Protocol of the Session on September 4, 2014

(Beifall CDU und FDP)

Herr Albig, Sie wissen es auch. Sie sagen ja selber, niemand kenne die Akten so gut wie Sie.

Sie haben doch selbst - und da komme ich an einen anderen Punkt - Kriterien für die Entlassung von Ministern aufgestellt. Wer die Unwahrheit sagt, wer illoyal ist, oder wer sich etwas hat zuschulden kommen lassen, der muss gehen. So haben wir es von Ihnen gelesen. Es liegt doch auf der Hand, dass Frau Wende mindestens eines dieser Kriterien für einen Rauswurf längst erfüllt hat, nämlich dass sie unehrlich war. Frau Wende hat nicht nur Professor Löwer die Unwahrheit über ihren Status gesagt, sie hat auch das Präsidium der Universität Flensburg falsch informiert. Sie hat dem Präsidium sogar die Expertise von Professor Löwer vorenthalten und natürlich dann auch an diesem rechtswidrigen Rückkehrrecht mitgewirkt. Herr Albig, Sie sollten wenigstens sich selber und Ihre eigenen Maßstäbe einmal ernst nehmen und Frau Wende als Bildungsministerin entlassen.

(Beifall CDU und FDP)

Eine unverschämte Frechheit ist vor diesem Hintergrund aber die Aussage der Landesregierung, sie habe - ich zitiere - „von Anfang an volle Transparenz walten lassen.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Es war einzig und allein die Opposition -

(Lachen Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Da gibt es doch gar nichts zu lachen, Herr Dr. Stegner. - Es war einzig und allein die Opposition aus CDU, FDP und PIRATEN hier in diesem Haus, die diese Dinge aufgeklärt hat.

(Beifall CDU, FDP und PIRATEN)

Wir waren es, die die Aktuelle Stunde am 14. Mai 2014 beantragt haben.

(Zurufe SPD: Oh!)

Es war die Opposition, die das Aktenvorlagebegehren beantragt hat.

(Zurufe SPD: Ah!)

Genau dadurch ist nämlich der Schriftverkehr zwischen Frau Wende und der Universität publik geworden. Es war auch die Opposition, die im Bil

5410 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 66. Sitzung - Donnerstag, 4. September 2014

(Johannes Callsen)

dungsausschuss auf weitere Aufklärung drängen musste.

(Zurufe SPD)

Nur dadurch sind die Fakten ans Licht gekommen. Genau diese von der Opposition erarbeiteten Erkenntnisse, sind die Grundlage für den Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft. So einfach ist die Welt.

(Beifall CDU und FDP)

Seitdem das nun alles bekannt ist, keilt der Ministerpräsident aus - ganz oben aus seinem Luftschloss auf alle Kritiker herab. Zu Sachfragen wie etwa der Handlungsfähigkeit des wichtigsten Ministeriums oder auch der Unabhängigkeit der Justiz sagt er überhaupt nichts. Stattdessen bezeichnet er hier im Parlament alle um Aufklärung bemühten Kolleginnen und Kollegen der Opposition als welche, die „gar nicht klein genug sein können, als dass sie versuchen, aus ihrer Kleinheit mit Schmutz zu werfen.“

Das ist eine üble Wortwahl. Vor der Sitzung des Bildungsausschusses hat er die Kritik als Gekläff, also als Hundelaute, bezeichnet. Das ist das einzige, was der Ministerpräsident in dieser wirklichen Krise zu bieten hat. Wer sich in Schleswig-Holstein um Aufklärung bemüht, wird belogen, beschimpft und herabgewürdigt. So ist es.

(Beifall CDU und FDP)

Damit missachtet der Ministerpräsident auch die Verfassungsrechte der Opposition. Ich sage ausdrücklich: Das sind Rechte, die jedem Abgeordneten in diesem Haus wichtig sein müssten. Auch deshalb beantragen wir zu unserem Antrag namentliche Abstimmung. Denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, müssen sich heute wirklich entscheiden, ob Sie diese Formulierung des Ministerpräsidenten unterstützen oder missbilligen.

Ich will noch einen weiteren Punkt in unserem Antrag ansprechen. Herr Albig beschränkt sich nämlich - was politisch möglicherweise noch nachvollziehbar wäre - in seinen Herabwürdigungen längst nicht mehr auf die politische Opposition. Er beschimpft mittlerweile auch Demonstranten, die ihr Grundrecht wahrnehmen, als respektlos, töricht und dumm. Er unterstellt den Demonstranten sogar gegenüber Journalisten, sie hätten das entsprechende Gesetz noch nicht einmal gelesen, und zwar obwohl die sachlich fundierte Stellungnahme der Initiatoren der Demonstration zum Gesetzentwurf - am Gesetzentwurf erarbeitet - zu diesem Zeitpunkt längst

bekannt und verumdruckt war. Auch das, sehr geehrter Herr Albig, ist ausgesprochen unredlich, unfair und deplatziert gegenüber den Menschen, die hier ihre Rechte in der Demokratie wahrnehmen.

(Beifall CDU und FDP)

Dieses Beispiel macht deutlich: Für diesen Ministerpräsidenten ist mittlerweile jede Kritik Majestätsbeleidigung. Dabei würdigt er jeden Kritiker unterschiedslos ab. So ein Verhalten eines Ministerpräsidenten ist natürlich zu missbilligen. Dazu müssen heute alle Abgeordneten des Landtags Farbe bekennen, nämlich zur notwendigen Entlassung der Bildungsministerin und zum Umgang des Ministerpräsidenten mit Grundrechten und mit Oppositionsrechten. Dass SPD, Grüne und SSW offenbar nicht einmal mehr die Kraft haben, sich mit einem eigenen Antrag ganz klar und unmissverständlich hinter den Ministerpräsidenten, hinter ihren Ministerpräsidenten, hinter ihre Bildungsministerin zu stellen, das ist ein Armutszeugnis. Deutlicher können SPD, Grüne und SSW nicht zeigen, dass sie in Wahrheit absolut am Ende sind.

