Protocol of the Session on November 21, 2013

Anschließend hat sich das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen klar dagegen entschieden. Die Begründung, die mir wohlgemerkt nicht aus Kreisen der dortigen Landtagsopposition, sondern aus Kreisen des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums zugetragen wurde, lautete sinngemäß - der Herr Staatssekretär lächelt und grinst schon -: Das sei ja nichts anderes als Spekulation, was die Schleswig-Holsteiner dort machten. - Hört, hört! Nordrhein-Westfalen bleibt deshalb bei der klassisch-konservativen Vorgehensweise und sichert sich das gegenwärtig niedrige Zinsniveau ausschließlich dadurch, dass bei Neukrediten und Prolongationen möglichst lange Laufzeiten gewählt werden - wie wir das auch tun -; auf den Einsatz von Derivaten wird dagegen vollständig verzichtet.

Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet SPD, Grüne und SSW in Schleswig-Holstein den Einsatz von Finanzderivaten, deren Einsatz an anderer Stelle von Ihnen massiv kritisiert wird, jetzt in Schleswig-Holstein massiv ausweiten wollen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wahrscheinlich der SSW, der darauf drängt! - Birgit Herdejürgen [SPD]: Das gibt es schon seit Jahrzehnten!)

Soweit die beiden unterschiedlichen Sichtweisen. Welche davon richtig oder falsch ist, lässt sich heute von niemandem seriös beantworten. Wir alle wissen: Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Genauso ist

(Dr. Heiner Garg)

es im vorliegenden Fall. Welche Sichtweise richtig oder falsch ist, hängt von der Zinsentwicklung in den kommenden Jahren ab. Dafür haben wir leider alle keine Glaskugel zur Hand.

Deshalb werden wir die Landesregierung vonseiten der CDU-Fraktion für den Ausbau der Zinssicherung nicht kritisieren, wir werden dafür aber auch keinen Beifall klatschen. Es ist Ihre Entscheidung, die wir hier zur Kenntnis nehmen. Bei der Abstimmung über den Antrag der FDP-Fraktion werden wir uns enthalten. Es ist eine politische Entscheidung der Landesregierung, die auf einer bestimmten Meinung, auf einer bestimmten Zinsprognose basiert. Das sind Ihre Meinung und Ihre Zinsprognose. Ob Sie damit richtig liegen, wird sich in den Jahren 2016 und 2017 zeigen.

(Zuruf)

Frau Heinold und Herr Losse-Müller, ich verspreche Ihnen: Wenn Ihre Rechnung aufgeht, werde ich Ihren Weitblick öffentlich anerkennen. Ich verspreche Ihnen aber auch: Wenn die Rechnung nicht aufgeht und Sie mit der Zinssicherung 30 Millionen € Steuergelder verzockt haben, dann werden wir von Ihnen 2016 oder 2017 persönliche Konsequenzen einfordern.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine starke Opposition! - Weitere Zurufe)

Es ist Ihre Entscheidung - im Zweifelsfall auch Ihre, Herr Andresen -, deshalb tragen Sie auch die Verantwortung dafür. Glauben Sie bitte nicht, dass Sie sich mit dem Ausbau der Zinssicherung in alle Richtungen gleichzeitig absichern können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Lars Winter das Wort.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Koch hat es im Grunde auf den Punkt gebracht. Das, was wir hier heute debattieren, ist die Frage: Sichern wir etwas ab, oder sichern wir es nicht ab? - Wie bei jeder Versicherung ist es so, dass man erst hinterher weiß, ob es lohnend war, diese Versicherung abzuschließen.

Sie können sich denken, dass ich meinen Redebeitrag natürlich in die andere Richtung formuliert ha

be. Bei mir geht es darum, dass Sicherheit vorgeht. Diese Devise kennen wir aus den verschiedensten Lebenslagen. „Sicherheit geht vor“, ist auch unser Leitbild bei der Planungssicherung unserer Zinsen. Die Ist-Zahlen der Jahre 2011 und 2012 sowie die Planzahlen für die Jahre 2013 und 2014 zeigen, dass der Zinsaufwand, den das Land begleichen muss, bei rund 10 % des Volumens des Gesamthaushalts liegt. 2014 sollen es planmäßig rund 909 Millionen € sein. Das Volumen wird sich in den nächsten Jahren auf bis zu 1,3 Milliarden € erhöhen. Die Ministerin hat die genauen Zahlen in ihrem Redebeitrag bereits genannt.

