Viertens: passgenaue Hilfe- und Unterstützungsangebote gerade bei der Pflege der älteren Generation. Auch bei Letzterem geht es übrigens um Freiheit und Menschenwürde. Die älteren Menschen, die unseren Wohlstand mit erarbeitet haben, dürfen nicht zum Objekt unvermeidlicher Zwänge degradiert werden. Viel häufiger wäre es sicherlich möglich, eine selbstbestimmte Planung eines von Lebensfreude geprägten Lebens im Alter möglich zu machen statt dem oft als Entmündigung wahrgenommenen Ablauf, der sich manchmal an unvorhergesehene Krankenhausaufenthalte anschließt. Ich glaube, wir gehen mit unseren älteren Menschen in dieser Frage wirklich nicht gut um, und wir müssen auch dies ändern.
Wenn man sich das ansieht, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann könnte man sagen, die Möglichkeiten konkreten Handelns der Landespolitik für Familien sind auf den ersten Blick sehr eingeschränkt. Aber eigentlich gibt es auch wieder kaum Bereiche, die die Familienpolitik nicht berühren. Der Staat muss Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Freiheit für ein Zusammenleben im besten liberalen Sinne möglich ist. Ob der Mensch alleine lebt oder zu zweit, unabhängig vom Geschlecht, mit Kindern oder ohne, ob ich meine Eltern selbst pflegen kann und möchte oder ob dies durch andere übernommen wird: Die freie Gestaltung des Familienlebens muss möglich sein, sie muss die Regel sein. Das ist der Anspruch an moderne Familienpolitik.
Familienpolitik gestaltet das Zusammenleben der Generationen in unserer Gesellschaft. Nachhaltige Familienpolitik verknüpft die Belange von Arbeit, Bildung, Familie und Sozialem miteinander.
Die Familienzentren stehen ganz in diesem Zeichen. Wir tun hier gerade etwas für Familien mit besonders jungen Kindern. Familienzentren bieten für Kinder und Eltern Angebote einer leicht zugänglichen Unterstützung und Förderung. Allen, die sich hier in Beratung und Unterstützung, Bildung und Einzelfallunterstützung engagieren, möchte ich meinen Respekt und meine Anerkennung ausdrücken. Sie leisten wertvolle Arbeit für den sozialen Zusammenhalt in Schleswig-Holstein.
Die Regierungskoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Weiterentwicklung von Kitas zu Familienzentren verständigt und genau deshalb im Januar 2013 einen entsprechenden Antrag gestellt, den die Landesregierung sorgfältig umgesetzt hat. Dafür danke ich unserer Sozialministerin Kristin Alheit sehr herzlich. Die Landesregierung hat eine Analyse vorgenommen und gemeinsam mit anderen Akteuren im Dialog, wie Sie das von uns kennen, ein Konzept erarbeitet.
Der Kerngedanke der vorgestellten Eckpunkte ist die Förderung von Anlaufstellen für Familien im Sozialraum: Frühe niedrigschwellige Angebote, die Familien dort stärken, wo sie leben, den Bildungszugang erleichtern, Grundschulstandorte in der Fläche wenn möglich stärken und die Leistungsbringer besser vernetzen.
Die Notwendigkeit, den Fokus nicht nur auf das Kind zu richten, sondern vermehrt auch die Eltern mit ihren Fragen aufzunehmen und sie in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken, wurde übergreifend von allen Beteiligten als richtiger und notwendiger Schritt angesehen. Die von den Kreisen und kreisfreien Städten vorgesehenen Einrichtungen bieten wohnortnahe Unterstützung und Angebote und dienen als Anlaufstelle für Familien mit ihren sehr unterschiedlichen Bedürfnissen. Die Einrichtung, die diese Funktionen erfüllt, ist dabei nicht neu, sondern vertraut und bewährt. Sie ist eine Regeleinrichtung, etwa eine Kita, eine Schule, eine Familienbildungsstätte oder ein Mehrgenerationenhaus.
