Protocol of the Session on May 29, 2013

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schlampig ohne Ende!)

Sagen Sie uns bitte, was dieser Gesetzesentwurf das Land kostet, und sagen Sie uns auch, wie Sie diese Kosten gegenfinanzieren. Sind diese Zahlen solide und seriös, werde ich sofort Ihrem - wie eingangs gesagt - völlig richtigen Vorhaben zustimmen.

Leidenschaft braucht in diesem Land auch in der sozialen Frage einen besonders klaren und kühlen Kopf. Nutzen Sie den bitte für die aus sozialpolitischer Sicht hier und da wirklich lästigen vier Grundrechenarten, dann kommen nicht nur die PIRATEN mit an Bord, sondern auch andere Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses. Ich schließe mich dem Antrag der FDP an. Ich beantrage wegen der Kostenfrage noch einmal Ausschussüberweisung. Ansonsten werden wir uns enthalten. - Danke.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Nicht nur in den Wahlprogram

(Wolfgang Dudda)

men der regierungstragenden Fraktionen und in unserem Koalitionsvertrag ist es klar formuliert, auch anhand unserer verschiedenen Initiativen in diesem Bereich ist eines deutlich geworden: Wir haben den Anspruch, unser Bildungssystem von der Krippe bis zur Uni zu modernisieren und ihm eine solide Grundlage zu geben. Dabei steht für den SSW - das nicht nur mit Blick auf die frühkindliche Bildung - fest, dass der Zugang zu den Angeboten nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau in diese Richtung zielt die vorliegende Änderung des Kita-Gesetzes. Wir wollen durch diese Initiative erreichen, dass landesweit Eltern, die nur Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen, von Kita-Gebühren befreit werden. Hier gibt es nichts zu deuteln. Mit diesem Schritt wird der Zugang zur frühkindlichen Förderung für finanzschwache Familien erleichtert.

Wie wichtig es ist, den Zugang zur Kita zu erleichtern, habe ich an vielen Stellen betont. Ich wiederhole mich aber sehr gern: Studien belegen in schöner Regelmäßigkeit, dass die gezielte Förderung der frühkindlichen Entwicklung in den Einrichtungen sehr wertvoll ist. Im Vergleich zu den Kindern, die keine frühkindliche Bildungseinrichtung besuchen, haben Kita-Kinder nicht nur weit höhere Sozialkompetenzen, sie profitieren auch im Bereich der allgemeinen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten. Die Konsequenz daraus sollte mittlerweile allen klar sein: In der Regel sind bessere schulische Leistungen und damit häufig auch höhere Abschlüsse das Ergebnis. Für uns gibt es daher nicht den leisesten Zweifel daran, dass sich diese Investition lohnt.

Die positiven Effekte sind nicht von der Hand zu weisen. Sie sollen daher allen Kindern zugute kommen, unabhängig vom sozialen Status ihrer Eltern. Denn mittlerweile ist es erwiesen, dass gerade die Kinder am stärksten profitieren, die in sozial benachteiligten oder finanziell schwächeren Familien aufwachsen. Jene, die einen Migrationshintergrund haben, sollen schon in früher Kindheit gefördert werden. Das ist enorm wichtig. Wir wollen, dass sie auf ihrem Bildungsweg die gleichen Chancen haben wie alle ihre Altersgenossen.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie alle kennen die Stellungnahmen zum vorliegenden Gesetzentwurf. Hier gibt es unterschiedliche Prioritäten. Dazu möchte ich eines deutlich sagen:

Für uns ist es selbstverständlich, dass wir die Bedenken und Anregungen der Betroffenen ernst nehmen. Vor allem muss das bisherige Nebeneinander von bundes- und landesrechtlichen Vorschriften ein Ende haben. Das ist uns sehr wichtig. Wir werden deshalb im nächsten Schritt gemeinsam mit den Kommunen und den Trägern von Kindertagesstätten auf die Schaffung einer landesweiten Sozialstaffel hinarbeiten. Denn klar ist: Die Entlastung für Familien mit geringerem Einkommen darf nicht davon abhängig sein, in welchem Kreis oder in welcher kreisfreien Stadt sie wohnen. Außerdem werden wir so auch Verwaltungsaufwand in diesem Bereich verringern können. Für den SSW steht fest: Mit dieser Änderung des Kita-Gesetzes gehen wir einen wichtigen Schritt in Richtung eines gerechteren Bildungssystems. Diese Maßnahme war lange überfällig.

