Protocol of the Session on March 21, 2014

Und dann? Verwenden Sie dann dasselbe Argument wie heute bei den kreisfreien Städten und nehmen erneut eine Umschichtung vor, die Sie dann wieder als dauerhaft labeln? Nein, es wäre Flickwerk, wenn die aktuelle Verteilung schon den Grund für die nächste liefert.

Damit wären wir wieder bei dem grundlegenden Problem: Wir können nicht sagen, ob diese Verteilung gerecht oder nachhaltig ist, einfach weil die realen Bedarfe nicht bekannt sind. Ohne diese Kenntnis wird alle Jahre wieder eine neue Reform erforderlich sein, um selbst initiierte Fehlentwicklungen zu korrigieren.

(Beifall PIRATEN)

Jetzt kommen wir zum Punkt. Die Ausgaben als Beleg für den Bedarf zu nehmen, dazu sage ich: nein. Aktuelle Berechungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der HansBöckler-Stiftung belegen beispielsweise, dass der Wertverlust der kommunalen Infrastruktur immer stärker die Investitionen übersteigt. Das kann - ich sage bewusst: kann - ein Hinweis darauf sein, dass erforderliche Ausgaben nicht getätigt wurden und die finanziellen Mittel bei Weitem nicht ausreichend waren. Dies alles gilt es, bei einer wirklichen Reform des kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen. Wir werden nicht umhinkommen, uns mit den Aufgaben der Kommunen und den daraus resultierenden tatsächlichen Bedarfen auseinanderzusetzen. Tatsächlich ist es weiterhin Stückwerk und keine strukturelle Änderung, die ein Gerüst für eine dauerhafte Finanzierung der Kommunen liefern könnte.

Lieber Herr Minister Breitner, auch wenn ich politisch mit Ihnen oft uneins bin, so kann ich Sie doch ganz gut leiden.

(Beifall PIRATEN und Peter Eichstädt [SPD])

Deshalb jetzt mein Rat wie von einem guten Freund und Helfer: Hören Sie hin, bleiben Sie nicht auf dem Holzweg! Es ist nicht alles schlecht, nur weil es aus der Opposition kommt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt CDU und FDP)

Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags den Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts, Herrn Dr. Flor, und die Kandidatinnen und Kandidaten, die wir heute noch in das Landesver

fassungsgericht wählen werden, sowie die Schülerinnen und Schüler des Alten Gymnasiums Flensburg und des Ostsee-Gymnasiums Timmendorfer Strand. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der kommunale Finanzausgleich ist uralt, und darin liegt auch das größte Problem. Er ist, betrachtet man den derzeitigen Stand, ein in sich überholtes Instrument, das den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Er ist 60 Jahre alt und wurde zum letzten Mal vor über 40 Jahren überarbeitet. Seit über 40 Jahren hat sich keine Koalition, gleich welcher Couleur, mehr an dieses Instrument herangewagt, um es zu reformieren. Jeder hatte Angst, dass die Diskussion darüber, ob jemand bei einer möglichen Reform mehr oder weniger bekommt, die jeweilige Regierung ins Unglück stürzen würde. Deshalb ließ man lieber alles beim Alten, wenn es auch nicht mehr sachgerecht war.

Das allerdings war definitiv nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. Sie haben nämlich ein Anrecht darauf, dass die Leistungen, die durch die kommunale Ebene für sie erbracht werden, auch transparent finanziert werden. Das ist in der Vergangenheit nicht geschehen. Deshalb gilt mein ausdrückliches Lob dem Innenminister; denn er hat diesen kommunalen Finanzausgleich aufgegriffen und beweist endlich den Mut, den andere in der Vergangenheit nicht hatten.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Natürlich ist es so, dass immer noch Dinge über Vorwegabzüge finanziert werden müssen, die sich nicht trennscharf auf die einzelnen Kommunen umrechnen lassen. Hierbei bleibt es sozusagen beim Alten. Allerdings werden wir hier Zuschüsse wieder dynamisieren. Darüber hinaus müssen dann Kriterien festgelegt werden, nach denen die Aufgaben der Kommunen finanziert werden müssen. Genau das hat die Landesregierung jetzt zum ersten Mal seit 43 Jahren getan.

Zuerst einmal muss man sich um die Dinge kümmern, die vorab von allen Kommunen gemeinsam getragen werden müssen. Da ist aus unserer Sicht natürlich zuallererst die Kultur zu nennen. Der

(Torge Schmidt)

neue kommunale Finanzausgleich, den wir umsetzen wollen, soll insbesondere die Theater und das Büchereiwesen im Land stärken. Damit ist übrigens auch eine Stärkung des ländlichen Raumes verbunden. Beide Bereiche kommen nicht ohne eine solide Grundfinanzierung aus. Beide Bereiche sind durchaus personalintensiv. Deshalb ist das Einfrieren von Zuschüssen im Prinzip ein Tod auf Raten. Wer dies zulässt, nimmt billigend in Kauf, dass insbesondere die Kultur nicht mehr finanzierbar ist.

