Protocol of the Session on November 20, 2013

Die Landesforsten sind in erster Linie auch deshalb eine Erfolgsgeschichte, weil das Land in den vergangenen Jahren keine Bewirtschaftungsvorgaben gemacht hat. Ein Naturwaldkonzept muss die Lage der Landes- und auch der Kreisforsten berücksichtigen. Denn mehr Naturwald bedeutet weniger Wald, der bewirtschaftet wird. Mehr Naturwald bedeutet weniger Einnahmen aus der Forstwirtschaft. Das könnte am Ende bedeuten, dass die Landesforsten wieder eine größere Unterstützung des Landes benötigen. Immerhin zahlt das Land schon jetzt knapp 700.000 € an die Landesforsten für den Nutzungsverzicht in Waldgebieten.

Wie die Kreisforsten eine Erhöhung des Naturwaldes ohne öffentliche Unterstützung umsetzen sollen, ist ebenfalls noch vollkommen offen, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Innenminister den Kreisen gerade Mittel streichen will. Im Konzept wird deutlich werden, wie das refinanziert werden soll.

Meine Damen und Herren, es sind also noch einige Punkte zu klären. Nichtsdestotrotz freue ich mich sehr, dass wir fraktionsübergreifend Konsens gefunden haben, was den 12-prozentigen Waldanteil angeht. Wir stimmen auch Ihrem Antrag zu.

Die Bewirtschaftung der Wälder hat durchaus Sinn. Holz ist ein wichtiger nachwachsender Rohstoff, und die Waldbewirtschaftung darf nicht so dargestellt werden, als sei sie eine schädliche Handlung. Wald ist vielmehr die Antwort auf den Klimawandel.

(Beifall)

Wir kommen jetzt zum Antrag unter c): Fortschreibung des Landesentwicklungsplans, Festhalten an der Zielvorstellung Wald, Antrag der Fraktion der CDU. Da trifft es sich gut, dass wir auf der Tribüne den CDU-Bezirksverband Mittelangeln begrüßen können. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag! Genauso begrüßen wie Mitglieder von ver.di Schleswig-Holstein

Nord-Ost. - Seien auch Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Rickers das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen, wie wichtig der Wald auch für uns in Schleswig-Holstein ist. Frau Fritzen, deswegen ein Zitat aus dem Landesentwicklungsplan von 2010:

„Der Wald soll so erhalten, bewirtschaftet, gestaltet und gemehrt werden, dass er zum nachhaltigen Arten- und Biotopschutz beiträgt und seine Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen entsprechend den unterschiedlichen regionalen Erfordernissen nachhaltig erfüllen kann.“

Das ist in Ordnung. Das würden wir im Landesentwicklungsplan natürlich weiterhin gern so lesen. Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Ich denke einmal, dass wir alle da in eine Richtung gehen.

Nun kam aber der 23. Oktober 2013, sehr geehrter Herr Minister Habeck. Wir waren zur Jahrestagung der Waldbesitzer in Rendsburg. Sie haben die Aussage getroffen, die 12 % Landesfläche, die bisher im Landesentwicklungsplan festgeschrieben ist, zu streichen, weil wir aktuell nur 10,3 % Landesfläche erreicht hätten und es unrealistisch sei, in Zukunft mehr Neuwald bilden zu können. Wir waren schlichtweg nicht begeistert, um nicht zu sagen: überrascht und enttäuscht. Ihre Begründung war Flächenknappheit, Bodenpreise. „Herr Rickers, Sie wollen den Bauern 30.000 ha gutes Ackerland nehmen und daraus Wald machen“ - dazu sage ich natürlich Nein. Das wäre der falsche Ansatz. Bei Ihnen ist Kreativität gefragt. Ich werde versuchen, Ihnen zu erklären, mit welchen Lösungen Sie da arbeiten könnten.

Auf eine Kleine Anfrage aus der CDU-Fraktion namentlich von mir - zur Kompensation in den Jahren 2011 und 2012 hat es die Antwort gegeben, für die ich dankbar bin, dass im Jahr 2011 480 ha - fast 500 ha - Kompensationsfläche in Schleswig-Holstein für einen Eingriff in die Natur als Ausgleich der Natur zurückgegeben wurde, im Jahr 2012 440 ha. Es waren also jährlich 440 bis 500 ha, die wir als Ausgleich - Kompensation - gegen Verschwendung von Natur der Natur zurückführen wollen. Die Frage ist: Wie werden diese 450 ha jetzt verwendet? Wollen wir weiterhin offene Wei

(Oliver Kumbartzky)

delandschaften? Das könnten wir machen. Wollen wir irgendwo vermehrt Froschteiche ausweisen, oder wollen wir wirklich dieses Geld, das dort gegeben wird, oder die Fläche, die dort mit diesem Geld angekauft wird, dafür verwenden, Neuwald zu bilden? Ich sage: Klar, wir haben genug offene Weidelandschaft. Sie kennen die Flächenstruktur besonders der Stiftung Naturschutz. Wir wollen deswegen - Forderung der CDU - auf diesen Flächen vermehrt die Neuwaldbildung fördern.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Damit könnten Sie das Problem lösen. Wir könnten politisch alle gleichsam an dem 12-%-Ziel festhalten. Wir stimmen natürlich dann auch dem Antrag der vier Fraktionen in dieser Hinsicht zu. Das ist erwähnt worden.

