Protocol of the Session on January 22, 2014

Lassen Sie mich meine These mit einem konkreten Beispiel unterfüttern: Die Gemeinschaftsschule Bargteheide erhielt den Deutschen Schulpreis 2013. Sie war die beste Schule des Jahres 2013. Seit zehn Jahren hat an dieser Schule keine Schülerin und kein Schüler die Schule ohne Schulabschluss verlassen. 10 % der hauptschulempfohlenen Schüler legen dort das Abitur ab. Die Prognosegenauigkeit der Grundschulempfehlung wird in Bargteheide ad absurdum geführt. 68 % der Schülerinnen und Schüler erlangen dort einen besseren Schulabschluss als von den Grundschullehrkräften prognostiziert. Schon deshalb müssen wir Schulen haben, die andere Formen von Unterricht und das längere gemeinsame und individualisierte Lernen in den Fokus rücken.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Freilich nicht alle Gemeinschaftsschulen können eigene Oberstufen haben. Aus diesem Grund ist Kooperation ein wichtiges Stichwort, Kooperation zwischen Gemeinschaftsschulen ohne eigene Oberstufe und solchen mit einer eigenen Oberstufe, Kooperation mit den RBZs oder Kooperation mit den Oberstufen der Gymnasien, damit die Eltern bereits zu Beginn der Schulzeit wissen, dass auch dann, wenn eine Gemeinschaftsschule keine eigene Oberstufe hat, in jedem Fall ein Oberstufenplatz für ihr Kind bereitsteht, sofern es die entsprechende Eig

nung und die entsprechenden Nachweise auf intellektueller Ebene mit sich bringt.

Neue Namen für Abschlüsse. Unsere Schüler und Schülerinnen erlangen zukünftig den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss nach neun Jahren und den mittleren Schulabschluss nach zehn Jahren. Diese neuen Namen sind wichtig, um deutlich zu machen, dass Gemeinschaftsschule etwas anderes ist als unter einem Dach vereinigte Haupt- und Realschulen.

Aber wir sind auch nicht einsichtsresistent. Deshalb haben wir dem Wunsch der IHKs entsprochen und den ursprünglichen Begriff für den Schulabschluss nach neun Jahren, nämlich „Berufsbildungsreife“, durch die Bezeichnung „erster allgemeinbildender Schulabschluss“ ersetzt. Der ursprüngliche MBWEntwurf hatte sich an der Bezeichnung der Mehrheit der anderen Bundesländer orientiert. Nun verwenden wir, den Einwänden der IHKs entsprechend, die gleiche Bezeichnung wie Hamburg. Auch das macht ja durchaus Sinn.

Zukünftig wird es in Schleswig-Holstein also keinen Hauptschul- und auch keinen Realschulabschluss mehr geben. Das ist konsequent; denn beide Schulformen stehen für Separation und Selektion und eben nicht für längeres gemeinsames Lernen.

Deshalb wird es künftig auch keine Regionalschulen mehr geben; denn diese sind nichts anderes als unter einem Dach zusammengefasste Hauptund Realschulen. Die Regionalschulen werden zu Gemeinschaftsschulen umgebaut. Das macht Sinn, weil die Eltern längst mit ihren Füßen abgestimmt haben.

(Beifall SPD und SSW)

Regionalschulen sind bis auf wenige Ausnahmen von den Bürgern nicht angenommen worden. Aus diesem Grund sollen sie sich, sofern sie mehr als 240 Schüler haben, zu Gemeinschaftsschulen umbauen.

Es gibt aber auch eine klare Übergangsregelung: Im Schuljahr 2014/15 reicht eine Schülerzahl von 230 aus. Das gibt den Schulen Zeit für den erfolgreichen Übergang von dem einen in das andere System.

Außerdem möchte ich beim Blick auf Regionalschulen betonen: Die Regionalschulen mit weniger als 240 Schülerinnen und Schülern hätten auch nach dem alten Schulgesetz keine Zukunft gehabt.

