Protocol of the Session on September 27, 2013

Herr Dr. Stegner, dann würden Sie vielleicht auch merken, dass es hier zu massiven Folgen kommen kann. Sie sagen zwar, dass Sie das nach einem Jahr prüfen wollen. Man sollte sich aber einmal überlegen, ob es vielleicht im ersten Jahr zu Problemen kommen kann. Vielleicht haben Sie die gleiche EMail auch bekommen und vielleicht sogar gelesen. Wenn uns der Geschäftsführer eines Integrationsbetriebs mitteilt, dass er seinen Betrieb unter den geplanten Rahmenbedingungen abwickeln und 70 Mitarbeiter entlassen müsse, dann hat das mit sozialer Politik nichts zu tun. Vielmehr sollte man das konkret prüfen.

Mir geht es darum, dass das Folgen haben könnte, die wir alle nicht wollen, Herr Dr. Stegner. Dann kann man nicht sagen: Wir haben einen Koalitionsvertrag. Wir setzen das jetzt um. Die handwerklichen Fehler sind uns egal.

Herr Dr. Stegner, dass Sie das eigene Kabinett ignorieren, ist Ihr Problem. Dass Sie aber den Generalstaatsanwalt ignorieren, finde ich höchst bedenklich. Schließlich sind Sie nun wirklich kein juristischer Experte, der beurteilen kann, ob dieser keine Ahnung hat.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, wer sich so verteidigt, der klagt sich selbst an. Frau Wende hat uns in einem Brief darauf hingewiesen, dass sie eine Ausnahme beim Mindestlohn bei den wissenschaftlichen Hilfskräften haben will.

(Beifall FDP und CDU)

Sie hat gesagt, dass das keine Menschen seien, die damit in Vollzeit ihren Broterwerb bestreiten. Deshalb könnten sie davon ausgenommen werden, da das quasi Auszubildende seien. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich viele Studenten kenne, die das machen, die das durchaus machen, um ihr Leben zu finanzieren, aber natürlich nicht in Vollzeit.

Es ist immerhin ehrlich, dass Sie sagen, da kann es ein Problem geben. Ich hoffe natürlich, dass Fi

nanzministerin Heinold Ihnen jetzt die Etats entsprechend erhöht, damit es nicht dazu kommt, dass dort Stellen abgebaut werden.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, nicht nur Frau Wende, sondern auch die Wohlfahrtsverbände äußern massive Kritik. Es wird wohl zu spürbaren Preissteigerungen beim Essen auf Rädern kommen.

Ich habe auch, wie gesagt, große Bedenken bei den Integrationsunternehmen. Es ist schon bemerkenswert, wenn uns im Wirtschaftsausschuss vom Staatssekretär erklärt wird: Es wird zu Mehrkosten kommen; das ist doch klar. Sonst würde das Mindestlohngesetz ja gar nichts bringen. Aber beziffern können wir das nicht. - Diese Herangehensweise ist aus meiner Sicht schon merkwürdig. Deswegen unterstützen wir den Änderungsantrag der CDU, auch wenn wir das Gesetz grundsätzlich für Murks halten.

Ich möchte noch auf die Tarifautonomie zu sprechen kommen. Wie gesagt, wir sehen das anders. Ich finde es aber auch bedenklich, was Sie im Wirtschaftsausschuss noch geändert haben. Diese Änderung hat nämlich zur Folge, dass die Landesregierung den Mindestlohn oberhalb von 9,18 € per Rechtsverordnung immer weiter erhöhen kann. Ich muss ganz ehrlich sagen, gesetzliche Mindestlöhne halte ich schon für falsch. Das sollten die Tarifpartner machen. Aber dass die Landesregierung jetzt per Rechtsverordnung ständig die Mindestlöhne erhöhen kann, halte ich für fatal.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Meine Redezeit lässt es leider nur noch zu, kurz auf das sogenannte Korruptionsregistergesetz zu sprechen zu kommen. Hamburg wartet ja darauf; es ist dort verabschiedet worden. Auch im Hinblick auf das Vergabegesetz, das seit dem 1. August 2013 in Kraft ist, wartet man darauf. Da steht das Gesetz schon drin, obwohl es das noch gar nicht gibt. Sie haben alle unsere diesbezüglichen Bedenken - genau wie alle anderen - vom Tisch gewischt. Ich muss ganz ehrlich sagen - ich weiß nicht, wie Sie das sehen -, ich halte Herrn Küpperbusch, den Innenstaatssekretär, ebenso wenig wie Innenminister Breitner für einen schwarz-gelben Wirtschaftslobbyisten. Das gilt auch für das Landeskriminalamt. Wenn die massive rechtliche Kritik äußern und Sie dann sagen, dass das Wirtschaftsministerium keine Probleme sehe, dann finde ich das schon toll. Das Wirtschaftsministerium sagt, das Innenministerium habe von juristischen Fragen keine Ahnung! Die Bedenken werden einfach vom Tisch gewischt.

