Protocol of the Session on May 31, 2013

(Christopher Vogt)

finden wir nicht fair. Die Kunden werden in Schubladen sortiert, und es entstehen Kunden erster und zweiter Klasse. Die Datenautobahnen werden virtuellen Geschwindigkeitsbegrenzungen zum Opfer fallen, die willkürlich aufgestellt werden. Ein Internet der zwei Geschwindigkeiten sollte es deshalb aus Sicht des SSW nicht geben.

(Beifall SSW und PIRATEN)

Mehr noch: Aus Sicht des SSW darf es keine Bevorzugung bestimmter digitaler Dienste geben, die eine Diskriminierung anderer Dienste mit sich führt.

(Beifall SSW, PIRATEN und Dr. Kai Dolg- ner [SPD])

Eine digitale Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, macht ohne Netzneutralität nur wenig Sinn, denn es geht hier auch um die Freiheit der Medien, das Recht auf Information, um Meinungsfreiheit und - für uns vom SSW ganz besonders wichtig auch um die Medienvielfalt. An dieser müssen wir auch in anderen Bereichen arbeiten.

Das Problem der ganzen Geschichte ist meiner Meinung nach die Wettbewerbssituation der Netzanbieter. Im Grunde genommen haben wir es hier mit einem Angebotsoligopol zu tun, bei dem die großen Anbieter den Markt quasi untereinander aufteilen können. Die wirtschaftlichen Interessen haben längst den freien und ungehinderten Zugang zum Internet umschlossen, denn auf diesem Markt lässt sich mittlerweile viel Geld verdienen. Die Netzneutralität gerät dabei in Gefahr, unter die Räder wirtschaftlicher Interessen zu kommen; sehr zum Nachteil der Nutzer.

Die Netzneutralität ist ein Garant für einen ungehinderten und diskriminierungsfreien Zugang zum Internet. Diese Netzneutralität gilt es zu schützen. Die Europäische Union hat dieses Thema schon vor einigen Jahren im Rahmen der Digitalen Agenda des Projektes „Europa 2020“ aufgegriffen. Noch in diesem Jahr soll eine rechtliche Empfehlung vorgelegt werden, die den uneingeschränkten Zugang der Verbraucher zu allen Internetinhalten schützen soll. Was dabei letztendlich herauskommt, werden wir sehen. In jeden Fall müssen wir erkennen, dass wir in dieser Sache ohne Brüssel oder Berlin nicht sehr weit kommen werden.

Dass bei der Nutzung des Internets eine generelle Netzneutralität gewahrt werden sollte, haben wir deutlich gemacht. Mir ist nicht ganz klar, wie man wie es im Antrag steht - einerseits klarstellen will, dass grundsätzlich kein Eingriff in die Inhalte von

Datenpaketen erfolgt, dass andererseits aber Ausnahmen zulassen werden sollen. Wie man hier die trennende Linie gewährleisten will, darüber müssen wir im Ausschuss noch einmal diskutieren.

Ebenso ist im Antrag von einer Aufsichtsbehörde die Rede. Das hört sich erst einmal nicht verkehrt an, aber die Frage ist: Wie soll diese Aufsichtsbehörde aussehen? - Unter einer Aufsichtsbehörde kann man sich vieles vorstellen. Daher müssen wir auch in dieser Frage darüber reden, was unsere Vorstellungen sind. Eine andere nicht weniger wichtige Frage ist die nach den Kosten dieser Behörde. Wer soll diese Kosten zukünftig übernehmen? - In den Niederlanden ist eine entsprechende Regulierungsbehörde an das Wirtschaftsministerium in Den Haag geknüpft, welches auch einen Teil der Kosten übernimmt. Dieses Vorbild sollen wir dem Antrag nach - berücksichtigen und ihm sogar folgen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Die Richtung des Antrags ist richtig. Es ist richtig, dass wir versuchen müssen, die Netzneutralität in Zukunft weiterhin zu gewährleisten. Über die Frage, wie wir das machen, sollten wir im Ausschuss beraten. Ich glaube, wir werden zu einem vernünftigen Antrag kommen. Wir haben ein großes Interesse daran, dass ein Antrag Ergebnis der Ausschussberatungen ist, der in Berlin und in Brüssel Wirkung zeigt. Vielen Dank.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. - Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Herr Reinhard Meyer, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass wir uns alle in einem Punkt einig sind: Wir wollen ein Internet, bei dem eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und ein diskriminierungsfreier Zugang zu Inhalten gewährleistet wird

