Ich muss Ihnen zu Ihrem reduzierten Vorschlag ganz ehrlich sagen: Wenn es darum geht, wie einfach oder schwierig Gesetze für die Wirtschaft sind, kommt es nicht darauf an, wie viele es gibt, sondern was darin steht. Was das betrifft, hat die SPD zum Glück ganz andere Vorstellungen als CDU und FDP.
Da bin ich schon erstaunt, was in letzter Zeit alles als Bürokratie bezeichnet wird. Die Aufzeichnung der Arbeitszeiten nach dem neuen gesetzlichen Mindestlohn ist einer dieser Punkte.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, vielleicht ist Ihnen nicht aufgefallen, dass wir in Deutschland schon seit 1994 ein Arbeitszeitgesetz haben. Natürlich müssen die Arbeitszeiten aufgezeichnet werden, damit sie überprüfbar sind.
Wer jetzt über Aufzeichnungspflichten klagt, brüstet sich damit, bisher unbekümmert und ungesetzlich die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel gesetzt zu haben.
Denn um nichts anderes geht es bei den gesetzlichen Höchstarbeitszeiten. Da bin ich über manche Äußerungen schon sehr erstaunt, vor allem, weil das Arbeitszeitgesetz auch hier Möglichkeiten für Abweichungen vorsieht. Und seien wir einmal ganz ehrlich: Woher kommen denn die detaillierten Stundenangaben auf Handwerkerrechnungen? Die denken sich die Betriebe doch bestimmt nicht aus. Oder glauben Sie das? Es werden doch offenbar Aufzeichnungen geführt.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, aber die schreiben nicht drauf: 10 Stunden, sondern die Zeit, die sie beim Kunden waren! Mein Gott, das kann nur ein Gewerkschaftsfunktio- när sagen!)
Meine Damen und Herren, die SPD steht zum Mindestlohngesetz auf Bundesebene. Wir finden es richtig, dass in der öffentlichen Diskussion jetzt wieder eine Rolle spielt, dass es immer noch Betriebe gibt, die Löhne unter 8,50 € für ausreichend halten und für die Arbeitnehmerrechte lästige Bürokratie darstellen. Dies ist eine kleine Minderheit unter
den Betrieben. Aber so, wie sich manche Verbände und Parteien für diese Minderheit ins Zeug legen, könnte man denken, es gehe um den innersten Kern deutscher Marktwirtschaft.
Ähnliches beim Tariftreuegesetz. Die CDU wollte es zuletzt 2014 ganz aufheben, die FDP möchte es heute wieder einmal aufweichen. Die Vorschriften des Tariftreuegesetzes beinhalten Nachweise und Erläuterungen, die von den Unternehmen zu erbringen sind, die an einer Ausschreibung teilnehmen.
Ausdrücklich sieht das Tariftreue- und Vergabegesetz vor, dass diese Nachweise und Erklärungen auch im Rahmen einer Präqualifizierung erbracht werden können. Das ist eine Möglichkeit, den Aufwand dauerhaft zu reduzieren. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass wir uns bei der Präqualifizierung mehr Vereinheitlichung wünschen.
Lieber Kollege Vogt, wenn es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte: Es ist nicht das Gesetz, das in Nordrhein-Westfalen gilt, das hier verabschiedet wurde, sondern wir haben es schon verändert, wir haben hier in Schleswig-Holstein ein eigenes Gesetz gemacht.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja, Sie haben Schleswig-Holstein statt Nordrhein-Westfa- len reingeschrieben, toll!)
- Herr Kollege Garg, vielleicht sollten Sie einmal die beiden Gesetze lesen und nebeneinanderhalten, dann werden Sie sehen, dass es erhebliche Unterschiede gibt.
Die Nachweise, die erbracht werden müssen, sind kein Selbstzweck. Mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Schleswig-Holstein geht es um die Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping bei öffentlichen Aufträgen, um faire Arbeitsbedingungen und um die Stärkung schleswig-holsteinischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Magnussen?
Vielen Dank für Ihre Ausführungen zu der Präqualifikation. Das ist ja ein Steckenpferd von mir. Können Sie mir sagen, welcher Aufwand für die Unternehmen bei der ständig wiederkehrenden Präqualifizierung entsteht?
- Die Präqualifizierung, haben Sie gesagt, sei eine Vereinfachung für die Unternehmen. Können Sie mir explizit sagen, welchen Aufwand die Unternehmen tragen müssen, um die Präqualifizierung dauerhaft am Leben zu halten?
Die sozialen Standards, die das Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Schleswig-Holstein vorgibt, sind für uns essentiell. Für Sie mag es Bürokratie sein. Für uns gehört es zur sozialen Gerechtigkeit.
(Beifall SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Und warum hat die sozialdemokratische Me- diengesellschaft sich da gleich wieder raus- gemogelt?)