Über eine Vernetzung der Akteure sind sie in ganz unterschiedlichen Handlungsfeldern tätig: Stärkung der Eltern- und Erziehungskompetenzen, Begleitung der Bildungsbiografie und Förderung sozial besonders benachteiligter Kinder. Wir müssen uns dies einmal vor Augen halten: In einem so reichen Land wie Deutschland erleben Kinder in Deutschland etwas ganz anderes, sie erleben nämlich, völlig ausgegrenzt zu sein. Das muss doch für uns ein Anspruch sein, dies zu verändern.
Ich will den letztgenannten Aspekt noch einmal hervorheben, weil uns gerade die Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ dargelegt hat, dass gerade in den europäischen Ländern, in denen die Frauen- und Müttererwerbsquote besonders hoch ist, auch die Geburtenraten am höchsten sind. Es gibt also kein Naturgesetz, dass Wohlstand
und mangelnde Kinderfreundlichkeit miteinander einhergehen müssen. Ich denke da an Norwegen, Schweden, Dänemark, aber auch Frankreich. Die negativen Beispiele sind Griechenland, Spanien, Italien und leider auch das reiche Deutschland.
All das, worüber ich gerade gesprochen habe, tut die Landesregierung nicht mit leerer Hand, sondern mit Fördermitteln. Ziel ist es, pro Jahr bis zu 100 Familienzentren zu fördern. Jährlich sollen hierfür ab 2015 2,5 Millionen € zur Verfügung gestellt werden. Für das Jahr 2014 werden es 1,3 Millionen € sein. Ich glaube, das kann sich sehen lassen. Es ist ein guter Schwerpunkt, zu sagen: Diese Familienzentren sind ein Kernbestandteil unserer Familienpolitik. Ich sage Ihnen auch: Sie sind Investitionen in die Menschen vor Ort, in die Zukunft unserer Kinder und Enkel und in das Zusammenleben der Generationen vor Ort.
Albert Schweitzer verdanken wir den klugen Satz, dass Glück das Einzige ist, das sich verdoppelt, wenn man es teilt, liebe Eka von Kalben. In diesem Sinne ist eine gute Familienpolitik eine Politik, die es den Menschen erleichtert, füreinander da zu sein. Sie ist doppeltes Glück: Für die Menschen, die davon profitieren, und für uns, die wir dafür die politische Verantwortung tragen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eineinhalb Jahre nach unserem Antrag ist das von den Regierungsfraktionen im Januar 2013 beschlossene Konzept für Familienzentren also fertig. Frau Ministerin Alheit, für das Konzept möchte ich Ihnen an dieser Stelle danken, denn Ergebnis Ihres Konzepts ist es, dass Sie Geld zur Verfügung stellen und die Umsetzung mit einer Evaluation begleiten. Damit haben Sie die Idee aus unserem Antrag im Januar 2013 aufgegriffen und das muss man sagen - deutlich übertroffen.
Nichts anderes haben wir bereits damals gefordert: Geld seitens des Landes bereitzustellen, damit sich Kindertageseinrichtungen zu Nachbarschafts- und
Familienzentren weiterentwickeln können. Der Unterschied ist nur, dass wir mit einem Pilotprojekt starten wollten, das wissenschaftlich begleitet wird. Sie starten ohne Pilotprojekt mit 2,5 Millionen € im nächsten Jahr und begleiten die Einführung mit einer Evaluation.
Nach Durcharbeitung des Konzepts frage ich mich aber: Was hat daran so lange gedauert? Lassen Sie mich dazu aus der Rede von Frau Dr. Trauernicht vom 25. Januar 2013 zitieren:
„Wir sind der Ansicht, dass es Zeit für eine Bestandsaufnahme ist. Es wäre interessant zu sehen, welche Vielfalt sich speziell in Schleswig-Holstein entwickelt hat, wie die Trägerstruktur ist, wie sich die regionalen Entwicklungen darstellen, wie die finanzielle Situation der Familienzentren ist.“
All diese Fragen und diese Bestandaufnahme würden uns auch weiterhin interessieren. Mit dem mir vorgelegten Bericht ist dies aber nicht zu beantworten. Das ist sehr schade. Ich würde gern wissen, wo sich die Familienzentren befinden. Auch weiß ich nicht, wie die Trägerstruktur vor Ort ist. Dies wäre interessant. Vielleicht kann man diese Informationen nachreichen?