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SSW)

und bei dem eine willkürliche Verschlechterung von Diensten sowie eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs nicht stattfinden soll. Ich halte es aber auch für wichtig,

(Lars Harms)

dass der Netzausbau vorangeht und dass neue und innovative Produkte auf den Markt kommen. Ich glaube, das wollen wir alle. Dafür brauchen wir auch die Telekommunikationsanbieter. Diese wiederum brauchen finanziellen Spielraum. Der erforderliche Ausbau der Breitbandinfrastrukturen kostet viel Geld, vor allem, wenn es um Glasfaser geht. Dafür brauchen wir die Anbieter. Dies sollten wir immer im Hinterkopf behalten, wenn wir über den vorliegenden Antrag debattieren.

Ich sage aber ganz deutlich: Natürlich sehe ich die Pläne der Telekom mit Sorge. Wir wollen keine digitale Spaltung. Ich sehe viele Schülerinnen, Schüler und Studierende, die das Netz für ihre Ausbildung benötigen. Ich sehe die Unternehmen, die das Netz brauchen. Ich sehe die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von E-Health bis E-Government damit in Gefahr. Daher ist mir eines wichtig: Die Telekom darf ihre Marktposition nicht dazu nutzen, dass ein normal schneller Internetzugang zu einem Luxusgut wird und viele es sich nicht mehr leisten können, am normalen digitalen Leben teilzuhaben. Ich möchte keine Zweiklassengesellschaft, in der die einen on sind und die anderen off.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Ob aber im konkreten Fall tatsächlich ein Verstoß gegen die Netzneutralität vorliegt, müssen die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt prüfen. Das sind die Institutionen, die wir haben, und das sind die Mechanismen, die greifen. Es wurde schon gesagt, daneben können Politik und Verbraucher aktiv werden.

Zur Politik auf der Bundesebene. Der neu in das Telekommunikationsgesetz eingefügte § 41 a ermöglicht den Erlass einer Rechtsverordnung zur näheren Definition von Netzneutralität. Die Frage ist nur: Reicht diese Ermächtigung aus, wenn die Bundesregierung diese Ermächtigung nicht ausnutzt? Daher sage ich an dieser Stelle: Wenn die Bundesregierung hier nicht handelt, dann brauchen wir klare gesetzliche Vorgaben.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Ja, gern.

Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt, es sei Aufgabe der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts, zu prüfen, ob ein Verstoß gegen das Prinzip der Netzneutralität vorliege. Würden Sie mir zustimmen, dass dieses Prinzip im Moment in Deutschland überhaupt nicht festgeschrieben ist und dass die Behörden deshalb auch nicht einschreiten können, weil es dafür keine Grundlage gibt? Würden Sie mir zustimmen, dass also erst eine Verordnung, wie wir sie vorschlagen, geschaffen werden müsste, um einen Verstoß dagegen feststellen zu können?

- Zum einen geht es um Marktmissbrauch. Das spielt bei dieser Frage ebenfalls immer eine Rolle. Diese Frage regelt das Bundeskartellamt. Für Fragen der Netzneutralität haben wir die Regulierungsbehörde, also die Bundesnetzagentur. Für die nächste Sitzung des Beirates liegt ein Antrag der Länder vor, nach dem genau über diese Fragen gesprochen werden soll. Es gibt also Möglichkeiten der Bundesnetzagentur, sich frühzeitig mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Meine Damen und Herren, neben den Regulierungen, die ich gerade angesprochen habe, gibt es auch den Verbraucher. Der Verbraucher kann mit den Füßen - oder besser mit der Maus - abstimmen und zu einem anderen Anbieter ohne Drosselung wechseln. Unter anderem informiert auch in diesen Fragen die Bundesnetzagentur über die Qualität der Breitbandzugänge und über die Inhalte der Kundenverträge.

