Protocol of the Session on October 14, 2015

Dafür bin ich dankbar. Um den Punkt, eine abweichende Meinung nicht zu akzeptieren, geht es überhaupt nicht - ganz im Gegenteil. Dass wir das leidenschaftlich tun, da werden Sie mich immer an Ihrer Seite finden - im Gegenteil. Wir tun das ja manchmal zu wenig.

Hier geht es aber um etwas anderes, Herr Kollege Dr. Klug. Da ging es eigentlich darum, ob die im Landtag vertretenen Parteien miteinander deutlich machen - das ist selten genug -, dass wir wirklich eine gemeinschaftliche Anstrengung brauchen, um die repräsentative Demokratie zu stärken - mit unterschiedlichen Vorschlägen und vielleicht auch mit Kompromissen, die man machen muss. Keineswegs geht es darum zu sagen: Man akzeptiert keine unterschiedlichen Meinungen. Niemand, der bei Sinnen ist, würde sagen: Ein paar technische Maßnahmen helfen uns, die Wahlbeteiligung zu steigern. Das hat hier auch niemand vorgetragen. Nur darum ging es.

Erlauben Sie mir, Herr Dr. Klug, zu sagen, ich finde es schade, dass wir, gemessen an dem Engagement, das auch der Kollege Dr. Garg in der Gruppe gezeigt hat, am Ende bei einer solchen Frage nicht zusammenkommen. Bei vielen anderen Fragen ist es nicht so wichtig, aber bei einer solchen Frage finde ich es schade, weil es nach außen den Eindruck erweckt, als seien wir in der Kernfrage unterschiedlicher Auffassung. Ich hatte jedenfalls, was den Kollegen Garg angeht, überhaupt nicht den Eindruck, dass das so ist.

(Beifall SPD)

- Es ist bedauerlicherweise so, dass es vielfach Anläufe zu interfraktionellen Initiativen gibt, an denen sich auch alle Fraktionen beteiligen, aber dass möglicherweise eine Fraktion in der Endabrechnung, in der Bewertung, zum Ergebnis kommt, dass man das aus nachvollziehbaren Gründen nicht für zielführend hält. Es ist in puncto auf diesen interfraktionellen Antrag - sozusagen die große Küstenkoalition mit der CDU - tatsächlich der Fall, dass sozusagen eine gemeinsame Plakataktion gemacht wird, wo Sie sich, Herr Kollege Günther, Frau von Kalben und Herr Harms unter der Losung „Voters welcome“ versammeln - okay. Ob das wirklich das bewirkt, was angedacht ist, da habe ich meine Zweifel.

(Dr. Ekkehard Klug)

Meine Damen und Herren, der große Grand Prix der Wählerbeteiligung wird auf diese Weise ganz sicherlich nicht gewonnen werden können - trotz der beeindruckenden Gesangstruppe, die da angetreten ist - mit Ralf Stegner und Daniel Günther sozusagen als neuem Modern-Talking-Duo und mit Frau von Kalben und Lars Harms als RhythmusGruppe im Hintergrund.

(Zuruf SPD: Sie waren sehr erfolgreich!)

- Waren sehr erfolgreich, genau. Ich finde, die Vorstellung von Ralf Stegner in der Rolle von Dieter Bohlen hat auch etwas.

(Zurufe SPD)

Meine Damen und Herren, wir stellen als Alternative mit der Bitte um eine alternative Abstimmung einen Antrag zur Stärkung der repräsentativen Demokratie neben Ihren Antrag.

Den Vorschlag der Piratenfraktion halten wir ebenfalls nicht für zielführend. Die zentrale Aussage bleibt aus unserer Sicht: Wahlbeteiligung steigt durch überzeugende Politik.

Herr Abgeordneter Dr. Klug, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Daniel Günther?

Ja, bitte.

Geschätzter Kollege Dr. Klug, ich habe Ihre Worte verstanden, auch das, was Sie kritisch bei dem Antrag sehen. Ich erinnere mich sehr gut an den abschließenden Änderungsantrag, den die FDP mit konkreten Wünschen zu diesem Antrag gestellt hat, die wir meines Wissens alle erfüllt haben.

Ich frage mich, wenn Sie das denn heute in der Debatte so kritisch sehen, warum Sie in den letzten anderthalb Jahren nicht versucht haben, diese ganzen Punkte mit in diesen Antrag einzubringen. Dann hätten wir uns vielleicht wirklich auf einen gemeinsamen Antrag verständigen können. Warum haben Sie uns dieses Wissen denn in den letzten anderthalb Jahren vorenthalten und bringen das jetzt hier heute zum Besten?

(Beifall CDU)

- Herr Kollege Günther, an Ihrer Zwischenbemerkung ist eines zutreffend: Es gibt aufgrund einer

überarbeiteten Fassung einen sehr großen Abstand zwischen der ersten Beratungsrunde und der zweiten, die wir heute führen.

