Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Wir beginnen mit der Beratung am heutigen Tag.
b) Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) hier: Rahmenplan für das Jahr 2015
Ich erteile dem Herrn Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Robert Habeck, für die Abgabe der Regierungserklärung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Guten Morgen von meiner Seite. Mit der Genehmigung des Programms für die ländlichen Räume vor wenigen Wochen ist die Entscheidung darüber gefallen, wie wir bis zum Jahr 2020 620 Millionen € in der Bruttosumme für das Land Schleswig-Holstein, vor allem für die ländlichen Räume, ausgeben. 620 Millionen € sind eine stolze Summe. Das ist mehr als eine halbe Milliarde Euro und rechtfertigt aus meiner Sicht allemal, dass wir erklären, wie und warum wir das Geld für welche Zwecke einsetzen.
Zunächst vielleicht zur Systematik: Die 620 Millionen € sind die Summe, die insgesamt ausgeschüttet wird. Die europäischen Gelder umfassen 419 Millionen €. Sie werden bis 2020 mit 80 Millionen € Landesgeld, 70 Millionen € vom Bund und weiteren 50 Millionen € von den Kommunen kofinanziert werden.
Diese Gelder sind immer umstritten gewesen. Diese Gelder sind deswegen umstritten gewesen, weil vor allem Teile der Landwirtschaft sagen, es handele sich um Bauerngeld, also Geld, das für die Bauern ausgegeben werden muss. Aus meiner Sicht ist das
aber bestenfalls die halbe Wahrheit; denn in Wahrheit handelt es sich um Steuergelder. Diese Steuergelder sind somit öffentliche Gelder. Aus diesem Grunde halte ich heute diese Regierungserklärung, um deutlich zu machen, wie die öffentlichen Gelder verwandt werden. Ich meine, die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wo eine Summe von mehr als einer halben Milliarde Euro bleibt.
Besonders deutlich wird dies in der Debatte, Bauerngeld sei Steuergeld, Anspruch auf öffentliche Gelder. Bei einem Teil dieser Gelder handelt es sich um eine Umschichtung von der sogenannten ersten Säule - das sind die Zahlungen, die für die Hektare ausgeschüttet werden - in die sogenannte zweite Säule, also die Säule, die die Gelder betrifft, die leistungs- oder aufgabenspezifisch gebunden ausgeschüttet werden. 17 % der 419 Millionen € aus dieser Umschichtung sind etwa 71 Millionen €. Das sind attraktive Gelder für das Land SchleswigHolstein, weil diese Gelder nicht kofinanziert werden. Entsprechend haben wir diese Gelder vor allem in die Landwirtschaft hineingezogen, aber zielgebunden und aufgabendefiniert. Es handelt sich dabei um öffentliche Gelder, und die werden eben nicht mehr mit der Gießkasse, sondern zielgerichtet ausgeschüttet.
Insofern ist diese damals umkämpfte, von der CDU, vom Bauernverband und vom Bundeslandwirtschaftsministerium abgelehnte, aber jetzt von vielen Seiten begrüßte Umschichtung - so kann Politik auch sein - aus meiner Sicht ein Einstieg in die grundsätzliche Abschaffung der ersten Säule, sodass öffentliche Gelder zukünftig nur noch für öffentliche Leistungen ausgegeben werden. Ich werde gleich noch ausführen, was das bedeutet.
Wir setzen diese Gelder vor allem und nahezu ausschließlich im Bereich der Landwirtschaft für die Bereiche ein, die uns dies wert sein sollten, die aber im Preis für die landwirtschaftlichen Produkte nicht abgebildet werden, konkret für Vertragsnaturschutz. Wir erhöhen die Mittel von 28 Millionen € auf 57 Millionen € für den Ökolandbau, der aufgrund seiner besonderen Arbeitsstruktur und vieler Probleme, die wir im Bereich der konventionellen Landwirtschaft haben, nicht beschert wird und der die Dienstleistungen für Biodiversität und Klimaschutz deutlich erhöht.
Wir setzen sie ein für die Reduzierung von Stickstoffeinträgen in die Natur, sozusagen als Gewässerschutzgelder für Gewässerrandstreifen. Wir geben 10 Millionen € für tierartgerechte Ställe aus und stellen damit in einer anderen Form das aus meiner Sicht zu Recht von der alten Landesregierung abgeschaffte landwirtschaftliche Investitionsprogramm AFP wieder ein, aber nicht allgemein und als allgemeiner Zuschuss, sondern zielgebunden für tierart- und tierwohlgerechte Ställe, die eine neue Qualität in die Haltung bringen sollen.
Wir geben 8 Millionen € für den Anbau von heimischen Eiweißpflanzen aus, um zumindest in der Tendenz die Importabhängigkeit von meistens genveränderten Soja aus Südamerika zu reduzieren.