Dass diejenigen, die aus polittaktischen Gründen in Kauf nehmen, ganze Landestheater zu zerstören, hier kein Herzblut haben, ist klar. In der Vergangenheit hat man sowohl bei den Theatern als auch bei den Büchereien erhebliche Einschnitte hinnehmen müssen. Jetzt steht man allerdings vor erheblichen Herausforderungen. Die Theater müssen insbesondere Personalkostensteigerungen auffangen können, und die Büchereien haben zusätzlich damit zu kämpfen, dass sie sich auf die neuen Medien einstellen und ihre Angebote entsprechend anpassen müssen.

Deshalb setzen wir - anders als unsere Vorgänger hier Herzblut ein und dynamisieren die Zuschüsse für diese Bereiche wieder. Damit wird ein ganz klares Zeichen für Kultur in Schleswig-Holstein und für Kultur im ländlichen Raum gesetzt.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns als SSW mit unserer skandinavischen Sichtweise sind Theater unverzichtbar, und die Angebote der Büchereien sind quasi eine Grundlage dafür, dass man das Menschenrecht auf ungehinderten Zugang zu Bildung auch erfüllen kann. Deshalb wird stetig mehr Geld in diese Bereiche fließen. Hier sind wir uns mit den kommunalen Landesverbänden einig. Daher muss man ganz deutlich sagen, dass hier in einem für uns alle wichtigen Bereich endlich Sicherheit einkehrt und die Förderung bedarfsgerecht verstetigt wird.

Betrachtet man nun die Verteilung der Gelder, die direkt an die Kommunen gehen, so gilt gerade dort, dass die Gelder den Aufgaben und Ausgaben folgen sollen. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem muss man dies anscheinend immer wieder betonen. Deshalb hat man das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung im Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden beauftragt, die Verteilung der Gelder innerhalb der kommunalen Familie zu durchleuchten. Die Art und die Inhalte der Untersuchung sind mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt wor

den. Deshalb ist es verwunderlich, dass dann später diese Grundlagen durch Teile der kommunalen Familie infrage gestellt wurden. Diese Kritik können wir nicht teilen; denn sie geht völlig an den Ergebnissen der gemeinsam beschlossenen Untersuchung vorbei.

Wenn klargestellt wird, dass die kreisfreien Städte und die größeren Zentralen Orte für die Vielfalt ihrer Aufgaben, die sie gerade für ihren Umlandbereich leisten, bisher zu wenig Geld bekommen hatten, dann ist das eigentlich keine Überraschung. Manches andere mag überraschend gewesen sein. Allerdings spricht das nicht unbedingt gegen die Untersuchung, sondern eher dafür, dass man wirklich vorurteilsfrei und wertfrei an die Untersuchung herangegangen ist. Diese im Ergebnis offene Untersuchung ist somit zu Recht Grundlage für den heutigen Gesetzentwurf geworden.

Zudem sind die Resultate der Untersuchung ständig überprüft und diese Ergebnisse dann in den Gesetzentwurf eingearbeitet worden. Allerdings kam bei der Prüfung auch heraus, dass der grundsätzliche Änderungsbedarf eher gering war und das Gutachten eben nicht danebenlag, sondern die Wirklichkeit recht gut abgebildet hatte. Natürlich wurde etwas korrigiert. Aber am Grundtenor der Aussagen des Gutachtens konnte eben nicht gerüttelt werden. Dass also eine Verschiebung zwischen den einzelnen kommunalen Ebenen stattfinden musste, war klar und nachvollziehbar. Ich möchte hierbei noch einmal daran erinnern, dass sich das Gutachten an Fragestellungen orientierte, die mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt waren, auch mit dem Landkreistag.

Wenn man nun weiß, dass die Mittel zwischen Gemeinden, Kreisen und Städten neu verteilt werden müssen, dann kommt es natürlich darauf an, ein geeignetes Kriterium zu finden. Wir meinen, dass die Berücksichtigung von Soziallasten genau ein solches Kriterium ist und dieses Kriterium auch die finanzielle Hauptbelastung unserer Kommunen abbildet. Wir haben uns dabei die Belastungen aus der Sozialhilfe, der Eingliederungshilfe und vielen anderen sozialen Aufwendungen angesehen und dann geguckt, welcher Parameter die gesamte Belastungsverteilung am besten wiedergeben kann. Der genaueste Parameter ist dabei der Parameter der Personen in Bedarfsgemeinschaften. Dieser Parameter gibt die tatsächlichen Belastungen am Genauesten wieder. Natürlich müssen dann auch die Einnahmemöglichkeiten der Kommunen gegengerechnet werden. Das Grundsystem des neuen Finanzausgleichs ist also richtig.

