Protocol of the Session on January 23, 2015

Der SSW hat großes Vertrauen in die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort. Sie kennen die Kinder, haben einen genauen Blick für ihre jeweiligen Bedürfnisse und wissen, wie sie sie am besten fördern können. Es geht also weniger darum, ihre Methodenwahl bis ins letzte Detail festzulegen. Im Gegenteil: Sie brauchen verschiedene Methoden und müssen aus ihnen auch in Zukunft frei wählen können. Daher meine ich: Der Lernerfolg der Kinder sollte für uns alle maßgeblich sein. Was hierfür am zuträglichsten ist, können unsere Lehrkräfte wirklich am besten beurteilen.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zum Niveau des Unterrichts an Schulen sagen. Jede Lehrerin und jeder Lehrer in diesem Lande, in der Bundesrepublik und in Dänemark orientiert sich, wenn er oder sie den Unterricht vorbereitet, niemals an dem nied

rigsten Niveau in einer Klasse, sondern immer am höchsten Niveau. Sie sorgen dafür, dass alle in ihrem Niveau gehoben werden. Insofern finde ich, dass die ganze Debatte über Einheitsunterricht, Einheitslehrer und Herabsenkung des Niveaus nichts mit der Realität in den Schulen zu tun hat.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem ersten Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Pädagogik ist es etwas anders als im Handwerk. Es ist in der Pädagogik nämlich nie so, dass man mit der Methode A immer die Wirkung B erzielt. Man kann als Lehrer die gleiche Einheit, von der Planung über die verteilten Zettel und die Bücher bis hin zur Tageszeit der Unterrichtsstunde, in zwei unterschiedlichen Klassen genau identisch durchführen - ich garantiere Ihnen, dass das Ergebnis unterschiedlich sein wird. Das liegt an gruppendynamischen Prozessen in der Klasse, daran, dass Kinder Individuen sind und unterschiedlich reagieren, an unterschiedlichen Elternhäusern, an unendlich vielen Faktoren. Deshalb wird es auch nie so sein, dass man mit einer Methode zum Schreibenlernen immer mit Methode A die Wirkung B erzielen wird. Auch Noten haben auf verschiedene Kinder unterschiedliche Wirkungen. Genau deshalb liegt uns die pädagogische Eigenverantwortung der Schulen und der Lehrerinnen und Lehrer am Herzen.

Wir haben in der letzten Debatte zum Thema Schreibenlernen schon mithilfe des Kollegen Dolgner herausgearbeitet, dass die erste Anlauttabelle 1653 auf den Markt kam. 2014 will die CDU sie verbieten.

(Heiterkeit SSW)

Wir haben auch schon da herausgearbeitet, dass 14 % der Deutschen funktionale Analphabeten sind, und das eben nicht aufgrund der Methode „Lesen durch Schreiben“, sondern wegen der traditionellen Methoden, die in einer Studie, die Frau Klahn zitiert hat, positiv bewertet worden sind. Wir wissen, es kommt auf die Lehrerinnen und Lehrer an. Das besagt die aus meiner Sicht entscheidendste Studie der letzten Jahre.

Frau Klahn, ich möchte auf die Debatte eingehen, die wir in Oldesloe geführt haben. Ich gebe zu: Wir

(Jette Waldinger-Thiering)

beiden haben argumentiert; am Ende haben die Eltern abgestimmt, und die Mehrheit der Eltern hat sich für Noten entschieden. Sie haben gewonnen. Eine Eins für Frau Klahn und eine Fünf für Herrn Habersaat - oder auch eben nicht.

(Anita Klahn [FDP]: Darum geht es doch gar nicht, wer gewonnen hat! Hören Sie doch den Sorgen der Eltern zu!)

- Genau, darum geht es nämlich gar nicht; das ist der Punkt, Frau Klahn. - Genau das habe ich auch in Oldesloe gesagt: Schule hat viel mit eigenen Erfahrungen zu tun. Man hält zunächst immer die Schule, die man selber erlebt hat, für die Maßstabsschule, für das Richtige. Deswegen habe ich gefragt: Liebe Eltern, ich gehe davon aus, Sie alle hatten in der Grundschule Noten und werden das vermutlich richtig finden. - Da haben die Eltern genickt. Es gab eine Mutter, die es anders sah, weil sie ein gebrochenes Kind zu Hause hatte, wie sie erzählte.

(Anita Klahn [FDP]: Sie haben aber auch ge- sagt, dass Sie die Bedenken ernst nehmen!)

