Protocol of the Session on August 22, 2012

(Angelika Beer)

transparenter und ungesetzlicher Entscheidung innerhalb der Regierung. Diese Liste ließe sich wahrlich in die Hunderte und Tausende fortsetzen. Mit der von uns unterstützten Reform kommunaler Bürgerbegehren, die Sie verhindert haben, auch zu dieser Bauleitplanung, hätten all diese Menschen eine Möglichkeit gehabt, ihre berechtigten Anliegen vorzutragen und in einen demokratischen und transparenten Diskurs einzuspeisen, und wir hätten die Möglichkeit gehabt, gemeinsam eine konstruktive Lösung zu finden.

(Beifall PIRATEN)

Damit haben Sie - das muss ich der neuen Landesregierung leider sagen - mit dieser Blockade, mit dieser Ablehnung grundsätzlich den falschen Weg eingeschlagen und den Koalitionsvertrag in seiner Lyrik infrage gestellt, weil er dem grob widerspricht. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist eben leider nicht die Kultur der Beteiligung, von der wir auch heute noch alle gesprochen haben, sondern das ist Wählertäuschung. Und aus Wählertäuschung entsteht Politikverdrossenheit.

(Beifall PIRATEN)

Aus Politikverdrossenheit erwächst keine Transparenz, vor der Sie offensichtlich große Angst haben; das hat die Aktuelle Stunde heute gezeigt. Daraus erwächst auch keine konstruktiv-aktive Bürgergesellschaft, die wir uns wünschen, sondern daraus erwachsen Gleichgültigkeit und schließlich Protest, Protest gegen die eigentlich von uns allen gewollte Energiewende.

Wir wünschen uns - noch ist Zeit -, dass die Koalition umgehend einen Kurswechsel der derzeitigen Regierungspraxis hin zu den Versprechungen des Koalitionsvertrages vornimmt. Wir fordern diese Transparenz, weil Transparenz der einzige Weg ist und die Garantie dafür gibt, die Energiewende mit der Bevölkerung und nicht gegen die Bevölkerung durchzuziehen.

(Beifall PIRATEN)

Ich hätte ja niemals gedacht, dass ich dem Kollegen Kubicki einmal in meinem Leben auch noch recht geben muss. - Jetzt, da ich dieses sage, beendet er sogar sein Telefongespräch. Aber wer in der Diskussion die soziale Komponente auslässt, handelt ignorant bis fahrlässig.

(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP] - Heiterkeit)

Die soziale Komponente ist von uns PIRATEN stets sehr genau im Auge zu behalten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau das habe ich gesagt!)

Wir müssen das notwendige Handeln auch mit den Betroffenen diskutieren und dürfen es nicht ausblenden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Oh!)

Umweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister Rösler haben die Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, das TenneT - ich erinnere daran: TenneT ist höchstverschuldet und intransparent - entlasten soll, und die Haftungskosten für Störungen oder die verspätete Einrichtung von Anschlüssen sollen einfach auf die Stromkunden abgewälzt werden. Dies wurde von Staatssekretärin Nestle ausdrücklich begrüßt.

Ich frage Sie allen Ernstes, ob das zur Akzeptanz bei den Menschen führen soll. Die Bürger sind konfrontiert mit stetig steigenden Lebensunterhaltungskosten. Sie sehen sich mit horrenden Benzin-, Öl-, und Gaspreisen konfrontiert, überlegen sich, wie sie ihre Strom- und Gasrechnung am Monatsende überhaupt noch bezahlen sollen. Es ist doch offensichtlich, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft. Sie kennen doch die Zahlen, aber warum erwähnen Sie nicht, dass laut einer Meldung vom 24. Juli 2012 rund 800.000 Haushalten in Deutschland durch Energieversorger Strom oder Gas abgestellt wurde, weil sie die Rechnung nicht mehr bezahlen konnten? Diese Menschen müssen von uns gehört werden. Deren Existenzsorgen müssen von uns ernst genommen werden. Dem entsprechend sind die Verantwortlichen auch zur Verantwortung zu ziehen.

Die einzig transparente Stromrechnung erhält der Bürger von seinem Versorger. Da fällt einmal mehr auf, dass der Staat mit einer Steuer- und Abgabenquote von 46 % der größte Preistreiber und Umverteiler ist.

Tatsache ist aber auch, dass die erneuerbaren Energien - und Herr Habeck hat es jetzt endlich auch kapiert, es stand gestern auch im „Holsteinischen Courier“ - schon seit Jahren dafür sorgen, dass die Preise an der Energiebörse European Energy Exchange stetig fallen. Die Umlage für das Energieeinspeisegesetz liegt bei 3,6 ct je kWh. Seit der Einführung des EEG im Jahr 2000 sind die Preise für die Privathaushalte jedoch um rund 12 ct gestiegen. Wenn im Oktober die neuen Schätzungen und die Sätze für 2013 kommen, können die Förderkosten für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh um weitere 50 € auf dann 175 € pro Jahr steigen. Das sind keine Peanuts, sondern das

(Angelika Beer)

sind Fakten, und die müssen in politischer Planung verantwortlich herangezogen werden.

