Protocol of the Session on July 15, 2015

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eine außerordentlich breite Mehrheit in Dänemark den Wunsch hat, die Kriminalitätsbekämpfung an der Grenze effektiver zu gestalten. Wir können nur

darauf hinweisen, dass die Ziele der dänischen Politik auch auf anderen Wegen zu erreichen sind, etwa durch eine Verstärkung der bestehenden Instrumente. Wie ich es bereits gesagt habe, wird der Grenzraum in der Tat durch mobile Kontrollen von Polizei- und Zollbehörden überwacht. Eine Verstärkung dieses Einsatzes könnte die Grenzkontrollen - zumindest rein sachlich betrachtet - obsolet machen. Man muss kein Insider sein, um zu erkennen, dass die Alternativen zu den Wiedereinführungen der Grenzkontrollen in Dänemark zu wenig, wenn nicht sogar gar nicht diskutiert wurden. An dieser Stelle können und sollten wir als Parlament mit der neuen Regierung in Kopenhagen ins Gespräch kommen. Dies sollten wir tun, ehe man in Dänemark über den kommenden Haushalt beraten wird, denn erst dann wird absehbar sein, welchen Weg Dänemarks Regierung für das kommende Jahr tatsächlich einschlagen wird.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich der ehemaligen Abgeordnetenkollegin und heutigen Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Frau Anke Spoorendonk, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank! - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu Recht ist in Redebeiträgen darauf hingewiesen worden, dass Europa heute eine schwere Zeit durchmacht. Der Ukraine-Konflikt als ungelöster Dauerbrenner, Griechenland in einer existenziellen Krise, die deutlich über die Währungsfragen hinausreicht, und nicht enden wollende Flüchtlingsströme auf der Flucht vor Hunger, Armut und IS - alles dies gehört leider zum heutigen Europa dazu.

Auch vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der dänischen Parlamentswahlen am 18. Juni 2015 auch in den deutschen Medien ausführlich diskutiert worden. Die Schlagzeilen lauteten: „Rechtsruck in Dänemark“ und „Wiedereinführung von Grenzkontrollen“. Da wurden dann auch Erinnerungen an 2011 wieder wach. Mahnende Worte wurden laut. Ich denke, das ist auch gut so, denn es zeigt uns in Schleswig-Holstein: Es ist keineswegs egal, wie es unserem Nachbarn Dänemark geht, und schon gar nicht gleichgültig ist uns das Fortbestehen der en

(Jette Waldinger-Thiering)

gen partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich spreche hier nicht als Dänemark-Versteherin, sondern als Ministerin mit der Verantwortung auch für eine gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Dänemark. Gerade deshalb sage ich: Es ist dem neuen dänischen Staatsminister Lars Løkke Rasmussen hoch anzurechnen, dass er trotz seiner schmalen Basis im neuen Folketing der Forderung nach schärferen und vor allem permanenten Grenzkontrollen widerstanden hat.

(Beifall SSW, PIRATEN, vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Simone Lan- ge [SPD] und Birte Pauls [SPD])

Ein bisschen Wikipedia müsste ich dann doch noch hinzufügen: Die dänische Regierung ist - wie immer, hätte ich fast gesagt - eine Minderheitsregierung, eine sehr schmale Minderheitsregierung mit 34 Mandaten hinter sich. Lars Løkke Rasmussen muss, um Gesetzinitiativen und Initiativen insgesamt überhaupt umsetzen zu können, 90 Stimmen hinter sich vereinen. Er muss sich also immer 56 Stimmen aus dem Parlament holen. Es gibt nicht nur Blockpolitik nördlich der Grenze, die gab es in der Zeit der letzten bürgerlichen Regierung. Es gibt viel eher wechselnde Mehrheiten.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Das füge ich hinzu, weil dadurch noch einmal deutlich wird, warum das, was Lars Løkke Rasmussen jetzt gesagt hat, nicht unbedingt wieder infrage zu stellen ist. Er hat gesagt, dass es keine permanenten Grenzkontrollen mit seiner Regierung geben wird. Stattdessen hat er den Kurs ausgegeben, dass sich die Maßnahmen für bessere Bekämpfung von grenzüberschreitendem Menschenschmuggel, organisierter Diebstahlskriminalität und Drogenschmuggel im Rahmen der Regeln des geltenden Schengen-Abkommens bewegen sollen. Dazu sollen keine permanenten stationären Grenzkontrollen, sondern Stichprobenkontrollen vor allem des Zolls, Kennzeichenerfassung per Videokameras und eine verstärkte Polizeipräsenz im grenznahen Raum zählen. Das muss man nicht für gut halten,

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

aber das ist die Richtung. Das ist kein Grund für politisches Hyperventilieren, zumal diese Maßnahmen eng mit Brüssel und den Nachbarstaaten Dänemarks abgestimmt werden sollen. Ich könnte in Klammern hinzufügen, dass auch die Vorgängerregierung solche Maßnahmen im Blick hatte, dass

grundsätzlich schon im März 2015 beschlossen wurde, wie diese Kontrollen aussehen sollten.

Dass die Venstre-Regierung dies ernst meint, unterstreicht der Besuch des neuen dänischen Außenministers in Berlin bereits einen Tag nach Amtsantritt, um Bundesminister Steinmeier über diese Maßnahmen zu unterrichten, ebenso die Tatsache, dass der Staatsminister zeitgleich in Kopenhagen die dänische Presse unterrichtet hat.

