Protocol of the Session on January 23, 2015

Augen zu und durch - das kann und darf es nicht geben. Ich sage auch: Wenn man das nicht harmonisiert und die Geschwindigkeit nicht anpasst - der eine fährt im Porsche, der andere im Käfer -, wenn wir also zwei Geschwindigkeiten zulassen, dann fahren wir in das Chaos hinein.

Herr Abgeordneter Dr. Tietze, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Hamerich?

Ja, bitte.

Bitte schön.

Sehr verehrter Kollege Tietze, selbstverständlich sind wir bereit, das zu managen. Wir sind aber nicht bereit, die Schuld immer dann anderen zuzuschieben, wenn wir selber versagen. Der Vergleich mit dem Porsche stimmt. Nur: Die Dänen fahren mit dem Porsche, während Sie am liebsten mit dem Fahrrad im Rückwärtsgang fahren möchten.

(Beifall CDU)

Lieber Kollege Hamerich, lassen wir die politischen Ränkespiele, die wir sonst an dieser Stelle vollziehen, einmal außer Acht.

(Beifall CDU und Lachen FDP - Hans-Jörn Arp [CDU]: Dann müsstest du jetzt vom Rednerpult weggehen!)

Argumentieren wir rein vernunftmäßig, dann macht es doch keinen Sinn, einen fertiggestellten, 7 Milliarden € teuren Tunnel zu haben, durch den keiner durchfährt, weil es keinen Anschluss gibt. Das verstehe ich nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da muss man dem dänischen Minister doch einmal sagen: Lieber Herr Heunicke, nehmen wir einen Gang heraus! Wenn uns die Trasse wichtig ist, dann muss sie doch wenigstens harmonisiert fertiggestellt werden. Wenn Sie das wenigstens einmal akzeptierten. Dabei geht es gar nicht um Verkehrspolitik, sondern dabei geht es um reine Vernunft. Genau dieser Vernunft verweigern Sie sich.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Ja, bitte.

Bitte schön.

Herr Kollege Tietze, ich bin völlig überrascht. Verstehe ich Ihre Äußerung so richtig, dass sich die Grünen jetzt massiv dafür einsetzen, dass die von Ihnen beschriebenen Probleme möglichst schnell beseitigt werden?

(Beifall FDP und CDU)

Wenn Sie den Antrag, den wir eingebracht haben, richtig lesen, dann weisen wir darauf hin: Wenn man dieses Thema nicht zulasten der Anwohnerinnen und Anwohner an der Strecke lösen will, dann muss man konstruktive Vorschläge machen. Das heißt aber nicht, dass wir am Ende des Tages diesen Wahnsinn gutheißen, der sich bei der FehmarnbeltQuerung in Deutschland im Moment abspielt. Denn es ist genau das Thema, was wir beim Hauptstadtflughafen und bei Stuttgart 21 haben. Die Akzeptanz sinkt, das Großprojekt ist mit falschen Ver

(Dr. Andreas Tietze)

sprechungen begonnen worden. Deshalb ist für mich überhaupt noch nicht ausgemacht, dass am Ende des Tages diese Querung kommt. Diese Haltung kann ich haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber trotzdem kann ich mich doch der Problemlösung nicht verweigern. Ich kann da doch nicht aufhören. Politik ist doch auch die Kunst, immer wieder das Alltägliche zu managen. Ich kann doch nicht aufhören, mich um die Probleme der Menschen vor Ort zu kümmern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelter Beifall SPD)

Das ist aber das, was Sie wollen. Sie begreifen das Thema der Fehmarnbelt-Querung seit Jahren im Parlament als Politikinszenierung. Sie setzen sich nicht mit den wirklichen Argumenten auseinander.

Herr Kubicki, Artikel 22 Absatz 2 des Staatsvertrags - ich zitiere noch einmal -:

„Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projekts sich deutlich anders entwickeln als angenommen und anders, als es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags bekannt ist, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern. Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen im Zusammenhang mit den Hinterlandanbindungen.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und nun?)

Ich sage: Man wollte eine Brücke, man baut einen Tunnel. Man wollte eine alte Bestandstrasse, man baut eine neue Bahntrasse. Man wollte die Fehmarnsund-Brücke nicht erneuern, man erneuert die Fehmarnsund-Brücke.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie wollen das gan- ze Projekt nicht!)

