Wir sind der Auffassung, dass dies nur gelingen kann, wenn eine wissenschaftliche Untersuchung der tatsächlichen Bedarfe und Aufgaben der Kommunen erfolgt. Am einen Gesetzentwurf dieser Größenordnung, der ohne wissenschaftliche Ba
sis daherkommt, kann im Parlament nur Flickschusterei betrieben werden, ohne Kenntnis der Schuhgröße, weil diese nicht bekannt ist.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der kommunale Finanzausgleich ist in der Tat eine komplizierte Sache. Er ist aber - betrachtet man den Status quo - auch ein in sich veraltetes Instrument, das den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Er stammt von der Struktur her aus den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und er wurde das letzte Mal 1970 überarbeitet.
Seit über 40 Jahren hat sich keine Koalition - gleich welcher Couleur - mehr an dieses Instrument herangewagt, um es zu reformieren. Zu groß waren wohl die Ängste, es nicht allen recht machen zu können. Deshalb haben wir heute ein Instrument zur Finanzierung der kommunalen Aufgaben, das sich teilweise an veralteten Parametern orientiert. Hier möchte auch ich daran erinnern, dass zum Beispiel die Zonenrandförderung immer noch Teil des Finanzausgleichs ist, obwohl die DDR schon vor fast 25 Jahren untergegangen ist.
Die Bürgerinnen und Bürger können mit Fug und Recht erwarten, dass die Politik sich darum kümmert, wie die kommunale Ebene in Zukunft finanziert wird.
Dabei gibt es mehrere Komponenten, die nach unserer Ansicht betrachtet werden müssen. Erstens muss man Bereiche definieren, die vorab finanziert werden müssen. Danach müssen dann Kriterien festgelegt werden, nach denen die Aufgaben der Kommunen finanziert werden. Genau das hat die Landesregierung jetzt zum ersten Mal seit 43 Jahren getan.
Welche übergeordneten Aufgaben hat nun eigentlich das System des kommunalen Finanzausgleichs? - Zuerst einmal muss man sich um die Dinge kümmern, die vorab von allen Kommunen gemeinsam getragen werden müssen. Da ist aus Sicht des SSW natürlich zuallererst die Kultur zu nennen.
Der neue kommunale Finanzausgleich, den wir umsetzen wollen, soll insbesondere die Theater im Land und das Büchereiwesen stärken. Beide Bereiche kommen nicht ohne eine solide Grundfinanzierung aus. Beide Bereiche sind durchaus personalintensiv. Deshalb kann es nicht sein, dass man Finanzmittel einfriert und so eine Aufrechterhaltung der Struktur infrage stellt. In der Vergangenheit hat man sowohl bei den Theatern als auch im Büchereiwesen erhebliche Einschnitte hinnehmen müssen. Jetzt steht man allerdings vor erheblichen Herausforderungen: Die Theater müssen insbesondere Personalkostensteigerungen auffangen können, und die Büchereien haben zusätzlich damit zu kämpfen, dass sie sich auf die neuen Medien, die gar nicht mehr so neu sind, einstellen und ihre Angebote entsprechend anpassen müssen.
Für uns als SSW und aus unserer skandinavischen Sichtweise sind Theater unverzichtbar, und die Angebote der Büchereien sind quasi eine Grundlage dafür, dass man das Menschenrecht auf ungehinderten Zugang zu Bildung auch erfüllen kann.
Deshalb sollen die Zuschüsse für diese Bereiche wieder dynamisiert werden. Es bleibt also nicht nur beim Vorwegabzug, sondern es wird stetig mehr Geld in diese Bereiche fließen. Das ist dem Kollegen Callsen noch gar nicht klar geworden. Er hat kritisiert, dass da weniger Geld sei. Es wird mehr Geld geben, meine Damen und Herren.
Hier sind wir uns mit den kommunalen Landesverbänden einig. Deshalb muss man ganz deutlich sagen, dass hier in einem für uns alle wichtigen Bereich endlich Sicherheit einkehrt.
