Leider hat die Regierung auch dieses Ziel noch nicht erreicht, und Neubaumittel fließen mehrheitlich in den Straßenbau statt in den ÖPNV beziehungsweise den Schienenverkehr. Dazu kommt aber, dass sich die Straßen in Schleswig-Holstein in einem so erbarmungswürdigen Zustand befinden, dass Fachfremde bereits einen Schlaglochsoli forderten. Aber das war hoffentlich nicht ernst gemeint.
Aber gleich wieder zurück zum Koalitionsvertrag: Ein besonderes Projekt, das den PIRATEN am Herzen liegt, ist darin ebenfalls festgeschrieben:
„Im Rahmen des Schleswig-Holstein-Tarifs werden wir gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern neue Anreiztarife wie zum Beispiel Flatrates, Semestertickets und Arbeitnehmertickets, kostenlose Fahrradmitnahme und auch die fahrscheinlose Nutzung … des ÖPNV … prüfen.“
Was ist bisher geschehen? - Nichts! Ich gehe davon aus, dass Sie es in diesem Bereich nicht einmal zu einem Versprechen bringen, das Sie später dann nicht halten würden. Hierbei könnte SchleswigHolstein tatsächlich zukunftsgerichtet glänzen. Gerade ein fahrscheinloser ÖPNV könnte die Antwort auf die Probleme bei der Schülerbeförderung und bei der Mobilität im ländlichen Raum sein sowie den Tourismus stärken. Gehen wir doch gemeinsam so ein Projekt an!
Machen wir uns doch nichts vor: Der Verkehrsetat wird hinten und vorne nicht reichen, und Sie haben das zu verantworten. Aber es ist gut, dass Sie uns PIRATEN in diesem Landtag haben. Viele der von Ihnen gehaltenen Versprechen sind auch nur dadurch zustande gekommen, dass wir Sie dahin getrieben haben.
Für die Vorratsdatenspeicherung mussten wir den Antrag einbringen. Zum Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre haben wir ebenfalls den Antrag eingebracht. Ich könnte die Liste an dieser Stelle noch weiterführen.
Ich will aber den Blick auf etwas anderes richten. Laut Koalitionsvertrag nimmt die Bildungspolitik einen hohen Stellenwert ein. Im Koalitionsvertrag wird davon ausgegangen, dass die Unterrichtssituation in den Schulen vertretbar sei und durch rückläufige Schülerzahlen eine demografische Rendite im Gegenwert von rund 1.400 Stellen für bildungspolitische Schwerpunkte zu verwenden sei. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen. Das können Sie wissen.
Was ist aber wirklich seitens der Landesregierung geschehen? Durch das Drängen der Öffentlichkeit und durch das gute Zutun der ehemaligen Bildungsministerin hat die 2012er-Regierung offengelegt, dass Schleswig-Holstein ein Lehrerdefizit von rund 1.250 Stellen zuzüglich der fehlenden Erzieherstellen aufweist. Sie wissen, wie wichtig diese für die Umsetzung der Inklusionsziele sind. Das heißt doch, dass Schleswig-Holstein in der Grundversorgung meilenweit von annähernd 100 % entfernt ist.
Und nur nebenbei: Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Stegner, hat dieses Ziel ausweislich seiner Antwort auf eine meiner Nachfragen zu seiner Rede für unerreichbar erklärt. Herr Albig, wir setzen auf Sie in diesem Punkt und hoffen, dass Sie Herrn Dr. Stegner eines Besseren belehren.
Dieses angesprochene strukturelle Defizit wird durch den normalen Unterrichtsausfall verstärkt. Das Eingeständnis dieses Zustandes ist der ehemaligen Bildungsministerin als Stärke anzuerkennen. Was die Lehrer, Schüler und Eltern immer gespürt haben, war nun schwarz auf weiß nachlesbar. Der öffentliche Druck hat bei der Landesregierung zu einem Umsteuern geführt. Der Stellenabbaupfad wurde abgemildert, und es werden weniger Stellen gestrichen, als von der Vorgängerregierung geplant wurde.
Von einer guten Unterrichtsversorgung kann man dennoch nicht sprechen. Im Gegenteil: Trotz des schlechten Fundaments wurden durch das neue Schulgesetz zusätzliche Bedarfe generiert. Nach unserer Auffassung hätte man bei aller Sympathie für manchen Ansatz zunächst die Grundsicherung der Unterrichtsversorgung für alle im Auge haben müssen.
Ich darf das einmal kurz bewerten. In dieser Legislaturperiode sollen noch insgesamt 750 Stellen im Schulbereich gestrichen werden. Das ist nicht nur deshalb doof, weil nach aktuellen Berechnungen der GEW immer noch rund 1.400 Stellen in der Grundversorgung fehlen, sondern durch die Inklusi
on entsteht ein weiterer Minimalbedarf von rund 1.000 Stellen. Das bekommen Sie in dieser Legislaturperiode einfach nicht hin.
Sie, Herr Ministerpräsident, wiederholen immer wieder Behauptungen, dass noch nie so viel Geld für Bildung ausgegeben worden sei wie unter Ihrer Regierung.
Das mag in Bezug auf die absoluten Zahlen stimmen, aber im Hinblick auf den prozentualen Anteil an den Haushaltsausgaben ist das falsch. Ein Bundesland wie Thüringen ist Schleswig-Holstein da momentan weit voraus.
Schauen wir uns aber noch einen anderen Bereich an, in dem Sie etwas versprochen haben, nämlich die schulische Inklusion. Diese stellte im Koalitionsvertrag und in ihrer ersten Regierungserklärung einen Schwerpunkt dar. Nach zweieinhalb Jahren haben wir aber leider nur leere Worte. Die ehemalige Bildungsministerin hat zwar ein Inklusionskonzept vorgelegt, dies wurde aber sogar von der regierungsnahen GEW zerrissen, weil darin keine Ressourcenplanung, keine ehrliche und ausreichende Situationsbeschreibung, keine Zielerreichungsstrategie und Konzepte für die unterschiedlichen Professionen enthalten waren.
