Protocol of the Session on February 19, 2015

(Lebhafter Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Von hinten betrachtet frage ich, welches Bild man eigentlich von unserer Justiz hat, wenn man meint, dass sie bereit sei, irgendwelche Ergebungserklärungen wie in Diktaturen abzugeben. Meine Damen und Herren, es ist für mich daher bitter notwendig, dass wir um der Sache willen zur dringend notwendigen Sachlichkeit zurückkehren.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf CDU)

- Ja, ich bin sachlich. Wie stellt sich mir der Sachverhalt nach dem, was ich weiß, dar? - Es gab in den Reihen der Präsidentinnen und Präsidenten der obersten Landesgerichte am 30. Januar 2015 eine interne Diskussion darüber, ob und in welcher möglichen Formulierung diese öffentlich klarstellen könnten, dass ihre Zusammenarbeit mit meinem

Staatssekretär Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer und mir von großem Vertrauen geprägt ist. Es ging hierbei inhaltlich meines Wissens in keiner Hinsicht um auch nur irgendeinen Bezug zum Vorfall in der JVA Lübeck.

(Zurufe und Lachen CDU - Zuruf SPD: Hört doch zu!)

Vielmehr ging es um die in einzelnen Medien anonym geäußerte angebliche Kritik aus Justizkreisen an meiner Person. Konkret ging es hier um einen Kommentar in den „Kieler Nachrichten“ vom 29. Januar 2015, in dem es hieß - ich zitiere -:

„In Justiz-Kreisen wird über die oberste Dienstherrin bereits offen gelästert. Und das ist nicht nur dem Juristen-Dünkel geschuldet. Im Apparat hat man längst erkannt, was man schon bei Amtsantritt befürchtete: Spoorendonk mag eine anständige Europa- und Kulturministerin sein, im Justizbereich ist die Nicht-Juristin schlichtweg überfordert.“

Angeregt wurde die nie realisierte und veröffentlichte Erklärung von der OLG-Präsidentin Uta Fölster und dem Itzehoer Landgerichtspräsidenten Dr. Bernhard Flor, also nicht von dem Präsidenten des Landesverfassungsgerichts.

(Lachen CDU und FDP - Zurufe SPD und CDU)

- Sie verstehen den Unterschied nicht. Ich bin nicht zuständig für das Landesverfassungsgericht. Das Landesverfassungsgericht ist ein eigenständiges Organ. Das heißt, Sie sind zuständig für das Landesverfassungsgericht.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese sicherlich gut gemeinte geplante Erklärung habe ich nicht initiiert; auch nicht mein Staatssekretär, um das noch einmal klarzustellen. Doch was ist nun wann passiert?

(Volker Dornquast [CDU]: Aber genutzt! - Zurufe SPD)

Frau Ministerin, entschuldigen Sie. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Barbara Ostmeier?

Okay.

(Präsident Klaus Schlie)

Vielen Dank. Da Sie sich im Moment überwiegend auf Presseberichte berufen, möchte ich Sie fragen: In den „Kieler Nachrichten“ vom 19. Februar 2015 werden Sie zitiert - ich verlese dies mit Erlaubnis -:

„‚Ich kann hundertprozentig ausschließen, dass diese Aktion aus meinem Hause heraus initiiert worden ist‘, sagte Frau Spoorendonk…“

Eben haben Sie gesagt, Sie können das für Ihren Staatssekretär Herrn Dr. Schmidt-Elsaeßer und für Ihre Person sagen. Sind Sie richtig zitiert worden, und würden Sie heute wiederholen, dass Sie das für Ihr ganzes Haus hundertprozentig sagen können?

- Liebe Frau Abgeordnete Ostmeier, ja, das kann ich. Ich kann das für mein Haus sagen. Ich finde, das ist eine etwas unerträgliche Unterstellung, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Anhaltender Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, am späteren Vormittag des 30. Januar 2015 erhielt der Leiter der rechtspolitischen Abteilung meines Hauses einen Anruf der OLG-Präsidentin, in der diese mit Blick auf die vorgenannte Berichterstattung, die ich zitiert habe, unter anderem Ihren Gedanken für eine öffentliche Richtigstellung ansprach. Um 11:48 Uhr erhielt der Abteilungsleiter eine E-Mail der OLG-Präsidentin, mit der sie ihm die unmittelbar zuvor an die Gerichtspräsidenten gesandte Mail mit dem Entwurfstext zur Kenntnis gab.

