Protocol of the Session on January 22, 2014

Zweiter Punkt: Sie behaupten hier einfach dreist, wir würden den Lehrerberuf nicht ernst nehmen, weil wir künftig Studentinnen und Studenten die Möglichkeit geben wollen, eigenverantwortlich zu unterrichten. Frau Klahn, was wir planen, ist eine Reform der Lehrerausbildung mit einem halbjährlichen Praxissemester, also mit einem ganzen Semester, in dem Studenten ein halbes Jahr in einer Schule unterrichten. Natürlich müssen sie in dem Rahmen auch eigenverantwortlich unterrichten dür

fen. Das wird der Qualität der Lehrerausbildung dienen und hat nichts mit unserem Bild vom Lehrer zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Anita Klahn [FDP]: Das steht aber so nicht im Gesetz!)

Frau Klahn, wenn Sie der Meinung sind, die Begriffe Bildung und Erziehung fänden sich im Schulgesetz nicht mehr - Konjunktiv II -, biete ich Ihnen an: Sie zahlen 100 € an einen wohltätigen Zweck Ihrer Wahl für jede Stelle, die ich Ihnen im Schulgesetz zeige, an denen die Begriffe Bildung oder Erziehung vorkommen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich finde es auch wenig gelungen, dass sich der Oppositionsführer hier hinstellt und sagt, in dem Schulgesetz würden wir einen elementaren Punkt nicht regeln, nämlich die Schulartempfehlung, deshalb brauchten wir noch eine dritte Lesung. Ich hoffe, Sie haben den Ausführungen von Frau Erdmann entnehmen können, dass auch in einer dritten Lesung des Schulgesetzes die Schulartempfehlung nicht vorkommen würde, weil sie nicht gesetzlich geregelt wird. Deshalb ist es auch mitnichten perfide, was wir hier tun. Sondern es war im Bildungsdialog von vornherein so angelegt, dass an der Stelle etwas geregelt werden muss. Das wird nun auch getan - weiterhin freundlich und im Dialog.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Zu behaupten und uns vorzuwerfen, wenn wir die Schrägversetzung - die wir ja nicht abschaffen ein wenig neu reglementieren und mit der Leitfrage an Schulen versehen, was wir für Schüler tun können, und nicht mehr mit der Leitfrage versehen, wer hier nicht hingehört und wer aussortiert werden muss, sei das ein menschenverachtendes Bild von Schülerinnen und Schülern, das ist schlicht dreist.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Über den Bildungsdialog ist viel gesprochen worden. Ich möchte den UV-Nord zitieren. Das ist nicht immer eine Organisation, die uns nahesteht. Sie sagt:

„Wir begrüßen grundsätzlich, dass zu erheblichen Teilen die Ergebnisse der Bildungskonferenzen Eingang in die Novelle des Schulgesetzes gefunden haben.“

(Jette Waldinger-Thiering)

Was war das Angebot der CDU zu einem Schulfrieden, als sich Hunderte von Menschen bei Konferenzen trafen? Herr de Jager - manche, vor allem die Älteren, erinnern sich - wollte zu einem Hinterzimmergespräch in der CDU-Zentrale einladen. Dort sollten die Parteivorsitzenden Schleswig-Holsteins einen Schulfrieden aushandeln. Das ist eben nicht unser Konzept.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Aber ich habe gelernt. Ich möchte auch mit einem großen Zitat zum Thema Schulfrieden und dem Verhalten der CDU enden. Es stammt von Schiller aus Wilhelm Tell:

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Habersaat, wenn Sie meinem Fraktionsvorsitzenden zugehört hätten, hätten Sie gehört, er hat sich nicht auf die Schulartempfehlung bezogen, sondern auf die Neuregelung der Orientierungsstufen beziehungsweise des Schrägversetzens innerhalb der Gymnasien. Das ist schon ein wesentlicher Punkt. Deswegen halte ich die Frage einer dritten Lesung für absolut berechtigt. Dieser wesentliche Punkt innerhalb der Orientierungsstufen ist mit keinem besprochen worden. Das ist Ihr Dialog an dieser Stelle. Weder mit den Schulen noch mit den Eltern noch mit den Schülern ist dieser Dialog darüber geführt worden.

(Martin Habersaat [SPD]: Es gab eine Ar- beitsgruppe dazu!)

Deshalb wollen wir eine dritte Lesung und das mit den Verbänden diskutieren.

(Beifall CDU und FDP)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Anke Erdmann?

Nein, ich lasse jetzt keine zu. Ich würde meinen Dreiminutenbeitrag gern dazu nutzen, um einige Positionen deutlich zu machen.

Herr Dr. Stegner, ich möchte auf Sie zukommen. Wenn Sie den Ausführungen unseres Fraktionsvorsitzenden zugehört hätten, hätten Sie viele gute Argumente für gute Bildungspolitik gehört. Das haben Sie nicht getan. Wenn gute Argumente bei Ihnen nicht ziehen,

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Welche Argumen- te?)

dann geht es nur um persönliche Angriffe.