(Beifall CDU und FDP - Zurufe SPD)

Herr Albig, es geht bei dieser Diskussion in der Tat um Ihre Bildungsministerin, nicht um Meinungsumfragen. Es geht um Glaubwürdigkeit, und es geht um den Ruf und das Wohl des Landes Schleswig-Holstein. Darüber reden wir heute in dieser Debatte. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass Sie von der Opposition heute größtenteils über Dinge debattieren wollen, um die es eigentlich gar nicht geht. Damit werde ich mich in angemessener Form auseinandersetzen. Im Kern werde ich aber über das reden, worum es Ihnen eigentlich geht: Sie attackieren Vorgänge, die Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sind. Eigentlich gilt Ihr Angriff aber unserem Politikwechsel in der Bildungspolitik.

(Volker Dornquast [CDU]: Quatsch!)

Wenn Sie von der Opposition heute also persönlich herabsetzende Angriffe gegen Wara Wende und

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(Johannes Callsen)

Torsten Albig vorbringen, wissen wir, warum Sie das tun.

(Christopher Vogt [FDP]: Wir sind nicht so wie Sie drauf!)

Besser macht das den Umgang mit der Bildungsministerin und dem Ministerpräsidenten allerdings nicht.

Unsere Bildungsministerin Wara Wende hat einen beeindruckenden wissenschaftlichen Lebenslauf vorzuweisen. Sie ist eine ausgewiesene Germanistin - also keine Juristin, wie ich gleich hinzufügen möchte -, sie hatte eine unbefristete Professur in den Niederlanden, von der sie zur Präsidentin der Universität Flensburg berufen wurde.

Dort erreichte sie die Anfrage von Torsten Albig, Bildungsministerin in seinem Kabinett zu werden. Für Wara Wende stellte sich die Frage nach einem Rückkehrrecht an die Universität Flensburg im Anschluss an das bevorstehende Regierungsamt auf Zeit. Dass in dieser besonderen, individuellen Fallkonstellation ein solches Rückkehrrecht hochschulrechtlich problematisch ist, wissen wir inzwischen. Wara Wende hat auf ein solches Rückkehrrecht längst verzichtet.

Dennoch haben wir in der Aktuellen Stunde vor wenigen Monaten ausführlich darüber debattiert. Neu ist daran also nichts. Ich finde weiterhin, dass solche Rückkehrrechte nicht nur nichts Außergewöhnliches sein sollten, sie sind sogar wünschenswert, wenn wir Führungskräfte aus anderen gesellschaftlichen Bereichen für die Politik gewinnen wollen - in einer Demokratie, in der Macht immer auf Zeit verliehen wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Was das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft angeht, die nach § 160 Absatz 2 der Strafprozessordnung übrigens sowohl Beweise für Schuld als auch für Unschuld ermitteln wird, ist das Ergebnis abzuwarten. Allein die Einleitung eines solchen Verfahrens ist kein Rücktrittsgrund, darf dies auch nicht sein, weil wir sonst sehr schnell einen Teufelskreis von Denunziation und falschen Anschuldigungen erzeugen könnten. Wie schnell man selbst in eine solche Situation geraten kann, habe ich nicht nur selbst erfahren müssen, zahlreiche weitere Beispiele auch von Kabinettsmitgliedern in anderen Ländern könnten angeführt werden. Persönliche Angriffe, verletzende Kommentare in den Medien, schwer erträgliche Diskussionen in der Öffentlichkeit, auch Kritik aus den eigenen Reihen

all das geht damit einher. Das ist individuell sehr belastend, es ist aber auch der Preis der Demokratie, weil Politiker, die in der Öffentlichkeit stehen, nicht bessergestellt werden dürfen als andere Bürger.

Dass Ermittlungsverfahren am Ende wieder eingestellt werden können, in den meisten Fällen sogar eingestellt werden, gerät dabei schnell aus dem Blickfeld. Selbst wenn die Einstellung Wochen oder Monate später eine vollständige Entlastung bringt, wird das manchmal öffentlich weit weniger gewürdigt als die Verdächtigung zuvor. Wir dürfen auch bei Politikern nicht den Grundsatz der Unschuldsvermutung aufgeben. Sie ist und bleibt ein elementarer Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaats.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU, FDP und PIRATEN)

Deshalb wiederhole ich es: Das Ergebnis der Untersuchung der Staatsanwaltschaft ist abzuwarten. Wir tun das in aller Ruhe und Gelassenheit und im Vertrauen auf die professionelle Arbeit der unabhängigen Ermittlungsbehörden. Nach allem, was wir wissen, sind wir sehr zuversichtlich, dass das Verfahren am Ende eingestellt werden wird, weil die Vorwürfe bis dahin entkräftet sein werden. Dies öffentlich zu sagen, ist mitnichten eine Einmischung in Angelegenheiten der Justiz. Es ist im Gegenteil das gute Recht von Betroffenen, die öffentlichen Angriffen ausgesetzt sind. Es ist aber auch vollständig legitim in dieser Debatte. Mag es auch einfacher erscheinen, sich zu distanzieren oder aus politischer Opportunität den Kopf einzuziehen, so wäre dies kein Ausdruck von Charakter, sondern von Feigheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)