Protocol of the Session on January 23, 2015

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mir ist zugetragen worden, dass die FDP-Fraktion ihre Rede zu Protokoll gibt. Herr Vogt, das stimmt? - Okay.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dann werde ich jetzt den Kollegen Flemming Meyer für die Abgeordneten des SSW bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor einer Entscheidung sollte man erst einmal die Menschen befragen, die davon profitieren sollen. Das hat 2010 auch die AktivRegion Nordfriesland-Nord so gehalten. Sie hat mithilfe von Wissenschaftlern untersuchen lassen, was sich die Menschen in den kleinen Dörfern des Amtes Südtondern bezüglich ihrer Mobilität wünschen. Der Titel der Untersuchung lautete „Mobile Daseinsvorsorge“, also genau das Thema, bei dem uns die PIRATEN die Unterstützung von Bürgerbussen durch das Land vorschlagen.

Die Bewohner im ländlichen Raum haben sich ganz gut organisiert, stellte sich heraus, nicht immer optimal, aber doch zufriedenstellend. Die Familie hilft sich untereinander, aber auch Freunde und Nachbarn organisieren Fahrdienste oder übernehmen ab und zu den Einkauf. Das gilt im besonderen Maße für die älteren, oft mobilitätseingeschränkten Frauen und Männer. Im Dorf hilft man sich gegenseitig. Ergänzend wünschen sich vor allem die älteren Befragten mobile Angebote, dass also ein Bäckerbus mehrmals in der Woche für frisches Brot sorgt oder ein rollender Lebensmittelmarkt ins Dorf kommt.

Die Wissenschaftler haben sich einerseits die Strukturen und andererseits die Wünsche der Nordfriesen angeschaut. Sie empfehlen flexible Bedienformen im Nahverkehr. Dies sollte ausdrücklich über den Einsatz von Bürgerbussen hinausgehen. Dies kann man im Ergebnisbericht nachlesen. Diese Empfehlung ist ein ganz klares Plädoyer für den Ausbau des bestehenden und gegen den Aufbau eines neuen Systems.

Mit den NVB hat man in Niebüll einen regional ansässigen Anbieter, dem offenbar zugetraut wird, sein Angebot zu verdichten und die Dörfer im Amt besser zu verbinden. Ich verstehe dies als einen ganz interessanten Hinweis in unserer Debatte. Allerdings muss man, wenn man genau hinschaut, einräumen, dass da vieles noch nicht umgesetzt worden ist.

(Beifall SSW und PIRATEN)

In Nordfriesland gibt es schon einen Bürgerbus, und zwar in Ladelund. Die Anstrengungen des Ladelunder Bürgerbusvereins waren riesig und zogen sich über Jahre hin. Die Initiatoren berichten von einem regelrechten Marathon, bis die Finanzierung

für den Bus und das Training der Fahrer gesichert war. Aber jetzt fährt der Bus. Seit einem halben Jahr können die ersten Erfahrungen gemacht werden. Wir sollten jetzt nachfragen, wie es gelaufen ist, wie der Bus angenommen wird und ob das Angebot wirklich gut läuft. Bevor wir hier im Landtag einen Beschluss fassen, sollten wir die vorliegenden Erfahrungen aus Ladelund unbedingt gründlich auswerten.

(Beifall SSW und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber - und darüber sollten wir uns im Klaren sein es gibt auch grundsätzliche Einwände gegen einen flächendeckenden Einsatz von Bürgerbussen.

Erstens. Im Bereich der Daseinsvorsorge ist der Staat und nicht der Bürger in der Pflicht. Wir sollten prüfen, inwieweit das Land eine Verdichtung des Fahrplans oder neue Buslinien bezuschussen kann. Inwieweit können Anbieter beim Ausbau ihrer Takte oder der Aufnahme neuer Haltestellen durch das Land unterstützt werden? Wie ist das Interesse bei den Anbietern? Warten sie vielleicht nur auf entsprechende Programme? Das Wirtschaftsministerium hat gezeigt, dass durch gute Ausschreibungen im Bereich der Schiene handfeste Komfortverbesserungen für die Nutzer herausspringen können. Ich frage mich, ob nicht der Ausbau der Linienbusse die bessere, eventuell auch die zuverlässigere Alternative zum flächendeckenden Bürgerbus ist.

(Beifall SSW, Lars Winter [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens. Tarif geht vor. In der Begründung weisen die PIRATEN darauf hin, dass die Bürgerbusse das Angebot des ÖPNV nicht verdrängen, sondern ergänzen sollen. Aber Papier ist geduldig, denn das ist eine blauäugige Annahme. Gerade beim Bürgerbus besteht die Gefahr, dass das Ehrenamt zu einem Ersatz für tarifgebundene Arbeitsplätze verkommen könnte.

(Beifall SSW und Lars Winter [SPD])

Das ist - das will ich ganz klar sagen - mit dem SSW nicht zu machen. Wir kämpfen nicht auf der einen Seite für existenzsichernde Löhne im ÖPNV, um sie dann hintenherum wieder einzukassieren.

(Beifall SSW und Lars Winter [SPD])

Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer.

Herr Breyer, bitte.

Herr Kollege Meyer, ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass es natürlich besser ist, wenn es ein öffentliches Beförderungsangebot gibt. Aber die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden vor Ort haben nun eben einmal das Problem, dass die Verbindungen nicht vorhanden sind und dass die entsprechenden Mittel seit Jahren gleich bleiben, das heißt real sogar zurückgehen, sodass auch die Verbindungen sogar zurückgehen. Sind Sie nicht auch meiner Meinung, dass, wenn es schon kein öffentliches Angebot gibt, ein ehrenamtlich organisiertes besser als gar nichts ist, und ist Ihnen bekannt, dass die Bürgerbusse immer in Kooperation und im Auftrag der örtlichen Verkehrsunternehmen fahren, also nie gegen deren Willen, nie in Konkurrenz, sondern immer nur in Abstimmung und mit deren Zustimmung?