Ich will Ihnen zum Schluss sagen: Aus meiner Sicht ist es wirklich so, dass Beteiligungen an Wahlen und Abstimmungen entscheidend davon abhängen, ob die Wähler von dem, was ihnen als Alternative zur Entscheidung geboten wird, überzeugt sind oder nicht. Wenn dies ein Beispiel illustrieren mag, dann ist das die Abstimmungsbeteiligung von mehr als 90 % vor Kurzem in Schottland bei dem dort durchgeführten Referendum. An solchen Beispielen können wir belegen, dass dann, wenn die Bürger politische Alternativen bewerten können, die sie für überzeugend halten oder nicht, die Wahlbeteiligung und die Abstimmungsbeteiligung entscheidend steigen. Das ist der Kernpunkt

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

und nicht technische Verbesserungen, so sehr auch einzelne Punkte wie etwa die politische Bildung, die im Antrag ebenfalls angesprochen ist, richtig sind.

In der Summe sagen wir, dass der Zehnpunktekatalog, den Sie vorschlagen, aus unserer Sicht nicht zielführend sein kann. Bei der Steigerung der Wahlbeteiligung geht es um andere Dinge. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute legen die Koalitionsfraktionen und die CDU gemeinsam einen Antrag vor, der für verbesserte Möglichkeiten bei der Wahlteilnahme der Bürgerinnen und Bürger sorgen soll. Dabei kann ich aus Sicht des SSW sagen, dass wir nicht die Erwartung haben, dass die Wahlbeteiligung durch die Umsetzung der Maßnahmen markant steigen wird. Es geht uns vielmehr darum, dass die Maßnahmen dazu beitragen sollen, die Schwelle, zur Wahl zu gehen, zu senken. Das ist sicherlich oftmals ein und dasselbe, aber es ist für uns vor allem eine demokratietheoretische Frage.

Die Fragen, die sich uns gestellt haben, waren nämlich, ob bestimmte Gruppen stärker ausgeschlossen waren als andere und ob es zu beseitigende Hemm

(Dr. Ekkehard Klug)

nisse gab, die den Informationsfluss im Vorwege einer Wahl beeinflusst haben. Denn es geht hier nicht nur um die reine Wahlteilnahme, sondern auch um eine gute Informationsmöglichkeit vor der Wahlentscheidung.

Die Vorschläge zur Wahlwerbung sollen etwa auch die Information der Bürgerinnen und Bürger verbessern helfen. Der Wunsch nach Begleitung durch die Institutionen, die sich mit der politischen Bildung befassen, dient vornehmlich dem gleichen Ziel. Es ist also mitnichten so, dass die rein zahlenmäßige Wahlbeteiligung das alles entscheidende Kriterium ist. Es geht vor allem um die Qualität. Und es geht um die Menschen, die bisher noch nicht den richtigen Zugang zu den Wahlen hatten. Es geht somit um die Stärkung der Demokratie an sich. Deshalb sollen beispielsweise auch ausländische Mitbürger Hilfestellungen in ihren eigenen Sprachen erhalten können. Und deshalb sollen Menschen mit Handicaps Unterlagen in leichter Sprache erhalten.

Solche Maßnahmen sind alles Maßnahmen, von denen man sagen könnte, dass sie doch eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Sind sie aber derzeit nicht, und deshalb öffnet unser gemeinsamer Antrag auch die Tür für alle diejenigen, die sich an einer Wahl beteiligen möchten. Durch die Tür müssen die Menschen aber schon selber gehen.

Wir haben ja neben den konkreten Umsetzungsvorschlägen der Koalition und der CDU auch noch den Antrag der PIRATEN zur Einrichtung einer Enquetekommission. Ich bezweifle, dass ein so aufwändiges Instrument etwas an der vorgeblichen Wahlmüdigkeit ändern wird. Auch die von den PIRATEN vorgegebenen Untersuchungsgegenstände, die natürlich nur politische Vorstellungen der PIRATEN untersuchen sollen, führen hier nicht weiter. Was die Wahlbeteiligung angeht, haben wir kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit, das wir mit unseren Vorschlägen auch konkret angehen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich Untersuchungen zur Wahlbeteiligung ansieht, dann stellt man erst einmal fest, dass das Wegbleiben von der Wahl nicht zwangsweise etwas Negatives als Ausgangspunkt haben muss. Es kann zum Beispiel eine sehr bewusste Entscheidung des Einzelnen sein, nicht zur Wahl zu gehen, weil einem ganz einfach das Angebot nicht behagt. Die Nichtteilnahme an einer Wahl kann aber auch ein Ausdruck der Zufriedenheit sein: Es läuft alles;

es geht einem gut. - Warum sollte man dann etwas verändern?

