Protocol of the Session on September 26, 2013

Frau Franzen, Sie haben sich über den Zeitplan beklagt. Im Januar 2014 soll entschieden werden, zum Sommer soll das Schulgesetz umgesetzt werden.

Meine erste Frage lautet: Seit wann ist das Schulgesetz in der Diskussion? Meine zweite Frage lautet: Wie war das mit der Schulge

(Heike Franzen)

setznovelle 2011? Ist der betreffende Gesetzentwurf nicht auch im Januar verabschiedet worden, und sind die Regelungen nicht zum Sommer hin umgesetzt worden?

- Der Gesetzentwurf ist im Januar verabschiedet worden, und die Regelungen sind zum Sommer hin umgesetzt worden. Damit verbunden waren aber keine Schulschließungen. Das muss man deutlich sagen.

(Beifall CDU und FDP)

Wenn Sie schon Bestandsschutz gewähren, was ich löblich finde, was die Bereiche G 9 und G Y betrifft, warum können Sie eigentlich den Regionalschulen - wir haben 52 Regionalschulen im Land; ich gebe zu, dass nicht sehr viele Regionalschule bleiben wollen - nicht den gleichen Bestandsschutz gewähren wie auch den Gymnasien mit G 9 und G Y?

(Beifall CDU und FDP)

Die Wahlfreiheit an den Gymnasien zwischen dem acht- und dem neunjährigen Bildungsgang schaffen Sie ab. Sie wollen am liebsten nur noch den achtjährigen Bildungsgang. Die Ministerin hat zugesagt, dass es weitere Maßnahmen zur Erleichterung von G 8 geben soll. Jetzt liegt der Gesetzentwurf vor. Weitere Maßnahmen finden sich darin jedoch nicht.

Sie haben doch den Bildungsdialog geführt, Frau Ministerin. Gab es denn da keine Anregungen? Ich sage Ihnen: Solange sich die Kultusministerkonferenz nicht auf ein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer verständigen kann, solange sollten wir den Gymnasien die Wahlfreiheit zwischen den Bildungsgängen zugestehen. Das ist im Sinne der Schülerinnen und Schüler und im Sinne der unterrichtenden Lehrkräfte. Wenn Sie die Eltern fragen, dann bekommen Sie auch von dieser Seite eine entsprechende Meinung zu hören. Die Eltern möchten nämlich gern G 9.

Man sollte auch immer die örtlichen Gegebenheiten im Blick haben. Fahrzeiten beispielsweise sind an einem ländlichen Gymnasium sicherlich anders zu bewerten als an einem städtischen Gymnasium.

Die Durchlässigkeit zwischen den Gemeinschaftsschulen und den Gymnasien schaffen Sie ab. Warum eigentlich? Kinder, die einmal in einer Schule unterrichtet werden, sollen kaum noch eine Wechselmöglichkeit haben. Wollen Sie denn ernsthaft Kinder über Jahre hinweg an einem Gymnasium halten, auch wenn klar ist, dass das nicht die richtige Schulart für sie ist? Ich kann nicht begrei

fen, warum diese Kinder nicht mehr an die Gemeinschaftsschulen wechseln können sollen.

Aber auch genau umgekehrt: Warum soll denn ein Kind, das sich gut entwickelt und an einem Gymnasium entsprechend seinen Leistungen besser gefördert werden könnte, nicht auch auf ein Gymnasium wechseln? Bisher war es immer eine Betrachtung vom Kind her, nach der entschieden wurde, ob es zu einem Wechsel kommt. Das muss auch in Zukunft so bleiben. Die Durchlässigkeit zwischen den Schularten fördert die individuellen Bildungschancen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, längeres gemeinsames Lernen, mehr Inklusion, 20 neue Kleinstoberstufen, das alles wollen Sie in Schleswig-Holstein umsetzen. Dafür brauchen Sie allerdings auch die passenden Rahmenbedingungen.