Wir kommen zu dem zweiten Antrag. Die Landesregierung wird darin aufgefordert, ein Konzept für die Erhöhung des Naturwaldanteils in öffentlichen Wäldern in Schleswig-Holstein zu erstellen unter Einbeziehung des bisherigen Konzepts beziehungsweise des bisher erstellten Konzeptansatzes der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Natürlich können wir auch das begrüßen, und wir wissen auch, dass es dieses NWE5 - so wird es genannt - vom Bundesamt für Naturschutz auf Bundesebene gibt: natürliche Waldentwicklung im Schnitt bundesweit mindestens 5 %. Das betrifft da aber nicht nur die öffentlichen Flächen, sondern auch die privaten. Spätestens damit hätten wir dann ein Problem.

Herr Kumbartzky hat von einer stillen Enteignung gesprochen. Damit würden wir natürlich nicht leben wollen. Wir lehnen insofern diesen Antrag erst einmal ab beziehungsweise wünschen uns, das im Umwelt- und Agrarausschuss weiter zu diskutieren.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Fritzen?

Sehr gern.

Herr Kollege Rickers, vielleicht noch einmal rekurrierend auf das, was Herr Kumbartzky gesagt hat: Können Sie vielleicht einmal sagen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um in Deutschland Enteignungen durchzuführen? - Das heißt eben nicht,

dass man Wald sozusagen stilllegt. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Deshalb habe ich in meinen Ausführungen auch deutlich gemacht, dass das Ziel deutschlandweit 5 % ist und dass, weil der öffentliche Wald eine besondere Verantwortung für diese Schutzfunktion hat und weil wir diese Auflagen vor allem nur im öffentlichen Wald machen können - auch diese Debatte führen wir schon seit Jahren immer auch im Zusammenhang mit dem Waldgesetz -, der öffentliche Wald dann rund 10 % dieses Anteils stellen muss. Insofern weiß ich nicht, warum Sie hier eine ganz merkwürdige und krude Enteignungsdebatte aufmachen wollen.

- Darauf kann ich Ihnen eine Antwort geben. Ich hätte auch versucht, das noch zu klären. Mir ist wohl bewusst, dass, wenn wir die 5 % im Durchschnitt wollen, wir 10 % in den öffentlichen Wäldern fordern müssen, damit wir dieses Ziel ansatzweise beziehungsweise realistischerweise erreichen können. Aber es wird auch dann wahrscheinlich nicht reichen, denn Stand heute: In den öffentlichen Wäldern gibt es 330.000 ha. Das sind erst circa 3 %, die wir erreicht haben. Die werden naturnah belassen und nicht mehr bewirtschaftet - Nullnutzung. Wir müssen auf mindestens 550.000 ha kommen. Das wird sogar im öffentlichen Bereich schwierig. Deswegen gibt es Denkmodelle, das auf die Privaten auszudehnen. Da geht es eben los. Ich habe das „schleichende Enteignung“ genannt. Schleichende Enteignung heißt nicht Enteignung, sondern ist so definiert, dass man das Gefühl hat, enteignet zu werden. Nutzungsauflagen oder -beschränkungen sind immer ein schleichender Eingriff in das Eigentum und damit eine schleichende Enteignung. Das lehnen wir ab.

Wenn es gefordert wird und auch auf Privateigentum ausgedehnt werden sollte, dann geht es nur mit einer entsprechenden Entschädigung, also freiwilliger Naturschutz gegen Entgelt, Auflage nur mit Entschädigung. Darüber müssten wir diskutieren.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Ich kann dann auch schon zum Schluss meiner Rede kommen. Ich wünsche mir, dass wir im Schwerpunkt den zweiten Abschnitt des Antrags noch einmal im Umwelt- und Agrarausschuss diskutieren; denn wenn wir heute abstimmen, sind wir natürlich aus der Diskussion heraus, und wir wären auch nicht in ein Konzept eingebunden, was die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten und die kommu

(Heiner Rickers)

nalen Wälder angeht. Da würden wir gern noch ein Wörtchen mitreden. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP])

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Sandra Redmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung wird bis zum Jahr 2020 eine natürliche Waldentwicklung für 5 % der gesamten Waldfläche beziehungsweise - wie eben angesprochen - 10 % der öffentlichen Wälder angestrebt. Wälder ohne forstliche Nutzung sind fester Bestandteil einer multifunktionalen Forstwirtschaft und unverzichtbar für die biologische Vielfalt. Insofern ist unser Antrag „Naturwald sichern und Anteil in öffentlichen Wäldern erhöhen“ folgerichtig. Der Wald spielt für die Allgemeinheit eine bedeutsame Rolle, unter anderem im Bereich des Klima-, Erosions-, Grundwasser- und Lärmschutzes ebenso wie im Naturschutz, da er natürlicher Lebensraum für den größten Teil unserer heimischen Tier- und Pflanzenwelt ist.