Wenn man dann noch berücksichtigt - und da geht es nicht um Schwarzmalerei, aber ich erwarte, dass eine Landesregierung und die Fraktionen das auch berücksichtigen und die entsprechenden Fragen stellen -, dass ein Gutachten der Uni Rendsburg zu dem Ergebnis kommt, dass die EEG-Umlage anlog zum früheren Kohlepfennig zu betrachten ist, stellen sich Fragen ganz neuer Dimension; denn dieser Kohlepfennig ist aus verfassungsrechtlichen Gründen abgeschafft worden. Sie befinden sich da auf sehr dünnem Eis und sollten diese Rechtsfrage von sich aus in Angriff nehmen und nicht warten, bis wieder ein Verfassungsgericht der Politik den richtigen Weg zeigt.

Wir Verbraucher wollen eine Koalitionspolitik mit einer offenen Diskussion über die brennensten Fragen. Warum kommen die deutlich gesunkenen Preise an der Strombörse nicht bei den Privatkunden an? Wie will die Politik Hunderttausenden Mittelständlern und Millionen Bürgern die fortgesetzte Bevorzugung weniger Großverbraucher zu ihren Lasten erklären? Warum muss ich für das Windrad, das mir vor die Nase gesetzt wird, ohne dass ich mitreden kann, auch noch bezahlen und darf mit keinem Wort in der Diskussion dazu beitragen?

Bund und Länder müssen an einem Strang ziehen. Das kann aber nicht bedeuten, im Hinterzimmer von Altmaier und Rösler zu sitzen. Deswegen bin ich auch erstaunt über die etwas aggressiven Reden der CDU und der FDP hier im Landtag. Der neuerliche Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie ist 14 Monate alt. Sie haben eine zügige Umsetzung, so weit wir das außerparlamentarisch verfolgen konnten, weder im Bund noch hier im Land vorangetrieben. Es ist der Bundeswirtschaftsminister, der eine Lockerung der europäischen Umweltstandards durchsetzen will, um den Bau von mehr Stromautobahnen zu beschleunigen. Das ist ein Vorhaben, das hoffentlich auch bei uns im Europaausschuss noch diskutiert und abgelehnt werden wird.

(Beifall PIRATEN)

Das, Herr Minister, ist aber dennoch nicht die Politik, die Sie uns versprochen haben und von der Sie auch heute wieder geredet haben.

Wir wollen eine umfassende Strategie zur Energiewende, die zügig umzusetzen ist und die die Kernpunkte abdeckt um erstens die Bevölkerung umfassend zu informieren und damit ein neues Bewusstsein für die umfassende Bedeutung der Ener

giewende zu fördern, und um zweitens die Bevölkerung über grundlegende demokratische Selbstbestimmungsrechte in die Entscheidung einzubeziehen, um nachhaltige Akzeptanz für ein sehr großes und wichtiges Projekt, die Energiewende, zu schaffen.

Ich spreche für die Fraktion der PIRATEN und für alle PIRATEN im Land: Wir sind überzeugt davon, dass die Energiewende so umsetzbar ist, dass sie zu einem echten Erfolg für ganz Schleswig-Holstein und nicht nur zu einem weiteren Schub für das Ego von Einzelpersonen wird, wenn die Landesregierung ihre Versprechen tatsächlich umsetzt.

(Beifall PIRATEN)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir Ruth Kastner, die Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die auf der Zuschauertribüne sitzt. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Jetzt hat Herr Abgeordneter Harms vom SSW das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Energiewende wird in der Politik bereits seit Jahren nahezu inflationär landauf landab diskutiert. Vorschläge und Lösungsansätze gibt es zuhauf, nur an der konkreten Umsetzung hapert es, beziehungsweise es geht nur schleppend voran. Erst diese Landesregierung hat den Schritt gewagt, alles in einem Ministerium zu bündeln, um die Energiewende aus einer Hand zu gestalten, zu steuern und umzusetzen. Dies ist ein guter und richtiger Schritt für Schleswig-Holstein. Wir stehen nämlich vor großen Herausforderungen, die diesen Schritt notwendig machen. Wir wollen die guten Voraussetzungen in SchleswigHolstein nutzen, um die Energiewende in unserem Land endlich voranzubringen.

(Beifall SSW und Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])

Uns ist klar, dies wird kein Selbstgänger. Es wird sich auch nicht von heute auf morgen alles umsetzen lassen, was wir uns vorgenommen haben. Diese Landesregierung und die Koalitionspartner haben es sich aber zur Aufgabe gemacht, die Energiewen

(Angelika Beer)

de mit Leben zu füllen, sie wirklich in Gang zu bringen und nicht nur darüber zu reden.

Der mit breiter politischer Mehrheit beschlossene Atomausstieg, die Abkehr von den fossilen Energieträgern, der Ausbau der regenerativen Energien, der Ausbau leistungsstarker Netze, die Sicherung der Energieversorgung, Energieeinsparung und Effizienzsteigerung, der Ausbau der Energiespeicher sowie die Entwicklung innovativer Technologien auf dem Energiesektor sind die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die zusammen die Energiewende möglich machen. Diese Herausforderung nehmen wir an. Es obliegt der Opposition, sich diesem Weg anzuschließen.

