Protocol of the Session on June 18, 2013

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem für unser Land so elementaren Thema „norddeutsche Kooperation“ hat die rot-grün-blaue Koalition leider bereits in ihrem ersten Regierungsjahr viel verbrannte Erde zurückgelassen. Statt verstärkter Kooperation wurden vonseiten der Landesregierung, aber auch vonseiten des Hamburger Senats - im Zweifel stärker von ihm - Desintegration und Abgrenzung betrieben. Statt die Metropolregion zu stärken und die Zusammenarbeit kontinuierlich auszubauen, wurden beiderseits Initiativen ergriffen, die das Ziel der verstärkten Kooperation konterkarieren und behindern.

Das erste Regierungsjahr hat die rot-grün-blaue Koalition in der Verkehrspolitik beispielsweise damit zugebracht, den eigenen Koalitionsvertrag zu relativieren. Die Notwendigkeit und die Bedeutung wichtiger Verkehrsprojekte, zum Beispiel den Weiterbau der A 20 oder die Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbelt-Querung, haben Sie am An

(Ministerpräsident Torsten Albig)

fang weder erkannt noch entsprechend vorangetrieben. Dabei sind gerade diese beiden Projekte für den norddeutschen Logistikknotenpunkt von essenzieller Bedeutung.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ohne den Weiterbau der A 20 verkommt der Elbtunnel immer mehr zu einem verstopften Nadelöhr. Auch über weitere Themen wie das Ausschließen der Haspa bei der Änderung des Sparkassengesetzes, das Drama um die Windenergiemesse und den Hafenschlick möchte ich nicht viele Worte verlieren.

Denn Sie kennen die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion: Wir alle sind konstruktive Typen. Deswegen möchten wir einen konstruktiven Vorschlag machen und nicht nur über die Fehler der Koalition reden. Dafür würden zwölf Minuten nicht reichen. Wir wollen vielmehr die Zeit nutzen, um Vorschläge zu machen, wie die norddeutsche Kooperation mit konkreten Maßnahmen und Initiativen nachhaltig gestärkt werden kann.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Es geht jetzt los, Herr Tietze.

(Beifall Serpil Midyatli [SPD])

Herr Tietze, gerade Ihnen möchte ich sagen: Ich halte wenig davon, über einen zukünftigen Nordstaat zu sinnieren - gerade wenn man sich vor Augen führt, wie es derzeit mit der Kooperation aussieht. Deswegen sollten wir zunächst lieber kleinere sinnvolle Schritte gehen und endlich eine verstärkte norddeutsche Kooperation bei der Landesplanung anpacken.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das habe ich doch gesagt, Herr Tietze. - Meines Erachtens bietet fast kein Bereich bei der norddeutschen Kooperation und insbesondere bei der Zusammenarbeit mit Hamburg ein solch großes Potenzial wie eine gemeinsame Landesplanung.

Nur mit einer verstärkten Kooperation bei der Landesplanung ist es möglich, die vielfältigen Potenziale der Metropolregion Hamburg wirklich zu erschließen. Bei der Zusammenarbeit innerhalb der Metropolregion gibt es noch sehr viel Luft nach oben. Eine gemeinsame Landesplanung würde beiden Bundesländern große Vorteile bei der Ausweisung von Gewerbeflächen, im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich, bei der Energieversorgung, bei

den Hochschulen, im Verkehrsbereich sowie bei vielen weiteren Themen bringen.

Wenn bei der Landesplanung jeder weiter vor sich hinarbeitet, laufen wir wirklich Gefahr, dass wir weiterhin und dauerhaft eine optimale Verteilung der Ressourcen verfehlen. Nur mit einem wirklich ganzheitlichen Ansatz wird es möglich sein, die vorhandenen Effizienzreserven zu heben.

Wenn Schleswig-Holstein vom Wettbewerb der Regionen innerhalb Europas profitieren möchte, geht das nur mit Hamburg gemeinsam, meine Damen und Herren. Andersherum ist es natürlich genauso. Allein oder sogar gegen Hamburg drohen wir, gegenüber anderen Metropolregionen wie dem RheinMain-Gebiet in Deutschland oder anderen Metropolregionen in Europa dauerhaft den Kürzeren zu ziehen.

Ich kenne die Befürchtungen, meine Damen und Herren, die mit einer verstärkten Kooperation mit Hamburg immer wieder verbunden sind - gerade im nördlichen Landesteil und beim SSW.

(Unruhe)

Ich bin jedoch der Überzeugung, dass bei einer verstärkten Kooperation unter dem Strich niemand etwas verlieren wird - weder Hamburg noch bestimmte Landesteile von Schleswig-Holstein. Ganz im Gegenteil: Gerade der nördliche Teil unseres Landes, der bisher am wenigsten im Fokus von Hamburg liegt, würde von einer gemeinsamen Landesplanung profitieren, weil er erstmals in den Fokus von Hamburg rücken würde. Derzeit wird der nördliche Landesteil von Hamburgern kaum wahrgenommen - vielleicht mit Ausnahme der nordfriesischen Inseln. Eine gemeinsame Landesplanung würde diesen Landesteil nicht schwächen, sondern wirklich stärken.

(Anhaltende Unruhe)

Bei der Realisierung einer gemeinsamen Landesplanung sollte man sinnvollerweise in zwei Schritten vorgehen. Der erste Schritt muss die Entwicklung gemeinsamer Leitlinien innerhalb der Landesplanung sein, denn nur so lassen sich die strategischen Überlegungen zusammenführen und die sich daraus ergebenden Chancen ausschöpfen.