Betrachtet man nun die Verteilung der Gelder, die direkt an die Kommunen gehen, so gilt gerade dort, dass die Gelder den Aufgaben folgen sollen. Eigentlich ist das eine Binsenweisheit, aber trotzdem muss man dies anscheinend immer wieder betonen. Deshalb ist das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung im Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden beauftragt worden, die Verteilung der Gelder innerhalb der kommunalen Familie zu untersuchen. Die Kriterien, die dafür angelegt wurden, sind ebenfalls mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt worden, und dann kam irgendwann ein Ergebnis dabei heraus. Dass dabei klargestellt wurde, dass die kreisfreien Städte und die größeren zentralen Orte für die Vielfalt ihrer Aufgaben, die sie auch gerade für den Umland
bereich leisten, bisher zu wenig Geld bekommen hatten, konnte nicht wirklich überraschen. Allerdings hatte auch ich seinerzeit nicht erwartet, dass die kleinen kreisangehörigen Gemeinden unterfinanziert waren und die Landkreise eher zu gut dastünden, wie es das Ergebnis des Gutachtens war. Deshalb machte es ja auch Sinn, die Resultate des Gutachtens noch einmal zu überprüfen.
Allerdings kam bei der Prüfung der Resultate heraus, dass das Gutachten eben nicht danebenlag, sondern die Wirklichkeit recht gut abgebildet hatte. Natürlich wurde etwas korrigiert, aber am Grundtenor der Aussagen des Gutachtens konnte eben nicht gerüttelt werden. Dass also eine Verschiebung zwischen den einzelnen kommunalen Einheiten stattfinden musste, war klar und nachvollziehbar. Ich möchte hierbei noch einmal daran erinnern, dass sich das Gutachten an Fragestellungen orientierte, die mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt waren. Wenn man nun weiß, dass die Verteilung der Mittel zwischen Gemeinden, Kreisen und Städten neu gestaltet werden muss, dann kam es jetzt auch noch darauf an, ein geeignetes Kriterium zu finden. Wir meinen, dass die Berücksichtigung von Soziallasten genau ein solches Kriterium ist und dieses Kriterium auch die finanzielle Hauptbelastung unserer Kommunen abbildet.
Es wird also auch in Zukunft so sein, dass Kommunen, die hohe Lasten zu tragen haben, auch mit höheren Finanzmitteln rechnen können. Das ist auch vernünftig so. Natürlich müssen dann auch die eigenen Einnahmemöglichkeiten gegengerechnet werden. So wird im Übrigen die Gemeinde Kampen nicht mehr aus dem KFA bekommen als heute, sondern rund 2 Millionen € weniger - aber das sage ich nur am Rande, weil sich der eine oder andere falsch informiert zeigte. Das Grundsystem des neuen Finanzausgleichs war also richtig.
Trotzdem haben wir natürlich den von uns eingeleiteten Dialog ernst genommen, und dieser Dialog ist auch noch nicht abgeschlossen, wenn wir demnächst mit der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hier im Landtag beginnen. Es ist in den letzten Monaten eine Vielzahl von Vorschlägen eingegangen, wie der KFA noch besser gestaltet werden könnte. Da ist von einem Flächenansatz gesprochen worden, oder auch Sonderfälle wie Inseln und Halligen sind genannt worden. Aber auch die Schulsozialarbeit, die Jugendhilfekosten, die Eingliederungshilfe oder auch der ÖPNV und die Schülerbeförderungs
Wir haben dies alles beraten und diese Vorschläge aufgegriffen. Allein das finde ich schon bemerkenswert und positiv an sich.
Nach Ende der Anhörungen durch das Ministerium ist der Vorschlag für einen neuen kommunalen Finanzausgleich um mehrere Komponenten erweitert worden. So sollen nun auch Anteile aus der erhöhten Grunderwerbsteuer an die Kommunen weitergeleitet werden. Weiter soll das Geld, das wir für dieses Jahr einmal für die Schulsozialarbeit in den Haushalt eingestellt haben, auch in Zukunft in dieser Höhe an die Kommunen fließen. Darüber hinaus kann auch eine Infrastrukturkomponente berücksichtigt werden, wenn die Steuerschätzung im Mai dies ermöglicht. Wer sich die Summen ansieht - 15 Millionen € extra aus der Grunderwerbsteuer, 13 Millionen € extra für die Schulsozialarbeit und möglicherweise noch einmal 12 Millionen € extra für die Infrastruktur -, der kann nicht ernsthaft meinen, wir täten nichts für die kommunale Ebene.
Im Gegenteil: Im Bewusstsein des knappen Haushaltes - der ist super knapp - machen wir das Maximale möglich und stellen bis zu 40 Millionen € mehr zur Verfügung. Das unterscheidet uns sehr von unseren Vorgängern, die das nicht getan haben.
