Protocol of the Session on November 20, 2013

wir als Landesgesetzgeber auch weiter vorantreiben müssen.

Meine Damen und Herren, Freiberufler benötigen eine kommunale Infrastruktur in der Fläche, weil nur so die wirtschaftliche Betätigung vor Ort dauerhaft sichergestellt werden kann. Deshalb ist es auch falsch, dass die Landesregierung plant, den ländlichen Raum nachhaltig durch das Finanzausgleichsgesetz zu schwächen.

(Beifall FDP und Petra Nicolaisen [CDU] Jetzt komme ich zum Thema Breitband - auch das wurde schon viel zitiert. Man kann aber nicht oft genug erwähnen, dass eine Vielzahl der freiberuf- lich Tätigen auf eine hervorragend ausgebaute Breitbandversorgung angewiesen ist. Es ist daher schädlich, wenn die Landesregierung in der Breit- bandstrategie das Ziel einer flächendeckenden Breitbandversorgung von 2020 auf 2030 verschiebt. Das ist wirklich ein katastrophales Signal an die Freiberufler in der Fläche, die damit regelrecht ge- zwungen werden, Investitionen und Arbeitsplätze in die Stadt zu verlegen. Gerade wenn wir sehen, dass Architekten und Ingenieure große Datenmen- gen verschicken müssen: Das geht nicht mit einem 56-k-Modem. Da braucht man wirklich ein starkes, leistungsfähiges Breitband. (Beifall FDP und CDU)

Wenn die Landesregierung beim Breitbandausbau jeglichen Ehrgeiz vermissen lässt, dann darf man sich wirklich nicht wundern, wenn andere ihre Investitionen entsprechend zurückfahren oder in andere Bundesländer auswandern. Das muss auf jeden Fall vermieden werden.

(Serpil Midyatli [SPD]: Wer denn?)

- Soll ich jetzt einzelne Firmen nennen? Das fällt unter den Datenschutz. Ich kann Ihnen das gleich sicherlich sagen.

(Zurufe - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wie bei eurem Lückenschluss heute Morgen!)

Herr Abgeordneter Kumbartzky, gestatten Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage Ihres Kollegen Heiner Garg?

Sehr gern, ja!

(Detlef Matthiessen)

Herr Kollege Kumbartzky, Sie hätten der Kollegin Midyatli sicherlich gern mitgeteilt, dass bereits heute im Kreis Steinburg etliche Arztsitze unbesetzt sind, Ärztinnen und Ärzte nicht zu finden sind, weil beispielsweise Hamburg wesentlich attraktivere Strukturbedingungen für junge Ärztinnen und Ärzte bietet?

(Serpil Midyatli [SPD]: Wir reden über Breitband!)

- Wir reden über die allgemeine Infrastruktur. Ich habe Breitband als Beispiel genannt.

(Serpil Midyatli [SPD]: Weil in anderen Bundesländern die Breitbandversorgung bes- ser ist!)

- Ich habe gesagt, man muss sich nicht wundern, wenn es irgendwann dazu kommt, dass Unternehmen abwandern.

Meine Damen und Herren, wer hier das große Loblied auf die Freien Berufe anstimmt, dann aber im Wahlprogramm fordert, die Gewerbesteuer auf genau diese Berufsgruppen auszuweiten, der diskreditiert sich selbst. Man wird die Freiberufler nicht fördern, wenn man sie mit immer weiteren Abgaben und Steuern belegt.

Ein weiterer Punkt, den ich gern erwähnen will, ist, dass man genauso wenig die gesundheitliche Versorgung im Land verbessern kann, indem man die Privatversicherten zwangsweise in eine Bürgerversicherung überführt. Sie wird nun nicht kommen. Wäre sie gekommen, wäre das wirklich ein großes Problem geworden, gerade für die freiberuflich tätigen Ärzte, insbesondere die Ärzte im ländlichen Raum. Sie müssen von der Bürokratie entlastet werden. Da ist es gut, dass zum einen die Praxisgebühr abgeschafft worden ist, zum anderen ist es sehr gut, dass das Versorgungsstrukturgesetz etabliert worden ist.

Meine Damen und Herren, ich habe mich in der Großen Anfrage über die Antwort auf die Frage 22 gewundert. Auf die Frage, ob der Landesregierung Sachverhalte aus Fachdisziplinen bekannt sind, bei denen schleswig-holsteinische Akteure aus Freien Berufen Wettbewerbsnachteile gegenüber Wettbewerbern aus anderen Bundesländern haben, antwortet sie ganz schlicht: Der Landesregierung sind keine entsprechenden Sachverhalte bekannt.

Ich möchte ein Beispiel nennen, weil es durchaus Beispiele gibt. Beispielsweise ist der Titel des beratenden Ingenieurs in Schleswig-Holstein nur im Fachbereich Bau möglich, in anderen Bundeslän

dern, beispielsweise in Baden-Württemberg, gibt es eine Vielzahl von Fachrichtungen, die da möglich sind.

Lassen Sie mich am Schluss auf das Anerkennungsgesetz kommen. In der Großen Anfrage schreiben Sie dazu auf Seite 40:

„Die wirtschaftliche Einbindung von Fachkräften mit Auslandsqualifikationen und die Integration von in der Bundesrepublik lebenden Migrantinnen und Migranten in den deutschen Arbeitsmarkt sollen - gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels - verbessert beziehungsweise gefördert werden.“

Wenn Sie diese Meinung aufrichtig vertreten - das ist eine gute Meinung -, dann bitte ich Sie, sich wirklich die Stellungnahme des Flüchtlingsrates und die darin formulierten Empfehlungen zu Ihrem Anerkennungsgesetz durchzulesen. Der Flüchtlingsrat geht nämlich mit dem Gesetzentwurf wirklich hart ins Gericht.

Meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung die 41.000 Selbstständigen in den Freien Berufen im Land stärken und die damit verbundenen 80.000 Arbeitsplätze sowie 4.500 Ausbildungsplätze erhalten will, dann muss sie endlich die Rahmenbedingungen für diese Menschen im Land verbessern. Zufrieden mit ihrer Arbeit ist die Mehrzahl der Freiberufler sicherlich nicht. Da gibt es noch viel zu tun. Das sollten wir auch im Wirtschaftsausschuss beraten. - Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die große Vielfalt der Freien Berufe in Schleswig-Holstein ist schon umfassend dargestellt worden. Ich möchte die Aufzählungen des Kollegen Matthiessen an dieser Stelle nicht fortsetzen, aber vielleicht so viel: In freier Selbstbestimmung seinen Lebensunterhalt verdienen zu dürfen, ist ein Privileg und entspricht auch den Werten der Piratenpartei in besonderem Maße.

(Beifall PIRATEN)

(Oliver Kumbartzky)

Ich möchte auch erwähnen, dass die Freien Berufe so viel geht aus den Informationen der Landesregierung hervor - einen wichtigen Zugang zum Arbeitsmarkt darstellen. Insbesondere freut es mich, dass wir hier einen relativ und konstant hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund vorfinden können.

Auf der anderen Seite ist es umso bedauerlicher, dass bei den Plänen der Landesregierung zur Förderung der Wirtschaft, namentlich zur Umsetzung der EU-Strukturfonds - wir kommen übermorgen im Einzelnen noch darauf zu sprechen -, der Punkt Hilfe für Existenzgründungen zum Beispiel, der für die Freien Berufe besonders wichtig wäre, keinen Schwerpunkt darstellt. Ebenso vermissen wir als Schwerpunkt den Ausbau der Breitbandversorgung.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Der ist auch Voraussetzung für die E-GovernmentPläne der Landesregierung, die sie in ihrem Bericht anführt. Wie wichtig gerade auf dem Land ein flächendeckender Breitbandzugang ist, ist schon ausgeführt worden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Telemedizin ohne Breitband!)

- So ist es. Der Bericht der Landesregierung geht auf das Thema Bürokratieabbau ein, schiebt aber die Schuld für Bürokratie nur auf Bundes- und Europaebene. Da bin ich dezidiert anderer Meinung

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

und habe schon bei anderer Gelegenheit gesagt: Wir sollten darüber nachdenken, ob wir nicht ein systematisches Instrument zur Evaluierung von Normenfolgen einführen sollten, ähnlich dem Normenkontrollrat, wie wir ihn auf Bundesebene schon kennen. Ich glaube, durch die Gesetze, die in den letzten Monaten hier verabschiedet worden sind, ist das eher nötiger geworden als umgekehrt.

Schließlich ein letzter Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur eine vertrauliche Beratung ist auch eine freie Beratung. Menschen, die auf die Hilfe von Ärzten, von Anwälten, von Steuerberatern und so weiter angewiesen sind, sind oftmals nur unter dem Schutz der Vertraulichkeit bereit, über ihre privaten Probleme und Leiden zu sprechen. Deswegen finde ich es enttäuschend, dass wir hier im Bericht lesen müssen: Die Landesregierung halte eine Ausdehnung des Schutzes vor Überwachung bei den beratenden Berufen nicht für geboten.

Ich sehe das dezidiert anders. Die Einbeziehung weiterer Berufsgruppen in den Vertraulichkeitsschutz ist sehr wohl erforderlich. Da ist es kontraproduktiv, wenn diese Regierungskoalition umgekehrt sogar mit dem Gesetz zur Bestandsdatenauskunft den Zugriff in solche Vertrauensverhältnisse weiter ausgedehnt hat.

Freiheit braucht Vertraulichkeit. Das ist die Grundüberzeugung auch von uns PIRATEN.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Was haben ein Clown und ein Rechtsanwalt gemeinsam? Beide üben einen sogenannten Freien Beruf aus.

(Beifall Torge Schmidt [PIRATEN])

Damit hören die Gemeinsamkeiten des Künstlers und des Juristen aber auch schon auf. Ausbildung, Berufsbild und Einkommen unterscheiden sich. Alles läuft unter dem Oberbegriff der Freien Berufe.

Wie sinnvoll ist also die Zusammenfassung der Berufe unter dem Stichwort „Freie Berufe“? Dies hätte sich die fragestellende Fraktion durchaus überlegen können. Vieles droht, ohne Differenzierung im Allgemeinen zu bleiben. Das gilt besonders angesichts unserer mageren Statistiklage.

Dankenswerterweise hat der Wirtschaftminister die Freien Berufe in seiner Antwort weiter differenziert. Auch ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für den Bericht bedanken. Die Situation ist nämlich durchaus unterschiedlich. Darum sollten die Freien Berufe auch nicht über einen Kamm geschoren werden. Die Situation von Ärztinnen und Ärzten ist anders als diejenige von Wirtschaftsprüfern oder Journalistinnen.

Wir sollten genau hinsehen und dann entscheiden, welche Lösung für welche Probleme tatsächlich angemessen ist. Bevor ich aber über Probleme spreche, möchte ich über die Leistungen der Freien Berufe sprechen. Freie Berufe bilden aus, wenn auch in rückläufiger Tendenz. Sie sind überdies Arbeitgeber mit meist kleinen Büros, Praxen oder Apotheken. Damit sind sie typisch für die mittelständisch geprägte Wirtschaft Schleswig-Holsteins. Ihre Entwicklung kann damit als ein Lackmustest für die

(Dr. Patrick Breyer)

allgemeine wirtschaftliche Entwicklung genutzt werden.

Die Zahlen, die der Wirtschaftsminister vorgelegt hat, zeigen, wie groß das Vertrauen der Freiberufler in die Zukunft ist. Immer mehr Freiberufler haben sich nämlich selbstständig gemacht. Die Zahl der selbstständigen Freiberufler ist innerhalb von nur vier Jahren stark gestiegen. In dem Bericht wird eine Steigerung von rund 19 % angeführt: von 34.500 im Jahr 2008 auf rund 41.000 Freiberufler im Jahr 2012. Die Zahlen belegen, dass die Freiberufler nicht durch staatliche Programme zur Selbstständigkeit kommen, sondern durch eigenen Antrieb.