Unsere Kinder werden schulpflichtig, wenn sie bis zum 30. Juni des laufenden Jahres sechs Jahre alt

(Ministerin Dr. Waltraud Wende)

geworden sind. Solange wir nicht sicherstellen können, dass alle Kinder, die nicht eingeschult werden, stattdessen eine qualitativ hochwertige vorschulische Förderung erhalten, erschließt sich für mich der Sinn einer Rückstellung nicht. Allerdings haben wir in § 22 Abs. 3 im Wortlaut klargestellt, dass schulpflichtige Kinder, die aus gesundheitlichen Gründen nicht am Unterricht teilnehmen können, beurlaubt werden können.

Die am Ende der Grundschulzeit stehende verbindliche Übergangsempfehlung werden wir in Zukunft durch verbindliche Beratungsgespräche ersetzen. Das ist noch nicht im Schulgesetz geregelt, sondern wird auf der Ebene der Verordnung geregelt werden.

Schlussendlich werden es die Eltern sein, die entscheiden, welche Schule ihr Kind besuchen wird. Wir vertrauen darauf, dass Eltern nicht beratungsresistent sind. Wir vertrauen auch darauf, dass die Eltern am ehesten wissen, welche Schulart die beste für ihr Kind ist.

Im Übrigen ist die Logik der aktuell noch geltenden verbindlichen Übergangsempfehlung mehr als dürftig; denn aktuell dürfen Kinder mit Hauptschulempfehlung nicht auf das Gymnasium, Kinder mit Realschulempfehlung aber schon. Das ist eine Logik, die sich mir zumindest nicht erschließt.

Hinzu kommt, dass die Treffsicherheit der Empfehlung zu wünschen übrig lässt. Bargteheide zeigt ja, dass 68 % der Schulartempfehlungen unterhalb der tatsächlich erreichten Schulabschlüsse der dortigen Schüler und Schülerinnen liegen. Bargteheide ist sicherlich ein besonderer Fall. Aber wenn man sich die Statistiken anschaut, dann stellt man fest, dass die Treffsicherheit von Schulartempfehlungen bei 50 % liegt. Stattdessen könnte ich auch würfeln.

Vor allem aber wollen wir mit der Stärkung des Elternwillens erreichen, dass Eltern von Grundschulkindern beim Gedanken an die weiterführende Schule zukünftig gelassener werden, dass sie ihre Kinder nicht bereits in der ersten Klasse unter Leistungsdruck setzen, nur weil sie fürchten, ihr Kind könne keine Gymnasialempfehlung erhalten. Es geht um den Schutz der Kleinsten, um den Schutz vor überzogenem, krank machendem Leistungsdruck. Dabei setzen wir auf Beratung und die Einsichtsfähigkeit der Eltern und eben nicht auf Bevormundung. Das müsste Ihnen doch eigentlich allen sympathisch sein.

Die Querversetzung vom Gymnasium wird künftig schwerer werden; sie wird nur noch dann möglich sein, wenn Schüler und Schülerinnen trotz

nachgewiesener schulinterner individueller Förderung nicht den Anforderungen des Gymnasiums entsprechen. Ziel ist, dass Schüler und Schülerinnen in der Schule so gefördert werden, dass die Versetzung nach der Orientierungsstufe der Regelfall ist. Hier verlangen wir zukünftig von allen Gymnasien, was an vielen Gymnasien bereits gute Praxis ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Experimentierklausel wird erweitert, weil wir kleinen Dorfschulen Spielräume geben wollen, kluge, qualitativ hochwertige standortspezifische Konzepte für den Erhalt der Schule im Ort zu entwickeln.

Die Ersatzschulfinanzierung wird, indem sie mit der Entwicklung der Schülerkostensätze der Regelschulen korreliert, auf eine solide Basis gestellt. Sie wird fair, transparent und verlässlich.

Die Minderheiten in unserem Land werden der Landesverfassung in besonderer Weise geschützt, angefangen beim Schutz der dänischen Minderheit und der dänischen Schulen über den Schutz und die Förderung der friesischen Volksgruppe bis hin zur Pflege der niederdeutschen Sprache.