Für den SSW ist es insbesondere wichtig und unerlässlich, dass wir im Bereich der Infrastrukturfinanzierung noch etwas nachlegen. Man könnte sich dabei am Straßennetz der Kreise und kreisfreien Städte orientieren, so wie man es auch im bisherigen Finanzausgleich schon macht. So könnte man sicherstellen, dass man - wie von den Angehörten gewünscht - Gelder im ÖPNV und für die Schülerbeförderung nutzen kann. Im Übrigen hat sich auch schon die Autokraft an die Fraktionen gewandt und diese Forderung unterstützt. Weiter wären solche Mittel auch für den Bau und die Sanierung des teilweise maroden Straßennetzes - insbesondere im ländlichen Raum - nutzbar, und natürlich könnte man dieses Geld auch für den Breitbandausbau im ländlichen Raum nutzen. Gerade hier stehen wir vor besonderen Herausforderungen, wenn wir für annähernd gleiche Lebensverhältnisse auch im ländlichen Raum sorgen wollen. Hier muss man dann auch zusätzliches Geld in die Hand nehmen.
Betrachtet man das Ganze abschließend, so kann man sagen, dass dadurch, dass wir bis zu 40 Millionen € mehr in den Finanzausgleich geben und 2017 insgesamt 80 Millionen € zusätzlich für Kindertagesstätten bereitgestellt werden, der bisherige Eingriff in den KFA ausgeglichen wird. Gleichzeitig orientiert sich die Finanzierung der Kommunen an nachvollziehbaren und aufgabenbezogenen Kriterien. Alles in allem ist das somit eine ziemlich runde Sache. Meckern der Opposition ist dabei eigentlich unangebracht. Wer meckert, der muss tatsächlich Alternativen vorlegen.
Der Gesetzentwurf, der demnächst unser Parlament erreichen wird, ist schon das Produkt eines langen Dialogprozesses. Dieser Prozess ist nicht im kommenden Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen, sondern auch nachdem das neue FAG beschlossen sein wird, wird es nach einem Jahr und dann wieder alle fünf Jahre evaluiert. Mehr Dialog geht eigentlich nicht. Damit werden wir nicht nur ein gutes FAG bekommen, sondern wir sind dauerhaft im Dialogprozess. Das unterscheidet uns markant von anderen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich wirklich die Gelegenheit nutzen, mich insbesondere beim Innenminister und beim Ministerium für diese Dialogbereitschaft zu bedanken. Ich weiß, dass dabei noch ein toller Dialog auch im Gesetzgebungsverfahren herauskommt. Vor dem Hintergrund bin ich mir absolut sicher, dass wir ein topp FAG bekommen werden, das auch die nächsten 25 Jahre entsprechend halten kann.
(Anhaltender Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ein Mann der Wahrheit!)
Sie hatten sich so geäußert, dass Sie Ihre Redezeiten zum Teil teilen wollten. Deshalb teile ich Ihnen jetzt mit, dass die Kollegin von der CDU noch 2 Minuten 50 Sekunden und der Kollege von der SPD 3 Minuten 30 Sekunden Zeit haben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FAG-Reform ist unbedingt vonnöten, auch unter Berücksichtigung der Soziallasten. Das streitet auch die CDU nicht ab. Hierzu muss aber eine solide Basis, eine Grundlage geschaffen werden. Diese ist hier nicht ermittelt worden.
Erstens. Die vertikalen Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sind überhaupt nicht berücksichtigt worden, sprich: Man hat überhaupt nicht über eine finanzielle Mindestausstattung der Kommunen, Städte und Kreise gesprochen. Der Finanzierungsbedarf folgt dem Zuschussbedarf.
Der bis 2017 auf 80 Millionen € jährlich anwachsende Zuschuss des Landes für den Ausbau der Kinderbetreuung war das Ergebnis einer außergerichtlichen Einigung zur Abwendung einer von den Kommunen eingereichten Verfassungsklage.
Die Vereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden steht in keinerlei Zusammenhang mit einer Rückgängigmachung des 120-Millionen €-Eingriffs in den kommunalen Finanzausgleich.
Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf, Ihr Wahlversprechen einzuhalten. Wenn man einmal in den Haushalt guckt, sieht man, dass die Fortsetzung der Kürzung der Verbundgrundlage des kommunalen Finanzausgleichs um 120 Millionen € auf Seite 13 des Einzelplans 11 im Haushalt ganz eindeutig festgeschrieben ist. Es wird zu keiner Rückführung der 120 Millionen € kommen.
Drittens. Herr Harms, die Theaterfinanzierung ist angesprochen worden. Aus meiner Sicht kommt es im Bereich der Theater und Orchester zu einer Doppel- und Dreifachfinanzierung.