Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Astrid Damerow von der CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einige Worte zur Beantwortung unserer Großen Anfrage sagen. Zuallererst möchte ich ganz ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung, in den Verwaltungen, für die wirklich ausführliche und ergiebige Beantwortung unserer Anfrage danken.
Die Antwort zeigt, das Zuwanderungsund Flüchtlingspolitik eine Querschnittsaufgabe ist. Das ist für uns keine neue Erkenntnis. Aber ich finde, bei dieser Antwort wird das ganz besonders deutlich. Sie zeigt im Übrigen auch, dass sich die Anforderungen an eine zukunftsgerichtete Zuwanderungspolitik ständig verändern und wir hier ebenfalls ständig gefordert sein werden.
Wir sollten nun die Möglichkeit nutzen und ausgehend von den Ergebnissen dieser Großen Anfrage in den nächsten Monaten eine umfassende Debatte zum Thema Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik führen. Dies betrifft - ich sagte es schon - im Querschnitt viele Bereiche in unserem Land. Es betrifft den Sozialbereich und den Bildungsbereich ebenso wie die Bereiche Europa und Wirtschaft. Aus diesem Grund beantrage ich für meine Fraktion die Überweisung der Großen Anfrage federführend in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in die Ausschüsse Soziales, Bildung, Wirtschaft und Europa. Ich glaube, dass wir noch eine Menge Dis
kussionsstoff und auch viele Anregungen für Maßnahmen und Aktionen in den nächsten Jahren haben werden.
Ich komme nun zu dem Bericht über die Unterbringungssituation. Hier wird es nun doch erheblich schwieriger. Die Konflikte in der Welt bleiben auch für uns in Deutschland nicht folgenlos. Seit dem Jahr 2012 sind die Flüchtlingszahlen in Schleswig-Holstein außerordentlich stark angestiegen. Der Minister hat es bereits ausgeführt. Deutschlandweit sind die Kapazitäten für die Unterbringung von Flüchtlingen nahezu erschöpft. Dies betrifft sowohl die Aufnahme in Erstaufnahmeeinrichtungen als auch die Unterbringung in den Kommunen. In Berlin wurde die zentrale Aufnahmeeinrichtung vorübergehend geschlossen. Auch bei uns in Schleswig-Holstein müssen Flüchtlinge - zumindest vorübergehend - in Zelten untergebracht werden.
Herr Innenminister, Sie haben in einem Interview gesagt, die steigenden Flüchtlingszahlen seien nicht vorhersehbar gewesen, und Sie haben eben sehr deutlich ausgeführt, dass uns rückwärtsgewandte Diskussionen nicht weiterbringen. Ich wollte eigentlich erst am Ende meiner Rede darauf eingehen. Nun schiebe ich es aber doch etwas früher ein. Das ist ja ein netter Versuch. Sie tun nicht das, wozu wir Sie hier im Landtag aufgefordert haben, und wenn wir dies kritisieren, dann bezeichnen Sie das als rückwärtsgewandte Diskussion. Fakt ist doch, dass bereits vor einem Jahr abzusehen war, dass die Flüchtlingszahlen steigen würden. Die Konflikte in der Welt sind ja nicht neu. Die Auswirkungen des neuesten Konflikts im Irak sind hier bei uns überhaupt noch nicht spürbar. Die Flüchtlinge aus dem Irak sind noch nicht da. Bei den Flüchtlingszahlen, mit denen wir es heute zu tun haben, handelt es sich um Flüchtlinge aus Krisengebieten, die bereits vor einem Jahr vorhanden waren. Deshalb, Herr Minister, ist das nicht rückwärtsgewandt. Ich stelle fest - und das ist unsere Aufgabe und kein Reflex der Opposition -,
Als wir damals den Antrag gestellt haben, noch bevor die anderen Fraktionen sich dankenswerterweise daran beteiligt haben, haben Sie in einem Interview klar zum Ausdruck gebracht, dass dieser Antrag vermutlich ins Leere zielen werde. Es zeigte sich da schon sehr deutlich, wie Ihre Einstellung dazu war. Genauso sind Sie mit diesem Antrag umgegangen. Sie haben nämlich einfach schlicht
nichts getan. Das kritisieren wir, so denke ich, zu Recht und vor allem auch im Sinne der Flüchtlinge, die davon betroffen sind.
