Ihnen gehört unsere volle Unterstützung; denn durch dieses Engagement haben es Rechtsextreme schwer, Fuß zu fassen. Die Zahl der Straftaten der Nazis geht seit mehreren Jahren zurück. Die Gewalttaten bewegen sich auf niedrigem Niveau: 23 im Jahr 2012 gegenüber 27 im Jahr 2011. Die Extremisten reagieren auf den bürgerschaftlichen Druck und haben ihr Auftreten und ihr Gebaren in den letzten Jahren stark verändert.
Während die Skinheads noch vor 20 Jahren allein an Kleidung und Glatze zu erkennen waren, bedienen sich heute geschulte Nazis des Internets oder kopieren das Outfit des sogenannten schwarzen
Blocks mit Jeans und Kapuzenpullover. Dies muss draußen unbedingt bekannter werden, damit auch der normale Bürger die Staatsfeinde besser erkennen kann. Der Bericht ist dafür eine geeignete Grundlage.
Besonders gelungen ist, dass im Bericht eine klare Sprache verwendet wird. Es wird aber nicht nur gut lesbar beschrieben und analysiert, sondern es werden auch Fragen gestellt. Sicherlich ist das eine Nachwirkung der damaligen Wissenslücken im Zusammenhang mit den Morden des NSU-Trios. Man war sich in den Verfassungsschutzbehörden seinerzeit zu sicher, die rechte Szene genau zu kennen. Bundesweit hatten die Ämter zu sehr darauf vertraut, dass die rechtsextreme Szene gar nicht das Know-how hätte, kleine Zellen im Untergrund über Jahre zu finanzieren und vor den Behörden zu verbergen. Das haben wir lernen müssen. Darum ist es gut, offen zu sagen, wenn man etwas nicht so genau weiß. Der Verfassungsschutz zeigt das bei dem Thema Rekrutierung der Nazis. In diesem Bereich wird es in den nächsten Jahren weiterhin genauerer Beobachtung bedürfen.
Beunruhigend sind Versuche der Rechtsextremisten, in soziale Netzwerke einzudringen oder Demonstrationen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Das haben wir beispielsweise im nordfriesischen Leck erlebt. Die Nazis vermeiden bei solchen Aktionen jeden Anschein, dass es sich bei ihnen um Rechtsextreme handelt. Es gibt eben keine NS-Insignien oder -Parolen. Man muss ganz genau hinschauen, bevor man die extremistische Absicht erkennt.
Der Verfassungsschutzbericht zeigt aber auch Unterschiede. Aktionistische Kräfte in der rechten Szene organisieren sich über das Internet. Feste, mitgliedsbasierte Strukturen werden bei den Nazis allmählich zur Ausnahme. Hier deutet sich ein Generationenwechsel - auch in der Beziehung zur NPD - an. Es ist richtig, diese sogenannte Partei hat keine Bedeutung mehr. Deswegen macht es auch keinen Sinn, über ein Verbot nachzudenken; vielmehr sollten wir uns freuen, dass diese Partei keine Bedeutung mehr hat.
Die Linksextremisten gruppieren sich dagegen schon seit Längerem um eine Veranstaltung oder ein Ereignis herum. Beide Methoden sind bekanntermaßen nur schlecht zu beobachten, geschweige denn vorherzusagen. Der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein ist in diesem Zusammenhang
auf die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern angewiesen. Der Bericht selbst nimmt ausdrücklich Bezug auf Nordrhein-Westfalen. Ich gehe davon aus, dass die Zusammenarbeit zwischen den Landesbehörden in der letzten Zeit weiter verbessert worden ist. Der Austausch von Informationen sollte inzwischen zur täglichen Routine gehören.
Der Verfassungsschutz berichtet auch über linksextremistische Gewalt, die in Schleswig-Holstein eine fast zu vernachlässigende Größe zu sein scheint. Allerdings liegt die Zahl der Gewalttaten mit 34 im Jahre 2012 höher als bei den Nazis.
Im Zusammenhang mit dem Linksextremismus möchte ich anregen, die Erwähnung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zu überdenken. Erstens taucht diese Organisation außer im hiesigen nur noch im bayerischen Verfassungsschutzbericht auf. Zweitens sind keine Fakten erkennbar, die eine Erwähnung dieser Organisation überhaupt noch rechtfertigen.
Islamistisch-terroristische Strukturen gibt es bei uns laut Bericht keine, was aber ideologisch verwirrte einzelne Islamisten nicht ausschließt. Deshalb sind diese Beobachtungen auch kein Grund für eine Entwarnung, solange es einen harten Kern weniger Einzelpersonen gibt, der als Kristallisationspunkt auch nach Fahndungserfolgen und der Zerschlagung von Organisationen die Neu- oder Umstrukturierungen garantiert. Diese Extremisten sind davon überzeugt, dass sie gegenüber ihrem jeweiligen Feindbild - den Bürgerlichen, den Faschos, den „Ungläubigen“ - moralisch überlegen seien. Das ist die Motivation, immer wieder neu anzusetzen, um der eigenen Ideologie zum Erfolg zu verhelfen. In dieser Beziehung haben alle extremistischen Strömungen durchaus Gemeinsamkeiten. Man bekommt das „Untier Extremismus“ also nicht ohne Weiteres aus der Welt. Solange es überzeugte Einzelpersonen gibt, bleibt die Bedrohung bestehen.
