Protocol of the Session on April 11, 2014

Herr Kollege Vogt, ich danke Ihnen für den Erklärungsversuch. Trotzdem: Wenn Sie den Landesnahverkehrsplan gelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass einzelne Reaktivierungsprojekte tatsächlich wirtschaftlich betrieben werden können. Ich weiß nicht, ob Sie das gelesen haben. Aber es gibt Projekte, bei den auch Schienenstrecken reaktiviert werden könnten, die sich selbst rentieren würden. Die aber sind nicht zur Realisierung vorgesehen. Mit unseren Haushaltsanträgen jedoch hätten die Mittel zur Verfügung gestanden, um diese Projekte endlich anzugehen. Das hätte Sinn gemacht.

(Beifall PIRATEN)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Da

das alles so schnell ging, habe ich noch eine Frage zu dem vorherigen Thema, bei dem Sie gesagt haben, die Kommunen kämen sozusagen für die Betriebsmittel der Straßen auf. Ihnen ist doch bekannt, dass das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ein Bundesgesetz ist, wonach diese Mittel nur an Investitionen gebunden sind? Somit ist es doch gar nicht möglich, über GVFG-Mittel auch den Erhalt von Gemeindestraßen zu finanzieren.

Lieber Andreas Tietze, das stimmt natürlich. Ich wollte nur den Widerspruch aufzeigen, dass sich das Problem, wenn man sagt, wir könnten keine neuen Schienen bauen, weil wir uns den Unterhalt nicht leisten können, natürlich ebenso bei den Straßen stellt. Im Übrigen ist die Zweckbindung ja weggefallen. Das heißt, wenn man wollte, könnte man das durchaus anders gestalten.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Gern.

Herr Kollege, da Sie Jurist sind, empfehle ich Ihnen, das entsprechende Gesetz des Deutschen Bundestages einmal nachzulesen. Es ist tatsächlich so: Die Zweckbindung ist weggefallen, darf aber nur für investive Mittel der Länder verwendet werden.

- Das mag sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nun aber doch noch gern auf meinen letzten Punkt eingehen. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende, weil er über den Bereich der Verkehrsplanung hinausgeht.

Wenn wir hier nämlich unrealistische Projektplanungen, unrealistische Zeithorizonte und immer wieder unrealistische Kostenschätzungen vorlegen, dann vermitteln wir den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Wirtschaft den Eindruck eines völligen Versagens, einer Unfähigkeit der Politik, wodurch das Vertrauen in unsere Demokratie gefährdet wird. Insoweit muss ich als Stichworte nur die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals, die A 20 oder die feste Fehmarnbelt-Querung nennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Altbundespräsident Rau sprach in seiner letzten Rede über das Thema Vertrauen, und er warnte vor Versprechen, von denen man wissen kann, dass sie nicht einzuhalten sind. Ich darf daraus zitieren:

„Das geschieht trotz besseren Wissens immer wieder, und darum haben viele Menschen sich mittlerweile darauf eingestellt, vorsichtshalber erst einmal gar nichts mehr zu glauben.

Diese Haltung führt über Politikverdrossenheit hinaus zur völligen Abkehr vom politischen Leben. Kein demokratischer Staat hält es auf Dauer aus, wenn sich immer stärker eine Haltung des ‚Wir da unten, die da oben‘ durchsetzt. Gewohnheitsmäßiges Misstrauen in die Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie und ist ein riesengroßes Einfallstor für Populisten und schreckliche Vereinfacher aller Art. Die haben auf alles eine Antwort und für nichts eine Lösung.

… Misstrauen wächst auch dann, wenn wichtige politische Entscheidungen in immer kleineren Kreisen getroffen werden. …

Besonders schädlich ist es, wenn sich immer mehr das Gefühl breit macht: ‚Die da oben können es nicht - und zwar auf allen Ebenen und auf allen Seiten.‘ …

Das ist der Ausdruck einer tiefgreifenden Vertrauenskrise.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so der Altbundespräsident.

