Protocol of the Session on June 18, 2013

Der neue Landesentwicklungsplan soll nun eine Strategie aufweisen, die bis ins Jahr 2030 reicht. Die Leitidee steht dabei ganz oben, so wurde uns mitgeteilt. Das Denken und Handeln findet jedoch weiterhin in den Handlungsräumen statt. Das ist auch okay so. Sprich: Man macht sich das Knowhow der Kreise und Fachbehörden zu eigen. Aber das war doch genau unser Ansatz, den wir in der letzten Legislaturperiode verfolgt haben, die Kommunalisierung der Regionalplanung umzusetzen. Ich zitiere hier Herrn Erps, der neulich zu mir sagte: Man hat uns die Kommunalisierung genommen, die Arbeit lässt man uns jedoch.

Für die CDU-Fraktion beantrage ich die Überweisung aller Drucksachen - auch des Gesetzentwurfs der Piratenfraktion, der auf die Überarbeitung der Zielabweichungsverfahren abzielt - an den Innenund Rechtsausschuss und freue mich auf die weitere Beratung. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ich freue mich sehr, dass das Parlament heute der Landesplanung einen so breiten Raum einräumt. Wir wollen ein gutes soziales Umfeld, wir wollen gute Arbeit, wir wollen wertschöpfende Wirtschaft, nachhaltige Innovationen, eine zeitgemäße Infrastruktur, wir wollen natürliche Ressourcen sichern und die Natur schützen. Wir brauchen

langfristige Perspektiven, und wir wollen im Blick behalten, wie wir in der Welt von morgen miteinander leben wollen.

(Beifall SPD)

Dafür brauchen wir Planung. Das ist für uns keine Beschränkung. Für uns ist es das zentrale Gestaltungsinstrument. Unsere Landesplanung braucht heute eine stärkere Strategieausrichtung. Wir brauchen Zukunftsbilder, wir brauchen Visionen. Wir dürfen nicht nur reagieren und hinterherrennen. Wir müssen agieren und vorausschauen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dafür schafft die Neufassung des Landesplanungsgesetzes die Voraussetzungen. Große Sympathien habe ich dafür, diese Planungen in Regionen zu denken. Dass es uns ernst ist mit Planungen, die über den Tellerrand hinausreichen, dass wir das Kirchturmdenken überwinden wollen, sehen Sie auch daran, dass wir die Kommunalisierung der Regionalplanung wieder zurückgenommen haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wollen Schleswig-Holstein in starken Regionen denken, in denen die Kommunen offensiv gestalten können. Mit dem neuen Landesplanungsgesetz Ministerpräsident Albig hat es vorgestellt - wird die Zahl der Planungsräume künftig auf drei festgelegt. Den fachlichen Ansatz der Landesregierung teilen wir. Regionen und funktionierende Verflechtungen werden ebenso abgebildet wie die großen Entwicklungsachsen.

Lassen Sie mich als Neumünsteranerin ein paar Worte zu der besonderen Situation Neumünsters sagen. Neumünster ist und bleibt Teil der Metropolregion. Das ist gut so. Durch das regionale Entwicklungskonzept an der A 7 zwischen Hamburg und Neumünster und die Städtepartnerschaft NORDGATE ist die Einbindung in diesen Entwicklungsraum gesichert. Niemand stellt das infrage.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Doch Neumünster ist auch ein Oberzentrum in der Mitte des Landes - mit viel Verantwortung für die Menschen in der Region. Daher ist es nur konsequent und richtig, Neumünster auf der Regionalplanungsebene in den Planungsraum II einzubinden. Das bildet die tatsächlichen Verflechtungen in der Region ab. Verwaltungsgemeinschaften, interkommunale Gewerbegebietsentwicklungen, Schul- und

(Petra Nicolaisen)

Bildungsangebote in der Region, Pendlerverhalten das sind die Dinge, die eine Rolle spielen. Dass die Landesregierung der Stadt diese Scharnierfunktion zutraut, ist ein Vertrauensbeweis.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Neumünster ist gut beraten, diesen als Herausforderung und Chance anzunehmen, entspricht es doch auch dem historisch gewachsenen Selbstverständnis der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger, Oberzentrum in der Mitte des Landes zu sein - die Spinne im Netz, wie die Neumünsteraner es gern beschreiben.

Gute Beteiligungsprozesse, echte Partizipation und der klare Blick darauf, wie wir morgen leben wollen, ermöglichen es, unsere Regionen zu stärken und attraktiv zu gestalten.

In Zeiten des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Fachkräftemangels wird es einen zunehmenden Wettbewerb der Regionen und Städte um Mitbürger und Mitbürgerinnen geben. Wirtschaft wird nur da florieren, wo ausreichend Arbeitskräfte leben. Menschen folgen nicht nur den harten Fakten, sondern suchen sich ihren Lebensort vor allem nach den weichen Standortfaktoren aus: Bildung, Kultur, Sport, Freizeit, gesunde Umwelt und lebendige Natur in schöner Landschaft sind die Merkmale attraktiver Regionen und eine Chance für Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gute Planungsinstrumente engen nicht ein, sie schaffen stattdessen Freiräume. Wir werden diese Freiräume brauchen.

Vor allem kommt es aber auf Öffentlichkeitsorientierung und Mitwirkungsmöglichkeiten auch für Bürger und Bürgerinnen an. Es kommt darauf an, Modernisierungsprozesse zu moderieren, Beteiligung nicht nur möglich zu machen, sondern wirklich zu wollen, Stärken herauszuarbeiten und die solidarische Gesellschaft zu fördern - in der Stadt ebenso wie im ländlichen Raum.