Last but not least: Master-Studierende dürfen unter fachlicher Aufsicht der Lehrkraft im Rahmen von Schulpraktika lehrplanmäßigen Unterricht erteilen, ja, sie dürfen sogar alleine im Klassenraum stehen. Wir wollen - anders als uns unterstellt wird - Master-Studierende nicht einsetzen, um Unterrichtsausfall zu reduzieren, sondern Studierende sollen zukünftig Blockpraktika an unseren Schulen absolvieren, um Berufsfelderfahrungen machen zu können.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Ermöglichung der Praktika ist das Gegenteil von einem Sparkonzept; hier entstehen nämlich zusätzliche Kosten. Zur Berufsfelderfahrung gehört das eigene Unterrichten, wenn die universitäre Ausbildung entsprechend fortgeschritten ist. Die Studierenden haben dann bekanntermaßen einen erfolgreichen Bachelor absolviert. Darüber hinaus ist es genauso wichtig, dass dieses eigene Unterrichten auch ohne Anwesenheit des jeweiligen Fachlehrers in der Klasse passieren darf. Voraussetzung hierfür ist, dass sich der Fachlehrer in Reichweite des Klassenzimmers aufhalten muss.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hinter der Tür!)

(Ministerin Dr. Waltraud Wende)

Diese Regelung ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: für Lehrkräfte, die in den von Praktikanten übernommenen Stunden zum Beispiel Klassenarbeiten im Lehrerzimmer, meinetwegen auch hinter der Tür, lieber Herr Klug, korrigieren können, für Praktikanten, die sich in der Lehrerrolle erproben können, und auch für die Schüler und Schülerinnen, die auf diese Weise Unterrichtsangebote erhalten, die gleich von zwei Personen, nämlich von einem Fachlehrer und vom Praktikanten vorbereitet worden sind.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Vorwürfe der FDP irritieren mich deshalb schon sehr. Denn jeder, der sich mit Ausbildung von Lehramtsstudierenden beschäftigt hat, weiß, dass Praxiserfahrung das A und O einer guten Ausbildung ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Jeder, der sich mit Medizinstudiengängen auseinandergesetzt hat, liebe Frau Klahn, stellt fest: Studierende operieren nicht selbst. Aber Sie können Zahnkliniken aufsuchen, wo sie von Studierenden ihre Zähne gemacht bekommen.

(Christopher Vogt [FDP]: Aber freiwillig! Können die Schüler nach Hause gehen, wenn sie möchten?)

Gute Ausbildung ist der Garant für gute Schule. Unsere Schulen sind nur so gut wie unsere Lehrkräfte.

(Christopher Vogt [FDP]: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

Im Übrigen werden wir über unsere Lehrerbildung in Kürze debattieren. Ich bin gespannt auf Ihre Anregungen. - Für heute danke ich für Ihre Kritik und die vielfältigen Denkanstöße und hoffe auf Kontinuität.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Die Landesregierung hat die verabredete Redezeit um zehn Minuten überzogen. Das steht den Fraktionen nun zur Verfügung. Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Frau Jette Waldinger-Thiering das Wort. - Frau Abgeordnete!

Vielen Dank, Herr Landtagspräsident. - Ich konnte vorhin keine Antwort auf Frau Klahns Einwände geben. Frau Klahn, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Sie haben unserem Haushaltsentwurf so nicht zugestimmt, dass wir nämlich 100 % für die dänische Minderheit haben wollten. In Ihrem Änderungsantrag zu dem Schulgesetz steht es in der Tat nicht drin. Da sind mir vorhin vielleicht ein bisschen die Pferde durchgegangen, und ich habe zwei Dinge verwechselt. Dafür möchte ich mich entschuldigen.

Dann gehe ich davon aus, dass die FDP ihren Minderheitenansatz geändert hat und der dänischen Minderheit und ihrer hundertprozentigen Gleichstellung positiv gegenübersteht.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wortmeldung Christopher Vogt [FDP])

Wünschen Sie eine Zwischenbemerkung? - Zu spät.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 18/1124, ist eine dritte Lesung beantragt worden. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Jetzt kommen wir in der Abstimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 18/1124, und zu Änderungsanträgen der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU - das ist die Drucksache 18/1489 - abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW bei Enthaltung der PIRATEN und der FDP abgelehnt.

(Wortmeldung Torge Schmidt [PIRATEN])

- Wir sind mitten in einer Abstimmung. - Entschuldigung, können die PIRATEN bitte nochmals Handzeichen geben! Das war ein bisschen durcheinander. Sie haben gar nicht teilgenommen, wenn ich das richtig sehe.