Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete und Oppositionsführer Daniel Günther.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fassungslos, entsetzt und traurig lassen uns die barbarischen Morde von Paris zurück. Die Brutalität und Kaltblütigkeit der Mörder - dies sieht man, wenn man sich die Bilder anschaut - erschüttern uns immer wieder. 17 unschuldige Menschen haben ihr Leben verloren, weil Terroristen ihren mörderischen und hasserfüllten Plan in die Tat umgesetzt haben, 17 Menschen, deren Familien und Freunde ohne sie weiterleben müssen. Ihnen gilt unser tiefstes Mitgefühl. Wir trauern mit unseren französischen Nachbarn.
Diese abscheulichen Morde waren ein gezielter Angriff auf das Fundament Europas: auf die Meinungs- und Pressefreiheit, unsere gesamte freiheitlich demokratische Grundordnung und auf unsere gemeinsamen Werte.
Inmitten ihrer Trauer haben unsere französischen Nachbarn ein wichtiges und mutiges Zeichen gesetzt: Sie beugen sich nicht den Terroristen; sie lassen sich von den terroristischen Islamisten nicht in die Knie zwingen.
Die beeindruckenden Demonstrationen mit Millionen von Menschen haben ein gemeinsames Signal gesetzt, das eine unglaublich positive Wirkung in ganz Europa entfaltet hat. Deswegen, so finde ich, ist es auch ein ausgesprochen gutes Zeichen, dass auch wir uns hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag heute auf einen gemeinsamen Antrag hierzu verständigt haben. Es muss nämlich unser gemeinsames Interesse und ein gemeinsames Signal von uns allen sein, mit dem wir diesen Terroristen entgegentreten. Über dieses Signal freue ich mich sehr.
Mein aufrichtiger Respekt gilt den überlebenden Journalisten von „Charlie Hebdo“. Diese haben sich von den Terroristen und dem barbarischen Überfall auf ihre Redaktion nicht einschüchtern lassen. Nach der brutalen und hinterhältigen Ermor
dung ihrer Kollegen haben sie weitergemacht und haben nur eine Woche danach eine neue Ausgabe veröffentlicht. Das verdient große Anerkennung. Ich glaube, die Schlangen, die wir vor den Verkaufsläden auf der ganzen Welt gesehen haben, sind ein beeindruckendes Signal aller Menschen gegen diese Terroristen.
Die Solidarität mit „Charlie Hebdo“ und den Opfern war und ist beachtlich. „Je suis Charlie“ drei Worte, die für diese hohe Solidarität stehen. Ich glaube, man kann sagen: Seit dem 7. Januar 2015 ist Europa wieder stärker zusammengewachsen.
Überall in Europa, darunter auch bei uns wie zum Beispiel in Lübeck oder Berlin, sind Menschen auf die Straße gegangen, um zu demonstrieren: Wir lassen uns nicht die Freiheit nehmen, für die unsere Vorfahren so viele Jahrhunderte gekämpft haben. Christen, Juden und Moslems haben gemeinsam der Opfer gedacht.
Vertreter aller großen Religionsgemeinschaften haben die Taten verurteilt. Diese sind durch nichts zu rechtfertigen, am wenigsten durch Gott. Auch das ist ein wichtiges Signal.
Unter den Opfern in Frankreich waren Christen, Muslime und Juden. Das zeigt eben auch: Der islamistische Terrorismus macht vor keiner Religion halt. Ich sage an dieser Stelle klar: Gerade deshalb müssen wir sehr sorgsam aufpassen und auch sehr sorgsam differenzieren. Wenn wir von Islamismus sprechen, dann darf das niemals mit dem Islam gleichgesetzt werden. Die Attentäter von Paris mögen zwar Muslime gewesen sein, aber das bedeutet nicht den Umkehrschluss. Genau das müssen wir gemeinsam vermitteln.
Die überwiegende Mehrheit der Muslime lebt friedlich bei uns, ohne eine Spur von Gewaltbereitschaft. Warum können sich dann Islamisten überhaupt auf Gott berufen? Auch auf diese Frage brauchen wir Antworten. Das hat auch unsere Bundeskanzlerin zu Recht eingefordert. Wir brauchen eine klare Abgrenzung zwischen Islam und Islamismus. Diese Debatte muss auch innerhalb der muslimischen Verbände weiter geführt werden. Der Islamismus hat hier nichts zu suchen; er hat nirgendwo in Europa einen Platz.