Wir fördern Weidegang, wir fördern Beratung, wir fördern europäische Innovationspartnerschaften. Das ist ein neues Instrument, das den Wissenstransfer aus den Hochschulen oder den Forschungsinstitutionen in die Landwirtschaft, aber auch umgekehrt aus der Praxis der Landwirtschaft in die Hochschulen und in die Forschungsinstitutionen bringen soll. Und wenn ich das mit Dank und auch ein bisschen Stolz für mein Haus sagen darf: In diesem Bereich sind wir tatsächlich federführend in Deutschland, und viele Leute schreiben bei uns ab.
Ziel dieser Maßnahmen ist es, die starre Trennung zwischen ökologischer und naturschutzberücksichtigender Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft aufzuheben. Ziel dieser Maßnahmen ist, eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft und eine Leistungsfähigkeit der ökologischen Landwirtschaft herzustellen. So sind nahezu alle Programmbausteine so angelegt, dass sie für beide Berufssegmente passen. Sie sind eine Einladung an die konventionelle Landwirtschaft, sich dieser Debatte offen zu stellen und die Förderprogramme anzunehmen. Sie sind aber natürlich auch eine unterstützende Maßnahme für die Bereiche der Landwirtschaft, die aus ihrer eigenen Motivationslage heraus schon so arbeiten. Insofern hoffe ich tatsächlich, dass sich die mitunter harsche Debatte über diese Förderprogramme ein bisschen lockert und sich das zu einer gemeinsamen Debatte zusammenschließen kann.
Raum als attraktiver, lebenswerter und gerade angesichts des demografischen Wandels erhaltenswerter Raum gestützt wird. Dazu haben wir uns anders als im vorherigen Programm eine Reihe neuer Maßnahmen einfallen lassen. Wir haben sie programmiert und genehmigen können. Vielleicht kann man es unter dem Schlagwort von der Diversifizierung der Förderung fassen. Gelder für den ländlichen Raum geben wir jetzt nicht mehr nur ausschließlich für die Landwirtschaft aus, sondern das Geld kann auch für die Bereiche Schule und Bildung, also den Erhalt eines kleinteiligen Bildungsangebotes vielleicht gerade in den Orten, in denen die Grundschule davon bedroht ist, geschlossen zu werden, genutzt werden, immerhin 30 Millionen €. Noch einmal danke an das Bildungsministerium für die konstruktive Zusammenarbeit. Es waren ja auch da ein paar gesetzliche Änderungen notwendig.
Wir geben Geld für Kultur und Kulturleistungen aus. Wir fördern den Breitbandausbau und den Wegeausbau. Das gab es bereits vorher. Beim Wegeausbau haben wir die Summe stabil gehalten, beim Breitbandausbau noch einmal deutlich erhöhen können.
Wir fördern aber auch Direktvermarktung und kleinteilige Angebote, um im ländlichen Raum neue Berufsbilder, so will ich es einmal sagen, für Bauern zu schaffen, die sich ein bisschen breiter aufstellen wollen. Wir fördern erstmalig touristische Angebote im ländlichen Raum. Diese sollen sich vor allem mit Naturangeboten verzahnen, sodass es eine neue Synergie geben kann. Ich danke dem Tourismusministerium und Reinhard Meyer, dass er sehr wohl erkannt hat, dass ein attraktiver Naturraum auch ein attraktiver touristischer Raum ist. Die alte Gegenüberstellung von Massentourismus auf der einen Seite versus Naturschutz auf der anderen Seite kann sich mit den Geldern, die wir hier haben, ein bisschen aufheben.
Viele Programmpunkte sind Angebote. Gerade weil wir im Bereich Eiweiß, im Bereich tierartgerechte Ställe und im Bereich Tourismus neue Wege beschreiten, wissen wir ehrlicherweise nicht, ob sie ausreichend finanziert sind oder ob wir nachbessern müssen, ob sie angenommen werden oder überzeichnet werden. Das tolle an diesem Programm ist, dass wir neue Wege beschreiten. Das schließt mit ein, dass wir nachsteuern müssen, wenn bestimmte Programme sehr begehrt und andere weniger begehrt sind. Aber es ist allemal besser, als den alten
Dazu gehört auch, die etablierten und gut eingespielten AktivRegionen weiter zu unterstützen. Das tun wir mit 63 Millionen € bis 2020 für die AktivRegionen. Da ist also eine Menge Geld für eine Menge Kreativität im ländlichen Raum. Ich hoffe, dass das angenommen wird. Ich bin froh, dass die AktivRegionen die allgemeine Strategie freiwillig selber unterstützen. Wir haben mit den AktivRegionen vereinbart, dass Programmschwerpunkte im Bereich Klimawandel, Energie, Daseinsvorsorge und Bildung gesetzt werden sollen. Also auch da eine Konzentration auf die von uns und wahrscheinlich von allen Fraktionen als maßgeblich erkannten Programmpunkte.