Darüber bin ich mir sehr wohl im Klaren. Wenn Sie jetzt abgewartet hätten, hätten Sie meine Konklusion gehört, dass wir genau diesen Antrag im Ausschuss sehr intensiv beraten sollten. Ich spreche mich nicht gegen Bürgerbusse insgesamt aus, mache aber darauf aufmerksam, dass damit durchweg Aspekte verbunden sind, die gefährlich sind und die wir wirklich intensiv erarbeiten sollten. Wie gesagt: Das mit dem Tarif ist für mich schon eine sehr wichtige Frage. Ich möchte nicht, dass ehrenamtliche Busse Arbeitsplätze vernichten - auf keinen Fall; das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall SSW und vereinzelt CDU - Dr. Pa- trick Breyer [PIRATEN]: Genau! Das wollen wir auch nicht!)

Das müssen wir dann sehr gründlich diskutieren. Ob es machbar ist, werden wir sehen.

Drittens. Ist ein Taxi nicht vielleicht auch eine Alternative? Fahrdienste werden inzwischen in vielen Kommunen über Verträge mit hiesigen Taxiunternehmen abgewickelt - egal ob es dabei, wie zum Beispiel in Flensburg, um die Versorgung einer Kita mit Mittagessen geht oder um die Fahrt zur Schule für Schüler mit Behinderung. Ich denke,

(Flemming Meyer)

dass auch der Einsatz von Sammeltaxis oder Ruftaxis im ländlichen Raum geprüft werden sollte. Das wäre durchaus eine realistische und an vielen Stellen auch kostengünstige Möglichkeit.

Herr Kollege.

Zusammenfassend schlage ich die Beratung im Ausschuss vor. - Jo tak.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Dann hat jetzt für die Landesregierung Herr Minister Reinhard Meyer das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über Ladelund und den dortigen Bürgerbus ist schon einiges gesagt worden. Im Grunde genommen wird hier eine sympathische Lösung präsentiert: Da, wo die Angebote des ÖPNV nicht mehr wirtschaftlich darstellbar sind, in Regionen, die sonst abgeschnitten werden, haben sich Bürgerinnen und Bürger zu einer Initiative zusammengefunden und betreiben einen sogenannten Bürgerbus, der auf ehrenamtliches Engagement setzt und Mobilität auch für diejenigen organisiert, die kein Auto haben oder nicht mehr selbst ein Auto fahren können, und das auch noch zu einem sehr günstigen Preis - wir haben es gehört -: Das Ticket kostet 1 € oder 1,50 €. Da ist es selbstverständlich, dass es Nachahmer gibt. Diese Idee ist gut, ob in Malente oder in Meldorf.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Insofern ist es sehr begrüßenswert. Ich habe großen Respekt vor denjenigen, die das ehrenamtlich umsetzen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Aber es greift natürlich zu kurz - wir haben das in der Debatte auch schon gehört -, nur über Bürgerbusse zu reden. Insbesondere der demografische Wandel wird uns vor allen Dingen in den ländlichen Räumen vor erhebliche Aufgaben stellen, was die Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs in den nächsten Jahren angeht. Deswe

gen, meine Damen und Herren, brauchen wir ein Mobilitätskonzept für Schleswig-Holstein. Unser Ministerium wird daran arbeiten, dass die Landesregierung hier Antworten gibt - für die Zukunft des Personennahverkehrs in Schleswig-Holstein.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Insofern ist das Angebot eines Bürgerbusses natürlich immer nur eine Ergänzungsaufgabe, wenn alle anderen Sachen nicht mehr funktionieren.

Wir müssen uns intensiver damit auseinandersetzen, wie man das organisiert; denn es geht ja auch um Aufgaben. Die Aufgabenträger - das wurde auch schon gesagt - sind auf der kommunalen Ebene. Insofern ist es eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Kreise und kreisfreien Städte. Das heißt, wir brauchen die regionalen Akteure, die hier mitmachen können.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, kostet das alles auch Geld. Wir reden über die Möglichkeiten, die wir den Kommunen mit den 57 Millionen € jährlich für den Personennahverkehr geben. Aber letztendlich - ich will das ganz offen sagen - hängen wir natürlich an der ganzen Debatte über Regionalisierungsmittel und die Fortführung im Gemeindefinanzierungsgesetz nach 2019. Das gilt übrigens auch für andere Länder wie Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Angesichts der Vergleiche, die die PIRATEN ziehen, behaupte ich: Wir haben es in Schleswig-Holstein bisher geschafft, mehr Nahverkehr zu organisieren als beispielsweise Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelter Beifall SPD, SSW und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern ist auch an der Stelle eine ehrliche Debatte gefordert.

Wir müssen also über den größeren Rahmen reden. Wir sind auch gern dazu bereit, das im Ausschuss zu tun, natürlich unter dem Stichwort Mobilität. Denn wenn man hinter die Kulissen des Modellprojekts in Ladelund schaut, dann sieht man, dass es am Ende nur funktioniert hat, weil dort verschiedene Institutionen Fördermittel hineingegeben haben: die AktivRegion, der Kreis Nordfriesland selber, das Wirtschaftsministerium auch. Ich möchte dann lieber Projekte haben, die sich selber finanzieren.

Wir bleiben beim eigentlichen Thema - das hat Herr Meyer vom SSW richtig dargestellt -: Ich bin der dezidierten Auffassung, dass der öffentliche

(Flemming Meyer)

Personennahverkehr Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)