(Christopher Vogt)

Meine Damen und Herren, es geht hier um rechtsstaatliche Grundsätze. Es geht um die Unschuldsvermutung und um unbestimmte Rechtsbegriffe. Sie fördern keinen fairen Wettbewerb, sondern das Gegenteil dessen. Ihr heute vollendetes Gesetzestrio - Herr Stegner hat heute gesagt, es sei sogar ein Quartett; wie auch immer, Ihr Trio oder Ihr Quartett

Kommen Sie bitte zum Ende.

- ich komme zum Schluss, Herr Präsident - fordert Normenkontrollklagen geradezu heraus. Wir werden das, da es jetzt vollendet ist, gerichtlich prüfen lassen. Darauf freuen wir uns. Vielleicht können wir dadurch ja noch massive Schäden, die wir befürchten, abwenden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir diskutieren heute über das Landesmindestlohngesetz und das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters. Lassen Sie mich zunächst zum Ersten kommen.

Für uns PIRATEN ist immer klar gewesen, dass eine menschenwürdige Bezahlung Voraussetzung dafür ist, ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können; denn nur wer abgesichert ist, kann sich ohne Existenzängste frei entfalten.

(Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Deswegen ist ein Mindestlohn als Brückentechnologie auch richtig und wichtig. Aber der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf, der sicherlich gut gemeint ist, ist nicht gut gemacht, und zwar hinsichtlich der Bestimmung der Höhe des Mindestlohns. Zunächst einmal ist es so, dass ein Landesgesetz überhaupt nur eine Krücke sein kann. Sie haben sich hinsichtlich der Höhe des Mindestlohns ja nicht einmal mit dem Nachbarland Hamburg einigen können. Der Flickenteppich von Landesge

setzen muss enden, sobald wir endlich eine Bundesregelung zum Mindestlohn haben.

(Beifall PIRATEN)

Während Sie beim Tariftreuegesetz von den Arbeitgebern noch verlangen, allgemein verbindliche Tarifverträge anzuwenden, verlangen Sie jetzt von Subventionsempfängern, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, der ja auch vom allgemein verbindlichen Tarifvertrag abweichen kann. Zwar ist der Wert in der Ausgangsstufe im öffentlichen Dienst ausgehandelt worden, aber eben nicht von denjenigen, für die er gelten soll. Er soll nämlich außerhalb des öffentlichen Dienstes gelten.

Wir haben vorgeschlagen, eine „Landesmindestlohnkommission“ einzurichten, die von den Tarifparteien getragen wird, wie es übrigens auch die Landesregierung in ihrer Bundesratsinitiative zur Einführung eines bundesgesetzlichen Mindestlohns vorgeschlagen hatte.

Alternativ denkbar wäre für uns PIRATEN auch eine Koppelung an einen bestimmten Anteil des Durchschnittsverdienstes, der nicht unterschritten werden darf. Nicht überzeugend ist aber eine Koppelung an das Eingangsgehalt im öffentlichen Dienst für ganz andere Bereiche. Überhaupt nicht überzeugend ist eine gänzlich freie Lohnbestimmungsermächtigung, die die Landesregierung durch Verordnung erhält.

(Beifall PIRATEN und Heike Franzen [CDU])

Selbst im Tariftreue- und Vergabegesetz haben Sie diese Verordnungsermächtigung eingeschränkt. Diese Einschränkung finde ich in diesem Gesetz nicht mehr vor.

