Dies gilt ausdrücklich auch für die kontinuierliche Unterstützung der Demokratieförderung. Seit Oktober 2013 existiert das Landesprogramm zur Demokratieförderung und Rechtsextremismusbekämpfung in Schleswig-Holstein. Das mit Haushaltsmitteln des Landes unterstützte Programm soll die demokratische Zivilgesellschaft stärken und die Erziehung zu Demokratie und Toleranz fördern. Kontaktstelle ist die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus beim Innenministerium. Dort ist bereits das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus angesiedelt, das seit 2009 gemeinsam mit der AWO und der Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein e. V. mobile Beratung bei rechtsextremen Bedrohungen anbietet.
Oberstes Ziel unserer Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist, dass sich Ereignisse wie die NSUMordserie und die Pannen bei deren Aufklärung nicht wiederholen können. Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses enthalten wichtige Impulse für weitere Verbesserungen der behördlichen Arbeit und der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und politisch motivierter Gewalt.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluss eine Mahnung. Der Anlass der heutigen Debatte hat einen ausgesprochen tragischen und erschütternden Hintergrund. Er taugt nicht für politische Scharmützel oder Ränkespiele. Ich empfehle daher, dem Beispiel des Deutschen Bundestags zu folgen und dies auch hier parteiübergreifend anzuerkennen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine unterschiedliche Sichtweise und Bewertung hat sicherlich nichts mit politischen Scharmützeln zu tun. Aber gerade die Terrorakte des NSU und die Aktivitäten in Schleswig-Holstein erfordern, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger und insbesondere unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger Fakten hören und nicht nur ein stilles Bedauern.
Die Antwort auf die Große Anfrage meiner Fraktion mit dem Titel „Erkenntnisse zur Tätigkeit des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) und Konsequenzen aus den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses“ zu den Nummern 1 und 2 kann man auch so zusammenfassen: Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor.
Nicht aus den Ermittlungsakten der Generalbundesanwaltschaft zu berichten, das ist die eine Sache. Das verstehe ich. Dafür gibt es gute Argumente. Eine andere Sache ist jedoch, dass offenbar null eigene Anstrengungen zur Aufklärung der Aktivitäten des Terrortrios bei uns in Schleswig-Holstein unternommen wurden. Das können wir so nicht hinnehmen. Auch die Landesregierung steht in der Pflicht, in einem Fall wie der NSU-Mordserie an einer öffentlichen Aufklärung mitzuwirken.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das haben wir alle parteiübergreifend den Opfern und den Hinterbliebenen der NSU-Morde auf der zentralen Gedenkfeier in Berlin am 23. Februar 2012 versprochen, und zwar von Angesicht zu Angesicht. Dieses Versprechen gilt für mich und meine Fraktion bis heute.
Die Menschen in Schleswig-Holstein haben ein Recht darauf zu erfahren, was genau die Terror-Nazis in ihren Städten geplant und durchgeführt haben. Es obliegt nun einmal dem Innenministerium und seinen verfügbaren Diensten, dafür zu sorgen, dass dies auch geschieht. Genau dies hat der Bundestag vor wenigen Wochen einstimmig beschlossen und alle Innenminister aufgefordert, bei der Aufklärung wirklich mitzuhelfen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Stereotyp „Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor“, ist aus meiner Sicht keine ausreichende Antwort auf die Fragen, die durch das regelmäßig auch in Schleswig-Holstein verkehrende und agierende NaziMordkommando aufgeworfen wurden. Während der Prozess in München heute noch läuft und sich die höchsten staatlichen Stellen konsequent für Aufklärung starkmachen, sollten wir das bei uns auch tun. Wir wissen doch mit Sicherheit, dass das Todestrio auch hier bei uns im Land Anschlagsziele ausgespäht, Kampfgenossen getroffen und seine Ideologie des bewaffneten rechten Terrors verbreitet hat. Es ist nicht zu glauben - und deswegen kritisiere ich es -, dass das Innenministerium hierzu jede Antwort verweigert.