So hat die Landesregierung tatsächlich - man glaubt es kaum - im Bereich Inklusion nur erreicht festzustellen, dass Inklusion nicht zum Nulltarif zu haben sei. Wenn Sie da noch etwas retten wollen, brauchen wir alsbald von Ihnen ein überarbeitetes und tragfähiges Inklusionskonzept.
Aber von den nicht gestrichenen Lehrerstellen ging nicht eine einzige in die Grund- oder Förderschulen. Dort fängt Inklusion an. Aber Sie, Herr Albig, strecken die Nase lieber hoch in die Lüfte der oberen Stockwerke, statt sich um solide Fundamente zu kümmern. Und noch eines: Keine einzige Lehrerstelle wäre ohne die Leistungen des Bundes erhalten geblieben. Ich dachte nicht, dass ich das einmal sagen würde, aber jede Verbesserung wurde dort möglich - Mutti sei Dank.
Ein weiterer vernachlässigter Bereich sind die Hochschulen unseres Landes, die strukturell unterfinanziert sind. In einem aktuellen Antrag stellen auch die Koalitionsfraktionen dies fest. Leider wird
bisher nicht deutlich, wie die Regierung dies ändern will. Daran hat auch die heutige Regierungserklärung nichts geändert.
Was Sie in den letzten zwei Jahren getan haben, ist, mit einem Sondervermögen Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren. Mit diesen Sanierungsmaßnahmen wird aber kein einziges prekäres Beschäftigungsverhältnis aufgelöst, wird nichts für die Grundausstattung und auch für die Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf Forschung und Lehre getan. Mit der neuen Wissenschaftsministerin sind die Hoffnungen auf viel Bewegung in der Hochschulpolitik noch einmal gesunken.
„Die Hochschulen in Schleswig-Holstein fordern von der neuen Landesregierung zu Recht mehr Kooperation, Unterstützung und Planungssicherheit. Wir werden sie ihnen geben, auch wenn die zur Verfügung stehenden Mittel die bestehenden Bedarfe nicht decken können.“
Die derzeitige Bilanz ist aber ernüchternd. Versprechen werden selbstverständlich nicht gehalten, denn die BAföG-Mittel gehen zu 100 % an den Hochschulen vorbei.
Sie, Herr Albig, haben vorhin noch gesagt, dass Sie darauf stolz seien. Das ist tatsächlich ein unfassbarer Griff in die politische Bedürfnisanstalt.
(Beifall PIRATEN, Heike Franzen [CDU] und Christopher Vogt [FDP] - Wolfgang Dudda [PIRATEN]: Unglaublich!)
Herr Dr. Stegner, ich glaube, es ist an dieser Stelle wirklich falsch, Hochschulen gegen Schulen auszuspielen, wie Sie es beim Kollegen Günther gemacht haben. Ein Entweder-oder löst keine Probleme.
Die Mahnung der Bundesbildungsministerin, die Hochschulen bei der Verteilung der freigewordenen Mittel zu berücksichtigen, läuft ins Leere. Eine Verbesserung der finanziellen Grundausstattung findet in Schleswig-Holstein nicht statt. Das von Ihnen angekündigte Sanierungspaket in Höhe von 165 Millionen € ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wir decken damit höchstens ein Viertel des Sanierungstaus an der Christians-Albrecht-Universität ab. Hierbei von „Innovation“ zu sprechen, ist absurd.
Zusätzlich dazu sind die schleswig-holsteinischen Hochschulen im norddeutschen Vergleich immer noch drastisch unterfinanziert. Die Einlösung Ihrer Versprechen liegt indes in ferner Zukunft, nämlich in 2022 nach dem Hochschulpakt.
Das Schlimme dabei ist, dass die doppelten Abiturjahrgänge dabei noch gar nicht berücksichtigt sind, obwohl Sie diese sogar angesprochen haben. Das Schlimme ist, dass die Hochschulen noch gar nicht wissen, wie sie das bewältigen sollen. Wurden in den letzten Jahren ausreichende Laborplätze oder ähnliches geschaffen? Ich habe die Bagger noch nicht gesehen.
Andere Bundesländer haben sich viel stärker auf die doppelten Abiturjahrgänge vorbereitet. Von der Frage nach ausreichenden Lehrstellen für den doppelten Abiturjahrgang zu sprechen, möchte ich gar nicht anfangen.
Fassen wir zusammen: Sie machen hier und da ein bisschen; das ist einzugestehen. Nichtsdestotrotz darf man feststellen, dass die Landesregierung schlicht keine Ahnung von der tatsächlichen Situation hatte. Wir PIRATEN werden Ihnen dabei weiterhin auf die Finger schauen. Wir haben von Bildung tatsächlich mehr Ahnung, als Sie vermuten.
Gestatten Sie mir auch einige Worte zu Ihrer großartigen Kita-Bilanz. Herr Albig, Eltern haben einen Rechtsanspruch auf die U3-Betreuung. Wir haben eine Regierung, die geltendes Recht umsetzt. Ehrlich gesagt, halte ich das für selbstverständlich und nicht für eine große Leistung. Aber in Ihrer Regierung muss man auch schon Selbstverständlichkeiten loben.
Kein Wort zu Qualitätsstandards, kein Wort zum Erziehermangel - aber Erzieher haben Sie ja ohnehin nicht so auf der Rechnung. Sie unterrichten in den Förderzentren zum Dumpinglohn, und alle nehmen das als selbstverständlich hin.