Dieses ist nicht immer mit einfachen Rezepten zu machen. Bürokratieabbau hört sich ja gut an. Aber lassen Sie mich mit einem Zitat von Peer Steinbrück enden - Herr Kubicki hat das heute Morgen ja auch schon getan -:
„Alle klagen über Bürokratie. Aber wenn der Hund des Nachbarn in ihrem Garten furzt, wollen die gleichen Leute eine Änderung des Emissionsschutzgesetzes.“
(Beifall SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Schlimme ist nur, ihr würdet das machen, im Gegensatz zu uns!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begriff Bürokratiekosten wird vielfach missverstanden.
Es geht nicht nur um die Zeit, die man zum Ausfüllen von Formularen braucht, sondern um den gesamten Erfüllungsaufwand. Diese integrierte Gesamtsicht auf die Kosten fehlt vielfach. Das ist das, was auch ich kritisiere.
Ministerpräsident Albig hatte in seiner Regierungserklärung angekündigt, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft bis zum Jahr 2020 zu halbieren. Es gibt dazu einen ausführlichen Bericht, Drucksache 18/1103.
Mit der Kleinen Anfrage zum Normenkontrollrat, Drucksache 18/2379, haben Sie deutlich gemacht, dass Sie als Opposition an dem Thema weiter dranbleiben werden. Dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden. Ich finde, das ist auch Ihre Aufgabe.
Das von Ministerpräsidenten Torsten Albig formulierte Ziel, bis zum Jahr 2020 die Hälfte der Bürokratiekosten abzubauen, ist hoch ambitioniert, aber richtig. Auch meine Fraktion steht voll hinter diesem Ziel.
Wenn man dieses Ziel wortgetreu umsetzen wollte, müssten zunächst Bürokratiekosten, Informationspflichten und Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft quantifiziert werden. Danach müssten die Landesgesetze und Verordnungen systematisch evaluiert und gegebenenfalls geändert werden. Zudem müsste die Änderung verschiedener Bundesgesetze und EU-Regelungen oder deren Landes- und Durchführungsverordnungen in Angriff genommen werden, die auf das Landesrecht durchgreifen und hier Bürokratiekosten erzeugen.
Wenn wir uns das alles ansehen, sind wir uns schon einig, dass man diese Arbeit nicht zum Nulltarif bekommen wird. Das wird Bürokratiekosten auslösen.
Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt nennen. Die Bürokratie hat oftmals in der öffentlichen Meinung ein Imageproblem.
Sie wird von den Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmen als etwas Negatives empfunden und mit Bürokratismus, Ineffizienz, Doppelstrukturen, Unübersichtlichkeit und Willkür gleichgesetzt. Damit tut man der Bürokratie Unrecht. Die meisten Menschen übersehen die positiven Seiten von Bürokratie: Rechtschutz und Rechtssicherheit sowie die Freiheit von Willkür.
Es sind diese positiven Aspekte, die der große Soziologe Max Weber in seinem Werk „Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriss der verstehenden Soziologie“ im Kopf gehabt hat. Dieser Aspekt von Bürokratie wird von Bürgerinnen und Bürgern kaum noch wahrgenommen.
Schlagen wir die Zeitung auf, dann wird oft im gleichen Atemzug mit Bürokratieabbau auch Regulation eingefordert: Lebensmittelüberprüfung, Bürgerbeteiligung oder Arbeitsschutz. Eine Seite später wird gleichzeitig der Abbau von Bürokratie gefordert. Es wird also auf der einen Seite mehr Bürokratie gefordert, auf der anderen Seite wird der Abbau postuliert. Zeit für eine differenzierte Betrachtung bleibt nicht. Ein Rebranding des Begriffs scheint notwendig.
Ich will eine kleine Definition geben: Bürokratie umfasst nach meiner Auffassung Spielregeln für das Miteinander der Menschen in Schleswig-Holstein. Die Regeln schützen die Natur, die Gesundheit und die sozialen Standards, und sie tragen unter anderem zu einem guten Leben in unserem Bundesland bei. Hinzu kommt, dass 80 % der Normen, die Sie, Herr Callsen, kritisieren, an Bundes- und EURecht gebunden sind. An 80 % der Normen können wir nichts ändern. Sie haben recht, die anderen 20 % sind politisch gewollt.
Nennen sie mir eine Regierung, die es schaffte, die Bürokratiekosten in ihrer Regierungszeit stabil zu halten. Ich kenne keine einzige. Es wird immer nur behauptet, dass unter der jeweils anderen Regierung mehr Bürokratie entstanden ist. Das ist für mich Oppositionsrhetorik, oder, um es plastisch auszudrücken: Die Kritiker der Elche waren früher selbst welche.
Was ist die Ursache von Bürokratie? Das ist das ständig steigende Sicherheits- und Ordnungsdenken der Bürgerinnen und Bürger. Ich nenne nur die Gurtpflicht, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, Helmpflicht und Baugenehmigungen. All das, was wir hier auf der einen Seite kritisieren, wird auf der anderen Seite zum Schutz von Bürgerinnen und Bürgern postuliert.