesvergleich auf Platz sechs. Mit 62 Meldestellen im ersten Quartal 2020 bieten wir rein rechnerisch eine Meldestelle pro 46.000 Einwohner an.
Dabei ist zu beachten, dass die Zahl der behandelnden Ärzte noch größer sein wird, da es auch Praxen mit mehreren Ärzten gibt. Entscheidend ist doch aber, dass im Jahr 2019 in Schleswig-Holstein 3.261 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt wurden. Das sind pro Meldestelle 53 Abbrüche. Mit dieser niedrigen Zahl pro Meldestelle liegen wir im Ländervergleich übrigens auf Platz drei: Sachsen steht mit 47 Abbrüchen pro Meldestelle auf Platz eins, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 49 auf Platz zwei. Hamburg folgt uns mit 67 Abbrüchen auf Platz vier. Die niedrige Anzahl an Abbrüchen in Schleswig-Holstein im Vergleich zu ande
ren Bundesländern zeigt doch, dass wir eine durchaus ausreichende Versorgung mit Einrichtungen für die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen haben.
Vielleicht noch einen Satz zur Erreichbarkeit: Uns ist ganz klar gesagt worden, dass die Hin- und Abreise innerhalb eines Tages gewährleistet sein muss. Das ist in Schleswig-Holstein gegeben.
Sie haben ja auf die Klinikzusammenlegung in Flensburg abgezielt. Bitte realisieren Sie schlicht und einfach: Es ist Ihre Oberbürgermeisterin, die sich ganz massiv darum gekümmert hat, dass es ein medizinisches Versorgungsangebot von höchster, moderner Qualität in Flensburg gibt.
Sie hat diese Fusion in Kenntnis der Auswirkungen auf die Schwangerschaftsabbrüche vorangetrieben. Sie hat ihre Verantwortung, eine weitere Lösung zu finden, mit dem Runden Tisch übernommen.
Der Kompromiss, der sich dort abzeichnet, ist doch gut. Ich honoriere vollumfänglich, was Simone Lange da mit unserem Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg auf den Weg gebracht hat.
Auch wir sehen mit Sorge, dass sich bei Praxisneugründungen und -übernahmen immer weniger junge Ärzte bereiterklären, sich um eine Genehmigung für ambulante Operationen zu bemühen und damit dann auch operative Schwangerschaftsabbrüche nicht durchführen dürfen. Das unterstreiche ich, das ist im Antrag richtig formuliert worden. Da sind die notwendigen Gespräche zu führen.
Ich möchte dann aber auch einen Blick ins europäische Ausland werfen, wo bereits verstärkt Abbrüche mit Medikamenten erfolgen. Diesen Aspekt sollten wir durchaus hier für Schleswig-Holstein zu einem anderen Zeitpunkt - betrachten.
- Liebe Frau Pauls, wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, wollen wir heute in der Sache abstimmen und nicht noch längere Beratungen im Ausschuss haben. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf die Details des Antrages eingehe, möchte ich ganz grundsätzlich noch einmal feststellen: Schwangerschaftsabbruch ist kein Verbrechen, darum gehört er auch nicht ins Strafgesetzbuch.
Der § 218 Strafgesetzbuch kriminalisiert Frauen, und darum muss er weg. Das wäre der entscheidende Schritt!
Ich hätte mir ehrlicherweise nicht vorstellen können, dass ich überhaupt noch einmal über diese Grundsätze sprechen müsste. Doch ausgerechnet die Anhörung in unserem Petitionsausschuss, die so gut war, weil es eine Patientin aus Husum gab, die sich große Sorgen gemacht hat, wie das wohnortnahe, stationäre oder ambulante Versorgungssystem in Zukunft sein wird, bewegt mich doch dazu. Ich hätte nicht gedacht, dass wir bei diesem Thema wieder über Schwangerschaftstourismus sprechen, denn genau das wird passieren, wenn wir die Anträge nicht in den Sozialausschuss überweisen und dort gemeinsam darüber sprechen.
Jeder von uns kann Beispiele anführen: eine Mutter, die schon zwei Kinder hat. Der Mann ist Kraftfahrer und die ganze Woche nicht da. Die haben schon ein behindertes Kind, die Mutter hat keinen Führerschein. Da müsste sie nach Heide oder Schleswig fahren. Ja, das kann sie machen: Sie kann sich in den Bus setzen oder in den Zug, wenn es diese Infrastruktur dort gibt. Was macht sie aber, wenn etwas schiefgehen sollte und sie vielleicht noch eine Nacht im Krankenhaus bleiben müsste? Wer kümmert sich um die beiden Kinder? Vor allem: Wer kümmert sich um das Kind, das behindert ist?
Ich bin echt enttäuscht, dass wir zu diesem Thema keinen gemeinsamen Antrag hingekriegt haben. Endlich kriegen wir in Flensburg ein neues Krankenhaus. Jeder, der hier sitzt und in der Flensburger Ratsversammlung seine Fraktion hat, weiß ganz genau, dass es an der Zeit ist, dass wir in Flensburg ein supergutes neues Krankenhaus für den nördlichen Teil Schleswig-Holsteins kriegen.
Dass sich die beiden ehemaligen Krankenhäuser, die es heute in ihrer Trägerstruktur noch gibt, zusammenschließen und sich daraufhin auf ihre Religion berufen und sagen: „Wir werden keine Abbrüche mehr vornehmen!“, das kann uns doch nicht in die Situation bringen, dass wir in Flensburg keine standortnahe Versorgung mehr hinbekommen.