Den Anteil der Naturwälder in Schleswig-Holstein auf Basis eines noch zu diskutierenden Konzepts zu erhöhen, ist also logische Konsequenz. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es aber, auf dem Weg alle Seiten zu hören. Die Landesforsten haben bereits ein Konzept erarbeitet, das eine gute Grundlage ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wald ist aber auch ein Wirtschaftsfaktor. Das dürfen wir nicht außer Acht lassen. Dieser Konflikt führt in letzter Zeit oft zu nicht sachgemäßen Auseinandersetzungen um Flächen, die umgewandelt werden können. Ich bin sicher, dass uns dies nicht weiterbringt.

Beide Seiten - sowohl Forsten als auch Naturschutz - müssen sich in dieser Diskussion bewegen. Der Wald an sich ist ein schützenswertes Gut, und einen besseren Klimaschützer gibt es wohl kaum, auch wenn er wirtschaftlich genutzt wird.

Ich möchte hier gern Hans Jacobs, den Vorsitzenden des BDF aus der letzten Zeitung des BDF zitieren:

„Da sind wir Försterinnen und Förster“

- Ich füge hinzu: auch Waldarbeiter

„es doch, die das detaillierte Wissen haben und die gefragt sind, wenn es darum geht zu entscheiden, welche Flächen auch in der Abwägung mit anderen Funktionen und Zielen nicht zuletzt der forstlichen Nutzung für eine Ausweisung als Nutzungsfläche die geringsten Konflikte bergen.“

So ist es. Aber auch aus naturschutzfachlicher Sicht ist Wissen erforderlich, und da kommen ohne Frage das LLUR und auch die Naturschutzverbände ins Spiel, die wiederum Fachleute in diesem Bereich sind. Es muss doch möglich sein, hier einen gemeinsamen Kompromiss zu erzielen. Wer an einem Kompromiss nicht interessiert ist - davon gibt es den einen oder anderen -, der sollte zukünftig lieber den Mund halten.

(Beifall Olaf Schulze [SPD], Lars Winter [SPD] und Flemming Meyer [SSW])

Gemeinsames Vorgehen in diesem Zusammenhang ist dringend erforderlich. Wenn ich mir die Diskussion in der Fläche so ansehe, dann stelle ich fest, dass doch viele Diskussionen von einer großen Unwissenheit geprägt sind. Nur weil hier der eine oder andere Baum fehlt und man es etwas deutlicher sehen kann, heißt das nicht, dass es ein Kahlschlag ist. Genauso richtig ist natürlich, dass wir in einigen Bereichen vielleicht tatsächlich überprüfen müssen - gerade in FFH-Gebieten -, ob wir in den Bereichen zu viel gemacht haben. Ich würde aber in diesem Zusammenhang nicht immer gleich aufschreien, sondern darum bitten, sich das genau zu betrachten und manchmal vielleicht auch von Fachleuten klären zu lassen, bevor man gleich Alarm schlägt.

Für diese Diskussion kommt dann leider Ihre Idee, Herr Minister Habeck, das Ziel von 12 % Waldanteil in Schleswig-Holstein aus dem Landesentwicklungsplan zu streichen, zur Unzeit.

(Beifall CDU, vereinzelt SPD und FDP - Zu- ruf)

- Das weiß er. Das habe ich ihm schon gesagt. Darüber haben wir schon gesprochen. Ich glaube, das nimmt er nicht so.

Auch wenn Ihre Erläuterungen - und das wurde eben in der Diskussion zwischen Herrn Rickers und Frau Fritzen deutlich - sachlich nicht falsch sind, ist diese Zahl sehr wohl ein wichtiges Zeichen. Sie zeigt nämlich, dass wir nicht aufgeben wollen, dass wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren und wir uns mit dem bisher Erreichten noch nicht zufrieden geben. Es zeigt unseren Respekt vor dem Wald und

(Heiner Rickers)

ist somit mehr als nur ein Symbol. Ohne Frage wird das Ziel schwer zu erreichen sein. Wenn man aber über eine längere Zeit denkt, wie es beim Wald nun einmal üblich ist, dann ist das nicht unmöglich. In diesem Ziel, Herr Minister, sind wir uns dann wieder einig.

Herr Rickers, ich kann Ihnen nicht in allen Punkten zustimmen, obwohl ich Ihre Ideen durchaus interessant finde. Auch die Landwirtschaft wird ihren Beitrag dazu leisten müssen. So, wie es im Moment läuft, wird es nicht weitergehen. Machen wir uns nichts vor. Das, was sich durch die Übermaisung in unserem Land aufgetan hat, ist nicht nur für den Naturschutz, für den Forst, sondern selbst für die Landwirte eine Katastrophe, an der wir dringend arbeiten müssen.

(Beifall SPD und Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN])