Protocol of the Session on February 19, 2014

Zum Themenkomplex Jugendarbeitslosigkeit spricht jetzt der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Herr Reinhard Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Jugendarbeitslosigkeit hat in Europa zum Teil dramatische Ausmaße angenommen. Zahlen von 30 bis über 50 % Jugendarbeitslosigkeit in Regionen in Griechenland, Spanien oder Portugal können uns nicht kalt lassen. Die Auswirkungen treffen Betriebe oder ganze Regionen und bergen enormen gesellschaftspolitischen Zündstoff, im Übrigen auch gegenüber den Institutionen der EU. Es geht darum, dass in den betroffenen Ländern eine Situation eingetreten ist, die langfristig verheerende Konsequenzen haben kann, wenn man dem nicht entgegensteuert.

Nach Auswertungen der Statistikbehörde Eurostat sind dagegen in keinem anderen EU-Land weniger

(Ministerin Anke Spoorendonk)

junge Menschen ohne Job als in Deutschland. Als einer der Gründe dafür wird häufig das System der dualen Berufsausbildung genannt. Die EU-Kommission hat die berufliche Erstausbildung nach dem dualen System als beispielhaft für den Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis benannt. Allerdings müssen wir der EU deutlich sagen, dass dazu natürlich auch der Meisterbrief gehört, und der wird ja von manchen in der EU infrage gestellt.

(Vereinzelter Beifall)

Meine Damen und Herren, viele Staaten fragen vor diesem Hintergrund bei uns an, wie die duale Ausbildung funktioniert. Die Anfragen sind inzwischen so zahlreich, dass das Bundesbildungsministerium die „Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation“ im Bundesinstitut für Berufsbildung eingerichtet hat. Ziel ist, das Prinzip der dualen Ausbildung dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird, um auch langfristig einen Nutzen zu erreichen.

Wir brauchen in erster Linie eine aktive Arbeitsmarktpolitik der Europäischen Union, um die Probleme vor allem im südlichen Europa anzugehen, nämlich vor Ort. Es geht um ein soziales Europa.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Ich halte den vorliegenden Vorschlag der CDUFraktion deshalb so, wie er formuliert ist, für wenig sinnvoll, sowohl für die spanischen Regionen als auch für Schleswig-Holstein - einmal abgesehen davon, dass er uns nach ersten Berechnungen circa 20 Millionen € kosten würde.

Warum sage ich das, Meine Damen und Herren? - Es gibt bereits andere Wege, die beschritten werden. Über das Bundesprogramm „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa“ - langer Titel, kurz: MobiPro-EU können junge Menschen aus der EU im Alter von 18 bis 35 Jahren schon heute eine betriebliche Berufsausbildung in Deutschland aufnehmen.

Allerdings ist das nicht immer so einfach, wie man auf den ersten Blick denken mag. Häufiges Hindernis sind fehlende Deutschkenntnisse. Deswegen ist die Sprachförderung ein Schwerpunkt des Programms. Daneben gibt es auch eine sozialpädagogische Betreuung der jungen Menschen über die ganze Zeit. Das ist ganz wichtig. Denn der Sprung in eine andere, fremde Kultur ist eine besondere Herausforderung, gerade für junge Menschen. Wir re

den von einer Willkommenskultur, deren Schaffung wir in der Fachkräfteinitiative fest vereinbart haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Doch schauen wir konkreter hin! Erwähnt wurde schon das von der Handwerkskammer Lübeck betriebene Projekt „Moin Espan#a“. Partner sind unter anderem die Agentur für Arbeit Lübeck, die IHK zu Lübeck, die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur Hamburg, die EURES-Beratungsstelle in Murcia in Spanien und 16 Betriebe aus Lübeck und Umgebung. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden gefördert durch das schon genannte MobiPro-EU-Programm. In der ersten Stufe 2013 haben 18 junge Menschen ihre Ausbildung in Schleswig-Holstein begonnen. Die Ausbildung dauert noch an. Das Projekt ist zweifelsohne erfolgreich.

Kürzlich hat in der Region Murcia in Spanien, einer von der Arbeitslosigkeit in Spanien am meisten betroffenen Region, die zweite Anwerbeaktion im Rahmen des Projekts begonnen mit weiteren 20 Jugendlichen, 20 Ausbildungsstellen. Dafür gab es vor Ort Kritik. Die Betriebe dort beklagen, Deutschland nehme den Unternehmen die besten jungen Leute weg, die späteren Leistungsträger.

Das heißt, wenn schon die Anwerbung von 38 Auszubildenden im Rahmen dieses Projekts in Spanien in einer Region mit einer Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 % kritisch diskutiert wird, welche Wirkung hätte dann das Signal, Schleswig-Holstein will 500 junge Menschen aus Spanien abwerben? Damit müssen wir vorsichtiger umgehen.

Meine Damen und Herren, europäische Solidarität heißt nicht, dass man in eine spanische Region geht, dort 500 leistungsfähige Jugendliche dem regionalen Arbeitsmarkt entzieht und glaubt, man habe etwas Gutes getan. Nein, das reicht nicht. Natürlich müssen im Rahmen der Freizügigkeit in der EU auch die Arbeitskräfte mobiler werden. Aber unser Plädoyer: Wir müssen behutsamer und sensibler vorgehen. Wir können das nur mit Unterstützung der Institutionen vor Ort, im Herkunftsland.

(Vereinzelter Beifall)

Meine Damen und Herren, wir sollten deshalb mit der gebotenen Ruhe und Konzentration sachlich vorgehen. Wir brauchen Zuwanderung auch für zukünftige Fachkräfte. Das ist unstrittig. Noch läuft das Projekt „Moin Espan#a“. Die abschließenden Evaluierungen liegen uns noch nicht vor.

(Minister Reinhard Meyer)

Lassen Sie uns gemeinsam analysieren, welche Erkenntnisse wir aus den laufenden Aktivitäten gewinnen können, und dann gemeinsam sehen, welchen Weg wir weiter gehen. Das ist vernünftig, und das werden wir tun, meine Damen und Herren. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 18/1588, Absatz 2, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist Ausschussüberweisung für die Drucksachen 18/1430 und 18/1560 (neu) sowie die Änderungsanträge Drucksachen 18/1588 Absatz 1 und 18/1611 als selbstständige Anträge beantragt worden. Es ist beantragt worden, sie dem Europaausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss und dem Bildungsausschuss zu überweisen.

(Zurufe)

- Entschuldigung. Das Thema Jugendarbeitslosigkeit findet sich in Drucksache 18/1430 und Drucksache 18/1588 Absatz 1. Die sollen mitberatend dem Bildungsausschuss überwiesen werden. Der Europaausschuss ist federführend. Wer so beschließen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen? – Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 4:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Altersbegrenzung für Bürgermeister und Landräte

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 18/1550

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Herrn Abgeordneten, Fraktionsvorsitzenden und Alterspräsidenten Wolfgang Kubicki das Wort.

(Heiterkeit)

Mein Kollege Jugendpräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Höchstaltersgrenze bei den haupt

amtlichen Bürgermeistern und Landräten aufheben und die Mindestaltersgrenze absenken. Wir erweitern damit den Kreis der möglichen Kandidaten und verhindern, dass wir engagierte, gute geeignete Bewerber im Vorwege aufgrund ihres Alters von einer Kandidatur für ein solches Amt ausschließen. Das Alter ist keine Qualifikation und darf kein Ausschlusskriterium für öffentliche Wahlämter sein. Das sage ich auch schon aus eigener Betroffenheit;

(Beifall FDP)

denn wenn ich mir das Gesetz richtig ansehe, dürfte ich mich ab diesem Jahr, Herr Innenminister, nicht mehr als Kandidat zur Wahl eines Bürgermeisteroder Landratsamtes zur Verfügung stellen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: In Strande! - Christopher Vogt [FDP]: Ist denn was ge- plant?)

Die Altersgrenzen in der aktuell gültigen Fassung der Gemeindeordnung haben ihren Ursprung im Beamtengesetz. Hiernach war früher eine Ernennung eines Beamten auf Zeit an bestimmte Altersvoraussetzungen gebunden. Teilweise ist hier das Beamtengesetz inzwischen fortschrittlicher und schreibt beispielsweise die Mindestaltersgrenze von 27 Jahren für Wahlbeamte nicht mehr vor. Schleswig-Holstein hat zurzeit die restriktivsten Altersbeschränkungen für Bürgermeister und Landräte. Dies wollen und - ich denke angesichts der demografischen Entwicklung - müssen wir ändern. Andere Bundesländer haben es vorgemacht und ihre Altersgrenzen nach unten und oben erweitert beziehungsweise abgebaut. Nordrhein-Westfalen hat gar keine Altersbegrenzung mehr nach oben, ohne dass das Gefühl entsteht, das Land würde nun den Greisen anheimfallen.

