Ziemlich zu Beginn des Berichtzeitraums, genau am 6. Juni 2013, steht ein Ereignis, in dessen Folge für den Datenschutz weltweit ein geradezu brutaler Ernüchterungsprozess eingetreten ist. Am 6. Ju
ni 2013 veröffentlichten die „Washington Post“ und der „Guardian“ die geheimen Dokumente der NSA und des GCHQ mit Hilfe des Whistleblowers Edward Snowden. Immer neue Enthüllungen Snowdens haben seitdem das Vertrauen in die Unverletzlichkeit unserer Computer und unserer Telekommunikation in Deutschland zutiefst erschüttert.
Meine Damen und Herren, heute wissen wir, dass die Geheimdienste der Staaten USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland bereits seit Ende der 1990er-Jahre bis heute weltweit die Telekommunikation von Milliarden Menschen, von Regierungsrepräsentanten und Politikerinnen und Politikern, von Unternehmen und Institutionen abfangen, aufzeichnen, analysieren und verwerten
- und dies beileibe nicht nur zum Zwecke der Terrorbekämpfung. Im Mittelpunkt stehen mindestens gleichberechtigt politische und wirtschaftliche Interessen. Inzwischen müssen wir auch davon ausgehen, dass deutsche Nachrichtenbehörden wie der BND aktiv und wissentlich in das illegale Agieren der ausländischen Geheimdienste verstrickt sind.
Meine Damen und Herren, viele haben das Vertrauen in den faktischen Bestand des Grundrechts auf informelle Selbstbestimmung mittlerweile verloren.
Gemessen daran mögen die im vorliegenden Bericht für Schleswig-Holstein aufgezeigten Probleme und Verstöße wenig gravierend erscheinen. Die Enthüllungen Snowdens machen aber schlagartig deutlich, wie verletzlich unsere informationstechnischen Strukturen sind und welchen enormen Stellenwert der Schutz unserer Daten angesichts der unermesslichen Datensammelwut von Behörden und Unternehmen bei gleichzeitig kaum begrenzten Speicherungs- und Verarbeitungskapazitäten hat.
Wir schätzen uns daher glücklich, über elf Jahre in der Person von Thilo Weichert einen in ganz Deutschland und Europa hoch anerkannten Datenschützer in unserem Land gehabt zu haben, der wie kaum ein anderer für den Schutz unserer Daten kompetent, streitlustig und öffentlichkeitswirksam nicht nur eingetreten ist, er hat mit Leib und Seele dafür gekämpft. Lieber Thilo Weichert, dafür gebührt dir großer Dank.
Du wärest auch nicht der Datenschützer, den wir alle kennen und schätzen, wenn du uns in den Bericht
nicht einige Dinge zur dringlichen Erledigung hineingeschrieben hättest, verbunden mit dem Hinweis auf bisherige Saumseligkeit. Dies betrifft zum Beispiel die notwendige Anpassung des Landesverwaltungsgesetzes an die erheblich erweiterten Anwendungsbereiche des Polizeisystems @rtus. Dieses vormals nur zu Bearbeitung von Vorgängen genutzte System hat sich in der Praxis zwischenzeitlich zu einem umfassenden Programm aus Vorgangsbearbeitung, Information und Auswertung entwickelt. Diese Weiterentwicklung wird vom bestehenden Wortlaut der Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes aber nicht gedeckt. Hier ist in der Tat gesetzlicher Handlungsbedarf dringend gegeben.
Zum anderen steht auch noch die Weiterentwicklung des Informationszugangsgesetzes zu einem Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild aus. In Artikel 53 der neuen Landesverfassung haben wir uns zwar zwischenzeitlich zu umfassender Transparenz verpflichtet, die erforderliche einfachgesetzliche Umsetzung steht allerdings noch aus.
Auch die technischen und organisatorischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um den Verfassungsauftrag für mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung mit Leben zu erfüllen.
Lieber Thilo Weichert, ich persönlich wünsche dir, dass die gerichtliche Auseinandersetzung des ULD um die Frage der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit der Betreiber von Facebook-Fanpages vor dem Bundesverwaltungsgericht von Erfolg gekrönt sein wird.
Das letzte Wort in diesem Rechtsstreit ist bekanntlich noch nicht gesprochen. Vielleicht gilt auch in dieser Frage, in der du bisher so viel Kritik erfahren hast, der Satz: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
In diesem Sinne: Kämpfe weiter für den Datenschutz! Andere werden sich glücklich schätzen, deine enormen Kompetenzen weiter nutzen zu dürfen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuletzt hat der groß angelegte Hackerangriff und Datenklau im IT-Netz des Deutschen Bundestages sehr viel Aufsehen erregt. Vielleicht hat dieser spektakuläre Vorgang zumindest eine gute Seite, dass nämlich die deutsche Politik aus ihrem Winterschlaf in Sachen Datenschutz aufwacht und endlich die Herausforderungen in diesem Bereich ernst nimmt.