(Anhaltende Unruhe - Glocke Präsident)

Durch gemeinsame Leitlinien können Fehlentwicklungen und Fehlplanungen bereits im Ansatz vermieden werden; diese Leitlinien können eine Grundlage für eine gemeinsame Organisation bilden.

(Oliver Kumbartzky)

Dann kommt der zweite Schritt: Wir müssen eine gemeinsame Landesplanung ins Leben rufen - nicht irgendwann am Sankt Nimmerleinstag, sondern zeitnah bei einer gewissen Zeit für Beratung und Zusammenwachsen. Das hatten die Sozialdemokraten in ihrem Bericht zur Enquetekommission bereits im Jahr 2011 gefordert. Das war eine gute Forderung, die wir natürlich unterstützen. Ich hoffe, dass Sie auch unseren Antrag unterstützen.

Denn, meine Damen und Herren, wenn die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag zusammenwachsen, darf die Politik nicht im Kirchturmdenken verharren. In diesem Zusammenhang hätte ich gern begrüßt, dass die Landesregierung mittlerweile davon Abstand genommen hat, bei der Regionalplanung das Hamburger Umland in unterschiedliche Planungsräume zu packen, aber leider sind nicht alle Kommunen der Metropolregion Hamburg in einem Planungsraum zusammengefasst worden.

Im vorliegenden Gesetzentwurf wird dem ausdrücklichen Wunsch Neumünsters nach einer Aufnahme in den Planungsraum Süd widersprochen. Da sind wir wieder beim altbekannten Lied des Dialogs und der Frage, welchen Wert er bei Ihnen hat.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

- Danke. - Gerade Neumünster als Kommune in der Metropolregion Hamburg nicht in den Planungsraum einzuordnen, zeigt den Stellenwert, den die Metropolregion und die norddeutsche Kooperation bei der Landesregierung haben. Das muss man so deutlich sagen. Diesen Punkt kritisieren wir am Gesetzentwurf massiv.

Generell möchte ich auch anmerken, dass wir die Rücknahme der noch von Schwarz-Gelb beschlossenen Kommunalisierung der Regionalplanung natürlich als folgenschweren Fehler einschätzen.

(Beifall FDP und CDU)

Aber zurück zum Gesetzentwurf: Mir ist § 22 ins Auge gefallen. Darin heißt es:

„Die Landesregierung berichtet dem Landtag in regelmäßigen Abständen über die räumliche Entwicklung des Landes, den Stand von Raumordnungsplänen und über gegebenenfalls erforderliche Änderungen des Zentralörtlichen Systems (Raumordnungsbe- richt).“

Ich finde, dass eine konkrete zeitliche Vorgabe, innerhalb der der Bericht gehalten werden muss, fehlt. Da müsste ein Einschub eingefügt werden

nach dem Motto: mindestens alle fünf Jahre. Dann können wir wirklich sehen, dass die Landesregierung nicht nur dann berichtet, wenn sie Lust hat, sondern wenn es wirklich einen konkreten Rahmen gibt. Das Argument ist immer die Flexibilität.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Danke schön, Herr Tietze, von Ihnen bekomme ich ein Lob immer besonders gern. Das schadet mir allerdings parteiintern.

(Anita Klahn [FDP]: Darüber reden wir noch! - Weitere Zurufe)

Mich freut, dass Sie diesen Vorschlag offenbar aufnehmen werden, vielen Dank.

Dann möchte ich abschließend auf den Gesetzentwurf der PIRATEN eingehen. Sie wollen, dass die Zielabweichungsverfahren gegenüber der Raumordnung nur noch in absoluten Ausnahmefällen möglich sein sollten. Meine Damen und Herren, bereits heute sind Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme, denn es gibt schon jetzt entsprechende Hürden. Das zu verstärken, ist aus unserer Sicht nicht notwendig und ergibt keinen Sinn. Zielabweichungen können sehr sinnvoll sein. Dafür gibt es genügend Beispiele.

Die entsprechenden Hürden sind in ihrer jetzigen Form angemessen. Wir sind natürlich gern bereit, das im Ausschuss noch einmal zu diskutieren. Wir werden natürlich auch den Gesetzentwurf der Landesregierung im Ausschuss diskutieren. Auch unser Antrag wird im Ausschuss diskutiert werden. Wir sollten Stellungnahmen zu diesem wirklich sehr intelligenten Antrag der FDP-Fraktion einholen. Ich hoffe auf eine breite Zustimmung.

Ich freue mich in diesem Sinn auf die Ausschussberatung und danke Ihnen und ganz besonders Herrn Tietze für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Dr. An- dreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eigenlob stinkt! - Weitere Zurufe)

Für die Fraktion der PIRATEN hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Planungsrecht stellt die Weichen dafür, ob und wo Strom, Trassen, Autobahnen, Windparks, Kraft

(Oliver Kumbartzky)

werke und andere Großprojekte in unserem Land entstehen.

Zunehmend sind die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr einverstanden und bereit hinzunehmen, dass in intransparenten, sehr langwierigen Verfahren über ihre Köpfe hinweg, so scheint es, solche Planungen vorgenommen werden und dementsprechend auch immer häufiger die Kosten aus dem Ruder laufen. Wir PIRATEN stehen ganz klar für eine neue Kultur bei der Planung, für eine Kultur der Transparenz und der Bürgerbeteiligung.

Das setzt erstens eine sehr frühe Information der Bürgerinnen und Bürger über solche Überlegungen von Projekten, über ihre Folgen, über die Kosten und über Alternativen voraus. Das muss früh und transparent mit allen Betroffen erörtert werden.

(Beifall PIRATEN)