Protocol of the Session on August 22, 2012

So, wie es derzeit aussieht, werden Sie den Kopf dann hinhalten müssen, wenn es andere verbocken. Zugleich heimsen Sie den Erfolg ein, wenn andere ihre Sache gutmachen. Ich kann daher nur für das Land Schleswig-Holstein hoffen, dass Ihnen künftig auf die Schulter geklopft wird - für etwas, was Sie nicht getan haben.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Energiewende in einem ganzheitlichen Kontext betrachten und sich nicht ständig in einem KleinKlein der Alltagspolitik verfangen. Energie, und zwar bezahlbare Energie, entscheidet darüber, wie sich Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. Energieversorgung ist nicht nur eine Frage der Erzeugung, des Transports und der Versorgung von Wärme und Strom. Sie ist vielmehr eine Frage der künftigen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, der Entwicklung des Landschaftsbilds und eine Frage der gesellschaftlichen Partizipation. Diese Frage berührt also die unmittelbare Lebenswirklichkeit der Menschen. Die Energiewende ist daher ganz klar auch eine soziale Frage, wenn nicht sogar die soziale Frage der kommenden Jahrzehnte. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht durch die starre Umsetzung einer nachhaltigen Energiewende ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzen beziehungsweise ausschließen. Die Energiewende kann nicht erfolgreich sein, wenn beträchtliche Teile unserer Gesellschaft in diesem Prozess zurückbleiben. Deshalb darf Energie kein Luxusgut werden.

(Beifall Abgeordnete Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In diesem Zusammenhang hilft es auch wenig, wenn Sie in der politischen Auseinandersetzung die Lage durch die Verdrehung von Tatsachen zu Ihren eigenen Gunsten verbessern möchten. Die Menschen möchten die Wahrheit hören, auch wenn sie unbequem ist.

Die Energiewende bewirkt, dass die Strompreise in naher Zukunft steigen. Selbst wenn die hohe Einspeisung der erneuerbaren Energiequellen zu einer Absenkung des Strompreises an der Börse führt, müssen wir bekennen, dass dann gerade die EEGUmlage steigt. Hier gibt es eine untrennbare Verbindung. Herr Minister, dies in Abrede zu stellen, hilft keinem. Die EEG-Umlage sorgt für steigende Preise, zumindest für die nächsten 20 Jahre. Wer dies verneint, täuscht oder will andere täuschen. Es schaudert mich, wenn ich feststellen muss, wie manche die Nöte der Bürger mit einem vorlauten Satz übergehen. Es ist klar, dass im Budget eines Abgeordneten oder eines Ministers 5,3 Cent für eine Kilowattstunde zusätzlich kein erwähnenswerter Beitrag ist. Herr Minister, wie können Sie hier guten Gewissens behaupten, dass die EEG-Umlage für eine Familie oder eine Alleinerziehende mit einem geringen Einkommen eine Nebensächlichkeit darstellt? Abgehobener und realitätsferner kann es kaum klingen, wenn Sie solche Sätze in den Mund nehmen.

Auch aus diesem Grund war es ein Fehler, dass die von der Bundesregierung ursprünglich vorgesehene Kürzung der Einspeisevergütungen im Photovoltaikbereich am Widerstand des Bundesrates gescheitert ist. Wenn Sie die Medien heute und gestern studiert haben, werden Sie festgestellt haben, dass Sie mit dieser Umlage überwiegend die Reichen finanzieren, weil das diejenigen sind, die diese Anlagen installieren und eine sichere 20-jährige Rendite haben. Das ist etwas, auf das sich die Leute sinnvollerweise freuen können.

(Beifall FDP)

Es macht keinen Sinn, eine überteuerte Energiequelle zu subventionieren, nur weil sie die Wohlhabenden als Energieerzeuger in das Wirtschaftssystem integriert. Die hohe Vergütung von Photovoltaikstrom sorgt für eine Umverteilungspolitik von unten nach oben. Menschen mit unterem und mittlerem Einkommen bezahlen mit ihrer Stromrechnung den völlig überteuerten Strom derjenigen Bevölkerungsgruppe, die das höchste Einkommen generiert. Deshalb ist es auch nur richtig und konsequent, wenn wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz in seiner derzeitigen Fassung wirklich hinterfragen.

(Wolfgang Kubicki)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Umbau der Energieversorgung darf weder zu einem massiven Kaufkraftverlust bei den Verbrauchern führen, noch darf er dazu führen, dass die Unternehmen gezwungen werden, ihre Standortpolitik zu überdenken. Damit spreche ich sowohl das Problem der Versorgungssicherheit als auch das der wettbewerbsfähigen Preise an. Wir müssen es klar sagen: Wer den Unternehmen in unserem Land keine Versorgungssicherheit anbieten kann, der wird feststellen, dass notwendige Investitionen am heimischen Standort künftig unterbleiben. Eine solche Situation wollen wir nicht. Wir können sie uns auch nicht leisten.

Die Aussage, dass wir künftig unseren Verbrauch der Erzeugung anpassen müssen, ist in diesem Zusammenhang verheerend. Die Produktion von Gütern, die Beschäftigung von Mitarbeitern und die Planung von Produktionsprozessen kann in einem industrialisierten Land nicht davon abhängen, ob gerade der Wind bläst oder nicht. Wer so argumentiert, bescheinigt damit nicht nur seine ökonomische Unkenntnis, sondern setzt die Axt an die Wurzeln unseres Wohlstandes.

(Beifall FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Stromverbrauch muss der Lebenssituation der Menschen angepasst werden - nicht umgekehrt. Sollen wir denn künftig etwa nachts waschen und kochen, weil sich dann die Windräder besonders schnell drehen oder der Verbrauch anderweitig nicht so sehr nachgefragt wird?

(Heiterkeit - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür gibt es Automa- ten, aber das ist Technik und nicht Juriste- rei!)

- Lieber Kollege Matthiessen, ich bin ja sehr begeistert, dass es Waschautomaten gibt. Nur müssen die auch noch angestellt werden. Vielleicht könnten Sie Ihre Frau mal fragen.

(Weitere Zurufe)

- Das gilt für das Kochen in gleicher Weise. Ich bin begeistert davon, dass Ihre Frau um ein Uhr nachts kocht, damit für Sie morgens das Mittagessen fertig ist. Auch bin ich sehr begeistert, wenn nachts um zwei der Fernseher angeht, weil man dann gerade wach ist, um fernzusehen.

(Heiterkeit)

Diese Vorstellungen von grünen Emphatikern finde ich wirklich sensationell, aber sie haben mit der Le

benswirklichkeit der Menschen wirklich herzlich wenig zu tun.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber wenn das alle machen, funktioniert das nicht!)

- Ja, wenn das alle machen, machen wir die Nacht zum Tage. Aber wir sind ja nicht alle Nachtarbeiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, großen Ankündigungen müssen große Taten folgen, sonst lösen sie große Enttäuschung und Stillstand aus. In diesem Zusammenhang gilt auch: Wer im Rahmen der Energiewende ankündigt, Bürger beteiligen zu wollen, sollte dies auch wirklich tun. Bürgerbeteiligung ist beileibe kein grüner „Mitmachhaushalt“. Die Menschen lassen sich nicht damit abspeisen, dass Sie mit ihnen reden und danach exakt an derjenigen Stelle weitermachen, an der Sie zuvor aufgehört haben. Beteiligung besteht eben auch darin, darauf einzugehen und sich darauf einzustellen, und nicht nur miteinander zu reden, Frau von Kalben. Dann werden Sie feststellen, dass Bürgerinnen und Bürger vor Ort möglicherweise nicht Ihre Auffassungen teilen und dabei bleiben, dass sie ihre eigene Auffassung auch umsetzen wollen. Es wird eine sehr interessante Erfahrung für Sie werden, wenn Sie den Menschen vor Ort erklären müssen, dass über ihre Vorgärten Hochspannungsleitungen gezogen werden müssen.

(Beifall FDP - Zuruf SPD)

- Ja, das ist sehr schön. Die Sozialdemokraten sind jetzt dafür, dass man die Häuser gleich „wegrasiert“. Auch das ist wunderbar, eine wunderbare Politik!

Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie mit Ihren vollmundigen Ankündigungen in der Lebenswirklichkeit ankommen. Warten Sie es nur ab. Wir fragen das dann in zwei, drei Jahren in gleicher Weise ab.

Sie sind nun in verantwortlicher Position und dürfen nicht mehr nur fordern, Sie müssen liefern. Bürgerbeteiligung ist keine Blackbox mehr, in die Vorschläge eingeworfen werden, um anschließend für immer zu verschwinden. Ihre bisherigen Handlungen lassen die notwendige Ernsthaftigkeit beziehungsweise die erforderliche Seriosität jedoch leider vermissen, wie das Beispiel in Pinneberg übrigens gezeigt hat. Symbole und Worthülsen haben bisher Ihre Politik vorrangig geprägt.

Da werden schnell Schlagwörter wie „Demokratisierung von Netzen“ in den Raum geworfen, anstatt diese Ideen zunächst sorgfältig abzuwägen, ihnen einen tieferen Sinn zu geben und sie anschlie

(Wolfgang Kubicki)

ßend mit konkreten Umsetzungsstrategien zu unterlegen. Wenn Sie die Beteiligung von Bürgern und der öffentlichen Hand an Stromnetzen fordern, würde sich die öffentliche Akzeptanz deutlich erhöhen, wenn Sie zuallererst das Ziel Ihrer Aktionen benennen. Ist es die bessere Versorgung, die schnellere Umsetzung, die bessere Finanzierbarkeit oder schlichtweg nur die bessere Vermarktung des Ministers, die Sie zu dieser Forderung bringt? Herr Dr. Habeck, diese Zielbenennung vermisse ich derzeit schmerzlich.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die Probleme, die zur Verzögerung der Energiewende führen, fraglos vielfältig sind. Viele der Probleme lassen sich aber landespolitisch beheben. Am Ende wird in Planungsbehörden und Ministerien entschieden, wie schnell der Netzausbau vonstatten geht. Die Landesplanung wird die Korridore für die neuen Stromtrassen festlegen, und der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr wird die Genehmigung für den Bau der Trassen erteilen. Die Landesplanung wird die Regionalplanung abschließen und die neuen Windeignungsflächen ausweisen. Die Kreise werden die endgültige Genehmigung der Windparks vornehmen. Über allem steht zusätzlich noch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, das für den Naturschutz zuständig ist.

