Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es hätte schlimmer kommen können. Der harte Aufschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium im Januar dieses Jahres konnte abgewehrt werden - zumindest teilweise. Torsten Albig und Robert Habeck haben für Schleswig-Holstein erfolgreich gekämpft.
Ich brauche hier nicht zu betonen, wie wichtig Windkraft für Schleswig-Holstein aus ökonomischer Sicht ist; denn Windkraft schafft Arbeitsplätze.
Es geht aber nicht nur um Schleswig-Holstein, auch wenn Sie erfolgreich für unser Land gekämpft haben. Es geht um die Energiewende insgesamt. Wir sind uns einig, dass wir aus der Atomkraft aussteigen wollen, und zwar wollen wir in eine klimafreundlich Richtung aus der Atomkraft aussteigen. Noch heute produzieren wir in Atomkraftwerken Müll, von dem wir nicht wissen, wo er gelagert werden soll. Das ist ein Skandal.
Doch so einig, wie wir uns in diesem Haus beim Atomstrom sind, so einig müssen wir uns auch bei der Abschaltung von Kohlestrom sein. Die Gabriel-Novelle ist und bleibt ein Bestandsschutz für Kohlekraftwerke. Das Ziel der Energiewende muss aber sein, perspektivisch grundsätzlich auf fossile Energieträger zu verzichten.
Meine Damen und Herren, es gibt einen zweiten Punkt, den wir kritisieren. Die Energiewende muss ein Bürgerprojekt bleiben. Es ist ein großes Manko, dass die EEG-Novelle offensichtlich dazu führt, dass gerade die Bürgerenergiewende, die wir voranbringen wollen, einen Schritt zurückgeworfen wird. Es wäre eine großartige Chance gewesen, das Monopol der Energiekonzerne zu brechen. Das ist leider nicht gelungen.
Die Bürgerinnen und Bürger sind aber diejenigen, die in ihrem Garten oder auf ihrem Acker die Windräder und die Biokraftanlagen akzeptieren sollen. Sie sind diejenigen, über deren Schulhöfe unter Umständen Stromtrassen gebaut werden. Sie werden auch diejenigen sein, die höhere Strompreise akzeptieren müssen.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Akzeptanz für die Energiewende, die vor einigen Jahren mit großer Verve begonnen hat, nicht aufgeben. Deshalb muss der Mittelstand stärker als die großen Konzerne von der Energiewende profitieren.
Gerade der Mittelstand in Schleswig-Holstein schafft Arbeitsplätze. Das führt dazu, dass wirklich jeder Mensch von der Energiewende direkt profitieren kann.
Das EEG wurde in den vergangenen Jahren für einige soziale Probleme und vor allen Dingen immer für steigende Strompreise verhaftet. Jetzt wird die EEG-Umlage um 0 Cent reduziert, dies auf Kosten einer maximalen Verunsicherung der Produzenten.
Wer bindet denn im Mittelstandsland Deutschland sein Geld über lange Zeit in Windenergie, wenn es keine gesicherte Einspeisevergütung gibt? Wir Grüne stehen für die Bürgerenergiewende. Wenn wir die Energiewende wollen, muss gewährleistet sein, dass die Mitte unserer Gesellschaft an der Energiewende beteiligt ist.
Ein Blick nach vorn: Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regelungen beim EEG sind nun beschlossen. Allzu viel wird sich nicht mehr ändern lassen. Deshalb gilt es umso mehr, den Blick auf die Punkte der Energiewende zu richten, die bisher vernachlässigt wurden: Energie einsparen und Energieeffizienz. Hier können noch wahnsinnige Reserven gehoben werden. Energiewende spielt nicht nur bei der Produktion eine Rolle, sondern auch beim Verbrauch und genauso im Verkehr.
Wir brauchen eine Mobilität, die das Klima weniger belastet. Ich freue mich auf die Debatte zu diesem Thema am Freitag.
Zusammenfassend lassen Sie mich sagen: Die Kosten der Energiewende landen einseitig bei den privaten Haushalten und bei den nicht privilegierten Unternehmen. Nicht der schnelle Ausbau wird betrieben, sondern ausgebremst, nicht das Klima wird geschont, sondern die klimakillenden Betriebe. Was wurde erreicht? - Eine starke Verunsicherung der Produzenten und eine schlechtredende Energiewende, viel Lärm, viel Porzellanschaden und wenig Erfolg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Stegner, es tut mir fast schon ein bisschen
leid, dass ich Ihre Party jetzt ein wenig stören muss. Aber Sie sollten wirklich aus Ihrer kollektiven energiepolitischen Selbsthypnose aufwachen.