Ich will einige konkrete Beispiele nennen: Was ist etwa mit den offenbar vorliegenden Erkenntnissen des Verfassungsschutzes über die Teilnahme von NSU-Unterstützern und NSU-Mitgliedern am illegalen Konzert der Neonaziband „Whitelaw“ 2003 in einer vom Club 88 in Neumünster angemieteten Lagerhalle? Ein Rechercheteam des NDR berichtete umfangreich unter der Rubrik „Der Norden schaut hin“ und hat auch renommierte Experten wie Herrn Professor Dr. Hajo Funke die Möglichkeit eröffnet, erschreckende Erkenntnisse zu dokumentieren.
Sie brauchen nur „NSU in Schleswig-Holstein“ zu googeln, dann finden Sie bereits erste Antworten auf unsere Fragen, die in der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage nicht gegeben werden.
Wir wissen auch, wo die Nazis bei uns waren: Außer nach Fehmarn, Neumünster und Nessendorf deckte der NDR, gestützt auf die Prozessakten und den Untersuchungsausschuss, Verbindungen nach Grömitz, Lübeck, Neustadt, Gelting, Flensburg und Quickborn auf. Laut verschiedener Medienrecherchen gab es für Kiel, Neumünster und weitere Orte in Schleswig-Holstein sogar bereits konkrete Anschlagspläne der Neonazis. Nachdem bereits im Oktober Aussagen eines Kieler Ex-Hells-Angels für Furore sorgen, der behauptete, der NSU hätte Waffen in Kiel gekauft und die Schüsse auf die Alte Meierei in Auftrag gegeben, kamen kurz darauf immer mehr Verbindungen zum NSU in SchleswigHolstein ans Tageslicht. Deswegen wollen wir diese Aufklärung und auch diese Debatte; denn wir haben noch keine Aufklärung erreicht.
Zu der Antwort des Innenministeriums bezüglich der mittlerweile so offen zutage getretenen systematischen Verflechtungen zwischen Rockern und Neonazis, vor allen Dingen in Kiel und Neumünster, will ich auch sagen: Diese Verneinung der Zusammenhänge zeugt zumindest von fachlicher Inkompetenz.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn dann in eine solche Antwort nicht einmal neue Erkenntnisse über die gerade im Aufbau befindliche „Braune Hilfe“ einfließen, die die bereits verbotene „HNG“ ersetzen soll, dann läuten bei uns alle Alarmglocken.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir erwarten, dass die Landesregierung das Versprechen vom 23. Februar 2012 in die Praxis umsetzt. Wir erwarten, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es dann heißt: „Weitere Erkenntnisse liegen uns nicht vor“, dann komme ich zu der sachlichen, aber auch zu diskutierenden Empfehlung: Wenn das tatsächlich so ist - was ich nicht glaube -, dann können Sie den Verfassungsschutz auch gleich auflösen.
Oder sorgen Sie dafür, dass die Erkenntnisse dieser geheimen Gremien, die zu Recht geheim recherchieren, transparent offengelegt werden.
- Entschuldigung, letzter Satz - die wichtige Ausstellung „Braune Fallen“ des Verfassungsschutzes in Neumünster mit den Worten eröffnet: Der Verfassungsschutz ist ein wichtiges Frühwarninstrument für die Landesregierung. - Es ist gut, wenn das so ist. Aber dann brauchen wir auch Informationen, die früh warnen, und nicht eine Verheimlichung in den Antworten auf eine solche Große Anfrage. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, da Frau Ministerin Spoorendonk die vereinbarte Redezeit um circa 1 Minute überzogen hat, war ich hier jetzt großzügig. Das werde ich bei den anderen Rednerinnen und Rednern natürlich auch sein.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat mit seinem Abschlussbericht einen umfangreichen Katalog dazu vorgelegt, wie die Sicherheitsorgane in Deutschland effektiver handeln und zusammenarbeiten können. Zum heutigen Stand der Diskussion wird es für den Landtag zunächst darum gehen, den Prozess der Umsetzung der Handlungsempfehlungen des Untersuchungsausschusses hier im Land zu begleiten und da, wo nötig, zu forcieren.