Es ist nicht nur die demografische Entwicklung, die dafür spricht, ältere Menschen für ein Bürgermeisteramt oder Amt als Landrat zuzulassen, sondern es ist auch ein Gebot der Teilhabe des älteren Teils unserer Gesellschaft, aktiv gestaltend mitwirken zu können, oder - anders formuliert -: Auf die Erfahrung der älteren Menschen zu verzichten, können wir uns nicht leisten. Warum wir 63-Jährige, die vielleicht im bisherigen Berufsleben erfolgreich ein Unternehmen oder eine Abteilung geleitet haben, die eventuell Erfahrungen in der Verwaltung haben, lediglich aufgrund des Lebensalters ausschließen, erschließt sich uns nicht. Gute Kandidaten mit nötigem Fachwissen braucht unser Land.

(Beifall FDP und Wolfgang Dudda [PIRA- TEN] - Zuruf Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Minister Reinhard Meyer)

- Herr Kollege Peters, eine Altersgrenze nach oben hat auch keine Schutzfunktion für die Bewerber, bei Wahlbeamten - anders als bei Beamten auf Lebenszeit - ist die Entscheidung, im Alter noch für ein Bürgermeister- oder Landratsamt zu kandidieren, frei. Es ist die eigene Entscheidung und die eigene Einschätzung ausschlaggebend, ob man sich in der entsprechenden Lebensphase dem Amt gewachsen fühlt. Diese Entscheidung sollten wir als Gesetzgeber nicht vorwegnehmen. Die bereits bestehenden Möglichkeiten, vorzeitig aus dem Amt auszuscheiden, bleiben auch bei unserem Gesetzentwurf weiterhin bestehen.

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen daran erinnern, dass wir beispielsweise beim Landesverfassungsgericht auch keine Altersbegrenzung haben, weshalb die Frage im Raum steht, ob wir Verfassungsrichter bis zu ihrem Lebensende im Amt belassen wollen, das aber für Wahlbeamte bei Kommunen oder Kreise ausschließen wollen.

Die Mindestaltersgrenze wird mit unserem Vorschlag nicht vollständig aufgehoben, jedoch deutlich reduziert. Wir halten 21 Lebensjahre für angemessen. Andere Bundesländer, wie beispielsweise Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern, haben eine Altersgrenze von 18 Jahren.

(Beifall Tobias von Pein [SPD])

- Ja, wir kommen gleich dazu. Ich glaube allerdings, dass es einen Sinn ergibt, erst mit 21 Jahren an den Wahlen teilnehmen zu dürfen. Mit 21 Jahren hat man die nötige persönliche Reife und Erfahrung, mit 21 Jahren hat man die Möglichkeit, zuvor eine berufliche oder akademische Ausbildung abzuschließen. Das ist der wichtigste Grund: Man gilt nicht mehr als Heranwachsender.

Die Leute, die so schnell applaudieren, sollten wissen, dass zwischen 18 und 21 Jahren, jedenfalls nach der Regelung im Strafgesetzbuch, die Möglichkeit besteht, als Heranwachsender für Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen zu werden. Das muss und kann, wie wir gerade bei Wahlbeamten wissen - es gibt da einen Landrat in Bayern, der so ein Problem hat -, eine wichtige Schutzfunktion ausüben. Deshalb denke ich, dass wir die Altersgrenze bei 21 Jahren für das Wahlamt belassen sollten.

Herr Abgeordneter Kubicki, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten König?

Selbstverständlich, ich glaube, Sie sind über 21 Jahre alt.

Bitte schön.

Knapp, knapp. Herr Kubicki, sind Sie der Meinung, dass man ernsthaft gewählt werden kann, wenn man die nötige persönliche Reife nicht hat, zum Beispiel zum Landrat oder Ähnliches?