(Beifall FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das war ein toller Satz, Herr Kollege, herzlichen Glückwunsch!)
Das, was gestern von der Bundesregierung beschlossen worden ist, ist kein großer Wurf, sondern eine wirklich mutlose Schmalspurreform, es war eher ein kleines Reförmchen. Der große Verlierer und das müssen wir festhalten - ist und bleibt der Verbraucher.
Die Beschlüsse werden die Verbraucher zahlen müssen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die Kosten ausgerechnet. Bis zum Jahr 2020 gibt es zusätzliche Belastungen für einen Durchschnittshaushalt von ungefähr 84 € jährlich. Ich finde es mittlerweile wirklich bedenklich, dass gar nicht mehr über die Senkung von Strompreisen gesprochen wird, sondern dass man es sogar hinnimmt, dass die Strompreise steigen. Man gibt sich schon damit zufrieden, dass diese nicht ganz so stark steigen. Das kann es wirklich nicht sein. Dieses vorsichtige Drehen an den Stellschrauben ist nicht mehr der richtige Weg. Da muss sich wirklich etwas Grundlegendes ändern.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Stichwort Stromsteuer. Dies war ein SPD-Wahlkampfthema. Und Minister Gabriel hat sie auch noch einmal vor der Runde der Ministerpräsidenten auf das Tableau gebracht. Der Staat ist bei der Stromsteuer ja nicht nur Preistreiber, sondern auch Profiteur steigender Energiepreise. Denn die Stromsteuer wird ja am Schluss der Rechnung noch hinzugefügt. Je mehr die EEG-Umlage steigt, desto höher sind auch die Einnahmen bei der Stromsteuer sowie bei der Mehrwertsteuer.
Ich bin der Meinung, dass man die Steuern zumindest um dieses Delta senken sollte beziehungsweise ganz auf das Niveau des von der EU geforderten Mindestmaßes reduzieren sollte. Es ist wirklich höchst bedauerlich, dass es für die SPD offenbar kein Thema mehr ist.
Meine Damen und Herren, die Regierung hat wirklich die Chance vertan, die Energiepolitik neu zu konzipieren, hin zu mehr Marktintegration. Denn genau das brauchen wir. Ziel muss doch sein, dass die EEG-Förderung irgendwann abgelöst wird und dass die Erneuerbaren verstärkt dem Markt zugeführt werden.
Da ist beispielsweise das Quotenmodell eine Lösung. Denn gerade bei diesem Quotenmodell würde sich die wirtschaftlichste Energiegewinnung durchsetzen. Das ist nun einmal die Windenergieerzeugung in Schleswig-Holstein. Daher müsste Schleswig-Holstein dieses Modell auch nicht fürchten.
- Ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage, weil wir eine Aktuelle Stunde haben. Aktuell ist es ja so, dass das EEG in der jetzigen und in der gestern beschlossenen Form weiterhin dafür sorgt, dass eben nicht dort die Energieanlagen aufgebaut werden, wo es am günstigsten und am wirtschaftlichsten ist, sondern dort, wo am meisten Platz ist.
Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht nur eine Markt-, sondern auch eine Netzintegration. Ich kann nicht in das Loblied auf die Herren Albig und Gabriel einstimmen, da es noch viele offene Punkte gibt. Das ist beispielsweise die Stichtagsregelung. Der Vertrauensschutz spielt offenbar keine Rolle. Frau von Kalben hat es schon richtig angesprochen: Bei der Energieeffizienz und der Energieeinsparung sowie bei dem Thema Forschung und Förderung von Stromspeicheranlagen tut sich bislang gar nichts.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Energiewende endlich auch einmal europäisch denken. Deutschland darf sich da nicht abschotten. Wir brauchen einen europäischen Energiebinnenmarkt, der endlich auch vollendet werden muss.
So, wie es jetzt läuft, verspielt man das Vertrauen in die Energiewende. Damit werden die Akzeptanz sowie dieses wirklich wichtige und gute Projekt der Energiewende gefährdet. Wenn die Akzeptanz verloren geht, ist die Energiewende massiv bedroht. Die Verbraucher werden immer mehr belastet, die Unternehmen stehen vor immer größeren Unsicherheiten. Gerade bei dem Thema der Wettbewerbsfä
higkeit stehen wir vor großen Problemen. Wenn wir uns die Strompreise im EU-Durchschnitt, in den USA oder in China anschauen, stellen wir fest, dass die Strompreise dort wesentlich niedriger sind. Die Regierung darf eben nicht tatenlos zusehen, wie deutsche Unternehmen steigende Preise hinnehmen müssen und es so zu einer schlechteren Wettbewerbsfähigkeit kommt.