Die FDP-Fraktion begründet ihren Antrag, die Finanzierungsinstrumente nicht einzusetzen, damit, dass volkswirtschaftliche Indikatoren auf einen dauerhaft niedrigen Zinssatz hinweisen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Bitte schön, Herr Dr. Garg.

Wären Sie so freundlich, zur Kenntnis zu nehmen, dass weder im FDP-Antrag noch in meiner Rede davon die Rede war, Instrumente nicht einzusetzen, sondern die Rede davon war, die Instrumente nicht auszuweiten?

Ja, das nehme ich gern zur Kenntnis und korrigiere das gern. - Ich ergänze das jetzt noch mit dem Satz: Für die FDP bedeutet das Spekulationen mit Steuergeldern. Da sind wir uns einig. Das haben Sie in Ihrem Antrag geschrieben. Aus unserer Sicht ist es vorsorgende Finanzpolitik, wenn sich das Finanzministerium mit der Zinssteuerung beschäftigt - die Ministerin hat es ausgeführt, dass das schon seit 1992 passiert - und mit den gegebenen Instrumenten Gutes für Schleswig-Holstein bewirken will.

Auch wenn das Zinsniveau für eine erwartbare Zeit auf einem historischen Tiefstand verbleiben sollte, sind die Zinszeiträume mit bis zu sieben Jahren so lang, dass es Sinn macht, Zinsbindungen abzusi

(Tobias Koch)

chern. Darum sehen wir die Notwendigkeit, sich nicht einfach dem Zinsmarkt auszuliefern, sondern mit den heutigen Finanzierungsmechanismen zu versuchen, die vorhandene Unkalkulierbarkeit bei der Entwicklung der Zinsen zu steuern.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben bei unserer Finanzpolitik immer darauf hingewiesen, dass wir im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten unsere politischen Schwerpunkte umsetzen wollen. Wir investieren in soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Infrastruktur und Bildung, Bildung, Bildung. Um zu gestalten, brauchen wir Planungssicherheit, eben weil der Haushaltsansatz für Kreditzinsen das von mir beschriebene Volumen hat.

In der mittelfristigen Finanzplanung sehen wir, wie sich die Zinsen ohne Absicherungsmechanismen entwickeln könnten - mit einer großen Schwankungsbreite. Wer mit einem sehr engen - auf Naht genähten - Haushaltsvolumen verlässlich die Zukunft unseres Landes gestalten will, steht daher vor einer wichtigen Entscheidung:

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Wollen wir jetzt trotz sehr knapper Mittel mehr Geld ausgeben, um in der Zukunft verlässlicher agieren zu können? Oder wollen wir es darauf ankommen lassen, dass die Zinsen weiterhin auf historisch niedrigem Stand bleiben?

Wir machen uns diese Entscheidung nicht leicht. Gerade weil wir für die Gestaltung der Politik von und für morgen verlässlich einstehen wollen, haben wir uns entschieden, jetzt mehr Geld in die Hand zu nehmen, um die notwendige Planungssicherheit in den nächsten Jahren zu erhöhen. Bei einer ersten Vorstellung der geplanten Maßnahmen durch das Finanzministerium hat sich gezeigt, dass hochkompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedliche Szenarien erarbeiten, die zur Zinssicherung beitragen sollen. Dabei wägen sie die unterschiedlichen Risiken ab.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal daran erinnern, dass Haushaltspolitik kein Selbstzweck ist. Es geht darum, ein verlässlicher Partner für die Menschen in Schleswig-Holstein zu sein, die sich darauf verlassen, dass wir die Löhne, Gehälter und Pensionen bezahlen, die notwendige Infrastruktur bereitstellen, damit Leistungen für Daseinsvorsorge geleistet werden können, Maßnahmen zur Nachhaltigkeit fördern, ihre Bildung finanzieren - und für die nächste Generation ebenso.

Die FDP setzt in ihrem Antrag auf Risiko, auch wenn sie das Gegenteil behauptet. Es ist leicht, wenn man keine Verantwortung dafür tragen muss.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir unterstützen die Maßnahmen, die die Landesregierung ergreift. Wir möchten auch, dass Ihr Antrag in den Finanzausschuss überwiesen wird, damit wir uns damit noch ausführlich auseinandersetzen können. Ich danke der Ministerin für ihren Bericht. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Koch, bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, will ich doch noch ein oder zwei Sätze zu dem sagen, was Sie hier gerade abgeliefert haben. Sie stellen sich hier hin und sagen: Zinssicherung kann man machen oder man kann es sein lassen, aber bitte fragt uns nicht, wie wir uns dazu verhalten sollen. - Das ist in der Opposition vielleicht die bequemste Position, dass man sich erst dafür oder dagegen entscheidet, wenn man gesehen hat, ob es erfolgreich ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, Dr. Heiner Garg [FDP] und Uli König [PIRATEN])

Aber das ist sehr verantwortungslos und Ihrer eigentlich auch unwürdig, weil Sie es sich auch sonst nicht so einfach machen.