Für die Inklusion brauchen sie motivierte Lehrkräfte. Aus der Großen Anfrage, die wir nachher noch beraten werden, geht hervor, dass weder 2012 noch 2013 in Schleswig-Holstein Sonderpädagogen unbefristet eingestellt wurden. Wie passt das denn zu Ihrem Anspruch?

Frau Wende hat im letzten Jahr ein strukturelles Defizit von 1.250 Planstellen an unseren Schulen festgestellt. Die geplanten 20 Oberstufen werden einen weiteren Bedarf an Planstellen auslösen. Nach Angaben des Ministeriums werden das mindestens 200 sein. Die Umwandlung der Regionalschulen in Gemeinschaftsschulen wird einen weiteren Bedarf für die erhöhte Anzahl der Differenzierungsstunden und die Anpassung der Stundentafel auslösen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Gut so!)

Legt man den Bericht zur Unterrichtsversorgung zugrunde, dann sind auch das mindestens noch einmal 250 zusätzliche Planstellen. Die GEW hat uns ins Stammbuch geschrieben - das ist eine Ihnen nahestehende Gewerkschaft -, dass für die Umsetzung der Inklusion in Schleswig-Holstein 1.000 zusätzliche Planstellen benötigt werden. Damit, sehr geehrte Frau Ministerin, weiten Sie das von Ihnen selbst ausgewiesene strukturelle Defizit von 1.250 Planstellen auf 2.650 Stellen aus. Ungeachtet dessen sehen Sie die Streichung von 1.370 Planstellen vor. Obwohl das Schulgesetz im Jahre 2014 umgesetzt werden soll und die höheren Bedarfe schlagartig im nächsten Jahr entstehen, kürzen Sie im nächsten Jahr 100 Planstellen mehr, als wir es einmal vorgesehen hatten, und 2015 noch einmal. Das ist Ihr Vorgehen bei der Frage: Wie gehe ich

(Heike Franzen)

mit den Rahmenbedingungen um? Sie fahren das System Schule sehenden Auges an die Wand.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Sie verlangen immer mehr, aber Sie geben keine Ressourcen dafür ins System. Ich will das klar benennen. Auch wir hätten Planstellen abgebaut. Aber wir hätten keine Bildungspolitik betrieben, die immer weitere Planstellenbedarfe auslöst und damit zulasten der Qualität unserer Schulen geht.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Im vorliegenden Gesetzentwurf streiten Sie sogar ab, dass er weitere Kosten auslöst, da die Stärkung des gemeinsamen Lernens - so steht es in Ihrer Begründung - bereits im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel erfolgt.

Ihre Bildungspolitik geht zulasten der Qualität unserer Schulen. Sie tragen Ihre Ideologien auf dem Rücken der Schulen, der Lehrkräfte und nicht zuletzt auf dem der Kinder aus. Wir brauchen ein leistungsfähiges Schulsystem, das sich nicht an Ideologie orientiert, sondern an den Bedürfnissen, Talenten und Bedarfen der Schülerinnen und Schüler selbst. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen mich voller Zuversicht und Gelassenheit; denn die Koalition kann sich auf zwei Mehrheiten stützen, was dieses Schulgesetz angeht. Das eine ist die Mehrheit, die wir bei der Landtagswahl im Jahr 2012 errungen haben. Da haben wir unsere bildungspolitischen Vorstellungen zur Wahl gestellt, wie Sie Ihre auch. Sie sind abgewählt worden, und wir sind gewählt worden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dabei haben wir es aber nicht belassen. Wir haben unsere bildungspolitischen Vorstellungen dann den Experten im Land zur Diskussion vorgelegt. Wir haben einen Bildungsdialog organisiert. Im Rahmen dessen sind Empfehlungen gegeben worden, die wir nun in diesem Schulgesetz wiederfinden.

Auch diese Empfehlungen sind mehrheitlich gefasst worden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie hören von mir heute Ausführungen zu drei Kapiteln: Warum tun wir das eigentlich? Wie sieht der Weg dahin aus? Was wird sich ändern?

