Meine Damen und Herren, der Kollege Dr. Garg hatte bereits einiges vorausgeschickt, was ich hier jetzt nicht wiederholen will.
Wir hatten in den letzten ein oder zwei Jahren Zuwanderung in einer Größenordnung, wie wir sie seit den 90er-Jahren nicht mehr hatten. Das ist für uns eine Herausforderung, die wir bewältigen müssen und die wir auch bewältigen werden. Wir haben darüber bereits gestern sehr ausführlich diskutiert. Deshalb möchte ich auch dies hier nicht wiederholen.
Parallel dazu diskutieren wir seit einigen Wochen, im Übrigen initiiert durch den Generalsekretär der Bundes-CDU, die Frage: Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, oder brauchen wir kein Einwanderungsgesetz? Ich persönlich freue mich darüber, dass wir diese Diskussion führen; denn ich denke, diese Diskussion ist ein gutes Signal an die Menschen in unserem Land. Sie ist auch ein gutes Signal an die Menschen, die darüber nachdenken, ob sie zu uns kommen.
Über alle Parteien hinweg besteht Einigkeit darüber, dass Deutschland Zuwanderung braucht. Ich will den demografischen Wandel hier nicht in al
ler Breite analysieren, aber wir haben das bereits oft genug angesprochen. Selbstverständlich brauchen wir Zuwanderung und Einwanderung, und wir haben sie auch. Wir diskutieren im Grunde genommen immer darüber, wie wir mit Einwanderung umgehen und was wir tun und anbieten müssen, damit die Menschen, die zu uns kommen und bei uns bleiben, für sich selbst gute Rahmenbedingungen finden, aber selbstverständlich hier auch in Arbeit kommen und so unserem Land auch in gewisser Weise dienen können, so wie wir alle es tun.
Insofern denke ich, dass wir nicht darüber diskutieren müssen, dass wir ein modernes Einwanderungsrecht brauchen. Wir müssen allein darüber diskutieren, ob das, was wir bis jetzt an Gesetzen haben, ausreicht, ob wir es eventuell neu sortieren müssen oder ob wir ganz neue Facetten brauchen.
Lange Zeit hat die OECD die deutschen Zuwanderungsregelungen auf dem Gebiet der Arbeitsmigration als abweisend und kompliziert kritisiert. Diese Bewertung hat sich allerdings in der Zwischenzeit verändert. Herr Kollege Garg hat es vorhin angesprochen: Nach den USA sind wir das weltweit zweitbeliebteste Zuwanderungsland. Das liegt natürlich auch daran, dass hier in Deutschland viele Möglichkeiten genutzt werden, um Zuwanderung zu generieren. Zwar ist es richtig, dass wir in den letzten Wochen eine Diskussion erlebt haben, in der versucht wurde, das Gegenteil nach außen zu transportieren. Aber ich denke, es ist falsch, wenn wir uns davon nun in der aktuellen Diskussion leiten lassen. Ich meine, wir sollten das wirklich ausblenden. Denn die weit überwiegende Zahl unserer Bürger sieht das ganz anders. Ich denke, das ist uns allen auch klar.
Wir verfügen über eine Menge Instrumente, mit denen wir Zuwanderung steuern und organisieren können. Die Blue Card will ich hier nicht bewerten. Wir alle wissen, dass sie durchaus ausbaufähig ist. Aber wir müssen auch konstatieren, dass der weit überwiegende Teil derjenigen, die die Blue Card nutzen, nach Deutschland gekommen ist.
Für die klassischen Ausbildungsberufe kann eine Zuwanderung ohne Vorrangprüfung erfolgen, wenn es sich um Berufe handelt, die als Mangelberufe eingestuft worden sind. Diese Liste enthält im Moment mehr als 70 Berufsbilder und ist jederzeit anpassbar.
Ein Viertel aller Zuwanderer, die nach Deutschland kommen, stammen allerdings aus Ländern der Europäischen Union. Hier profitieren wir ohne Wenn und Aber - das ist mir wirklich wichtig - von
der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Auch dieses Thema haben wir bereits an anderen Stellen diskutiert. Allerdings denke ich, dass wir uns nicht dauerhaft darauf werden verlassen können, dass die Zuwanderung, die wir aus den EU-Staaten erhalten, ausreichen wird. In dem Moment, in dem sich die Arbeitsmarktsituation in anderen EU-Ländern wieder ändert, wird sich auch die Zuwanderung zu uns ändern.