Beeindruckend hat dies auch der Bürgermeister von Rotterdam, der selbst Muslim ist, formuliert, indem er treffend ausdrückte:
„Wenn ihr die Freiheit nicht wollt, packt um Himmels Willen eure Koffer. Vielleicht gibt es einen Ort, an dem ihr ihr selbst sein könnt. Seid auch so ehrlich zu euch selbst und bringt keine unschuldigen Journalisten um. Das ist so rückständig, das ist unbegreiflich.“
Simone Lange, wir haben gestern über die Demonstration in Flensburg gesprochen. Deshalb weiß ich, in welch beeindruckender Klarheit auch dort die muslimischen Verbände erklärt haben, mit welcher Abscheu sie solche Taten sehen und mit welch großem Beifall das auch bei dieser großen Demonstration aufgenommen worden ist. Auch das war ein gutes Signal, das von unserem Land ausgegangen ist.
Genauso wenig, wie Islamismus einen Platz hat, dürfen wir religiöse und ethnische Diskriminierung tolerieren. Auch für sie ist kein Platz, weder in Schleswig-Holstein, noch in Deutschland oder in anderen Ländern Europas.
Madrid, London und jetzt Paris - Terroristen haben in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, unsere freiheitliche Grundordnung in Europa anzugreifen. Jedes Mal sind sie gescheitert. Jedes Mal hat sich Europa erfolgreich zur Wehr gesetzt.
Aber die Opfer bleiben. Sie können nicht zum Leben erweckt werden. Jede Form des Terrorismus lebt von der Angst, die sie verbreitet. Auch außerhalb Europas werden Menschen Opfer terroristischer Attentate. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen in Europa, egal welcher Religion sie angehören, Angst haben, hier zu leben. Genau das ist aber das Ziel der Terroristen. Dieses Ziel wollen sie erreichen. Genau das dürfen wir nicht zulassen. Die Morde von Paris führen uns vor Augen, welch hohes Gut unsere Sicherheit ist und wie wichtig es ist, unsere Sicherheit zu schützen. Darum gilt mein ausdrücklicher Dank all den Menschen, die unsere Sicherheit und damit auch unsere Freiheit jeden Tag aufs Neue verteidigen. Unser Dank gilt den Polizistinnen und Polizisten. Durch ihre Arbeit sind in der Vergangenheit viele Anschläge vereitelt worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Liberté, Egalité, Fraternité - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - drei Worte, die in diesen Tagen, mehr als 200 Jahre nach der Aufklärung, an Bedeutung hinzugewonnen haben. Paris ist nicht nur Opfer eines
terroristischen Anschlags geworden. Paris steht auch für den Mut von Bürgerinnen und Bürgern, die diese Freiheit verteidigen und deutlich machen: Die Werte von Europas werden Terroristen und Extremisten niemals zerstören können. Angriffe auf sie werden Staat und Gesellschaft immer mit allen Mitteln entgegentreten. Unsere Freiheit wird immer stärker sein als jede Form von Extremismus und Terrorismus.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein trauriger Anlass, aus dem wir die heutige Plenartagung mit einer Schweigeminute für die Opfer terroristischer Gewalt in den vergangenen Wochen begonnen haben. Ich bin froh, dass wir sie mit einem klaren Bekenntnis des Schleswig-Holsteinischen Landtags zu einer friedlichen, weltoffenen und vielfältigen Gesellschaft fortsetzen werden. Gemeinsam trauern wir um alle Opfer der Gewalt. Unser besonderes Mitgefühl gilt in diesen Tagen den Opfern und Angehörigen der grausamen Attentate gegen die Redaktion der französischen SatireZeitschrift ,,Charlie Hebdo“, dem Supermarkt für koschere Lebensmittel in Paris und des ermordeten Polizisten.
Es waren einmal mehr Akte terroristischer Gewalt, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Gewalt ist nie richtig oder akzeptabel, egal auf welches Ziel, welche Ideologie, welche Religion oder Weltanschauung sich die Täter auch berufen mögen.
Wir verurteilen Gewalttaten, die gegen die Grundrechte unserer Demokratie und den freien Rechtsstaat gerichtet sind. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, aber auch Demonstrationsfreiheit gehören zu den Grundfesten unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Sie sind das Erbe der Aufklärung, die wir uns von niemandem streitig machen.