Nur, wenn in allen Bereichen ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist, wird eine schnelle Umsetzung der Energiewende gelingen. Dies ist jedoch nicht wahrscheinlich. Je mehr Kompetenzbereiche unterschiedlicher Akteure berührt werden, umso grobkörniger wird der Sand im Getriebe. Dies haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren auch sehr schmerzhaft erfahren müssen. Daher wäre aus unserer Sicht eine klare Bündelung der Kompetenzen angezeigt. Von einer solchen Bündelung ist die derzeitige Regierung allerdings meilenweit entfernt.

(Beifall FDP)

Die Führungen der drei wichtigsten Landesbehörden, die zum Gelingen der Energiewende nötig sind, liegen in den Händen von drei verschiedenen Ministerien. Dieser Umstand ist unerträglich, wenn es um die schnelle Umsetzung der Energiewende geht, die wir uns alle wünschen. Daher ist es aus unserer Sicht notwendig, dass SPD, Grüne und SSW den Koalitionsvertrag an dieser Stelle mit dem Ziel neu verhandeln, eine wirkliche Bündelung der Energiewendekompetenzen bei einem Landesminister umzusetzen. Die Aufsicht über die Landesplanung sowie über den Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr muss in einem Ministeri

um liegen. Die Verantwortung von der Planung bis zur Umsetzung der Energiewende muss sich in einer Hand befinden. Wenn Sie dieses Problem nicht schnellstmöglich beseitigen, werden Sie scheitern.

(Zuruf SPD)

- Ja, wie gut sie gegeneinander arbeiten, kann man schon an den Forderungen Ihres Wirtschaftsministers in Relation zu dem feststellen, was andere fordern. Ich bin sehr gespannt, wie sich das beim Straßenbau, beim Tourismus und bei der Wirtschaftsförderung weiterentwickeln wird. Ich gucke mir das in aller Ruhe und Gelassenheit an.

(Zurufe SPD)

- Alles wird gut! Wegen der vollständigen Transparenz, die ich gerade eingefordert habe, wird alles gut. Wenn alle an einem Strang ziehen, aber in verschiedene Richtungen, werden wir feststellen, dass es keine gemeinsame Lösung gibt. Deshalb sind wir dafür, das alles in eine Hand zu legen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende muss gestaltet und notwendigerweise strukturiert werden. Nur dann wird sie gelingen. Eine Beschreibung des Ist-Zustandes, wie wir sie heute gehört haben, wird das Land keinen Schritt voranbringen. Ihre Rede, Herr Minister Dr. Habeck, offenbart in erschreckenderweise viel mehr die Ideenlosigkeit der Landesregierung. Die heutige Regierungserklärung ist bereits die zweite, die ohne Konzept und neue Ideen daherkommt. Nicht nur dem Ministerpräsidenten fehlen anscheinend durchgreifende Ideen für Schleswig-Holstein, sondern offensichtlich dem gesamten Kabinett.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich die politischen Reibereien etwas tiefer hängen und für eine vernunftorientierte Energiepolitik werben. Entscheidende Zukunftsfragen eignen sich nicht für eine populistische und damit allzu leichtfertig geführte Auseinandersetzung.

(Zuruf SPD)

- Ich wiederhole doch nur das, was der Kollege Dr. Stegner am Ende seiner Rede von sich gegeben hat.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich meinte das ernst)

- Sie meinten das ernst. So war Ihre Rede, Herr Kollege Dr. Stegner, auch aufgebaut. Sie appellieren an uns, dass wir Ihnen helfen sollen, in Berlin die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Sie jetzt in Ihrer Politik fortfahren können. Ich finde das sehr amüsant und auch sehr nett.

(Wolfgang Kubicki)

Wir erwarten von Ihnen - und zwar von dieser Regierungskonstellation insgesamt - zunächst, dass Sie uns einmal sagen, wohin Ihre Reise bei den Möglichkeiten, die Sie im Land haben, gehen soll, ohne dauernd mit dem Finger auf andere zu zeigen.

(Beifall FDP)

Die Energiewende - da gibt es keinen Streit in diesem Haus - ist eine große Chance für unser Land. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht verstreicht. Herr Kollege Dr. Stegner, ich appelliere an Sie, vielleicht einmal mit Frau Kraft zu reden. Ich appelliere an die Grünen, vielleicht einmal mit Herrn Kretschmann zu reden.

(Zuruf CDU)