(Lars Harms)

Trotzdem haben wir den von uns eingeleiteten Dialog natürlich ernst genommen, und dieser Dialog ist ja auch jetzt nicht abgeschlossen. Es ist in den letzten Monaten eine Vielzahl von Vorschlägen dazu eingegangen, wie der kommunale Finanzausgleich noch besser gestaltet werden könnte. Da ist von einem Flächenansatz gesprochen worden, oder auch Sonderfälle wie Inseln und Halligen sind erwähnt worden. Aber auch die Schulsozialarbeit, die steigenden Jugendhilfekosten, die steigenden Kosten für die Eingliederungshilfe oder auch der ÖPNV und die Schülerbeförderungskosten sollten nach Meinung der Angehörten stärker berücksichtigt werden.

Wir haben all dies beraten, und wir haben diese Vorschläge teilweise aufgegriffen. Ich finde, das allein ist schon bemerkenswert und an sich positiv.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Im Übrigen haben wir auch in den Gesetzentwurf geschrieben, dass die gesamte Finanzierung nach einem Jahr und dann wieder alle fünf Jahre evaluiert wird. Mehr Dialog geht nach meiner Auffassung nicht.

Eines ist mir noch wichtig, weil das immer wieder zu hören ist: Die Kreise behaupten, dass sie ihre Leistungen nicht mehr finanzieren könnten. Betrachtet man die realen Finanzen, dann erhalten sie im Rahmen des Finanzausgleichs tatsächlich etwas mehr als 50 Millionen € weniger, weil sie im Vergleich zu anderen kommunalen Ebenen weniger Aufgaben haben. Sie bekommen allerdings auch mehr Geld vom Bund. Im vergangenen Jahr waren das rund 70 Millionen €, und in diesem Jahr steigen diese Mittel auf gut 100 Millionen €. Damit werden die Kreise mehr Geld in der Kasse haben als früher. Somit sind die angeblichen Finanznöte weder ein Grund zum Klagen noch eine Begründung für eine Erhöhung der Kreisumlage.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Ende der Anhörungen durch das Ministerium ist der Vorschlag für einen neuen kommunalen Finanzausgleich um mehrere Komponenten erweitert worden. Zusätzlich sollen nun auch Anteile aus der erhöhten Grunderwerbsteuer an die Kommunen weitergeleitet werden. Weiter soll das Geld, das wir für dieses Jahr einmalig für die Schulsozialarbeit in den Haushalt eingestellt haben, was übrigens eine wesentlich höhere Summe ist als die, die unsere Vorgänger zur Verfügung gestellt haben,

auch in Zukunft in dieser Höhe an die Kommunen fließen.

(Widerspruch FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist zutreffend, Herr Kollege!)

Darüber hinaus kann eine Infrastrukturkomponente berücksichtigt werden, wenn die Steuerschätzung im Mai 2014 dies ermöglicht. Dies ist dem SSW besonders wichtig.

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Koch?

Herr Kollege Harms, mögen Sie nach Ihrer Aussage diesem Haus kurz erläutern, welche zusätzlichen Mittel aus der Grunderwerbsteuererhöhung, die über ihren Rechtsanspruch hinausgehen, den Kommunen zusätzlich zufließen sollen?

- Wir werden insgesamt 15 Millionen € zur Verfügung stellen. Das passt sehr gut. Das ist genau die Summe, die wir extra zur Verfügung stellen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist die ge- setzliche Förderung!)

- Lieber Kollege Kubicki, lieber Kollege Koch, in Antwort auf Ihre Frage sage ich: Sie wollten die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen. Wir erhöhen sie und geben aus diesen Mitteln 15 Millionen € weiter an die Kommunen.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie waren dagegen, dass das Land Mehreinnahmen bekommt. Sie waren dagegen, dass die Kommunen diese 15 Millionen € bekommen. Wir haben uns das vorher genau überlegt. Ich glaube, das ist der richtige Schritt. Das ist der Unterschied zu Ihnen. Sie wollten das nicht. Wir geben den Kommunen das Geld, das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Koch?

(Lars Harms)

Selbstverständlich.

Herr Kollege Harms, würden Sie mir zustimmen, dass die 15 Millionen €, die Sie gerade ansprachen, das Resultat des derzeit geltenden Gesetzes zum kommunalen Finanzausgleich und des kommunalen Anteils von 17,5 % sind?