Dass die deutsche Politik da noch etwas nachzuholen hat, zeigt auch der hier zu beratende Bericht des ULD. Dort hat nämlich Herr Weichert bei der Vorstellung festgestellt, dass man in den letzten beiden Jahren auch für unser Land im Bereich Datenschutz Stillstand vermelden müsse. Seitens der Landesregierung scheint dies jedenfalls kein Thema zu sein. Die Verarbeitung von Steuerdaten durch Kommunen erfolgt hierzulande ohne gesetzliche Grundlage, so ein Kritikpunkt des Landesdatenschutzbeauftragten. Das ist nur einer von mehreren. Sowohl im kommunalen Bereich als auch in den Ministerien liegt da noch manches im Argen, was nachzubessern ist. Es besteht also Handlungsbedarf zur Genüge. Im Einzelnen werden wir das in den Ausschüssen anhand des Berichts noch nacharbeiten.
Die neue Datenschutzbeauftragte - auf diesem Feld ja hierzulande eine gute Bekannte - wird also in den kommenden Jahren genügend Aufgaben haben, der Landesregierung und dem Landesparlament bei der Modernisierung, der Aktualisierung und Stärkung des Datenschutzes mit ihrer Sachkompetenz beratend zur Seite zu stehen und, wo immer es nötig ist, auch auf konsequentes politisches Handeln zu drängen.
Wir Freie Demokraten danken dem nun aus dem Amt ausgeschiedenen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert für die von ihm geleistete Arbeit. Seine Leistung in zwei Amtsperioden ist ansehnlich und bemerkenswert. Insgesamt überwiegt bei Weitem das Positive, auch wenn wir in der Vergangenheit an dieser oder jener einzelnen Aktion unsere Kritik anzubringen hatten.
Stichworte sind zum Teil schon genannt worden, etwa die aus unserer Sicht nicht notwendige Verunsicherung mittelständischer Firmen im Zusammenhang mit der Facebook-Aktion,
die ja auch die Kolleginnen und Kollegen Datenschutzbeauftragte des Bundes und der Länder, wie wir feststellen mussten, überhaupt nicht geteilt haben.
Aber das sind, wie gesagt, Ausreißer. Insgesamt das muss man hier feststellen - hat sich Herr Weichert um unser Land im Bereich des Datenschutzes große Verdienste erworben.
Dass wir ihn nicht ein drittes Mal mitwählen konnten, hängt - das wissen Sie - nicht mit unserer grundsätzlichen Kritik an seiner Arbeit zusammen, sondern damit, dass wir aus Überzeugung das Amt auf zwei Wahlperioden begrenzt wissen möchten.
Deshalb war die Entscheidung für uns klar. Wir wünschen Frau Marit Hansen viel Erfolg bei ihrer Tätigkeit für die kommenden Jahre!
Persönlich möchte ich anmerken, dass mich besonders ihr konsequentes Eintreten für den Datenschutz im Zusammenhang mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung beeindruckt hat.
Ich bin wirklich überzeugt, dass Frau Hansen in der neuen Position für dieses Bundesland, für unser Schleswig-Holstein, ein großer Gewinn sein wird. Danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die PIRATENFraktion erteile ich dem Abgeordneten Patrick Breyer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte meine Rede mit einem Dank beginnen, und zwar an Herrn Dr. Thilo Weichert für seine Leistungen und Verdienste um den Datenschutz. Sie sind vielleicht der profilierteste Botschafter des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Deutschland. Deswegen auch von unserer Seite noch einmal Anerkennung für alles, was Sie für den Datenschutz getan haben!
Ich will ausdrücklich hinzufügen, dass dieser Dank auch die Klage gegen die Datenkrake Facebook einschließt. Auch bei den anderen Punkten, die Herr Dr. Bernstein genannt hat, können Sie uns an Ihrer Seite wissen.
Außerdem freue ich mich, dass Ihre Nachfolgerin, Marit Hansen, diese Debatte verfolgt. Deswegen darf ich ihr persönlich zur Wahl gratulieren. Frau Hansen, Sie sind eine topqualifizierte Datenschützerin, eine Kritikerin der Vorratsdatenspeicherung, parteilos und als Informatikerin die Richtige für den Schutz unserer Daten im Zeitalter der digitalen Revolution, der allgegenwärtigen Datensammlung und der Massenüberwachung. Deswegen gratulieren wir herzlich zur Wahl. Auf gute Zusammenarbeit!
Nun haben wir leider sehr viel miteinander zu tun. Wenn wir uns den Tätigkeitsbericht der vergangenen zwei Jahre anschauen, dann stellen wir fest, dass es um den Schutz unserer Daten in SchleswigHolstein schlecht bestellt ist. Dr. Thilo Weichert bescheinigt SPD, Grünen und SSW in der Landespolitik ausdrücklich einen Stillstand beim Datenschutz im Land. Ich muss ergänzen: Sie haben das informationelle Selbstbestimmungsrecht sogar massiv abgebaut und verletzt.
Ich will nur einige Stichworte aus dem Datenschutzbericht aufgreifen. Sie haben die Videoüberwachung massiv aufgestockt. Fahrgäste zwischen Flensburg, Kiel und Hamburg werden überwacht. Die Einsatzfahrzeuge der Polizei werden mit Überwachungsvorrichtungen ausgerüstet. In Justizvollzugsanstalten darf ebenso überwacht werden wie in psychiatrischen Krankenhäusern und im Maßregelvollzug. Sogar Demonstranten wollen Sie mit Überblicksaufnahmen überwachen.