Frau Ministerin, in Ihrem Bericht schreiben Sie, dass die Finanzierung unterschiedlich stark und stark einzelfallabhängig ist. Ja, das war mir vor diesem Bericht schon einigermaßen klar. Wie die unterschiedliche finanzielle Situation der Familienzentren ist und inwieweit eine finanzielle Unterstützung durch das Land notwendig ist, erschließt sich mir aus diesem Bericht ebenfalls nicht. Frau Ministerin, vielleicht können Sie mir diese Fragen noch beantworten, es sind ja einige. Verstehen Sie mich trotz der Kritik an diesem Bericht aber nicht falsch: Ich bin weiterhin natürlich dafür, dass Kinderbetreuungseinrichtungen zu Knotenpunkten eines breiten und generationenübergreifenden Netzwerkes werden.
Nachbarschafts- und Familienzentren sollen zu einer Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung und Förderung beitragen, das ist unbestritten. Ich bin mir sicher, dass sie einen entscheidenden Beitrag leisten werden, um dieses Ziel zu erreichen. Nachbarschafts- und Familienzentren verbessern die Verknüpfung von Betreuung und Bildung mit Beratung von Eltern und Kindern. Wichtig ist die Kooperation vor Ort mit den Familienberatungsstellen und anderen kommunalen Einrichtungen und Selbsthilfeorganisationen. Eltern sollen über die Alltagsnähe der Kindertageseinrichtungen entspre
chende Angebote leichter zugänglich gemacht werden. Ziel aller muss es doch sein, dass ein Nachbarschafts- und Familienzentrum auch zu einem Ort der Begegnung im Ort beziehungsweise im Stadtteil, also im Sozialraum, und vor allem ein Ort der Begegnung zwischen den Generationen wird.
Jetzt liegt die Umsetzung des Konzepts bei der örtlichen Politik, bei der Verwaltung und bei den Trägern. Nur so können die zahlreichen Chancen mit der Förderung der Familienzentren nachhaltig gesichert werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte am Wochenende die Gelegenheit, mit einer 80-jährigen Dame über Familienzentren zu reden. Sie sagte: Familienzentren, woför bruukt wi dat nu all wedder?
Vielleicht ist es gut, einmal zu überlegen, warum man Familienzentren braucht. Es gibt die alte afrikanische Weisheit: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Wir stellen zunehmend fest, dass junge Familien bei der Erziehung der Kinder allein dastehen. Früher gab es Eltern, Schwiegereltern, Onkel und Tanten und teilweise größere Geschwister in der Umgebung. All dies gehört nicht mehr zum Normalfall. Nachbarschaften sind nicht mehr so verbindlich wie früher. Wir merken, dass es extreme Kleinfamilien gibt, die aus einem Erwachsenen und einem Kind bestehen. Erziehung ganz allein durch einen Erwachsenen zu schultern, das ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Wir sehen auch, dass es viele Leute aus anderen Ländern gibt, die zu uns kommen und die mitunter wie Satelliten hier sind. Die Kita ist oft die erste Brücke in die Gesellschaft. Nicht nur das Kind geht in die Kita, sondern die Eltern gleich hinterher; dort finden sie Anschluss. Wurden früher vielleicht an der Wäscheleine oder am Tisch der Großfamilie Alltagsund Erziehungsprobleme besprochen, funktioniert das heute nicht mehr so einfach. Es muss jetzt organisiert werden. Deswegen sind die Familienzentren, die Kitas 2.0 - so würde ich sie nennen -, eine Antwort auf genau diese Fragestellung.
Wenn man mit Erzieherinnen und Erziehern redet, erfährt man, in den Tür-und-Angel-Gesprächen geht es um ganz unterschiedliche Punkte. Es geht natürlich um kleine Alltags- und Erziehungsprobleme, aber die Kitas, die sich schon auf den Weg gemacht haben und Familienzentren sind, bieten auch Elternabende zu ganz bestimmten Themen an. Sie vermitteln Sprachkurse oder bieten sie teilweise sogar selber an. Mitunter gibt es sogar eine Schuldnerberatung. Die Elterninfoabende behandeln ganz unterschiedliche Punkte. Manchmal geht es „nur“ um gesunde Ernährung für Kinder. Das, was früher Kulturtechnik war, ist in den Familien gar nicht mehr so vorhanden. Manchmal geht es aber auch darum, den Eltern zu vermitteln, den Ansprüchen, die sie haben, der Verunsicherung, die vielleicht aus dem Vereinen von Familie und Beruf entsteht, und den hohen Ansprüchen, die Eltern an sich selber haben, der großen Sorge, dass ihre Kinder keine guten Bildungschancen bekommen, mit mehr Gelassenheit in der Erziehung zu begegnen. Oft fehlt es den Familien sogar an Begegnungsräumen.