- Frau Klahn, ich nehme die Bedenken ernst. Wir haben den Schulen deswegen beide Alternativen ermöglicht. Eines haben unsere Reden gezeigt: Es ist möglich, fachliches Niveau und Unterhaltsamkeit in einer Rede unterzubringen, und es ist auch möglich, beides nicht in einer Rede unterzubringen. Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Kai Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nenne einzelne Veränderungen, die sich in den letzten Jahrzehnten in der Schule ergeben haben. Die Koedukation, also die Tatsache, dass Jungen und Mädchen gemeinsam in einer Klasse beschult werden, ist in den 60er-Jahren sehr intensiv diskutiert worden. Egal ob Wähler der Sozialdemokraten, der Freien Demokraten oder der Christdemokraten - es gab eine sehr konfuse Diskussion darüber, ob das ein sinnvoller Weg ist oder nicht. Das wird doch heute von keinem mehr infrage gestellt.

(Anita Klahn [FDP]: Doch, natürlich! - Wei- tere Zurufe)

Die Tatsache der körperlichen Züchtigung - mein Kollege Habersaat hat es bereits angesprochen -, war auch in den 70er-Jahren ein Thema und ist unmittelbar, bevor ich in die Schule kam, abgeschafft worden. Ich weiß, dass viele Grundschullehrkräfte damals sagten: Ohne körperliche Züchtigung kann es nicht funktionieren. Heute diskutiert das keiner mehr.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Anita Klahn [FDP]: Sie stellen Noten und Züchtigung in einen Zu- sammenhang? Das ist ja armselig! Was ha- ben Sie für ein Verständnis! - Unruhe)

- Frau Kollegin Klahn, stellen Sie eine Zwischenfrage, melden Sie sich zu einem Dreiminutenbeitrag -

Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.

Oder äußern Sie sich so, dass ich dazu Stellung beziehen kann.

(Beifall Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Frage der Gesamtschule wurde, in den 70erJahren ebenfalls diskutiert und von vielen damals als ein Wunderwerk einer Schule abgetan, das gar nicht funktionieren könne. Ich glaube, heute würde keiner im Landtag mehr sagen, dass das, was am Ende aus der Gesamtschule wurde, nämlich die Gemeinschaftsschule, ein Weg ist, der nicht zu vernünftigen Schulabschlüssen führt.

Seien Sie doch einmal offen für pädagogische Innovationen, seien Sie doch einmal offen für Innovationen bei der Leistungsbeurteilung!

Anträge wie diese können letztendlich nur Personen verfolgen, die nie schlechte Noten hatten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW - Lachen Heike Franzen [CDU] und Anita Klahn [FDP])

Der Nutzen für ein Grundschulkind, das durch eine schlechte Note von Mitschülern immer stigmatisiert wird, soll mir einmal aufgezeigt werden. - So sehr sich eine Lehrkraft darum bemüht, es wird nie gelingen, das Stigma wegzunehmen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und PIRATEN)

(Martin Habersaat)

Ein Schüler wird im Schatten stehen, weil er von anderen Schülerinnen und Schülern leider stigmatisiert wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unsinn!)

- Ich halte das nicht für Unsinn.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber ich!)

- Herr Kubicki, im Gegensatz zu mir haben Sie nie in einer Klasse gestanden, Kindern Klassenarbeiten zurückgegeben und in ihre traurigen Augen geschaut, wenn es am Ende nicht geglückt ist, obwohl das Kind gelernt hat.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Sie mögen mir die Erfahrung absprechen, aber im Gegensatz zu mir haben Sie nie als Lehrer in der Schule gestanden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Sven Krumbeck [PIRATEN] - Zu- rufe)

Die Motivation für ein Kind, das trotz eigenen Lernens schlechter ist als ein anderes Kind, soll man mir wirklich einmal zeigen.

Wenn Kinder Angst vor Noten in Klassenarbeiten haben, muss man dies sehr ernst nehmen. Sich Neuem zu verschließen, obwohl man weiß, dass das alte System - und das wissen wir alle - nicht optimal ist, kann pädagogisch nicht der richtige Weg sein.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Präsident, das ist mein letzter Satz. - Herr Kubicki, bei Bundesjugendspielen erfolgt die Bewertung nicht über Noten,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Punkte!)

sondern man erhält eine Urkunde, und in der Urkunde steht: Du hast teilgenommen. Das endet bei Kindern nie mit Tränen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW - Zurufe)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Schule und Berufsbildung, Frau Britta Ernst, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wie immer eine turbulente De

batte. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Wir haben den Grundschulen die Freiheit gegeben zu entscheiden, wie sie mit Noten in Klassenstufe drei und vier verfahren wollen. Die Schulen haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, und sie haben entschieden: Die meisten bleiben bei Noten. Aber auch von diesen Schulen haben eine ganze Reihe signalisiert, dass sie sich in einem Jahr eine andere Entscheidung vorstellen können. Eine ganze Reihe von Schulen haben sich gegen Noten entschieden, anknüpfend an ihr pädagogisches Konzept und natürlich im Gespräch mit den Eltern.