Protocol of the Session on September 16, 2015

(Peter Eichstädt)

das ganze Land geben wird. Der Kollege Eichstädt hat vorhin beschrieben, dass das zum Teil bereits der Fall ist. Diese Entwicklung wollen wir Grüne nicht.

Wenn die Zeitungen wirtschaftlich bedroht sind, dann gilt das logischerweise in der Konsequenz auch für die Journalistinnen und Journalisten. Es ist eine Branche, in der es keinen Fachkräftemangel gibt. Noch immer wollen junge Menschen diesen Beruf ausüben. Deren Chancen sind aber schlechter geworden. Auch bei unseren Zeitungen im Land findet ein massiver Personalabbau statt. Viele Journalistinnen und Journalisten arbeiten mittlerweile freiberuflich oder mussten in andere Bereiche ausweichen.

Durch unsichere Arbeitsverhältnisse steigt die Gefahr, Unabhängigkeit zu verlieren. Auch dies stellt eine Gefahr für die innere Pressefreiheit dar. Umso wichtiger ist es, die innere Pressefreiheit und damit einen unabhängigen Journalismus zu unterstützen. Wenn Menschen sich über die Zeitung über das informieren wollen, was vor Ort passiert, dann sind sie auf die regionale Tageszeitung angewiesen. Dazu braucht es Journalistinnen und Journalisten, die ihr Handwerk verstehen und nicht nur aus einer Perspektive berichten, sondern unterschiedliche Sichtweisen darstellen.

Wenn die Berichterstattung dann durch Vorgaben eingeschränkt wird, dann gibt es dort, wo es keine Medienvielfalt gibt - und das ist fast überall in Schleswig-Holstein der Fall -, möglicherweise keine Möglichkeit für die Leserinnen und Leser, dies nachzuvollziehen. Deshalb ist es wichtig, dass die Rechte der Journalistinnen und Journalisten gegenüber den Verlagen gestärkt werden, weil ihre Rechte in Monopolzeitungen mehr bedroht sein könnten als dort, wo es Konkurrenz gibt.

(Beifall PIRATEN)

Wenn es tatsächlich feststehende Vorgaben in Redaktionen gibt, dann sollte dies auch transparent gemacht werden. Ähnlich wie Pressevertreter oft von der Politik zu Recht Transparenz einfordern, muss das auch in den Redaktionen gewährleistet werden.

(Beifall PIRATEN)

Wenn es eine Grundausrichtung in einem Verlag geben sollte, dann sollte man dies auch veröffentlichen. Es gibt bereits Redaktionsstatuten, worauf die Kollegen bereits hingewiesen haben. Die „taz“ ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Aber auch die „Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“ sowie die öffentlich

rechtliche Rundfunkanstalten praktizieren dies bereits.

Besonders das Redaktionsstatut der „taz“ ist interessant und bezüglich der Rechte der Redaktion gegenüber der Chefredaktion sehr weitgehend. Das ist aus grüner Perspektive begrüßenswert. Wenn es also schon Vorbilder gibt, dann gibt es gar keinen Grund, warum die Zeitungen in Schleswig-Holstein nicht ebenso Redaktionsstatute haben können. Eigentlich sind gesetzliche Vorgaben dafür nicht unbedingt notwendig; denn sie könnten es bereits tun.

Wir Grüne fordern die Redaktionsstatute ebenso wie die Gewerkschaften. Der Journalistenverband, aber auch die Gewerkschaft, in der ich Mitglied bin, nämlich ver.di, macht das. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Wir sollten gemeinsam im Ausschuss beraten, wie die Pressefreiheit gestärkt werden kann. Natürlich ist auch richtig, was der Kollege Eichstädt gesagt hat. Meinungsvielfalt sichert man nicht nur durch ein Redaktionsstatut. Das muss aber auch kein Gegensatz sein. Diese beiden Sachen gehören zusammen und könnten auch im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf beraten werden. Das wollen wir jedenfalls sehr gern tun.