Was den Änderungsantrag der CDU-Fraktion angeht, ist die Sache vorliegend so, dass Betriebe, die behinderte Menschen beschäftigen, vom Gesetz ausgenommen sind. Was Integrationsbetriebe angeht, bin ich der Meinung, dass auch Menschen in solchen Betrieben ordnungsgemäß und menschenwürdig bezahlt werden müssen, dass sie nicht diskriminiert werden dürfen, nur weil sie eine Integrationshilfe in Anspruch nehmen. Ich glaube, es kann nicht gelten: Besser Sklave als arbeitslos. Keine Arbeit um jeden Preis. Der richtige Weg ist, für diese Betriebe einen Ausgleich vorzusehen. Für einen Ausgleich ist wiederum der Haushaltsplan und nicht ein Gesetz der richtige Ort. Mir sind im Übrigen auch keine Freibäder und Badestellen bekannt, die von diesem Gesetz betroffen wären.

(Christopher Vogt)

Ich komme nun auf das Wettbewerbsregister zu sprechen. Auch hier ist es leider so, dass Sie eine gute Idee, eine vom Ausgangspunkt her richtige Idee schlecht umgesetzt haben. Ich nenne einmal ein paar Beispiele. Schon in der ersten Bestimmung des Gesetzes heißt es, sein Zweck sei die Korruptionsverhütung. Dabei gehen aber die Tatbestände, die im Register erfasst werden sollen, weit über diesen Bereich hinaus.

Dann divergiert die Zuständigkeit für Auftragssperren und Vergabesperren. Die Rechte der Betroffenen sind unzureichend. Es gibt kein Recht auf Akteneinsicht. Eine Aufhebung der Vergabesperre bei Wegfall der Voraussetzungen ist in das Ermessen der Behörde gestellt und nicht zwangsläufig. Das Gesetz sieht eine ganz überbordende Bürokratie vor, zum Beispiel Mitteilungspflichten für Anklageerhebungen, ohne dass diese eine Eintragung zur Folge haben könnten. Allgemein sind die Mitteilungspflichten viel zu weit und unbestimmt gefasst. Sie greifen ohnehin nur innerhalb unseres Landes.

Schließlich sind ganz klare handwerkliche Fehler in dem Gesetzentwurf enthalten, wie zum Beispiel, dass überhaupt keine Tilgungsfrist für bestimmte Eintragungen vorgesehen ist.

Ich finde es sehr traurig, dass Sie im Ausschuss und auch hier den Rat derjenigen ignorieren, die Ihren Grundansatz richtig finden, die aber Fehler beheben und Ihr Gesetz besser machen wollen. Das hat auch mit Ihrer neuen Dialogkultur, die Sie angekündigt haben, nichts mehr zu tun.

(Beifall PIRATEN - Johannes Callsen [CDU]: Wo ist eigentlich die Justizministerin bei dieser ganzen Problematik?)

- Leider hat sich auch die Justizministerin im Ausschuss nicht zur Sache einlassen wollen, weil der Wirtschaftsminister die Federführung habe.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Das Grundübel bei diesem Gesetz ist, dass Sie es mit Hamburg zusammen ausgehandelt haben, es aber getrennt in beiden Parlamenten behandelt worden ist.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ich habe vergeblich beantragt, das gemeinsam mit der Hamburgischen Bürgerschaft zu beraten. Dem

sind Sie leider nicht gefolgt. Insofern kann ich mich nur den Anträgen anschließen, beide Gesetze - einschließlich des Änderungsantrags - an die Ausschüsse zur sorgfältigen Beratung und zur Durchführung einer mündlichen Anhörung zurückzuüberweisen. - Danke.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung der heute vorliegenden Entwürfe für ein Mindestlohngesetz und ein Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs sind wir in SchleswigHolstein nun auf der Zielgeraden für mehr soziale Gerechtigkeit und Fairness auf dem Arbeitsmarkt.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusammen mit dem Tariftreuegesetz, das bereits verabschiedet wurde, schnüren wir nun das Gesamtpaket, das auf drei Beinen gründet und sicherstellt, dass künftig nur die Unternehmen Zuschläge für öffentliche Aufträge erhalten dürfen, die nachweislich entsprechende Tariflöhne oder einen Mindestlohn zahlen und sowohl soziale als auch ökologische Mindeststandards einhalten, unzuverlässige Unternehmen identifiziert und in ein Register eingetragen werden, damit diese nicht von öffentlichen Aufträgen profitieren, und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in landeseigenen Betrieben, öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen sowie Zuwendungsempfänger künftig einen fairen und existenzsichernden Lohn bekommen.

(Beifall SSW)