Das heißt, wir brauchen auch Zuwanderung aus Drittstaaten. Hierbei haben wir, wie wir feststellen, noch Nachholbedarf. Ich denke, die Diskussionen der nächsten Wochen und Monate werden ergeben, dass jetzt die spannende Frage sein wird: Liegt es daran, dass unsere Gesetze nicht ausreichend sind? Oder hat es vielleicht auch etwas damit zu tun, dass unsere - so nenne ich es einmal - PR auf diesem Gebiet einfach nicht ausreichend ist?
Ich wünsche mir ein Gespräch mit unserer Wirtschaft, in dem wir ausloten, was wir tun können und was sich beispielsweise auch die Wirtschaft wünscht, um für ausländische Fachkräfte interessant zu werden. Aber wir müssen auch die Frage diskutieren, was die Wirtschaft tun kann, um ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Nach wie vor gibt es immer noch Unternehmen, die diese Variante so nicht auf dem Schirm haben.
Eine weitere Frage, die wir ebenso offen diskutieren müssen - das tun wir seit geraumer Zeit -, ist die Frage der Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern in unseren Arbeitsmarkt. Gestern haben wir sehr ausführlich über die Erstaufnahme gesprochen. Aber das nächste Thema ist: Wir alle wissen, dass die Menschen, die im Moment zu uns kommen und hier Asyl erhalten, sehr lange bei uns bleiben werden. Das heißt, die Herausforderung, die auf uns zukommt, wird sein, wie wir diese Menschen in den Arbeitsmarkt, in das tägliche Leben, in Schule und so weiter integrieren.
Ich finde, wir sind jetzt an einem Punkt in der Diskussion um das Einwanderungsgesetz, an dem wir sehr aufpassen müssen. Mir ist schon wichtig, deutlich zu machen: Ja, wir brauchen Einwanderung für unseren Arbeitsmarkt, für unsere Gesellschaft. Wir müssen auch die Menschen, die bei uns Schutz suchen, integrieren. Aber ich finde es ganz wichtig, dass wir die Trennschärfe beibehalten, dass das Asylrecht und der Schutz nach der Genfer Konvention keine Mittel sind, um Arbeitskräfte zu gewinnen. Diese Unterscheidung, denke ich, muss für uns alle eine Richtschnur sein. Ich finde, hier darf es keinerlei Verwischung geben.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Sind Sie mit mir nicht der Meinung, dass unter den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern eine ganze Menge hochqualifizierter Menschen sind,
denen man mit einem modernen Einwanderungsrecht - beispielsweise mit einem Punktesystem - unabhängig vom Status ihres Asylbewerberverfahrens die Möglichkeit eröffnen sollte, sich in Deutschland in einem Parallelverfahren für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu bewerben?
- Herr Kollege Garg, wir haben darüber schon im April des letzten Jahres diskutiert. Es gab schon einmal einen ähnlich gelagerten Antrag der FDPFraktion. Ich sehe das kritisch, weil ich finde, das Recht auf Schutz nach Artikel 16 a GG und nach der Genfer Konvention darf nie vom Grad der beruflichen Qualifikation abhängig sein.
Wir dürfen aber auch nie diesen Eindruck erwecken. Wenn wir in unseren Diskussionen dazu kommen sollten, dass wir sagen, okay, wir denken über Parallelverfahren nach, um hier zu Erleichterungen zu kommen, dann mag das am Ende des Diskussionsprozesses stehen. Ich möchte aber nicht, dass wir sortieren: Hier haben wir Einwanderer mit hoher Qualifikation. Die werden vorrangig behandelt. Dort haben wir Zuwanderer oder Flüchtlinge mit geringerer Qualifikation. Die werden nachrangig behandelt. - Ich denke aber, das meinten Sie mit Ihrer Frage wahrscheinlich nicht. Das hoffe ich jedenfalls. Deshalb war es mir eben auch so wichtig. Ich denke, darüber herrscht Einigkeit: Hier darf es keine Verwischung geben.
Nichtsdestoweniger müssen wir natürlich nach allen Möglichkeiten suchen, um diese Menschen schnell zu integrieren. Ich sagte es bereits.
Sie haben in Ihrem Antrag ebenfalls den Bereich der Berufsqualifikation angesprochen. Auch hier ist bereits eine Menge geschehen. Dies gilt es zu evaluieren. Wenn Verbesserungen notwendig sind, dann werden wir das selbstverständlich ebenfalls unterstützen.