All das schaffen Familienzentren jetzt. Sie beraten, sie vernetzen, sie sind Lotsen und machen spezielle Angebote. Katja Rathje-Hoffmann hat gerade beschrieben, was die Erwartungen an die Förderung von Familienzentren sind. Ich glaube, wir waren vor einem Jahr zusammen bei dem Verband Evangelischer Tagesstätten. Da wurde auf NordrheinWestfalen verwiesen. In Nordrhein-Westfalen werden Kitas projekthaft gefördert, die sich auf den Weg zu den Familienbildungszentren machen. Nordrhein-Westfalen gibt pro Kita 13.000 €. Ich war viel zu vorsichtig und habe gedacht: Das klingt ganz gut, aber ob das so werden wird, weiß ich nicht. Deswegen, liebe Kristin Alheit, freue ich mich ganz besonders. Hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Das ist ein wirklich guter Einstieg. Mit 25.000 € pro Kita kann man schon eine Ecke machen.
Die Kollegin Frau Rathje-Hoffmann hat gerade kritisiert, dass es kein Konzept gibt. Vielleicht liegt das in der Natur der Sache. Man sieht es an den langen Listen, man sieht es auch an dem langen Bericht. Vielen Dank dafür, Herr Dr. Hempel und Team, für diesen Bericht. Es waren kaum Gemeinsamkeiten zu finden. Ich glaube, dass die Struktur der Familienzentren, die wir vorfinden, so unterschiedlich ist, dass die Erhebung eher einem Telefonbuch gleicht. Das ist ein Punkt, warum man sich
dafür entschieden hat, zu sagen: Wir sehen zu, dass wir das Geld an die Kreise geben. Die wissen, was vor Ort ist. Es gibt sehr unterschiedliche gewachsene Strukturen.
Ich rede viel über Kitas. Wir wissen aber auch, dass sich Familienbildungsstätten zu Familienzentren entwickelt haben. Da gibt es sehr unterschiedliche Elemente. Wir haben das in Lübeck gesehen. Wir waren mit einigen Abgeordneten in Lübeck und haben uns verschiedene Familienzentren angeschaut. Was ich da sehr interessant gefunden habe
- ja, genau, da freut sich der Kollege Baasch -, 20 % der Kitas sind dort schon zu Familienzentren umgebaut worden, in ganz unterschiedlicher Ausprägung. Das fand ich sehr interessant. Zum Teil geht es um eine massive Elternberatung. Manchmal geht es schon fast um so etwas wie Quartiersmanagement. Es war sehr interessant, zu sehen, wie unterschiedlich die Ansätze sind. Deutlich war auch: Es geht nicht nur um Familien, die ein ganz starkes Päckchen zu tragen haben, sondern es geht eben auch um die Familien, die stark im Beruf stehen und die sich ganz oft an ihren eigenen Ansprüchen stoßen.
Am 1. August 2014 geht es los. Kitas werden zu Familienzentren neu ausgebaut. Ich freue mich, dass dies ein erster Schritt ist. Es gibt das 80-Millionen-Paket an die Kommunen. Es ist zwischen Land und Kommunen für den Kitaausbau ausgehandelt worden. Das ist bisher eine quantitative Geschichte gewesen. Das ist jetzt der erste Schritt in Richtung mehr Qualität, das freut mich sehr. Weitere werden hoffentlich folgen. „Woför bruukt wi dat?“, war die Frage. - Netzwerke wachsen heute eben nicht mehr von allein. Es muss organisiert werden. Ich freue mich, dass es hier weitergeht, und wünsche schon jetzt schöne Ferien.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Stegner, Sie haben heute Morgen eine sehr tragende Rede zur generellen Familienpolitik gehalten.