Wir wollen das aber auch mit denen tun, die dazu eine andere Meinung haben und die auch in diesen Prozess hineingehören und überzeugt werden müssen. Das Ganze wird bestmöglich geregelt, wenn man dazu einen breiten Konsens herstellen kann. Im Endeffekt sind das auch die Personen, die in ihren Redaktionen damit arbeiten müssen.

Ich freue mich auf die Debatte. Ich bedanke mich für den Gesetzentwurf; denn er gibt die Gelegenheit zur Debatte. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Breyer hat für seinen Gesetzentwurf Mark Twain ins Feld geführt. Ich antworte mit Friedrich Dürrenmatt, der einmal gesagt hat, an den Weltuntergang glaube er nur dann, wenn er Zeitung lese.

(Rasmus Andresen)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht geeignet, die Pressefreiheit zu stärken. Er ist vielmehr aus meiner Sicht eine Gefahr für die Presse.

(Beifall FDP)

Vielleicht sollte man den PIRATEN nach ihren turbulenten Darbietungen der vergangenen Tage und Wochen den Rat geben, ähnliche Regelungen, wie sie sie der Presse angedeihen lassen wollen, erst einmal selber in ihrer eigenen Fraktion auszuprobieren,

(Beifall FDP)

einschließlich der Schaffung einer Fraktionsvertretung mit ähnlichen Rechten und Aufgaben

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: So etwas gibt es bei uns schon, Herr Dr. Klug!)

- das ist ja wunderbar -, wie sie auch die von den PIRATEN angestrebten Redaktionsvertretungen haben sollen. Das wäre in erster Linie die Durchsetzung der Fraktionsfreiheit gegenüber einem möglicherweise autoritären Fraktionsvorstand. Ich möchte dazu sagen, dass Fraktionsführungen nicht von Natur aus so basisdemokratisch gestimmt sind wie etwa bei Herrn Kubicki oder Herrn Dr. Stegner. Man hört, dass der Kollege Günther mittlerweile auch schon entsprechende Anwandlungen haben soll.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Die PIRATEN könnten dann nach anderthalbjähriger Praxis ein Resümee ziehen und schauen, ob das funktioniert, was sie der Presse vorschlagen. Man sollte selber also erst einmal vormachen, was man anderen angedeihen lassen will.

Meine Damen und Herren, im Übrigen sind die Redaktionen hierzulande mittlerweile zahlenmäßig sehr ausgedünnt und schwach besetzt. Fast alle der nicht mehr dort tätigen Personen sind mittlerweile zu ihrem persönlichen Glück - meistens in Pressestellen im Bereich der Landesregierung übergewechselt. Das heißt, dass nur ganz wenige Redakteure die Produktion der Zeitung und damit das Inhaltliche tragen. Wenn man diese mit dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Sitzungs- und Gremienzirkus beschäftigen würde, dann wäre die Zeitung um die Hälfte dünner als heute.

Das würden vielleicht diejenigen befürworten, die derzeit in vielen Artikeln in ihrer Arbeit kritisch beleuchtet werden. Das betrifft natürlich vorrangig die Landesregierung, die dann weniger Kritisches über sich in den Blättern lesen müsste. Ich meine, das

wäre aber eine Verarmung der ohnehin nicht besonders reich bestückten Presselandschaft.

Kurz: Wir Freien Demokraten haben erhebliche Zweifel, was die Sinnhaftigkeit der technokratischen pseudodemokratischen Regelungswut der PIRATEN in Sachen innere Pressefreiheit betrifft. Sie sollten sich vielleicht noch einmal fragen - das meine ich sehr ernst -, wozu eine Regelung führt, dass ein privater Geldgeber die Veranstaltung Presse zwar finanzieren soll, dann aber überhaupt nichts mehr zu sagen hat. Das würde eher dazu führen, dass sich noch mehr als bisher die Angebotspalette in diesem Bereich verringern würde. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Nun hat der Kollege Lars Harms für die Abgeordneten des SSW das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Satz: „Journalisten arbeiten völlig unabhängig“, ist genauso realistisch wie der Satz: „Die Erde ist eine Scheibe“. Jeder Journalist und jede Journalistin bringt eigene Meinungen, persönliche Lebenserfahrung und Voreingenommenheit mit. Presseleute sind keine Maschinen.