Wir haben - das haben viele schon gesagt - in Schleswig-Holstein eine bewährte Zinssicherungsstrategie. Das Land betreibt schon seit den 90erJahren aktive Zinssicherung. Verschiedenste Regierungskoalitionen - egal, wer daran beteiligt war haben das weiterentwickelt. Wenn man sich umhört, auch wenn es vielleicht Bundesländer gibt, die zu anderen Entscheidungen kommen, erlebt man doch, dass wir in dem Bereich im Vergleich zu anderen Bundesländern Vorreiter sind. Dafür wollen wir als grüne Fraktion auch einmal der Fachabtei

(Lars Winter)

lung im Finanzministerium danken, die da einen sehr guten Job macht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Dr. Heiner Garg [FDP])

Finanzministerin Heinold hat gerade noch einmal sehr gut beschrieben, was dieses Zinsmanagement ausmacht. Es geht darum, die finanziellen Auswirkungen eines potenziellen Zinsanstiegs auf unsere Landeskasse möglichst gering zu halten. Es geht um Planungssicherheit für ein hoch verschuldetes Land, das jedes Jahr - je nach Zinssatz - bis zu einer knappen Milliarde Euro für Zinsen aufwendet. Es geht darum, über einen sehr großen Ausgabeposten des Landes Kontrolle zu erlangen.

Soweit waren wir uns hier im Haus bisher einig. Eine Zinssicherungsstrategie ist eine sinnvolle Sache. Es geht nicht um Spekulation, sondern um das Kontrollieren von Risiken. Mit den skandalösen Vorgängen, die es in einigen deutschen Kommunen in der Vergangenheit gab, wo hochspekulative Deals abgeschlossen wurden, hat dieses professionelle Management nichts zu tun.

Die Zinssicherung der Landesregierung hat eine 100-prozentige Entsprechung in einem realen Kredit, während Kommunen wie beispielsweise Hagen oder Pforzheim absolut spekulativ gehandelt haben. Es gab keine Sicherung. Wir sichern den Preis, während die Kommunen mit dem Preis spekulieren. Das ist der Unterschied. Die Landesregierung plant jetzt, die Zinsstrategie weiter auszuweiten - wohlgemerkt nicht inhaltlich, sondern nur quantitativ. Die Methoden und eingesetzten Instrumente bleiben die gleichen. Es geht lediglich darum, mehr Anschlusskredite als bisher abzusichern und so das günstige Zinsniveau von heute für die Zukunft zu nutzen. Dafür sollen - das hat Herr Kollege Garg angesprochen - erst einmal 30 Millionen € in die Hand genommen werden.

Dennoch steht im Raum, dass dies Spekulation mit Steuergeldern sei. Aus unserer Sicht ist es richtig, auch wenn die Zinsen weiter so niedrig bleiben wie bisher und wir in ein paar Jahren sagen: Diese Investition in die Zinssicherung hätten wir nicht gebraucht. Da haben Sie sicherlich recht, Herr Garg.

Es gibt namhafte Ökonomen. Ich habe mich sehr gefreut, dass die FDP Joseph Stiglitz zitiert hat. Das ist noch nicht so oft vorgekommen. Ich schätze ihn sehr. Er ist einer der klügsten Köpfe, den wir unter den Ökonomen gerade haben.

Wir können uns aber auch einmal anschauen, was umgekehrt passieren würde. Wenn die Zinsen nur

um einen einzigen Prozentpunkt stiegen, hätte das Zinsmehrausgaben von 100 Millionen € im Jahr 2016 und über 200 Millionen € im Jahr 2019 zur Folge. Wenn wir jetzt zusätzliche Versicherungen abschließen, können wir diese Mehrbelastung zumindest etwas in den Griff bekommen. Was ist schlimmer? Eine Versicherung, die man am Ende nicht gebraucht hätte, oder explodierende Zinskosten, die andere wünschenswerte Ausgaben unmöglich machen? In diesem Fall sage ich: Better safe than sorry.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)