Protocol of the Session on September 16, 2015

Das Problem beginnt also tatsächlich mit dem Anwerben junger Kräfte, um die sich künftig und auch heute schon viele Arbeitgeber bemühen. Doch erst heute beklagt die Wirtschaft den großen Fachkräftemangel und den schlechten Bildungsstand von Bewerberinnen und Bewerbern. Wenn wir die schulisch Guten, die tatsächlich Besten, für den öffentlichen Dienst haben wollen, müssen wir diesen Leuten etwas anbieten, was konkurrenzfähig zu dem ist, was die Wirtschaft anbietet. Und genau an dieser Stelle sehe ich in dem Entwurf erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Richtig und gut sind die familienorientierten Bestandteile und Verbesserungen des Entwurfs, von Arbeitszeitmodellen bis hin zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Etwas, was allerdings tatsächlich zur Erneuerung und Verbesserung führen könnte, fehlt komplett. Da wäre und da ist auch mehr Mut zu Veränderungen nötig. Denn es ist so, dass man auch traditionelle Werte und Rechte im Beamtenrecht, die gerade von sehr leistungsorientierten Bewerbern als Motivationshemmer begriffen werden, hätte angehen müssen. Damit meine ich, dass Spitzenleute tatsächlich auch schneller Spitzenfunktionen erreichen können müssen. Dem steht leider ein antiquiertes Beurteilungs- und Beförderungssystem im Weg, das immer noch zu sehr den traditionellen Werten und der Alimentierung dient.

(Beifall PIRATEN)

Ein von Dienstaltersstufen geprägtes Besoldungssystem, das ein wirklich gutes Einkommen vom Lebens- oder vom Dienstalter abhängig macht, steht einer echten Leistungsbezahlung diametral entgegen. Es belohnt die Routine und nicht Engagement. Deshalb sollten wir auch darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll sein kann, Spitzen- und Leitungsfunktionen so zu besetzen, dass sie zunächst einmal auf Zeit und erst nach zweifacher Bewährung endgültig vergeben werden.

Außerdem brauchen wir bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst durchaus mehr Flexibilität. Wir müssen uns beispielsweise vorstellen können, dass der Angehörige eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei während seiner Zugehörigkeit zum SEK nach A 11 besoldet wird und weiß, dass er, wenn er

in den normalen Dienst zurückkehrt, wieder in seine alte Besoldungsstufe zurückkehrt.

Demgegenüber liegen die Schwerpunkte des Entwurfs nach meinem Geschmack zu sehr auf dem Ende der Dienstzeit, beziehungsweise hält der Entwurf gute Regelungen für diejenigen bereit, die schon da sind. Diese Themen sind jedoch für junge Bewerberinnen und Bewerber eher von untergeordneter Bedeutung. Sie gründen erst einmal eine Familie und brauchen für den Hausstand und andere Dinge Geld. Beim Geld haben Sie schon einiges getan, Sie haben die Berufsgruppen genannt. Aber damit werden wir nicht auskommen. Junge Leute wollen auch in andere Bereiche als in das Finanzamt, zur Feuerwehr, zur Polizei oder in die Justiz.

Das alles sollte sich unbedingt auch in den Ausschussberatungen wiederfinden, indem wir in das Gesetz auch attraktivere Modelle für junge Menschen als Leistungsanreize einfließen lassen. Sonst verpassen wir die Chance, durch eigenes kluges Handeln dem öffentlichen Dienst eine Perspektive zu bieten, die den von mir eben genannten Standortvorteil bedient.

Herr Ministerpräsident, was das Tempo angeht, müssen wir tatsächlich schnell sein. Insofern stimme ich Ihnen auch vollständig zu, was den Einsatz von Pensionären und diese Dinge angeht. Allerdings glaube ich, dass wir vor dem Hintergrund der Problematik, die ich bei den Leistungsanreizen aufgezeigt habe, doch eine intensivere Debatte und auch eine Anhörung brauchen, die uns unter Umständen dann weiterhilft, geeignete Wege zu finden. Denn diese können wir nicht nur landesisoliert finden, da müssen wir uns auch mit dem Bund einigen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Vielen Dank. - Das Wort für die Kolleginnen und Kollegen des SSW erteile ich dem Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Bismarck-Zitat, das gerade eben der Kollege Dudda benutzt hat, wollte ich meine Rede eigentlich auch anfangen. Das spare ich mir jetzt, weise aber trotzdem darauf hin, dass Gesetze auch umgesetzt werden müssen, und es sind eben keine Maschinen, sondern echte Menschen, die das tun. Von ihrer Einsatzbereitschaft

(Wolfgang Dudda)

hängt unser Gemeinwesen ab. Schlechte Beamte, um noch einmal auf das Zitat zurückzukommen, sind keine schlechten Menschen, sondern sie leisten möglicherweise schlechte Arbeit, weil sie unmotiviert oder unzufrieden sind. Wir sind also als Gesetzgeber gut beraten, sowohl bei der Auswahl der Beamten umsichtig zu sein, als auch im Laufe des Berufslebens Rahmen zu schaffen, die die Beamten unterstützen und ihre Sorgen ernst nehmen. Das tut der Innenminister nun und legt ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor.