Schon vor zwanzig Jahren hat der Journalist HansJoachim Friedrich seine Kollegen gewarnt, sich nicht gemeinzumachen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten. Das Ringen um professionelle Distanz kostet allerdings Zeit und Geld und droht daher im Wettbewerb um Quoten und Klicks unterzugehen.

Billige Leserreporter mit dem allseits schussbereiten Handy sind inzwischen in vielen Redaktionen zum Standard geworden. Schnelle Meinungen herauszuschießen, hat aber überhaupt nichts mit professionellem Journalismus zu tun.

Probleme der inneren Pressefreiheit, die sogenannte Schere im Kopf, werden schon seit Jahrzehnten beklagt. Korrumpierte oder schlichtweg unfähigen Journalismus gab es schon immer; allerdings spielte das in einer bunten, abwechslungsreichen Presselandschaft keine so große Rolle. Es gab genug Gegengewichte.

Trotz des aktuellen Titelbooms an Kiosken und im Internet verfällt die veröffentlichte Meinung zunehmend und verliert an Farbe: Immer die gleichen

(Dr. Ekkehard Klug)

Treffen werden zwar von mehr Kamerateams abgelichtet, aber der Zuwachs an Informationen ist dabei gleich Null. Viel hilft also nicht viel.

In Brandenburg ist es bereits gesetzlich geregelt, dass kein Redakteur gegen seine eigene Meinung publizieren muss.

(Zuruf PIRATEN: Gut so!)

Das wurde vor mehr als zwanzig Jahren nach heftigen Auseinandersetzungen mit den Verlegern verabschiedet. Dort war im Zuge der Privatisierung durch die Treuhand ein Medienoligopol weniger Großverleger entstanden.

Man geht inzwischen davon aus, dass in über 70 % der Landkreise in Ostdeutschland nur eine einzige Lokalzeitung erscheint. In Schleswig-Holstein haben wir es im lokalen Bereich ebenfalls mit Konzentrationsprozessen zu tun. Ob diesen allerdings mit dem vorliegenden Entwurf beizukommen ist, wage ich zu bezweifeln; schließlich funktioniert in den meisten Zeitungsverlagen die innere Pressefreiheit bereits jetzt. Der Verleger legt die grundsätzliche Haltung der Zeitung fest; die Redaktion formt diese Haltung eigenverantwortlich aus.

In der Begründung stellen die PIRATEN fest, dass durch die geplante Gesetzesänderung die Vielfalt an veröffentlichten Meinungen innerhalb ein und derselben Redaktion gewährleistet werden solle, solange denn die Konkurrenz fehle.

Wie habe ich mir das nun vorzustellen? Werden politische Ereignisse zukünftig in zwei oder mehreren Artikeln in derselben Zeitung unterschiedlich dargestellt werden? Oder werden immer mehrere Kollegen einer Zeitung an einer Sache dran sein? Ich glaube nicht, dass eine solche Art interner Meinungsvielfalt auch nur ansatzweise in der Praxis funktionieren kann. Oder soll solange diskutiert werden bis so eine Art amtlicher Verlautbarung mit einer nichtssagenden Faktenauswahl dabei herauskommt? Das wäre dann ja möglicherweise der Kompromiss.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Hoffentlich nicht!)

Ich will damit nur sagen, dass es technisch ziemlich schwierig ist, das, was Sie ins Gesetz schreiben wollen, auch wirklich umzusetzen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und FDP)

Sogar in den Reihen der antragstellenden Piratenfraktion gibt es Zweifel, ob das Gesetz zur Stärkung der inneren Pressefreiheit in der Realität überhaupt umsetzbar ist, also einen messbaren Nie