- Entschuldigen Sie, Herr Garg. Wenn wir einen Vertrag festlegen, in dem wir für den deutschen Steuerzahler gesagt haben, diese Hinterlandanbindung kostet 800 Millionen €, und wenn wir dann bei 3 Milliarden € landen, und wenn wir vereinbart haben, dass wir uns in so einem Fall mit den dänischen Vertragspartnern erneut zusammensetzen, dann erwarte ich, dass der Vertragspartner Bundesrepublik Deutschland diesen Vertrag auch erfüllt. Das dürfen auch die Bürgerinnen und Bürger erwarten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sie das nicht mehr erwarten dürfen, dann brauchen wir keine Staatsverträge, keine Abmachungen und keine Außenpolitik mehr. Dann macht jeder das, was er will. Das ist nicht meine Einschätzung von Politik.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und jetzt? Was ist die Konsequenz daraus? - Dr. Heiner Garg [FDP]: Was schlagen Sie denn vor?)

Diese Formel ist keine Verständigungsformel. Sie ist eine Verantwortungsformel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Natürlich ist sie eine Verständigungsformel, was denn sonst?)

- Eine Verantwortungsformel, weil hinter jedem Vertrag auch ein Inhalt steht. Wenn ich diesen Inhalt nicht mehr überprüfen darf, dann habe ich im Grunde genommen dem Politikversagen und der Politikverdrossenheit Tür und Tor geöffnet. Das kritisieren wir bei Großprojekten, und das kritisieren wir in der Verkehrspolitik. Das steht nicht mehr auf der Grundlage einer vernünftigen Politik.

(Christopher Vogt [FDP]: Was ist denn mit Staatsverträgen?)

- Ich sage nur: Ein Staatsvertrag hat sich auch daran zu messen, dass der Inhalt eingehalten wird. Das fordere ich hier - und nichts anderes.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Callsen? Danach ist Ihre Redezeit zu Ende.

Ja, bitte.

Herr Kollege Dr. Tietze, wir haben gestern hier im Parlament gemeinsam die Regierungserklärung zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit gehört. Wir haben vernommen, dass die Europaministerin das Projekt feste FehmarnbeltQuerung als eines der ganz zentralen Projekte im Rahmen der deutsch-dänischen Zusammenarbeit herausgestellt hat. Glauben Sie nicht, dass die Worte, die Sie jetzt hier im Plenum von sich geben, bei unseren dänischen Freunden und Partnern, gerade auch bei der dänischen Regierung, für höchste Irritationen sorgen?

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall CDU - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Begeisterungsstürme werden sie aus- lösen!)

- Lieber Herr Callsen, wir in der Politik sind nicht dafür da, wohlgefällige Worte über Themen auszutauschen, bei denen es um etwas geht. Ich erwarte von einer selbstbewussten dänischen Regierung, wie übrigens von allen demokratischen Regierungen in Europa, dass sie sich auf der Grundlage von Sachverhalten und mit vernünftig vorgetragenen Argumenten mit dieser Frage auseinandersetzt. Wenn ich das nicht erwarten darf, dann bin ich anscheinend im falschen Europa. Im Europa der Zukunft müssen wir uns auch mit diesen Fragen auseinandersetzen; und Kritik gehört dazu. Ich bitte Sie, Herr Callsen, wir sind keine Claqueure; es geht nicht, dass wir uns bei solchen Themen immer nur abfeiern, sondern wir dürfen uns hinsichtlich dieser Frage auch kritisch äußern. Das gehört für mich zu einem vernünftigen Politikverständnis.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Eine Nachfrage, Herr Abgeordneter? - Bitte schön.

Herr Dr. Tietze, ich reiche noch eine Frage nach: Wenn Sie das hier bestätigen, dann frage ich mich allerdings schon - ich frage Sie, wie Sie dazu stehen -, mit welcher Verbindlichkeit Sie den Ministerpräsidenten und unsere Europaministerin zu unseren dänischen Partnern in der dänischen Regierung schicken, um für dieses gemeinsame schleswig-holsteinisch-dänische Projekt zu werben.

Nach unserem Politikverständnis schicken wir nicht irgendjemanden, sondern wir diskutieren miteinander. Der Ministerpräsident macht eine hervorragende Arbeit. Die Regierung arbeitet hinsichtlich dieser Frage hervorragend. Entschuldigen Sie, Herr Callsen, aber wir haben bezüglich dieses Antrags überhaupt keinen Dissens in der Koalition. Wir haben endlich das aufgegriffen, was notwendigerweise aufgegriffen werden musste und gesagt: Freunde, wenn ihr dieses Projekt voranbringen wollt, dann muss es ein koordiniertes Vorgehen geben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Diesem Antrag kann ich aus voller Überzeugung zustimmen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe!)

- Nein, das sind nicht zwei verschiedene Paar Schuhe. Das ist Dialektik. Aber ich will mit Ihnen nicht über Dialektik streiten. - Vielen Dank.