Es ist gut, dass viele Stimmen aus Schleswig-Holstein deutlich gemacht haben, dass die Grenze nicht nur eine dänische, sondern auch eine deutsche Grenze in Europa ist, dass es Schleswig-Holstein nicht unberührt lassen könnte, wenn einseitig ein Wiederaufbau längst vergessen geglaubter sichtund spürbarer Grenzbarrieren verfolgt würde, und dass Schlagbäume innerhalb Europas bei Weitem nicht die einzig mögliche Form sind, um grenzüberschreitende Kriminalität wirksam zu bekämpfen, wohl aber die Gefahr bergen, über Jahrzehnte mühsam errungene Freizügigkeitsrechte innerhalb Europas zu beschneiden oder gleich ganz zurückzudrehen. Das aber wäre wirklich das Letzte, was die deutsch-dänische Grenzregion, die Fehmarnbelt-Region oder die deutsch-dänische Zusammenarbeit insgesamt gebrauchen könnten. Ich freue mich über die einhellige Meinung dieses Parlaments.

Umso wichtiger ist der Appell an die dänischen Parteien, der Vernunft den Vorrang zu geben. Ebenso wichtig ist, dass wir selbst in dieser Frage der dänischen Minderheitsregierung den Rücken stärken, aber auch einfordern, dass der Kurs innerhalb der Regeln des geltenden Schengen-Abkommens tatsächlich eingelöst wird.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und PIRA- TEN)

In Fragen wie diesen sollten wir nicht schulmeisterlich auftreten, aber wir sollten als guter Nachbar sagen, welches Dänemark wir in Europa brauchen: das liberale und weltoffene Dänemark, das selbstbewusst seine - eben diese - Stärken einbringt. Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Angelika Beer [PIRATEN])

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 18/3172 (neu) dem Europaausschuss zu überwei

(Ministerin Anke Spoorendonk)

sen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, die PGF haben mir gerade mitgeteilt, dass über den heute Morgen bekannt gegebenen Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/3219, noch abgestimmt werden muss. Mir ist gerade nicht klar, warum heute Morgen nicht über die Dringlichkeit abgestimmt wurde. Jetzt soll die Dringlichkeit begründet werden.

Ich rufe also noch einmal auf:

Unabhängige Patientenberatung sicherstellen

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3219

Mit Ihrem Einverständnis wird jetzt die Kollegin Dr. Marret Bohn von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Dringlichkeit begründen. Wir schieben dies in die laufende Tagesordnung ein. - Ist das so abgesprochen und für alle in Ordnung?

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Nicht abgesprochen, aber in Ordnung!)

- Das ist das Signal, das ich bekommen habe. - Ich sehe, dass Sie alle einverstanden sind, begrüße das und danke Ihnen für die Kooperation. - Jetzt hat Frau Dr. Bohn zur Begründung der Dringlichkeit das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, dass wir das kurzfristig klären können, weil wir heute Morgen noch nicht über die Dringlichkeit abgestimmt haben. Es geht um die unabhängige Patientenberatung. Der Dringlichkeitsantrag liegt Ihnen vor. Wir sind ja auch schon auf die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und die Fachsprecherinnen und -sprecher zugegangen.

Am 13. Juli 2015 ist in Medienberichten angekündigt worden, dass die Vergabe der unabhängigen Patientenberatung an ein Callcenter, einen Dienstleister erfolgen soll, der den Krankenkassen nahesteht. Wir sehen da einen erheblichen Interessenkonflikt.

Am 14. Juli 2015 ist eine Information der Verbraucherzentrale an die Fachsprecherinnen und -sprecher gegangen. Heute ist der 15. Juli 2015. Der Antrag liegt Ihnen vor. Es gibt eine Ergänzung. Vielen Dank. Der Kollege Breyer hat darauf hingewiesen, dass vor den Wörtern „Änderung des Sozialgesetzbuches“ der Buchstabe „V“ fehlt. Herr Kubicki guckt schon. Ich glaube, die Juristinnen und Juristen sagen immer Fünftes Buch Sozialgesetzbuch. Damit das ganz korrekt ist, ergänzen Sie bitte alle den Buchstaben „V“.

Wir möchten gern mit Ihnen darüber diskutieren, weil hier eine Festlegung für die Patientenberatung für die nächsten sieben Jahre erfolgen soll. Der Interessenkonflikt ist keine Kleinigkeit. Wir bitten um Zustimmung zur Dringlichkeit. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Gibt es eine Gegenrede zum Beitrag der Abgeordneten? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir jetzt darüber ab, ob der Dringlichkeitsantrag Drucksache 18/3219 in die Tagesordnung eingereiht werden soll. Ich weise darauf hin, dass wir dafür eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Wer stimmt der Dringlichkeit zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Dringlichkeit einstimmig bejaht. Ich bitte die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, dem Präsidium rechtzeitig mitzuteilen, an welcher Stelle dieser Antrag aufgerufen werden soll.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Freitag!)

- Das ist ein Vorschlag, den Sie gern miteinander besprechen können.

Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 4 kommen, möchte ich gern mit Ihnen gemeinsam Besucherinnen und Besucher der Seniorenunion aus Lübeck auf der Tribüne herzlich willkommen heißen. Willkommen im Landeshaus in Kiel!

(Beifall)

Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 4 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Kammer für die Heilberufe in der Pflege

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/2569

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 18/3181

Ich erteile dem Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Sozialausschuss hat den ihm durch Plenarbeschluss vom 21. Januar 2015 überwiesenen Gesetzentwurf in vier Sitzungen - darunter eine mündliche Anhörung -, zuletzt am 2. Juli 2015, beraten. Er empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der Gegenüberstellung in Drucksache 18/3181 anzunehmen. Änderungen gegenüber der Ursprungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Abgeordneten Katja Rathje-Hoffmann von der CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete und zum Teil liebe Gäste oben auf der Tribüne, die nichts sehnlicher erwarten als die Abstimmung heute! Ich muss ein bisschen Wasser in den Wein gießen. Ich fange einfach einmal an.