Gerade Großprojekte wie Stuttgart 21, wie der Berlin-Brandenburger Flughafen, aber auch die feste Fehmarnbelt-Querung oder die A 20 sind eine wesentliche Ursache für diese demokratische Vertrauenskrise. Deswegen fordere ich Sie auf, die Ursachen dafür gemeinsam mit uns anzugehen. Wir haben doch eine Charta für Bürgerbeteiligung für Infrastrukturprojekte vorgelegt. Wir haben konkrete Änderungsanträge zum Landesplanungsgesetz vorgelegt, die das umsetzen sollten, eben weil wir PIRATEN davon überzeugt sind, dass nur eine echte und offene Bürgerbeteiligung zu einer echten Neugestaltung der Verkehrsplanung führen kann, die dann eben auch zu realistischen, zu verkehrsträgerund ebenenübergreifenden und zuverlässigen Ergebnissen führt. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass sich die Opposition immer wieder politische Bereiche herauspickt, um die Landesregierung und die Koalition in diesen Politikfeldern vor sich herzutreiben. Der Straßen- und Schienenverkehr, der zu den kostenintensivsten Bereichen gehört, ist hierbei ein vermeintlich dankbares Thema. Viele der in den Anträgen behandelten Themenkomplexe haben wir bereits mehrmals hier im Landtag debattiert. Das soll uns aber nicht davon abhalten, diese für Schleswig-Holstein so wichtigen infrastrukturpolitischen Themen wieder aufzugreifen. Aber einer meiner Nachbarn sagte zu mir, als ich mit ihm über diesen Tagesordnungspunkt sprach: Die Sau wird nicht fetter, nur weil man sie öfter wiegt. Da muss ich ihm recht geben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kennen die großen verkehrspolitischen Baustellen hier im Land, und wir gehen sie an. Dies hat Minister Meyer bereits bewiesen, als bekannt wurde, dass sich die Rader Hochbrücke in einem katastrophalen Zustand befindet. Alle notwendigen Schritte wurden seinerzeit umgehend in die Wege geleitet, um einen Totalausfall zu verhindern.

Die Teilsperrung der Rader Hochbrücke im letzten Jahr hat gezeigt, wie wichtig die Brücke ist; sowohl für den nationalen als auch für den internationalen Verkehr. Sie ist die Nord-Süd-Verbindung Schleswig-Holsteins. Darüber hinaus ist sie die wichtigste Verbindung zwischen Skandinavien und dem restlichen Europa. Damit ist sie für die Wirtschaft diesseits und jenseits der Grenze von existenzieller Bedeutung. Gott sei Dank konnten die Schäden an den Betonpfeilern behoben werden, und die Brücke konnte nach nur drei Monaten wieder für den Güterverkehr freigegeben werden.

Der teilweise Ausfall der Brücke kam für uns alle überraschend. Je mehr über den Zustand der Brücke bekannt wurde, desto fraglicher wurde es, ob das Bauwerk seine geplante Lebenszeit überhaupt erreichen wird. Nun sieht es so aus, dass diese Befürchtung in nicht allzu ferner Zukunft Realität werden könnte. Baupfusch, Materialermüdung und der zunehmende Verkehr lassen die seinerzeit erwartete

(Dr. Patrick Breyer)

Lebensdauer erheblich schrumpfen. Die prognostizierten zwölf bis 15 Jahre aus dem noch nicht veröffentlichten Gutachten stellen nicht nur uns vor große Herausforderungen. Hier ist in erster Linie der Bund gefragt.