Seit einigen Jahren erleben wir in Deutschland eine Fortschreibungswelle von Plänen und Programmen auf Landesebene. Sie können sich vorstellen, dass es mir da gefällt, dass Landesplanung in Schleswig-Holstein Chefsache ist. Es macht deutlich, dass in unserem ambitionierten Fortschreibungsverfahren die Top-Themen ganz oben Raum bekommen: darunter der demografische Wandel, die großen Linien der Landesentwicklung und das Zusammen

spiel zwischen der Entwicklung unseres Landes und der unserer Nachbarn.

Schleswig-Holstein und Hamburg arbeiten ausgezeichnet zusammen: Das Hanse-Office als gemeinsame Auslandsvertretung in Brüssel, St. Petersburg und Danzig, die Landesmedienanstalt, Verwaltungskooperationen wie Dataport, ein gemeinsames Statistisches Amt, Eichdirektion Nord oder bald die Angleichung im Bereich von fairem Wettbewerb und Korruptionsbekämpfung zeugen davon, wie ernst es uns mit der Zusammenarbeit ist. Nicht zuletzt die Enquete-Kommission „Chancen und Risiken einer norddeutschen Kooperation“ hat deutlich gemacht: Ein enger Verbund im Norden kann die Wirtschaft ankurbeln, Haushalte entlasten, den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar nützen, den gesamten Standort stärken und die Durchsetzung gemeinsamer Interessen im Bund und in Europa erleichtern.

Ja, Hamburg ist eine pulsierende Metropole, Hamburg ist eine Stadt mit Sogwirkung. Nachbar von Hamburg zu sein, ist Chance und Herausforderung, die es zu gestalten gilt.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Schleswig-Holstein ist dabei nicht der Hamburger Rand, wir stehen nicht am Rand. Wir sind auch nicht nur der Hamburger Speckgürtel, den man nach Bedarf absaugen kann.

(Beifall SPD)

Schleswig-Holstein ist in der zukünftigen Entwicklung ein Partner und Nachbar auf Augenhöhe.

(Beifall SPD)

Wir haben unsere eigenen Stärken, die wir einbringen können. Wenn wir auf die Potenziale und die Kraft unserer Wirtschaft setzen, wenn wir dafür sorgen, dass bei uns im Norden die Fachleute ausgebildet werden, die moderne, innovative Wirtschaft und Forschung leisten können und wollen, wenn wir im Tourismus, in der Gesundheitswirtschaft, bei der Wohnqualität und bei vorbildlicher Infrastruktur einen Zahn zulegen, dann können wir im Verbund mit Hamburg unseren eigenen, gleichwertigen Teil zur Kooperation beitragen. Das wollen wir auch tun.

(Beifall SPD und SSW)

Ganz sicher gehört zu all dem auch eine gute Kooperation in der Landesplanung. Ein gemeinsames Koordinierungsgremium, das sich regelmäßig trifft und Planungsansätze und Grundsätze austauscht,

(Kirsten Eickhoff-Weber)

wäre dafür eine gute Plattform. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es uns ein Anliegen, eine solidarische Gesellschaft zu gestalten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Worauf wir in Schleswig-Holstein dabei vor allem blicken sollten, ist die Zukunft des ländlichen Raums.

Den Gesetzentwurf der PIRATEN möchte ich zum Anlass nehmen, noch einmal die Stärken von Partizipation und öffentlichem Dialog zu betonen. Wir sind gerade dabei auszuloten, was mit Teilhabe und Beteiligung alles möglich ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit noch längst nicht am Ende sind, im Gegenteil: Wenn wir weiter in die Dialogprozesse einsteigen, werden wir darin Chancen finden, an die wir heute noch gar nicht denken.

Ich glaube, dass wir aus diesen Prozessen lernen können, auch für die Partizipation an Planungsprozessen und für die Partizipation an gesellschaftlicher Zukunftsgestaltung. Daher bin ich eher skeptisch, wenn es darum geht, sich nicht nur an frühere Entscheidungen zu halten, sondern diese auch noch gesetzlich zu betonieren. Wir halten das Raumordnungsgesetz des Bundes für ausreichend und inhaltlich zutreffend.

Im Detail können wir das im Ausschuss weiter diskutieren. Deshalb beantrage auch ich, alle vier Drucksachen in den Wirtschaftsausschuss und in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Thomas-Mann-Schule in Lübeck und der Immanuel Kant Schule in Neumünster. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort Frau Abgeordnete Ines Strehlau.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kumbartzky, lassen Sie doch einmal die Kirche im Dorf! Dass Sie Ihre Rede damit beginnen, dass die neue Landesregierung verbrannte Erde in der Kooperation mit Hamburg hinterlassen habe, schießt eindeutig übers Ziel hinaus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das be- schreibt genau den Zustand!)

- Nein, das zeigt, dass die FDP nur noch in Großprojekten denkt, die, wenn sie nicht schnell genug verwirklicht werden, als verbrannte Erde deklariert werden. Kooperation besteht aus mehr als nur aus Großprojekten.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo steht Schleswig-Holstein im Jahr 2030? Wie können wir unsere Chancen als Windstandort für die Energiewende nutzen und gleichzeitig Bürgerinnen und Bürger in die Planung einbinden? Wie begegnet das Land dem demografischen Wandel? Wie können wir die Entwicklung der Boomregion rund um Hamburg, die Kieler Region und den ländlichen Norden aufeinander abstimmen? Wie gelingt es, den Flächenfraß zu stoppen und mehr Ausgleichsflächen für Natur und Biodiversität zu schaffen?

Das sind einige der zentralen Fragen für SchleswigHolstein. Sie können nur sinnvoll beantwortet werden, wenn wir die Landesplanung strategischer aufstellen. Hierzu ist die Küstenkoalition angetreten, und der vorliegende Gesetzentwurf ist nach der Reform im letzten Jahr der zweite Umsetzungsschritt.