Bevor ich da einsteige, vielleicht noch eine Replik zu Frau Franzen. Wenn Sie uns zum größten Vorwurf machen, wir würden in diesem Schulgesetz keine externe Evaluation vorsehen, nachdem Sie die externe Evaluation aus dem letzten Schulgesetz gestrichen haben, dann zeigt das ja schon, wie mühsam es ist, an dieser Stelle Kritik zu üben.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Warum tun wir das eigentlich?

„Die Schule soll jungen Menschen kulturelle und gesellschaftliche Orientierung vermitteln. Sie soll dazu ermuntern, eigenständig zu denken und vermeintliche Gewissheiten und gesellschaftliche Strukturen kritisch zu überdenken. Die Schule soll die Bereitschaft zur Empathie und die Fähigkeit fördern, das eigene Weltbild infrage zu stellen und Unsicherheiten selbstvertrauend auszuhalten.“

- Was für eine Aufgabe! Und wie wichtig. Festgehalten ist das übrigens im neuen Schulgesetz in § 4 Abs. 3. Das zu der Frage, welche Definition wir eigentlich unserem Bildungsbegriff zugrunde legen.

Frau Franzen, ich habe leider nur rudimentär mitbekommen, was Ihr Bildungsbegriff ist. Darauf komme ich nachher noch einmal zurück.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir machen Schulpolitik für Ziele wie dieses und weil wir den jungen Menschen in diesem Land die Möglichkeit geben wollen, den bestmöglichen Abschluss für ein selbstbestimmtes Leben zu erreichen. Wir wollen selbstständige Geister, die Verantwortung für sich und für andere übernehmen können und wollen. Deshalb war die Bildungspolitik auch der Schwerpunkt des SPD-Programms zur Landtagswahl 2012. Deshalb sind Bildung und Aufklärung übrigens auch Schwerpunkte der Arbeit der SPD seit 150 Jahren. Da wir Koalitionspartner haben, denen die Bildung ebenso sehr am Herzen liegt, nimmt die Bildung auch im Koalitionsvertrag die erste Position ein.

(Heike Franzen)

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir haben klare Ziele für unser Land. Wir haben klare Ziele auch für die Bildungspolitik in unserem Land. Die SPD hat vor der Landtagswahl in aller Deutlichkeit klargemacht, dass wir uns zentrale Veränderungen des Schulgesetzes von 2010 wünschen und dass auch Bedarf besteht, einiges an dem Schulgesetz, geradezuziehen, das die Große Koalition 2007 beschlossen hat.

Wir müssen im Rahmen des Föderalismus auf Länderebene die Gratwanderung schaffen zwischen unserem Anspruch, in der Bildungspolitik Vorreiter zu sein, und der Notwendigkeit, die Schulsysteme der 16 Bundesländer nicht nur in ihrem Output vergleichbar, sondern auch gegenseitig durchlässig zu machen. Das künftige Schulgesetz macht unser Schulsystem einfacher, durchlässiger und kompatibler mit dem Schulwesen im Rest der Bundesrepublik.

Wie sah nun der Weg dahin aus? Da wir wissen, dass die Aussage: „Es gibt ein neues Schulgesetz“ nicht überall und nicht automatisch Begeisterung auslöst, haben wir vor die Schulgesetznovelle, die bei der Erreichung der eben beschriebenen Ziele helfen soll, den größten Bildungsdialog gesetzt, den es in diesem Land je gegeben hat.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir sind nach der Landtagswahl einen neuen Weg gegangen. Wir haben die Maxime der SPD aus den späten 80er-Jahren, „Stell dir vor, es gibt eine Regierung, die hört dir zu“, weiterentwickelt zu einem: „Wir haben eine Regierung, die hört dir nicht nur zu, die redet auch mit dir.“

Frau Ministerin Wende hat den Dialogprozess, den sie mit großem Erfolg und maximalem Einsatz organisiert und geführt hat, in ihrer Rede gewürdigt und all denen gedankt, die sich daran beteiligt haben. Wenn ich solche Phrasen nicht ablehnen würde, müsste man Frau Wende jetzt fast als den „Dialog in Person“ bezeichnen.

(Zuruf: Die Dialogin!)