Wir diskutieren hier in keiner Weise über den Umgang und über das Ob und Wie wir mit den Flüchtlingen umgehen. Hier herrscht traditionell - Sie haben es richtig erkannt - ein großer Konsens in diesem Schleswig-Holsteinischen Landtag. Den stellen wir nicht infrage. Wir stellen aber sehr deutlich infrage, ob diese Landesregierung den Herausforderungen der aktuellen Flüchtlingspolitik überhaupt gewachsen ist. Wir als Opposition sagen: Die Landesregierung ist dem in keiner Weise gewachsen.
Im Übrigen hat auch der Flüchtlingsbeauftragte nun relativ wenig Verständnis für Ihre plötzliche Erkenntnis, dass nun ganz viele Flüchtlinge kommen. Auch er war der Ansicht, wir sollten frühzeitig beginnen, Kapazitäten zu schaffen.
Wir hatten Sie im letzten Jahr dazu aufgefordert, uns über ein Konzept, das Sie gemeinsam mit den Kommunen erarbeiten sollten, halbjährlich Bericht zu erstatten. Im März 2014 haben Sie uns darüber berichtet, und das war schon relativ dünn. Dann hatten wir gedacht, im September 2014 kommt ein weiterer, umfassenderer Bericht. Aber bei Durchsicht dieses Papiers stellen wir fest, dass Sie uns viele Maßnahmen, die Sie uns bereits im März vorgestellt haben, heute noch einmal präsentieren. Sie haben diese nur etwas stärker ausformuliert.
Sie preisen sich dafür, dass Sie gemeinsam mit den Kommunen einen Leitfaden zur Willkommenskultur erarbeitet haben. Ja, das ist richtig und wichtig, hilft aber nicht bei der Unterbringung der Flüchtlinge, die jetzt vor unseren Türen stehen.
Sie sprechen von Regionalkonferenzen, Sie sprechen von Dienstversammlungen - wobei die letzte schon relativ lange her ist -, aber es fehlt ein Konzept, wie Sie den Kommunen bei steigenden Flüchtlingszahlen unter die Arme greifen, wie Sie ihnen praktisch helfen wollen. Welchen Lösungsansatz haben Sie denn konkret, damit die Kommunen die immer größer werdenden Herausforderungen und Anforderungen an eine qualitativ hochstehende Betreuung der Flüchtlinge, die zu uns kommen, überhaupt bewältigen können? - 63,91 € als Betreuungspauschale pro Quartal und Flüchtling sind dafür wirklich nicht ausreichend.
Auch der Leitfaden für die Qualität der Unterbringung hilft da nicht, genauso wie ein Betreuungskonzept, das demnächst erarbeitet werden soll, eher weniger hilfreich ist. Sie sind extrem bürokratisch. Schauen wir uns einmal die Gemeinschaftsunterkunft Schackendorf an. Seit Anfang des Jahres wartet der Kreis auf einen Bewilligungsbescheid zum Umbau und zur Erweiterung der Unterkunft. Bis heute ist nichts passiert.
Sie reden davon, dass Sie Alternativen beziehungsweise zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten für die Gemeinschaftsunterkunft zur Erweiterung der Erstaufnahmeeinrichtungen suchen. Das ist richtig und auch notwendig. Es wird auch erforderlich sein, hier mit der erforderlichen Sensibilität mit den Kommunen zu sprechen. Leider ist es so, dass die Gerüchteküche häufig schneller ist als Sie. Die Unruhe in den betroffenen Gemeinden ist bereits da. Und hier hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie erheblich früher mit den Gemeindevertretungen, die davon betroffen sind, das Gespräch suchen.
Damit aber kein Missverständnis entsteht: Wir sind nicht gegen eine Erweiterung der Gemeinschaftsunterkunft, wir kritisieren allein den Weg, den Sie permanent beschreiten. Sie haben ganz offensichtlich gedacht, dass dieser Kelch irgendwie an Ihnen vorübergeht. Und plötzlich stellen Sie fest -
- Entschuldigung, aber für die Kapazität der Erstaufnahme ist diese Landesregierung zuständig, und für die Unterstützung der Kommunen in unserem Land zur Unterbringung der Flüchtlinge ist ebenfalls das Land verantwortlich.