Diese E-Mail wurde um 12:19 Uhr an den Staatssekretär weitergeleitet. Der Staatssekretär erhielt danach einen Anruf von Frau Fölster, die ihm mitteilte, dass es in den Reihen der Präsidentinnen und Präsidenten Bedenken gegen eine solche öffentliche Erklärung gebe. Er betonte, ob und wie sich die Gerichtspräsidenten entschieden, liege ganz allein bei ihnen. Der Staatssekretär ging davon aus, dass es zu keiner Erklärung kommen würde, da Bedenken von beiden Gerichten in Lübeck, dem Oberverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgericht sowie dem Landessozialgericht geäußert worden seien, so die Auskunft der OLG-Präsidentin.

Mir war dies alles nicht bekannt. Ich selbst war zu dieser Zeit nicht im Haus und erhielt um 13:24 Uhr unaufgefordert und überraschenderweise eine EMail vom stellvertretenden Lübecker Landgerichtspräsidenten Hartmut Schneider. Unmittelbar darauf

informierte mich der Staatssekretär über die vorherige Entwicklung. Ich habe die Mail daher gleich um 13:39 Uhr an meinen Staatssekretär zur Kenntnis weitergeleitet. Daraus will ich Inhalte gern zusammenfassend wiedergeben: Herr Schneider teilte mir mit, er habe eine Rücksprache mit dem Lübecker Landgerichtspräsidenten gehabt. Er und Herr Dr. Krönert trügen den Text vollständig mit. Gleichwohl solle eine Unterzeichnung durch den Landgerichtspräsidenten und ihn, Herrn Scheider, als Vertreter nicht erfolgen, da es nicht Aufgabe der Präsidentinnen und Präsidenten sei, sich in dieser Weise in der Öffentlichkeit zu äußern. Zudem bedürfe es dazu eines intensiveren Abstimmungsprozesses.

Infolge angenommenen Zeitdrucks konnte dieser leider nicht stattfinden. Ausdrücklich wies Herr Schneider in seiner Mail aber darauf hin, dass ich von mir aus gern auch gegenüber Medien erklären könne, dass die formulierte Botschaft auch von Lübeck getragen werde. Mit der OLG-Präsidentin Frau Fölster und Herrn Landgerichtspräsidenten Dr. Flor habe er die Sache in dem obigen Sinne erörtert. - So weit zu dieser E-Mail.

Ich habe Herrn Schneider in einer kurzen Mail gedankt und darauf hingewiesen, dass ich erstmals durch seine E-Mail von dieser Aktion erfahren habe. Denn so war es.

Ich betone daher noch einmal: Die Aktion ist nicht von meinem Ministerium oder mir ausgegangen. Ich habe diese E-Mail auch nicht angefordert. Es ist für mich absurd und unvorstellbar zu glauben, dass sich unsere unabhängige Richterschaft durch eine politische Einflussnahme zu einer solchen Aktion bewegen ließe.

(Lebhafter Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher sage ich: Ich habe ein uneingeschränktes Vertrauen in unsere Justiz und unsere Richterschaft. Mein Verhältnis zu ihr ist ausgesprochen gut. Doch beide Seiten kennen und beachten die von der Gewaltenteilung und unserem Rechtsstaat gesetzten Grenzen.

Nachdem ich an diesem 30. Januar 2015 nachmittags mit meinem Staatssekretär über diese versuchte Initiative gesprochen habe, war für mich diese Angelegenheit abgeschlossen. Doch wie bewertet man dies nun alles?

Ich halte zunächst fest: Es hat im Ergebnis keine Erklärung gegeben. Die Frage ist nun, ob sich aus einer solchen nicht abgegebenen Erklärung dienst

(Ministerin Anke Spoorendonk)

rechtliche Konsequenzen ergeben. Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind das Vorliegen und „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen“. Diese Voraussetzungen waren nach Auffassung meines Ministeriums in Bezug auf die zwischen den Präsidentinnen und Präsidenten erörterte und letztlich nicht erfolgte Klarstellung nicht gegeben. Daher sind weder die Prüfung disziplinarrechtlicher Schritte noch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens erfolgt.