(Beifall CDU und vereinzelt PIRATEN)

Das sagt sehr viel über Ihr Menschenbild und auch Ihren Charakter aus. Sie sollten wirklich einmal intensiv darüber nachdenken, wie Sie sich hier im Parlament gegenüber Kollegen verhalten. Das ist äußerst unkollegial.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]) : Wenn man uns „Brandstifter“ oder „menschenverachtend“ nennt! Sogar im Pressetext steht das drin“!)

Meine Damen und Herren, ich würde gern noch einmal auf die Frage Aufnahme der Schulartempfehlung kommen. Frau Erdmann, Sie haben gerade deutlich gemacht: 80 % der Schülerinnen und Schüler hätten das Anrecht, auf das Gymnasium zu gehen. Sie sagen, jetzt sollen es 100 % der Schülerinnen und Schüler haben. Ich frage Sie: Welche Instrumente geben Sie den Gymnasien an die Hand, um das, was Sie unter „individueller Förderung“ ins Gesetz geschrieben haben, tatsächlich umzusetzen? Sie geben Ihnen nichts an die Hand. Im Gegenteil, das strukturelle Defizit, das die Ministerin im letzten Jahr bekannt gegeben hat, werden Sie sogar noch weiter ausweiten.

Man muss auch einmal fragen: Was passiert mit den Kindern an den Gymnasien, die dort sind? Ich halte es für eine furchtbare Unterstellung, Herr Habersaat, den Schulen zu unterstellen, sie sortierten aus, wer nicht hingehöre.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das gibt es gar nicht in Deutschland! Das kommt hier nicht vor!)

(Martin Habersaat)

Das tun unsere Schulen in Schleswig-Holstein nicht. Das tun auch unsere Gymnasien nicht. Sie gehen sehr verantwortungsvoll mit ihren Schülerinnen und Schülern um und weisen Bildungswege auf.

(Beifall Johannes Callsen [CDU])

Was heißt das denn, auf einem Gymnasium in die siebte Klasse versetzt zu werden? Die Schülerinnen und Schüler sind immer in einem Klassenverband, in dem sie irgendwann den Inhalten nicht mehr folgen können, weil die erste Aufgabe des Gymnasiums, auf das Abitur zuzuführen, von Ihnen nicht verändert worden ist. Sie sagen den Gymnasien: Macht Abitur und seht zu, wie ihr die Kinder mitkriegt! Das ist nicht fair gegenüber den Gymnasien und vor allen Dingen nicht fair gegenüber den Kindern.

(Beifall CDU)

Es gibt einen wesentlichen Kritikpunkt. Er ist von allen Verbänden genannt worden. Ich habe keinen Verband gehört, der ihn nicht vorgebracht hat. Das ist die Frage der Finanzierung dieses Schulgesetzes. Ich will gern die Rechnung noch einmal aufmachen, die ich schon einmal aufgemacht habe. Ich will es schnell machen. Herr Präsident, ich sehe die rote Lampe.

Das strukturelle Defizit, von der Ministerin genannt, beläuft sich auf 1.250 Planstellen. Sie brauchen mindestens 200 Planstellen für die zwanzig Oberstufen. Sie brauchen Planstellen für die Umwandlung von Regional- in Gemeinschaftsschulen, unserer Rechnung nach circa 250.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Laut GEW brauchen Sie 1.000 Planstellen für die Inklusion. Das ergibt ein Defizit von 2.700 Planstellen. Denen stellen Sie 300 neue Stellen in Rechnung. Da fehlen ein paar.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender Torge Schmidt das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gar nicht großartig inhaltlich etwas sagen, sondern einen Punkt aufgreifen, den auch meine Vorredner schon bedient haben. Das sind die parlamentarische Kultur und die Form der Debatte, die wir hier führen. Wir alle stehen dafür, dass wir gern hart in der Sache argumentieren. Wir reden hier in der Sache hart miteinander und streiten auch inhaltlich. Ich halte es aber nach wie vor für nicht richtig - das ist etwas, was nicht ins Parlament gehört, weil wir eine Vorbildfunktion haben -, dass sich Kollegen für Redebeiträge von anderen Abgeordneten schämen. Das zeugt von einem komischen Respekt voreinander. Das tun auch andere wirklich persönliche Angriffe hier im Parlament.

(Beifall PIRATEN und CDU)

Wir haben hier Schulklassen auf den Rängen sitzen, wenn wir über das Schulgesetz debattieren. Wenn ich mir vorstelle, dass in Schulklassen so miteinander umgegangen wird, stelle ich fest, dass wir wirklich kein gutes Vorbild sind. An dieser parlamentarischen Kultur sollte sich definitiv etwas ändern.

(Beifall PIRATEN - Zuruf)

- Ich bin kein Schiedsrichter, aber ich darf wohl meine persönliche Meinung zu dieser Debattenkultur äußern!

(Vereinzelter Beifall CDU)

Es sind auch Zwischenrufe auf dem Off, die unsachlich und der Debatte nicht förderlich sind. Wir reden hier über das Schulgesetz. Dabei sollten wir bleiben und uns nicht persönlich angreifen. - Ich danke Ihnen.