Sehr geehrte Damen und Herren, damit hoffe, ich, dass die Öffentlichkeit sieht, dass das Geld gut angelegt wird, dass das Steuergeld sinnvoll und mit Bedacht ausgegeben wird. Ich weiß wohl, dass viele Leute sagen: „620 Millionen €, 419 Millionen € - so viel Geld für den ländlichen Raum, so viel Geld für die Landwirtschaft, so viel Geld für den Naturschutz!“. Ich möchte aber in Erinnerung rufen, dass etwa das Fünffache ohne eine Aufgabenbeschreibung ausgeschüttet wird. Wer also sagt: „Die europäischen Zahlungen für den ländlichen Raum sind zu hoch, es gibt zu viel Geld für den ländlichen Raum“, der sollte mit der Kritik nicht bei diesem Programm ansetzen, sondern bei den undifferenzierten und unkonditionierten Zahlungen, die einfach pro Hektar ausgeschüttet werden.
Insofern meine ich, dass mit dem Programmansatz, mit der Maßgabe „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ und mit der Art, wie diese öffentlichen Leistungen definiert sind, eine klare politische Linie erkennbar ist und Transparenz darüber eingeführt wird, wie diese Gelder verwendet werden.
Ich danke allen, nicht nur den Mitarbeitern in der Verwaltung, sondern ausdrücklich auch den Verbänden, die sich an diesem Prozess konstruktiv beteiligt haben, dafür, dass dieser über zwei Jahre dauernde, unglaublich mühsame Prozess jetzt zu einem Ende gekommen ist. - Vielen Dank.
Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne Bürgerinnen und Bürger aus Klein Offenseth-Sparrieshoop, aus Elmshorn das sind Gäste der Frau Abgeordneten Raudies -, dann Gäste der Max-Planck-Schule in Kiel und der Schule am Brook in Kiel-Gaarden. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen in Schleswig-Holsteins Landtag!
Anders als hier ausgedruckt spricht jetzt der Fachmann für das Thema von der CDU, das ist der Abgeordnete Rickers. Sie haben 10 Minuten.
Der Präsident hat ja erkannt, dass ich es bin. Ich finde, das ist schon genug der Ehre. Herr Präsident, ich freue mich, dass ich zu dem Thema sprechen darf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Regierungserklärung war zu diesem Schleswig-Holstein durchaus immer wieder betreffenden Thema Landwirtschaft und ländliche Räume. Herr Minister, Sie sind der Landwirtschaftsminister. Deswegen ist es wichtig, dass Sie Stellung beziehen. Es ist auch klar, dass wir aus der Opposition nicht alles gutheißen können, sondern dass wir im Gegenteil vieles ganz anders sehen.
Gefreut hat mich, dass Sie am Schluss von undifferenzierten Flächenprämien gesprochen haben, die irgendwie gezahlt würden, bezogen auf die ersten 300 €/ha, ohne dass irgendjemand dafür Ansprüche stelle, öffentliches Geld für öffentliche Aufgaben. Das stimmt ja nicht. Es ist ja nicht undifferenziert, sondern daran hängen etliche Auflagen. Sie hängen berechtigterweise an Auflagen, um Standards zu erfüllen und Standards zu halten. Deswegen gibt es das Geld. Das ist auch richtig so. - Da klatschen nicht mal meine eigenen Leute.
(Beifall CDU - Heiterkeit SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Es ist noch früh am Morgen!)
- Dr. Stegner, der Präsident hat ja gesagt, ich sei der Fachmann. Vielleicht war es etwas zu fachspezifisch. Das mag ja sein. Dann versuche ich es gleich noch einmal ein wenig einfacher.
Herr Minister, das war gestern Abend beim Staatsempfang in Flensburg eine durchaus anerkennenswerte Begrüßungsrede. Der Bundesforstverein hat
getagt. Da geht es immer wieder um Themen Nachhaltigkeit, Entwicklung in den Forsten, aber auch in den ländlichen Räumen. Sie sind relativ schnell zur Minderheitenpolitik gekommen. Ich komme jetzt zum eigentlichen Kern: Minderheitenpolitik ist in Ordnung. Sie sagen, der Stand der Demokratie, die Höhe der Demokratie werde daran gemessen, wie man mit seinen Minderheiten umgehe. - Richtig, auch das haben wir erkannt. Aber Sie dürfen doch die Mehrheit nicht vergessen. Das tun Sie hier.
Die Mehrheit bedeutet, dass Sie auch die Bauern, die aktiv, jeden Tag, 365 Tage im Jahr, besonders wenn sie Vieh halten - diese haben sie ja auch verstärkt im Fokus -, ihre Arbeit mit sehr viel Engagement, sehr viel Nachhaltigkeit und durchaus mit der Überlegung, wie es in Zukunft weitergehen soll, verrichten, nicht aus dem Blick verlieren dürfen.
Jetzt komme ich zu Ihrer Rede. Vergessen Sie die Mehrheiten nicht. Wir haben hier mehrfach über die 13.000 landwirtschaftlichen Betriebe und alles, was dazugehört, diskutiert. Es betrifft 100.000 Menschen in Schleswig-Holstein, die davon leben, dass Landwirtschaft als Wirtschaft funktioniert. Und Sie gehen mit keinem Wort auf diese Bauern, die jeden Tag ihre Arbeit tun, ein! Das ist das Problem.