Meine Damen und Herren, solange die Bedrohung bleibt, so lange brauchen wir als Demokratie auch einen funktionierenden Verfassungsschutz.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich kann man den Standpunkt einnehmen, dass man keine Geheimdienste brauche. Die Frage ist allerdings, wer dann die geheimdienstlichen Aufgaben übernehmen soll. Gerade im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex ist häufig gefragt worden: Warum habt ihr dieses nicht gewusst? Warum habt ihr jenes nicht gewusst?
Die Polizei darf erst bei Erkenntnissen zu Straftaten tätig werden. Ich kenne die Theorie, wonach die Polizei das dann halt mit erledigen solle. Aber die Polizei ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Ich möchte nicht, dass Polizeibehörden noch mehr geheimdienstliche Befugnisse bekommen als sie ihr in einigen Ländern schon „übergezogen“ worden sind. Das ist die Kehrseite der Medaille.
Die Diskussion führt man übrigens immer dann, wenn es zu besonders gravierenden politischen Straftaten kommt. Sie wird dann quasi automatisch geführt, wenn der Verfassungsschutz abgeschafft worden ist. Es wird einen Bedarf dafür geben, und es werden sich auch politische Mehrheiten finden, die entsprechenden Befugnisse anderswo anzudocken, wenn man keinen Verfassungsschutz hat. Das muss man in der Diskussion zumindest berücksichtigen. Wer etwas streichen will, muss sagen, an welcher anderen Stelle es angesiedelt werden soll. Nebenbei bemerkt: Es dürfte schwierig werden, hier einfach eine komplette Streichung vorzunehmen; denn die entsprechende Regelung steht im Grundgesetz. Ganz so einfach kann man es sich also nicht machen.
Unser Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein ist übrigens, gemessen an der Einwohnerzahl, der kleinste in der Bundesrepublik Deutschland. Das hat einen guten Grund, der immer wieder vernuschelt wird. Bei uns gilt die „Aggressionsklausel“. In der Anhörung zum Landesverfassungsschutzgesetz wusste die Vertreterin der Richter offensichtlich nicht, dass wir diese Klausel haben. Dort heißt es:
„Eine nach Maßgabe dieses Gesetzes beachtliche Bestrebung setzt eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Verfassungsordnung voraus.“
Ich betone: Unser Verfassungsschutz - im Gegensatz zu Verfassungsschutzbehörden in anderen Bundesländern, insbesondere im Süden Deutsch
lands - wird erst dann tätig, wenn es eine aktiv kämpferische Haltung gegenüber der bestehenden Grundordnung gibt. Erstens habe ich das - bei aller Kritik - bei den USA noch nicht bemerkt; hier wurde ja bemängelt, dass der Verfassungsschutz bei PRISM und Tempora nicht tätig geworden ist. Zum Zweiten können die alten Maoistischen Teezirkel beruhigt werden: Ja, ihr werdet nicht beobachtet, solange ihr nicht besonders aggressiven oder: besonders aggressiv machenden - Tee trinkt.
Ich bedauere es, dass man aus der G-10-Kommission und dem PKG nicht öffentlich berichten darf; die Sachen sind halt geheim. Es gibt dort übrigens auch Dinge, die viele Personen betreffen. Dem Verfassungsschutz stehen nämlich Mittel zur Verfügung, die die Polizei aus gutem Grund nicht hat. Über solche Angelegenheiten kann man nicht öffentlich berichten. Ich wäre froh, wenn man das machen könnte. Man trifft viele Menschen. Denen möchte ich am liebsten immer sagen: Ihr seid gar nicht so wichtig, dass ihr vom Verfassungsschutz beobachtet werdet.
Ich kenne die G-10-Fälle und weiß, wer immer glaubt, einer Abhörmaßnahme unter Verfassungsschutzaspekten zu unterliegen. Dann denke ich mir immer: Wenn ihr wüsstet, wie selten wir uns treffen und aus welchem Spektrum das ist!
Damit bin ich wieder bei den maoistischen Teezirkeln: Ich glaube, ich verrate kein großes Geheimnis, wenn ich sage, dass sie nicht unter die Aggressionsklausel fallen. Deshalb haben wir hier viele Probleme nicht. Das gilt übrigens auch für die Observation der Linkspartei, die ich auch für einen Skandal halte.
Gut. - Den Rest kann ich gern im Geheimen mitteilen. Ich möchte allerdings darum bitten, die Diskussion über den Landesverfassungsschutz SchleswigHolsteins nicht in einen großen Topf mit Verfassungsschutzdiskussionen in anderen Ländern Deutschlands zu werfen, nur weil es einem politisch gerade passt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist kein Antrag gestellt worden. - Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.
a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens „Energetische Sanierung“
Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1067
b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens Landesstraßen und zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2013
Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/883
Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1066
c) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens zur Sanierung und Instandhaltung von Landesstraßen