Die Modernisierung des Beamtenrechts hat auch etwas mit der demografischen Entwicklung zu tun. Der öffentliche Dienst konkurriert jetzt um wenige Neueinsteiger, während gleichzeitig Tausende Beamte aus Altersgründen ausscheiden werden. Die Decke wird also dünn. Darum ist es gut, dass der Gesetzentwurf an beiden Punkten ansetzt und Maßnahmen vorstellt, um einerseits Nachwuchskräfte zu rekrutieren, und andererseits die Potenziale älterer Beschäftigter besser zu nutzen.

Darüber hinaus ist die Flexibilisierung und Vereinfachung des Beamtenrechts längst überfällig. Die Zahl der Beamtenratgeber, wenn man sie denn so nennen will, wächst ins Unermessliche, weil die Leistungsregelungen immer komplizierter werden. Das muss sich ändern. Viele Regelungen im komplizierten Beamtenrecht sind in Wirklichkeit Verbote.

Darum werden unter anderem die Hinzuverdienstregelungen für Verwendungen im öffentlichen Dienst durch das vorliegende Gesetz verbessert. Dass ein Beamter im Ruhestand beispielsweise nicht als Mentor eingesetzt werden kann, hängt genau mit solchen Regelungen zusammen. Da lassen wir aus Prinzip manches Engagement brach liegen und verschwenden Potenziale. Das hätte eigentlich schon viel früher optimiert werden müssen, das wissen wir alle, aber es ist gut, dass es jetzt angepackt wird.

Teilzeit ist eine Form der Beschäftigung, mit der sich viele Vorgesetzte immer noch schwertun. Teilzeit im Team heißt für den Chef im ersten Moment mehr Arbeit, weil der Koordinierungsaufwand steigt. Andererseits ist Teilzeit für den betreffenden Beamten, vor allem wenn diese aus familiären Gründen nur vorübergehend ist, ein enormer Gewinn an Lebensqualität.

Die Familienpflegezeit ist dabei eine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung, die jetzt fest im Beamtenrecht des Landes Schleswig-Holstein verankert wird. Ob die entsprechende Vorschrift so de

tailliert sein muss, sei dahingestellt. Aber das neue Recht bietet Pflegepersonen eine erhebliche Unterstützung. Wer sich einmal um einen pflegebedürftigen Angehörigen gekümmert hat, der weiß, welch enormer zeitlicher Aufwand damit verbunden ist. Das ist in den seltensten Fällen mit einer Vollzeitbeschäftigung zu verbinden. Darum ist die Erweiterung des Landesbeamtengesetzes um den Anspruch auf Pflegezeit für Beamtinnen und Beamte eine gute Idee. Das neue Gesetz entlastet den Pflegenden und erhält gleichzeitig dem öffentlichen Dienst einen engagierten Beschäftigten. Neu und gut ist dabei, dass ein Anspruch besteht. Das Gesetz verzichtet darauf, den Pflegenden auch noch zum Bittsteller zu degradieren. Das findet unsere ausdrückliche Zustimmung. Ich würde mir im Übrigen wünschen, dass viele Männer unter den Beamten diese Möglichkeit nutzen.

Da Teilzeit nicht nur wegen familiärer Gründe zum Tragen kommt, ist das neue Modell „Altersteilzeit 63 plus“ ausdrücklich zu loben. Die neue Regelung entspringt dem Wunsch vieler Beamtinnen und Beamte, sich weiterhin beruflich zu engagieren. Außerdem lehnen viele einen abrupten Wechsel von 100 % auf null ab. Der gleitende Übergang ist also im Interesse der Beschäftigten und entlastet gleichzeitig den Arbeitgeber, der langfristiger und etwas entlasteter planen kann. Allerdings sollten wir die Entwicklung genau beobachten, um zu sehen, ob die Modelle, zwischen denen der Beamte wählen kann, tatsächlich den Wünschen entsprechen.

Alles in allem wird das neue Beamtenrecht moderner und entspricht mehr der Lebenswirklichkeit. Sehen wir uns einmal an, welche Schwerpunkte die einzelnen Redner heute gelegt haben. Alle sechs Redner haben unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Das zeigt, wie vielfältig dieses Gesetz ist, und wie gut die Beamten mit einer solchen neuen Gesetzgebung möglicherweise leben können. - Ich freue mich auf die Ausschussberatungen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, der Herr Ministerpräsident bittet erneut um das Wort. Ich erteile es ihm hiermit gern.

Nur eine kurze Ergänzung, weil dies ein Punkt ist, der uns in der Gesetzesberatung sehr wichtig war und Herr Klug ihn angesprochen hat: Der Entwurf

(Lars Harms)

enthält sehr wohl etwas, was Herr Klug „Inselzulage“ genannt hat, und zwar in einer sehr ausgeprägten Form. In Artikel 2 Nummer 5 ist diese in Höhe von 600 € genannt, und zwar besoldungsgruppenunabhängig. Wir halten dies für sehr geeignet, um den Herausforderungen gerade auf den Nordseeinseln, aber auch an anderen Orten, an denen es Not tut, gerecht zu werden. Wir haben dies nicht so genannt, aber es ist genau das. Dies ist in dem Entwurf also sehr wohl enthalten. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Ihnen dies bewusst ist.