Wir haben bei uns im Land die Voraussetzungen, um auch nach 2021 Stromexporteur zu bleiben. Dabei setzen wir maßgeblich auf den Windstrom. Schleswig-Holstein ist ein Windenergiestandort mit entsprechender Tradition. Daher ist unser Ziel, der Windenergie den Stellenwert zurückzugeben, den sie verdient. Damit wird sie wieder Wachstumsmotor und eine wichtige Wirtschaftskraft in unserem Land.

Mit der Ausweitung der Windeignungsflächen wurde bereits ein wichtiger Beschluss in diesem Sinne getroffen. Durch diese zusätzlich geschaffenen Kapazitäten und mit dem Repowering werden wir an Land bis zu 9.000 MW Strom aus Wind produzieren. Dazu kommen noch 3.000 MW Strom aus dem Offshore-Bereich. Damit ist und bleibt der Windstrom die Leitenergie in Schleswig-Holstein, wir beleben die Windkraftbranche und die Wirtschaft in dem Sektor aufs Neue, und das ist gut so.

(Beifall SSW und SPD)

Der weitere Ausbau der Windkraft ist wichtig für diesen Wirtschaftsbereich und für unser Land, denn er trägt maßgeblich zur Wertschöpfung bei. Es werden weitere hochqualifizierte Arbeitsplätze und neue Einkommen geschaffen. Dadurch werden wir natürlich auch den Windmessestandort in Husum stärken können. Wir wissen jedoch, dass es bei Produktion, Service und Wartung, Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung noch Defizite gibt. Diese müssen natürlich abgestellt werden.

Mit der Offshore-Windkraft schaffen wir einen neuen Wirtschaftszweig, der der maritimen Wirtschaft, die in echten Schwierigkeiten steckt, neue Seiten verschafft. Hier wird die Zusammenarbeit der Windwirtschaft mit den Werften und den Häfen verstärkt. Um eine verstärkte und koordinierte Zusammenarbeit geht es künftig insbesondere bei den Häfen an der Westküste. Es ist wichtig, die Stärken

dort zu nutzen, wo sie vorhanden sind. Dazu gehört neben dem Ausbau der Häfen Brunsbüttel, Helgoland und Husum mit dem zusätzlichen Flugplatzstandort in Schwesing auch die Entwicklung der schleswig-holsteinischen Westküste als das Zentrum für erneuerbare Energien aller Art. Meine Damen und Herren, dies wird sich auch im angekündigten Plan der Landesregierung für die Westküste widerspiegeln. Hier tut sich endlich etwas für die Westküste, und das hat auch etwas mit der Energiewende zu tun.

Der Pfeiler der regenerativen Energien ist und bleibt die Windkraft. Aber auch Biomasse und Solarstrom sind Mosaiksteine der Energiewende. Insbesondere der Anteil des Stroms aus Biomasse ist in den letzten Jahren enorm gewachsen, wenn auch anders als ursprünglich gedacht. Ein Stichwort ist hier die Vermaisung der Landschaft. Hier müssen wir zu einem erträglichen Maß zurückfinden. Biomasse muss weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Energiewende bleiben, aber die Voraussetzungen müssen so gestaltet sein, dass diese Form der Energieproduktion auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz trifft und ökologisch zu vertreten ist.

(Beifall SSW, Abgeordnete Dr. Ralf Stegner [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien realisierbar ist, müssen die Grundvoraussetzungen dafür geschaffen werden - womit wir bei den Stromnetzen wären. Wir wissen bereits seit Jahren, dass unsere Netze nicht dafür ausgelegt sind, eine dezentrale Stromversorgung zu gewährleisten. Die Offshore-Windenergie steht größtenteils immer noch in den Startlöchern, weil die Stromnetzbetreiber keinen Anschlusstermin nennen können. Windmühlen liefern keinen Strom, weil die Netze voll sind. Das ist eine Vergeudung von Potenzial. Hier müssen wir ansetzen. Hier müssen wir - auch was die planungsrechtlichen Fragen angeht - schnell arbeiten.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es wichtig, dass der Stromnetzausbau jetzt zügig vorankommt. Dies darf aber nicht gegen den Willen der Bevölkerung in den betroffenen Regionen geschehen. Ich betone hier: der Bevölkerung, nicht einzelner möglicherweise betroffener Menschen. Der Ministerpräsident hat nämlich recht: Irgendwann muss die Entscheidung fallen. Diese Entscheidung muss durch die Politik beziehungsweise durch die Verwaltung fallen. Sie muss die Bevölkerung in Gänze beteiligen, nicht unbedingt nur die

(Lars Harms)

Menschen, die unmittelbar betroffen sind. Die ganze Bevölkerung muss in diesem Verfahren berücksichtigt werden, und das wird auch geschehen.