Ich will aber auch deutlich sagen: Wir gehen schrittweise vor. Es ist noch nicht lange her, dass CDU und SPD das kurz vorher eingeführte beitragsfreie dritte Kita-Jahr wieder abgeschafft haben. Dies hat nicht nur etlichen Kindern faktisch den Zugang zur frühkindlichen Bildung verwehrt, sondern auch zu sehr viel Unmut geführt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben Sie das jetzt wieder eingeführt?)

So etwas darf sich nicht wiederholen. Aus diesem Grund gehen wir behutsam mit dem ganz klaren Ziel vor, letztendlich allen Kindern die gleichen Startchancen zu geben. Entsprechend handeln wir. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Flemming Meyer, zunächst einmal brennt einem die Frage unter den Nägeln, ob ihr denn ein kostenloses Kita-Jahr wieder eingeführt habt, wenn es doch die sozialpolitische Katastrophe war, dass die letzte Landesregierung aus Kostengründen das wirklich verantwortungslos eingeführte kostenfreie

(Flemming Meyer)

Kita-Jahr wieder abgeschafft habt. Habt ihr es wieder eingeführt: Ja oder nein?

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

Ihr habt das nicht, ich nehme an, aus gutem Grund.

(Zurufe SPD)

Genau auf diesen Grund möchte ich hier noch einmal darauf zu sprechen kommen, denn das, was der Kollege Dudda hier gesagt hat, möchte ich noch einmal verstärken. Lieber Wolfgang Baasch: Sozialpolitisch sind sich hier alle einig. Sozialpolitisch wollen hier in diesem Parlament alle das Gleiche. Aber eigentlich hätten auch Sie als regierungstragende Fraktion diesem Gesetzentwurf mit dieser Begründung im Sozialausschuss nicht zustimmen dürfen. Sie dürfen es sich nicht gefallen lassen, mit der Aussage abgespeist zu werden, das seien „überschaubare Kosten“. Denn Sie wissen doch ganz genau, dass unter dem Vorzeichen der Schuldenbremse, unter dem Vorzeichen, dass knappe finanzielle Ressourcen so effizient wie möglich eingesetzt werden müssen, eine Kostenfolgeabschätzung von Ihnen geradezu eingefordert hätte werden müssen, gerade wenn Sie das sozialpolitische Ziel in den nächsten Jahren weiter verfolgen wollen.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt PIRA- TEN)

Ich appelliere an Sie. Frau Erdmann, im Hinblick auf Ihren Redebeitrag gibt es sozialpolitisch überhaupt keine Differenzen. Aber Sie müssen doch sehen und eine Antwort vom zuständigen Ministerium darauf verlangen, ob die Frage der Konnexität geklärt ist. Das ist sie nicht. Also muss das Ministerium diese Frage beantworten. Wenn das heute nicht geht, dann muss der Gesetzentwurf zurück in den Ausschuss überwiesen werden. Alles andere wäre fahrlässig, und es wäre wissentlich unsinnig, das hier einfach zu verabschieden.

Kosten: Wer predigt denn immer Nachhaltigkeit? In der vergangenen Debatte haben Sie das gerade wieder getan. Nachhaltig heißt, dass Sie das, was Sie hier mit dem Gesetzentwurf verursachen, auch im Hinblick auf die Kosten abschätzen können. Wenn Sie sich wirklich selbst ernst nehmen, dann dürfen Sie sich mit einer Größenordnung „überschaubar“ nicht zufriedengeben, sondern dann müssen die Damen im Ausschuss eben noch einmal ran und Ihnen genau sagen, was es kostet. Die Fragen des Landesrechnungshofs müssen beantwortet werden!

Insofern appelliere ich noch einmal an Sie als regierungstragende Fraktion: Lassen Sie sich dieses Ver

fahren nicht gefallen, überweisen Sie den Gesetzentwurf zurück in den Ausschuss, lassen Sie uns die Fragen ordentlich beantworten und dann einen vernünftigen Gesetzentwurf verabschieden, wenn die Fragen geklärt sind!

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Frau Abgeordnete Anke Erdmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann den Wunsch nach Kostentransparenz sehr gut nachvollziehen. Ich bin jetzt seit 3,5 Jahren in diesem Haus und habe mich eingehend mit der Frage, wie teuer Sozialstaffeln sind, beschäftigt. Das Interessante ist, dass kaum jemand dazu etwas sagen kann, weder die kommunalen Landesverbände noch die LAG der Wohlfahrtsverbände noch die Ministerien - egal ob es Frau Staatssekretärin Langner war oder ob es damals Minister Dr. Klug gewesen ist. Es ist eben sehr schwer zu ermitteln. Das haben wir in Oppositionszeiten übrigens auch am Ende geschluckt und gesagt: Okay, das ist wirklich sehr schwer zu ermitteln.

Wenn wir jetzt also sagen, wir geben das noch einmal zurück in den Ausschuss, was wäre damit gewonnen - einmal davon abgesehen, dass das Gesetz zum nächsten Kita-Jahr nicht in Kraft treten könnte?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir könnten es im Juni verabschieden!)

Wenn wir es noch einmal in den Ausschuss geben würden, stellt sich die Frage, ob das zu einem Erkenntnisgewinn führen würde. Ich bin sehr sicher, dass man daraus keinen Erkenntnisgewinn erzielen würde, denn wir haben die Kreise explizit danach gefragt, was an Kosten auf uns zukommt.

Es gibt zwei Punkte - um einfach einmal zu sagen, warum Frau Langner zu ihrer Auffassung kommt -, die dabei wichtig sind. Es gibt zwei Kreise im Land, die anders verfahren. Wir haben also die Vernunft schon eingeschaltet, Herr Dudda. Warum fällt es diesen Kreisen so unglaublich schwer, etwas darüber zu sagen, wie hoch die Kosten sind? - Es fällt diesen Kreisen offensichtlich deshalb so schwer, weil Einzelfallprüfungen gemacht werden. Es wurde schon angesprochen, dass es bereits jetzt einen individuellen Anspruch nach dem SGB gibt. Der

(Dr. Heiner Garg)

wird jeweils geprüft. Deshalb fällt es den Kreisen, die diese Zahlen haben - die hat ja nicht Frau Langner, die hat auch nicht Frau Alheit, die liegen in den Kreisen - offensichtlich so schwer, das zu ermitteln. Eine weitere Runde durch den Ausschuss würde da also überhaupt nichts bringen. Wir haben mehrfach nachgefragt. Das war jetzt nicht das erste Mal in diesem Jahr.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dudda?

Ja, mit Vergnügen.

Frau Erdmann, das ist völlig logisch und konsequent, das kann ich nachvollziehen. Dennoch würde mich interessieren, was denn „überschaubare Kosten“ sind. Denn es muss ja einen Ansatz von Kosten da sein, es muss doch klar sein, was die Geschichte kostet. Ansonsten kann ich doch nicht von überschaubaren Kosten sprechen. Wenn wir das ansatzweise wüssten, dann müssten wir hier nicht über die Zahl X sprechen, sondern könnten hier verantwortlich Politik machen.

- Ich habe davon nicht gesprochen. Ich sage nur für mich, dass das eine Frage der Abwägung ist. Wenn wir seit drei, vier Jahren bei diesem Thema auf der Stelle treten, dann stellt sich für mich die Frage, an welcher Stelle wir nach vorn kommen. Ich habe für mich eine Abwägung durchgeführt.

Es geht erstens um zwei Kreise. Zweitens erreichen mich aus den Kreisen zwei verschiedene Ansagen. Das habe ich vorhin ausgeführt. Die erste Ansage: Es gibt kein Problem für die Familien, wir rechnen für sie sowieso das Optimale aus. Dann kann es aber nicht so teuer sein. Das ist die eine Aussage.

Die andere ist - im gleichen Atemzug -, sie kommt teilweise auch von den kommunalen Landesverbänden: Aber die Regelung ist extrem teuer, und die Kosten in allen anderen Städten und Kreisen, wo wir freiwillig - das ist wirklich prima - über diese Regelung weit hinausgehen, stellen wir euch auch noch in Rechnung! Ich glaube, da werden zwei Dinge miteinander vermischt. Ich würde mich freuen, wenn wir einfach diesen kleinen Schritt einmal nach vorn gehen könnten.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Ja, sehr gern.

Herr Abgeordneter Dr. Garg, bitte!

Frau Kollegin Erdmann, wenn man Ihrer Argumentation folgen würde, wären Sie dann wenigstens mit mir einer Meinung, dass die Frage der Konnexität sehr wohl in einer der nächsten Ausschusssitzungen zu klären wäre und dass der Gesetzentwurf, wenn er im Juni verabschiedet würde, sehr wohl noch zum nächsten Kita-Jahr seine gewollte - ich sage ganz bewusst „gewollte“ - sozialpolitische Wirkung entfalten könnte ?