Das vorzeitige Ende der Brücke wird gerade von der hiesigen Wirtschaft mit großer Besorgnis gesehen. Aber auch politische und wirtschaftliche Partner in Dänemark sind angesichts der Prognose sehr in Sorge. Die Jütlandroute ist und bleibt für die produzierende Wirtschaft in Dänemark die Hauptverkehrsachse gen Süden. Das muss man wissen: Über 70 % der industriellen Arbeitsplätze sind in Dänemark westlich des Großen Belts angesiedelt, und die Prognosen dort bestätigen, dass der Verkehr über die A 7 und über die Bahnstrecke in den kommenden Jahren zunehmen wird. Es wird auch davon ausgegangen, dass der gesamte Güterverkehr aus Norwegen weiterhin auf der Jütlandroute stattfinden wird. Ein Ausfall der Rader Hochbrücke würde einen Verkehrsinfarkt ohnegleichen bewirken.

Mir ist wichtig, die internationale Bedeutung der Rader Hochbrücke noch einmal hervorzuheben, denn die A 7 ist eine Europastraße, die E 45, und damit hat der Bund auch gegenüber seinen europäischen Nachbarn eine Verpflichtung, eine intakte Verbindung vorzuhalten.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben also mit den Partnern in Dänemark und Norwegen durchaus Verbündete, wenn es darum geht, in Berlin für eine zügige Lösung der Kanalquerung zu sorgen. Diese Verbündeten muss man einbeziehen, und diese Situation muss man nutzen. Wie eine solche Lösung aussehen kann, lasse ich erst einmal dahingestellt. Wichtig erscheint mir jedoch, dass wir bei der Suche nach einer Lösung nicht nur auf den Straßenverkehr fokussieren. Die Rendsburger Hochbrücke ist seit Jahren ein Problem, denn sie ist ein Nadelöhr im Schienengüterverkehr. Auch wenn die Rendsburger Hochbrücke gerade erst eine Komplettsanierung hinter sich hat, was nach über 100 Jahren keinen verwundern kann, ist sie heute mehr unter dem Gesichtspunkt eines Industriedenkmals zu sehen als ein Stück Verkehrsinfrastruktur. Diese Brücke hat längst das Rentenalter erreicht, und angesichts des heutigen Bedarfs und des weiter zu erwartenden Schienenverkehrs ist eine neue Kanalquerung keine Luxusforderung.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir also über einen Ersatz für die Rader Hochbrücke sprechen, dann dürfen wir den Schienenverkehr nicht außer Acht lassen. Die logische Konsequenz kann nur eine kombinierte Straßen-Schienen-Querung sein. Die Lebenszeiterwartung der Rader Hochbrücke beträgt wahrscheinlich noch zwölf bis 15 Jahre. Wir wissen, dass die Planung von großen Verkehrsprojekten in Deutschland sehr gründlich vonstatten geht. Es kann immer zu Verzögerungen kommen. Mit anderen Worten: Von der Planung bis zum Bau von Verkehrsgroßprojekten vergeht sehr viel Zeit. Mit derartigen Vorzeichen können wir nicht mit ruhiger Hand Politik machen. Daher ist sofortiges Handeln notwendig. Es ist erfreulich, dass dies fraktionsübergreifend so gesehen wird, denn es wird sehr viel Arbeit kosten, Berlin von einem solchen Infrastrukturbauwerk zu überzeugen.

Dass Planung, Finanzierung und Umsetzung von Verkehrsprojekten viel Zeit in Anspruch nehmen kann, wird besonders bei der A 20 deutlich. Die A 20, die Nord-West-Umfahrung von Hamburg mit westlicher Elbquerung, ist eine der wichtigsten Verkehrsachsen für den gesamten nordeuropäischen Raum und zurzeit das größte Verkehrsprojekt in Schleswig-Holstein. Schon um das Jahr 2005 sollte die A 20 fertig gewesen sein, so plante man zumindest beim Beginn dieses Projektes kurz nach der Wende. Doch leider müssen wir feststellen, dass der Weiterbau der A 20 immer wieder ins Stocken geraten ist: Entweder hat es an der Finanzierung gehapert, oder der Bau der A 20 wurde beklagt. Es entstanden zeitliche Verluste, und das ist durchaus ärgerlich. Es gibt diese Klagemöglichkeiten aber, und sie haben ihre Berechtigung, auch wenn es manchmal schwerfällt.