,,Je suis Charlie“ ist in den vergangenen Tagen zu einer festen Formel für dieses Verständnis geworden. Das gilt übrigens völlig unabhängig davon, ob einem jede Karikatur gefällt. Das ist Teil unseres Verständnisses von Pressefreiheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich gehe sehr einig mit dem, was der Kollege Günther zu all dem, was die Ursachen von Gewalt angeht, gesagt hat. Wir sollten aber auch mit großer Sorge die Entwicklungen in Deutschland betrachten, die seit einigen Wochen die Debatte über unser Zusammenleben beherrschen, Menschen, die seit einigen Wochen auf unsere Straßen gehen und Flüchtlinge, Zuwanderer und Muslime für Ängste und Sorgen in der Bevölkerung verantwortlich machen. Niemand sollte versuchen, politisches Kapital aus den Ereignissen in Paris zu schlagen!
Ebenso wenig ist es richtig, den Islam für die Gewalt verantwortlich zu machen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, durch Ausgrenzung, Intoleranz oder Hass andere Menschen für tatsächliche oder vermeintliche Missstände verantwortlich zu machen. Die Welt ist sehr viel komplexer, als es uns PEGIDA und Co. glauben machen wollen, als Rechtspopulisten oder andere uns erzählen.
Europafeindlichkeit und andere Dinge haben keinen Platz. Wer ernsthaft sagt, es sei ein Zeichen für die Islamisierung, dass die Demonstration in Dresden verboten werden soll, der hat wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das Demonstrationsrecht wird geschützt. Ich schließe mich ausdrücklich dem Dank an unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an. Dass man natürlich ab und zu einmal Veranstaltungen nicht zulassen kann, weil nicht sichergestellt werden kann, dass das ohne Gefahr für Leib und Leben erfolgt, heißt überhaupt nicht, dass wir bereit wären, die Meinungsfreiheit in Deutschland einschränken zu lassen. Das ist nicht der Fall. Das Demonstrationsrecht ist wichtig. Aber es ist auch wichtig, die Menschen zu schützen, damit ihnen nichts widerfährt. Stellen Sie sich einmal vor, die Polizei würde das anders handhaben.
Deswegen sage ich Ihnen, dass die Demonstrationen der sogenannten PEGIDA, die für Intoleranz, Islamfeindlichkeit und rechtspopulistische Stimmungsmache stehen, keinen Dialog verdienen, sondern eine deutliche Abgrenzung. Wer heute Parolen und Fahnen mit der Aufschrift ,,Nieder mit der Lügenpresse“ hinterherläuft und am nächsten Tag schwarze Binden für ermordete Journalisten trägt, ist nicht glaubwürdig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Ja, den Dialog, was die realen Probleme angeht, müssen wir führen, übrigens auch mit anderen, die sich vielleicht irreführen lassen. Das ist nötig. Aber nicht um eingebildete Probleme! Es geht um Haltung, nicht um Spaltung unserer Gesellschaft.
Man muss Augen, Ohren und Nase geschlossen haben, um nicht zu merken, dass es hier vielen um Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz geht und sie die Attentate in Paris sogar noch zur Begründung heranziehen. An dieser Stelle sind wir - die demokratischen Parteien - gemeinsam, gefragt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die schrecklichen Anschläge von Paris jetzt instrumentalisiert werden, um weiter Unruhe in Deutschland gegen Migranten, gegen Flüchtlinge, gegen Muslime zu schüren. Es gilt darum, ein Zeichen der Solidarität zu setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Solidarität übrigens auch gegenüber anderen Opfern von Terror und Gewalt, die nicht im Medienfokus stehen - außerhalb Europas. Ich denke an die grausamen Nachrichten, die uns nahezu täglich aus dem Jemen, dem Irak, Nigeria oder Syrien erreichen. Viele tausend Menschen werden durch terroristische Gewalt umgebracht. Alle, jeder Einzelne, dem dies wiederfährt, ist einer zu viel. Unsere Solidarität muss allen gelten, die Opfer von Gewalt sind.
Diese Solidarität zeigen wir auch, indem wir Flüchtlinge, die zu uns kommen, willkommen heißen und menschenwürdig behandeln. Artikel 1 unseres Grundgesetzes - die Würde des Menschen ist unantastbar - gilt für alle Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausnahmslos für alle. Darauf haben wir zu achten, sowohl bei der Debatte über diese Themen als auch bei den Schlussfolgerungen, die wir ziehen wollen.
Wer furchtbare Ereignisse für Hetze instrumentalisiert, verhöhnt die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Respekt vor den Opfern und das Mitgefühl mit Angehörigen und Freunden verbietet es, diese feigen Mordtaten als etwas anderes zu betrachten als das, was sie sind, nämlich durch nichts zu rechtfertigende und überhaupt nicht zu legitimierende Gewalt von Tätern, deren konsequente Verfolgung und Bestrafung erste Priorität haben muss.