(Beifall Lars Winter [SPD] und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen und schließe deshalb die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/3154 an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dann ist das einstimmig so beschlossen. - Frau Harms macht mich darauf aufmerksam, dass es Sinn macht, mitberatend an den Finanzausschuss zu überweisen. Damit sind Sie einverstanden? - Oder sollen wir noch einmal darüber abstimmen?

(Zurufe)

- Gut, dann ist einstimmig die Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Finanzausschuss beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der inneren Pressefreiheit

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/3162

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht, ich eröffne die Grundsatzberatung. - Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Patrick Breyer von der Piratenfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf zur Stärkung der inneren Pressefreiheit, den wir heute beraten, soll deutschlandweit erstmalig die Unabhängigkeit der Redaktionen vom Verlag gesetzlich garantieren, die Meinungsfreiheit der Redakteure schützen und ein

Recht auf Wahl einer Redaktionsvertretung einführen.

Warum schlagen wir das vor? - Ein amerikanischer Journalist sagte einmal: Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun. Die Menschen in unserem Land wollen die Wahrheit erfahren, sie wollen Transparenz und kritisches Hinterfragen dessen, was passiert. Umfragen zufolge haben leider aber inzwischen die meisten Menschen das Vertrauen in die Medien verloren und beklagen Fehlinformationen oder Einseitigkeit der Berichterstattung.

Jetzt kann man sagen: Diese Klage ist nicht ganz neu, denn schon Mark Twain spöttelte: Wer die Zeitung nicht liest, ist uninformiert. Wer sie liest, ist fehlinformiert. Aber ich glaube, ernst nehmen muss man das Problem in dem Moment, in dem man liest, was die Journalisten selbst sagen. In einer Umfrage aus dem Jahr 2013 der Journalistengewerkschaften berichten Journalisten nämlich von einem enger werdenden Meinungsspektrum und einer zunehmenden Rücksichtnahme auf Anzeigenkunden bei der Berichterstattung. 50 % der Befragten beklagten gar, das Zurückhalten wichtiger Nachrichten, unter anderem wegen wirtschaftlicher oder politischer Interessen des Verlags oder des Chefredakteurs, komme vor. So die Studie „Gefahren für die Innere Pressefreiheit 2013“.

Auch wenn solche Fälle ganz sicher nicht der Normalfall sind, das haben mir die Journalistinnen und Journalisten hier in Schleswig-Holstein, mit denen ich gesprochen habe, versichert, so begrüßen hier im Norden beide Journalistengewerkschaften, der Deutsche Journalisten-Verband und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, unsere Initiative. Es gelte, auch gegen den Willen von Anzeigenabteilungen und Geschäftsführungen kritische Recherche und Berichterstattung durchzusetzen.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Vor diesem Hintergrund sieht unser Gesetzentwurf deutschlandweit erstmalig vor, die Unabhängigkeit der Redaktion vom Verlag festzuschreiben und ein Recht auf Wahl einer Redaktionsvertretung einzuführen. Es geht bei dem Gesetzentwurf nicht darum, von staatlicher Seite in die Redaktionsarbeit hineinzuregieren, sondern darum, die Redaktionen von innen heraus so zu stärken, dass sich die Pressefreiheit und Transparenz gegen anderweitige Interessen durchsetzen können.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Weil ich mich über diesen Punkt schon mit dem Verlegerverband und dem sh.z-Chefredakteur auseinandergesetzt habe, will ich betonen: Dieser Gesetzentwurf ist das Ergebnis einer Abwägung. Es ist ein moderater Gesetzentwurf. Es ist zum Beispiel keine Verpflichtung zur Wahl von Redaktionsvertretern oder aber zu Redaktionsstatuten enthalten. Das sehen wir absichtlich nicht vor. Wir haben uns diese Vorschläge auch nicht ausgedacht.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie eine Frage haben, Herr Kollege. - Wir haben uns die Regelungen, die wir vorschlagen, nicht ausgedacht, sondern sie haben sich andernorts bereits langjährig bewährt. Wir haben teilweise aus Österreich und teilweise aus der Schweiz Regelungen zur Übernahme vorgeschlagen.

Sicherlich können wir die wirtschaftlichen Probleme der Presseverlage mit diesem Gesetzentwurf nicht lösen. Aber wir können die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das öffentliche Vertrauen in die Qualitätspresse gestärkt wird, für die die Menschen zu zahlen auch bereit sind.

(Beifall PIRATEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir möchten, dass Schleswig-Holstein Vorreiter bei der Pressefreiheit wird und deutschlandweit mit diesem Gesetz Maßstäbe setzt. Da sich der Kollege Eichstädt als medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion schon 2005 sogar für noch weitergehende Maßnahmen ausgesprochen hat, gehe ich davon aus, dass unsere Initiative auch Ihre grundsätzliche Unterstützung findet und dann entsprechend angegangen und umgesetzt werden kann.