Dennoch steht uns der Hintergrund, vor dem die Defizite bei unseren Sicherheitsorganen so deutlich wurden, immer vor Augen. Der Kollege Clemens Binninger hat es im Bundestag sehr treffend formuliert - ich zitiere -:
„Dass es einem Verbrechertrio gelungen ist, über mehr als zehn Jahre hinweg in Deutschland zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 14 Banküberfälle zu begehen, ohne dass überhaupt jemand den Zusammenhang erkannt hat, ohne dass jemand diesem Trio auch nur ansatzweise auf die Spur gekommen wäre, war nicht nur eine Niederlage für die Sicherheitsbehörden. Es war mehr: Es war eine Niederlage für unsere Gesellschaft. Dies darf sich nicht wiederholen.“
Fünf zentrale Themen wurden im Untersuchungsausschuss analysiert, in denen wir besser werden müssen:
Erstens. Die länderübergreifende Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei funktioniert nicht zufriedenstellend.
Drittens. Eine einmal festgelegte Ermittlungsrichtung wurde auch bei anhaltender Erfolglosigkeit nicht mehr grundsätzlich hinterfragt.
Viertens hat das dazu geführt, dass der Umgang mit den Angehörigen der Opfer unseren Ansprüchen an Opferschutz teilweise nicht genügte.
Und schließlich, fünftens: Der Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene hat zur Aufklärung dieser Taten nicht beigetragen.
Der Beantwortung der Großen Anfrage der PIRATEN können wir entnehmen, dass die Landesregierung daran mitwirkt, die Forderungen des Untersuchungsausschusses und aus den Arbeitskreisen der Innenministerkonferenz operabel zu machen und umzusetzen. Das ist gut und richtig. Eine Bemerkung sei aber schon erlaubt, auch wenn der Herr Innenminister heute persönlich nicht anwesend ist: Bei anderen Themen, zu denen ein schleswig-holsteinischer Innenminister weniger berufen war, konnte man die Stimme von Herrn Breitner bundesweit sehr deutlich hören. An dieser Stelle ist durchaus noch Luft nach oben.
Auch wenn die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses im Bundestag von allen Fraktionen - mit Ausnahme der LINKEN - einvernehmlich beschlossen worden sind, enthalten sie eine Reihe von sensiblen Punkten. Es wird im weiteren Verlauf genau zu beobachten sein, ob diese Einmütigkeit in der Umsetzung bestehen bleibt.
Beispielhaft möchte ich nennen, dass es keine Kleinigkeit ist, eine bessere Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei sicherzustellen ohne das Trennungsgebot als solches auszuhöhlen. Das ist eine Aufgabe für den Bund, aber auch eine Aufgabe für alle Länder.
Auch die länderübergreifende Zusammenarbeit mit einer zentralen Ermittlungsführung einer Länderpolizei mit Weisungsrecht gegenüber anderen ist keine Kleinigkeit. Die besondere Expertise Schleswig-Holsteins bei länderübergreifender Zusammenarbeit auch im Sicherheitsbereich sollte hier Ansporn sein, mehr zu tun, als bloß die Stellungnahmen der IMK-Gremien abzuwarten.
Neben diesen Punkten geht es insgesamt um ein Mehr an Kommunikation zwischen Sicherheitsorganen. Eifersüchteleien haben in Ermittlungsverfahren keinen Platz. Es geht aber auch darum, ein Mehr an Kommunikation und damit auch ein Mehr an Datenaustausch rechtsstaatlich zu organisieren. Die vielfache vertikale Gewaltenteilung in Deutsch
land hat gute historische Gründe. Sie darf aber nicht versteinern und so zu einem Sicherheitsrisiko eigener Art werden. Wir müssen vielmehr geeignete Führungsinstrumente entwickeln und einführen, die sicherstellen, dass eine gewisse Routine, die in der alltäglichen Arbeit durchaus gut und angebracht ist, nicht dazu führt, dass außerordentliche Herausforderungen als solche gar nicht erkannt werden.