Eine weitere Anmerkung zum Antrag der PIRATEN: Die Forderung, dass bei der Förderung des Breitbandausbaus nur solche Anbieter zum Zuge kommen sollen, die die Netzneutralität wahren, klingt gut. Aber auch hier sollte zunächst die Bundesnetzagentur tätig werden und Abhilfe schaffen. Ich hatte auf den Antrag hingewiesen. Wir sind als Land in der Agentur vertreten. Ich hoffe, dass es dann, wenn die Bundesnetzagentur tätig wird, keine Anbieter gibt, die dauerhaft gegen die Netzneutralität verstoßen können. Herr Breyer, wenn das nicht reichen sollte, dann müssen wir auch über dieses Thema reden, denn der augenblickliche Zustand ist nicht zufriedenstellend. Ich glaube, hier sind wir einer Meinung. Das sage ich ganz deutlich.

Meine Damen und Herren, das beste Rezept gegen Datendrosselung und für die Gewährleistung von Netzneutralität ist die Breitbandstrategie der Landesregierung, denn dank der Leistungsfähigkeit von

(Minister Reinhard Meyer)

Glasfasern sind Datenbremsen nicht erforderlich. Das ist ein wichtiger Punkt. Da ich in der Presse einiges höre und lese, sage ich zur Klarstellung: Wir setzen mit unserer Strategie im Breitband vor allem auf den Glasfaseraufbau und auf Infrastrukturziele und nicht mehr auf zweifelhafte Bandbreitenziele. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Das ist ehrgeiziger als das Konzept, das bisher vorlag.

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Ja.

Bitte schön.

Danke. Herr Minister, ich habe eine Nachfrage, was die Landesförderung des Breitbandausbaus angeht. Sie sagen, wir sollten erst einmal abwarten, ob die Anbieter, die das Netz mit Landesmitteln ausbauen, gegen die Netzneutralität verstoßen. Würden Sie mir zustimmen, dass es dann, wenn das Netz erst einmal aus Steuermitteln ausgebaut wurde, zu spät ist, noch mit den entsprechenden Zuwendungsempfängern das Prinzip der Netzneutralität vertraglich zu vereinbaren, und dass es sinnvoller wäre, schon bevor die Mittel gewährt werden, klarzustellen, dass wir die unter der Bedingung gewähren, dass sie auch später Netzneutralität gewährleisten?

Herr Breyer, ich gehe davon aus, dass wir das beim Thema Glasfaser nicht brauchen, weil da die Bandbreitenziele nach oben offen sind und es auch keine technische Limitierung gibt. Wir brauchen eine Diskussion über die Zwischenlösung - LTE und VDSL -, wo natürlich möglicherweise auch Investitionen angeschoben wurden. In der Tat würde ich gern im Ausschuss darüber debattieren, aber es muss rechtssicher sein. Das ist ganz wichtig. Sie können nicht einfach sagen, dass Sie das politisch wollen, wenn es dann anschließend nicht in der Förderung rechtssicher ist. Aber über den Tatbestand muss man in der Tat nachdenken.

Breitbandversorgung und Netzneutralität gehen uns alle an. Lassen Sie uns also dieses Thema mit den Fragen, die hier aufgeworfen sind - danke für den Antrag der PIRATEN -, in den Ausschüssen weiter vertiefen, am besten mit Vertretern der Bundesnetzagentur und der Telekom. Da kann man eine offene Diskussion führen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Die Drucksache 18/852 soll dem Innen- und Rechtsausschuss überwiesen werden. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Wortmeldung Uli König [PIRATEN])

- Mitten im Abstimmungsverfahren ist das schwierig, aber bitte schön, Herr Abgeordneter König.

Ich glaube, Herr Dolgner, der jetzt gerade leider nicht da ist, hatte die Bitte, es auch dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen.

Da steht Herr Dolgner, er hat schon ein Mikrofon vor sich. Dann kann er etwas dazu sagen.

Dann überlasse ich dem Kollegen Dolgner das Wort.

Bitte schön.

Ich hatte beantragt, den Antrag federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen.

Mitberatend an den Wirtschaftsausschuss - dann wiederhole ich die Abstimmung.

Es ist beantragt worden, die Drucksache 18/852 dem Innen- und Rechtsausschuss federführend und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überwei

(Minister Reinhard Meyer)

sen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.