Des Weiteren geht es um den ganzen Bereich des Spracherwerbs. Auch das haben wir schon mehrfach besprochen. Natürlich müssen wir hier noch wesentlich besser werden und noch eine ganze Menge mehr tun.
Ihre Forderung nach der Mehrfachstaatsangehörigkeit möchte ich jetzt nicht noch einmal in Gänze diskutieren. Wir haben auch das in diesem Haus bereits mehrfach diskutiert. Sie kennen unsere Haltung dazu. Im Übrigen ist auf Bundesebene gerade ein Kompromiss zur Frage der Mehrfachstaatsangehörigkeit erzielt worden. Ich denke, es ist der Diskussion insgesamt nicht dienlich, wenn wir an dieser Stelle das Thema Mehrfachstaatsangehörigkeit erneut diskutieren.
Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den ganzen Bereich des Ausländerwahlrechts bei Kommunalwahlen. Das haben wir hier im Landtag schon beschlossen, allerdings gegen unsere Stimmen, wie ich hinzufügen möchte. Diese Initiative läuft. Sie kommt aber nicht so recht voran, weil nämlich genau die Bedenken, die wir damals geäußert haben, ganz offensichtlich auch an anderer Stelle geteilt werden.
Frau Kollegin, Sie haben gesagt, dass Ihre Bedenken auch von anderen geteilt werden. Können Sie mir jemanden nennen, der diese Bedenken teilt und nicht der CDU oder der CSU in den Parlamenten angehört?
Herr Dr. Dolgner, vor einigen Monaten hatten wir auf Antrag des Kollegen Klug den damaligen Staatssekretär Küpperbusch im Innenausschuss zu Gast; ich meine, es war der Innenausschuss, vielleicht auch der Europaausschuss. Er sollte über den Stand der Bundesratsinitiative berichten. Herr Küpperbusch hat uns damals darüber informiert, dass es heftige staatsrechtliche Bedenken gibt. Ich müsste jetzt ins Protokoll schauen, um Ihnen die Frage genau zu beantworten. Das kann ich aus dem Stand nicht. Ich bin da nicht so begabt wie Sie. Aber ich verweise auf jene Ausschusssitzung, in der sehr deutlich geworden ist, dass es große rechtsstaatliche Bedenken gibt.
Frau Kollegin Damerow, ich darf Sie daran erinnern, dass der Herr Staatssekretär zu Recht darauf hingewiesen hat, dass das ohne eine Grundgesetzänderung natürlich nicht möglich ist und die einzige Partei, die sich im Deutschen Bundestag gegen diese Grundgesetzänderung sperrt, die CDU ist. Es geht hier ja nicht um Artikel 1 oder Artikel 20 des Grundgesetzes, also nicht um unveränderliche Artikel des Grundgesetzes, sondern um veränderliche Artikel des Grundgesetzes. Nach meinem Kenntnisstand ist die einzige Partei, die sich gegen diese Grundgesetzänderung und die Ausräumung der staatsrechtlichen Bedenken sperrt, die CDU. Das sind keine allgemeinen, abstrakten Bedenken.
- Es ist richtig, Herr Dr. Dolgner, dass Sie innerhalb der CDU bei dieser Frage sicherlich keine Mehrheit finden würden. Wenn es darum ging, dann hätten wir das auch schneller klären können.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Eine Diskussion über ein Einwanderungsgesetz ist wichtig und richtig. Wir werden sie führen, schließlich hat die CDU sie auch angestoßen. Wir möchten heute allerdings nicht über diese Bundesratsinitiative beschließen, sondern wir beantragen, sie in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Europaausschuss zu überweisen, weil wir die Thematik für wichtig halten und weil wir uns mit der gebotenen Sorgfalt mit diesem Thema auseinandersetzen möchten. Wir wollen mit Vertretern der Wirtschaft und der Flüchtlingsorganisationen diskutieren. Wir möchten uns genau anschauen: Welche Gesetze müssen geändert werden? Müssen wir nur neu sortieren? Reicht das, was wir haben, oder brauchen wir Neues? Wir möchten diese Diskussion einfach gern vom Kopf auf die Füße stellen und uns für dieses Thema die Zeit nehmen, die es wirklich verdient. Das haben im Übrigen auch die Menschen, die das betrifft, verdient. - Ich bedanke mich.