Nach den in der Presse erhobenen Vorwürfen sowie Rücktrittsforderungen gegenüber beiden Richtern habe ich in Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten gestern entsprechende Schritte für eine disziplinarrechtliche Vorprüfung eingeleitet. Mithilfe einer externen Expertise soll die bisherige Rechtsauffassung des Ministeriums überprüft werden. Diese Maßnahme dient auch dem Schutz der Betroffenen. Darauf lege ich großen Wert.

(Lebhafter Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein abschließendes Ergebnis der Vorprüfung wird kurzfristig vorliegen. Ich füge hinzu: Wir tun dies alles gemeinsam mit dem Innenministerium, weil das Innenministerium Verfassungsministerium ist.

Meine Damen und Herren, zuallererst geht es hier aber doch um das Selbstverständnis der schleswigholsteinischen Justiz. Es war ein interner Diskussionsprozess in der Runde der Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten. Gegenstand war ganz ersichtlich auch nicht die Bewertung der Vorgänge um die Justizvollzugsanstalt Lübeck oder eine andere justizpolitische Fragestellung. Ich wiederhole: Die Justiz in Schleswig-Holstein war, ist und bleibt unabhängig.

(Lebhafter Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber losgelöst von diesem Sachverhalt stelle ich fest: Natürlich kann, ja muss sie sich auch zu justizpolitischen Sachverhalten äußern dürfen. Sie tut dies ja auch. Unsere Justiz lebt doch nicht in einem abgeschotteten Raum oder unter irgendeiner Käseglocke. Sie ist Teil unserer Gesellschaft.

In der Vergangenheit haben Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten immer wieder justizpolitische Stellungnahmen abgegeben oder justizpolitische Forderungen auch gegenüber der Landesregierung erhoben. An eine Welle der Empörung in diesen Fällen kann ich mich jetzt nicht erinnern.

Das gilt zum Beispiel für die Forderung nach einem Außensenat in Lübeck. Das gilt aber auch für das öffentliche Engagement für einen starken Justizstandort in Flensburg, bei dem der vormalige Flensburger Landgerichtspräsident und der dortige Amtsgerichtsdirektor massiv und öffentlich für den Erhalt der JVA Flensburg kämpften und auch das Justizministerium öffentlich angriffen und kritisierten.

Manche erinnern sich: Im Zuge der Amtsgerichtsstrukturreform 2006 - das liegt etwas weiter zurück - hatte der damalige Präsident des Landgerichtsbezirks Lübeck wiederholt medial öffentlich heftige Kritik gegenüber dem Justizministerium geäußert. Ich zitiere in diesem Zusammenhang gern aus einer Pressemitteilung des Kollegen Kubicki zur Kritik an der Strukturreform:

„Auch uns liegen zahlreiche Schreiben vor. Wir haben einen ganzen Ordner voll davon von Bürgermeistern, Kommunalparlamenten sowie der Amtsgerichtsdirektoren und Landgerichtspräsidenten, die diese Reform in Gänze und nicht nur im Detail infrage stellen. Auch sie können nicht erkennen, worin die Aussage der Landesregierung ihre Begründung findet, dass die heutige Amtsgerichtsstruktur nicht den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.“

Was, meine Damen und Herren, ist bitte daran nicht öffentlich und nicht justizpolitisch?

(Lebhafter Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf SPD: So ist es!)

Man stelle sich vor, die Präsidentinnen und Präsidenten hätten tatsächlich eine gemeinsame Erklärung abgegeben, und zwar eine, die kritisch gewesen wäre und die in der Kommentierung genannte justizinterne Kritik bestätigt hätte. Hätte es da eine Empörungswelle der Opposition über die Stellungnahme gegeben?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, sicher! - La- chen und Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Herr Kubicki, es hätte wohl eher geheißen: „Hilferuf aus der Justiz - Albig muss endlich handeln!“

(Heiterkeit und lebhafter Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf SPD: Genau so ist es!)