Es fehlt nach wie vor ein Konzept. Die Menschen, die bei uns ankommen, sind vor Verfolgung geflohen, sie haben Angst um Leib und Leben und müssen hier nun erleben, dass wir den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gewachsen sind. Das, so muss ich gestehen, ist ein Armutszeugnis vor allem für diese Landesregierung. Da wir ganz offensichtlich feststellen, dass diese Landesregierung nicht in der Lage ist, mit den Kommunen ver
nünftig zu reden, beantrage ich für meine Fraktion, dass wir diesen Bericht in den Innen- und Rechtsausschuss überweisen und dass wir dann dort als Landtag mit den Kommunen und mit den Akteuren vor Ort das Gespräch suchen. Denn ganz offensichtlich können Sie das nicht. Daher nehmen wir das jetzt als Landtag in die Hand. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Torsten Döhring, Mitarbeiter des Flüchtlingsbeauftragten! Liebe Johanna Böttcher, Mitglied des Flüchtlingsbeirats. Ich möchte das ein bisschen zurechtrücken. Dieser Einstieg hat dazu geführt, dass ich mich ein wenig sammeln konnte. Ich wollte eigentlich mit einem fetten Lob beginnen, Frau Kollegin Damerow, mit einem richtig fetten Lob für die CDU-Fraktion.
- Ganz genau, Kollege Garg, nicht übertreiben. Dennoch möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zur Beantwortung der Großen Anfrage beigetragen haben, bedanken und möchte gern feststellen, dass die Antwort auf die Große Anfrage, die uns jetzt vorliegt, nicht nur uns in unserer parlamentarischen Arbeit mehrere Monate begleiten wird. Ich finde es sehr gut, dass Sie den Vorschlag gemacht haben, dies an die Ausschüsse zu überweisen. Denn ich finde, wir haben es in Schleswig-Holstein trotz der guten Fortschritte immer noch nicht geschafft, zu erreichen, dass dies eine Querschnittsaufgabe ist, die alle Ministerien betrifft.
Die Antwort wird aber auch den Kommunen vor Ort helfen, denn es ist ein Berg von Informationen. Viele Kommunen haben sich bisher nicht so sehr damit auseinandergesetzt, wenn es darum geht, wie die Flüchtlinge untergebracht werden müssten, können und sollten. Daher wird es auch für die Arbeit der Kommunen vor Ort sehr von Nutzen sein. Davon bin ich fest überzeugt.
Ihre Vorwürfe, Frau Kollegin Damerow, sind wirklich sehr erstaunlich. Denn Sie wissen genau, wie die Verteilung in diesem Land funktioniert. Sie sind die Fachsprecherin für Ihre Fraktion. Sie wissen genau, dass wir für die Erstaufnahme als Land zuständig sind - da teile ich auch ein wenig Ihre Kritik -, aber für die Verteilung in die Kommunen und die dortige Unterbringung sind die Kommunen verantwortlich. Es gibt eine klare Aufteilung, wer hier die Kosten übernimmt: 70 % das Land, 30 % die Kommunen. Dies kann die Kommune durch Gemeinschaftsunterkünfte lösen, dezentral organisieren oder eine Betreuung organisieren oder auch anders handhaben. Das wissen Sie ganz genau. Ihren Vorwurf hier in den Raum zu stellen, das Land beziehungsweise die Landesregierung habe versagt und die Unterbringung in den Kommunen nicht vernünftig vorbereitet, finde ich sehr erstaunlich.
Es diskreditiert auch die Arbeit der Kommunen. Ja, wir haben höhere Eingangszahlen, ja, wir stehen vor einer Herausforderung, aber ich möchte ganz gern sagen, dass das keine Probleme sind. Neulich stand in einem Kommentar, der in den „KN“ erschienen ist, hierbei handele es sich nicht um Probleme, sondern um Herausforderungen. Wir wollen eigentlich alle gemeinsam an vernünftigen Lösungen arbeiten. Ihr Beitrag, Kollegin Damerow, hat gerade nicht dazu beigetragen.
Auch wenn meine Redezeit leider begrenzt ist, obwohl Sie, Herr Minister Breitner, uns bereits eine längere Redezeit verschafft haben, möchte ich jetzt doch noch auf die Punkte eingehen, welche die Landesregierung haushalterisch vorgenommen hat. Das zeigt, wie vorausschauend diese Landesregierung gewesen ist. An dieser Stelle möchte ich auch gern der Finanzministerin Heinold danken, die uns hier eine sehr große Unterstützung ist. Hier arbeitet die Landesregierung gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten, mit der Finanzministerin und dem Innenminister des Landes zusammen. So zu tun, als würde diese Landesregierung ihre Hausaufgaben nicht machen, ist wirklich unverschämt.
Beispielhaft möchte ich nennen, dass wir selbstverständlich die Mittel für die Unterbringung der Flüchtlinge aufgestockt haben. Sie wissen auch genau, dass es sich hierbei um einen zweistelligen Millionenbetrag handelt. Wir haben auch die Mittel