Die jüngsten Erfahrungen in Bezug auf die Klagen gegen das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt südlich von Bad Segeberg machen deutlich, dass Verzögerungen manchmal auch auf hausgemachte Fehler zurückzuführen sind. Die politische Entscheidung, am gültigen Naturschutzrecht vorbeizuplanen, rächt sich jetzt. Zu den jüngsten Verzögerungen muss man ganz klar sagen, dass man sich das Recht eben nicht so hinbiegen kann, wie man es gern hätte. Die alte Landesregierung hat darauf gesetzt, naturschutzfachliche Aspekte des Projekts nur oberflächlich zu prüfen. Diesen politischen Fehler hat uns das Gericht ins Buch geschrieben. Auch wenn das Urteil klare Hinweise zum Weiterbau gibt, bedeutet es letztendlich zwei weite

(Flemming Meyer)

re Jahre Stillstand beim Bau der A 20. Vor 2016 wird die Autobahn bei Bad Segeberg nicht weitergebaut werden können. Dies hat uns die alte Landesregierung eingebrockt. Diesen Fehler muss diese Landesregierung nun beheben.

Es hat sich gezeigt, dass der Richterspruch auch Auswirkungen auf die noch offenen Planungsabschnitte der A 20 hat. Das bedeutet, auch diese Teilstücke müssen näher unter die Lupe genommen werden, und die Planungen müssen gegebenenfalls nach den Vorgaben des Urteils nachgebessert werden. Dies wird wieder wertvolle Zeit kosten und den Weiterbau verzögern. Daher ist es notwendig, dass die Planungsverfahren für die verbleibenden Abschnitte bis zur Elbe gründlich abgeschlossen werden. Dabei hat Sorgfalt absoluten Vorrang vor übereilter Planung. Solche Fehler wie die der alten Regierung sollen uns nicht unterlaufen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist zu begrüßen, dass bei der zuständigen Straßenbaubehörde nun auch sieben Planstellen neu besetzt werden, wodurch die noch fehlenden Teilabschnitte durchgeplant werden.

Trotzdem werden wir unser Ziel, die A 20 bis 2017 bis zur A 7 weiterzubauen, nicht erreichen. Das ist richtig. Daran sind wir aufgrund der schlampigen Arbeit gescheitert. Da hilft es auch nicht, dass sich die A-20-Initiative, für dessen Forderung ich großes Verständnis habe, für einen zügigen Weiterbau der A 20 einsetzt. Ich kann die Verärgerung dort über die Verzögerung sehr gut nachvollziehen. Aber auch die Initiative muss das Urteil mit seinen Auswirkungen auf die weiteren Planungsabschnitte akzeptieren.

Dass es nun gerade Herr Austermann ist, der sich mit an die Spitze der Bewegung stellt und den sofortigen Weiterbau der A 20 fordert, ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht deutlich, dass Herrn Austermann ein solches Urteil mit seinen Konsequenzen nicht schert. Gott sei Dank hat unser Verkehrsminister ein anderes Rechtsverständnis und setzt Genauigkeit vor Schnelligkeit, die letztendlich keine ist. Das ist verantwortungsvolle Regierungsarbeit.

Der vierte Landesweite Nahverkehrsplan für den Schienenpersonennahverkehr ist in zwei Blöcke aufgeteilt. Zum einen beschreibt er die Weiterentwicklung des ÖPNV in den nächsten fünf Jahren

bei uns im Land. Zum anderen gibt er einen Ausblick für den Nahverkehr bis 2030.

Der zuletzt genannte Teil - Plus 50 Prozent - stellt dar, welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, um den Modal-Split-Anteil des ÖPNV um 50 % zu erhöhen. Dies ist natürlich ein sehr ehrgeiziges Ziel. Steigende Energiepreise und der demografische Wandel machen es aber erforderlich, dass man sich mit diesen Ideen und Denkanstößen des LNVP befasst, auch wenn sie bisher weder durchgeplant noch finanzierbar sind.