Das Wesen unserer Demokratie ist ja glücklicherweise, dass wir immer eine Auswahl zur Verfügung haben, sowohl was Kandidaten und Parteien, als auch was die Teilnahme an der Wahl an sich angeht. Hätten wir dies nicht, dann wäre gewiss die Demokratie in Gefahr, und dann könnte man sich schon Sorgen machen.

Meine Damen und Herren, in einem Bereich sehen wir demokratische Prinzipien allerdings auch bei uns in Gefahr. Bei der letzten Kommunalwahl 2013 gab es in den rund 1.100 Kommunen in SchleswigHolstein 327 Kommunen, wo sich nur noch eine einzige kommunale Wählerliste aufstellen ließ. Das heißt, hier wurde auf einer Versammlung vor der Wahl eine Liste zusammengestellt, die dann am Wahltag in ihrer Gesamtheit zur Wahl stand. Alternativen gab es nicht. Und ob man zur Wahl ging oder nicht, änderte nichts an der Zusammensetzung des Gemeinderates. Unter demokratietheoretischen Gründen ist das wirklich eine Katastrophe. Auch deshalb müssen wir dringend über größere Kommunen nachdenken.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, im Antrag der PIRATEN ist auch viel von direkter Bürgerbeteiligung die Rede. Das ist an sich gut und erstrebenswert. In dieser Wahlperiode haben wir in diesem Bereich ja auch schon viel erreicht. Aber wenn man die Bürgerbeteiligung unter dem Aspekt der Wahlbeteiligung betrachtet, dann wird es schwierig. Untersuchungen sagen uns, dass insbesondere sozial schlechter gestellte Gruppen von Wahlen fernbleiben. Gleichzeitig sagen diese Untersuchungen, dass die eher besser gestellten Bevölkerungsgruppen sich auch an Volksabstimmungen oder Bürgerbegehren beteiligen. Wenn man die Wahlbeteiligung erhöhen will, dann muss man eine Wahlpflicht einführen oder gegebenenfalls monetäre Anreize setzen. Dies haben wir allerdings bisher verworfen, weil dies der freien Entscheidung, zur Wahl zu gehen oder auch nicht, entgegenstehen würde. Auch das ist Teil der Demokratie. So lange wir eine solche freie Entscheidung haben wollen, müssen wir diese auch akzeptieren und vielleicht auch davon abgehen, zu meinen, dass nur eine extrem hohe Wahlbeteiligung eine demokratische Legitimation beinhaltet. Das ist nämlich nicht so. Die Demokratie lebt, und sie ist immer noch die tragende Säule der Gesellschaft. Das ist etwas, was wir den Leuten draußen erklären sollten. - Vielen Dank.

(Lars Harms)

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir diese Debatte führen, und möchte deshalb kurz auf Ihre Redebeiträge eingehen.

Herr Kollege Günther, natürlich ist es gut, wenn wir für unsere Demokratie und für unsere demokratischen Institutionen werben. Aber wir werden die Menschen doch nur dann überzeugen können, mitzumachen, wenn sie das Gefühl haben, es lohnt sich, sie können etwas verändern, sie können etwas bewirken. Deswegen reicht es eben nicht, wie Sie es dargestellt haben, die Menschen davon zu überzeugen, dass wir gute Arbeit machen. Ein „Weiter so!“ wird nicht reichen. Ich fürchte, wenn Sie der Meinung sind, dass das, was auf dem Tisch liege, reiche, haben Sie den Ernst der Lage noch nicht wirklich erkannt.

(Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Dass immer mehr Menschen der Meinung sind, dass die Demokratie so, wie sie funktioniert, der falsche Weg sei, und sich davon lossagen, muss uns doch besorgt machen und uns überlegen lassen, andere Wege zu gehen.

Herr Dr. Stegner, Sie haben die Anhörung, die wir durchgeführt haben, angesprochen. Das Problem ist doch, Herr Dr. Stegner, dass wir die Vorschläge, die in der Anhörung gemacht worden sind, gar nicht im Einzelnen durchgegangen sind. Ich nenne nur die Einrichtung eines Internetbeteiligungsportals, eines ständigen Kinder- und Jugendbeirats des Landtags und regelmäßige Gesprächsforen des Landtags vor Ort, auf denen Bürger zu Wort kommen und bei denen die Abgeordneten aller Fraktionen Rede und Antwort stehen. Das sind Vorschläge, die nicht diskutiert worden sind. Im Übrigen hat der zuständige Innen- und Rechtsausschuss überhaupt noch nicht über das Ergebnis der Anhörung beraten.

Herr Dr. Stegner, Sie haben gesagt, Sie machten sich über zunehmend demokratiefeindliche Einstellungen Sorgen. Aber was ist denn unsere Antwort darauf? Ich fürchte, die heute vorliegenden Anträge

finden keine Antwort auf dieses Problem. Das Thema Wahlbeteiligung ist doch nur ein Symptom. Das ist ja nicht das eigentliche Problem, sondern es ist nur Ausdruck der Einstellungen, die dem zugrunde liegen.

(Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP])