- Vielleicht habe ich das auch falsch verstanden. Es wäre schön gewesen, wenn man das an anderer Stelle auch noch einmal hätte diskutieren können.
Wenn Sie die nach meinem Wissen bestehenden 156 Leistungen, die als indirekte und direkte Leistungen zusammengelegt werden sollen, nennen, denken Sie dann auch darüber nach, beispielsweise die Witwenrente abzuschaffen oder auch die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der Krankenversicherung? Ich frage mich, wie Sie sich das vorstellen.
Beim Betreuungsgeld ist allen bekann, welche Meinung wir dazu haben. Eins ist auch schon deutlich geworden - ich glaube, das hat der Kollege Dr. Garg eben auch ausgeführt -: Keine Regierung hat in den letzten Jahren auf die veränderte Gesellschaft und die veränderten familienpolitischen Entwicklungen wirklich reagiert. Ich finde es sehr schade, dass wir hier Bundestagswahlkampf machen. Ich habe das Gefühl, dass das hier teilweise Showkämpfe sind.
Was wir hier vom Land aus tun können, ist alles zu unterstützen, damit die gesellschaftliche Akzeptanz für Kinder und Familien vorankommt. Ich denke, das ist die Kernaufgabe.
Ein ganz wichtiges Beispiel war - wenn ich daran einmal erinnern darf -, dass es Anwohner gab, die sich wegen des Lärms beschwert haben, der von Kinderspielplätzen und Kindergärten ausgeht. Das ist zwar nur eine kleine Stellschraube, aber dass es geschafft worden ist, dass das Immissionsschutzgesetz so geändert worden ist, dass Kinderlärm nicht mehr als Lärm zählt, ist ganz, ganz wichtig.
Meine Damen und Herren, wir sind mit dem, was hier vorgelegt wurde, nicht glücklich. Wir werden dem Antrag von Ihnen nicht zustimmen können. Ich würde mich freuen, wenn wir das doch noch einmal im Ausschuss beraten könnten
- man kann nach § 26 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung auch Dinge wieder zurück in den Ausschuss überweisen -, wenn wir den Bericht für die weiteren Beratungen vorliegen haben. Ich finde den Vorschlag der Kollegin Rathje-Hoffmann richtig, dass wir den Bericht abwarten sollten. Ich gebe das zu überlegen, entnehme aber Ihrer Reaktion, dass Sie das nicht wollen. Insofern wird unser Abstimmungsverhalten so ausfallen, dass wir den Antrag ablehnen werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, möchte ich auf Sie beide, Frau Dr. Bohn und Frau Dr. Trauernicht, eingehen. Ich bin völlig bei Ihnen, dass alle Kinder uns gleich viel wert sein sollten. Ihr Ansatz, was die steuerliche Behandlung und die Beträge angeht, findet meine volle Zustimmung und auch die meiner Partei. Ich sehe da ein bisschen den möglichen Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen über die Kinder.
Worauf ich in meiner Rede auch nicht eingegangen bin, ist das Splitting. Darauf haben Sie mich gebracht. Ich muss einmal Folgendes darstellen. Mein Steuerberater empfiehlt mir, dass meine Frau nur noch die Hälfte der Zeit arbeiten sollte, weil ich als Abgeordneter so exorbitant verdiene, dass uns das einen steuerlichen Vorteil von 800 € pro Monat bringen würde. - In einer Gesellschaft, die das so irre möglich macht, möchte ich eigentlich nicht weiter leben. Das müssen wir dringend ändern.
Nun zum Thema. Der vorliegende Antrag zur familienpolitischen Leistung kommt aus dem Sozialausschuss. Ich habe im Ausschuss zusammen mit den Mehrheitsfraktionen auch für diesen Antrag gestimmt, denn ich habe ihn als einen winzigen Anstoß für Überlegungen und Ideen gesehen, die fami
Familienpolitik, das ist Politik am Menschen - an großen, kleinen, alten, jungen - und Politik für uns alle, denn jeder von uns ist einmal klein und wird einmal groß,
heiratet oder auch nicht, er bekommt Kinder oder auch nicht. - Ja, da gibt es Unterschiede. Oder er traut sich all das nicht, weil in diesem Land die Armut ihm das nicht mehr ermöglicht.
Aufhänger für den Antrag der Mehrheitsfraktionen, mit dem die Landesregierung aufgefordert werden soll, die familienpolitischen Leistungen zu reformieren, war das Gutachten, das die Familienpolitik der Bundesregierung, dieser Bundesministerin, als weitestgehend wirkungslos und in Teilen sogar kontraproduktiv bewertet. Leistungen, die helfen sollen, die Lebenssituation positiver zu gestalten, laufen ins Leere. Das wurde festgestellt von Experten, die von der Bundesregierung selbst um die Expertise gebeten worden sind.
Das ist zum einen schlimm, weil so milliardenschwere Förderprogramme tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes durch den Schornstein gehen, das ist aber vor allen Dingen deshalb dramatisch, weil die Menschen, die Unterstützung und Hilfe brauchen, im Regen stehen gelassen werden - und das dauerhaft, wenn nichts Einschneidendes geschieht.
Diese Bundesregierung macht an der Stelle Politik auf dem Rücken der Menschen. Sie benachteiligt, wo wir Chancengleichheit wollen. Sie belastet, wo Entlastungen nötig sind, und sie vertuscht, wo offene Analysen unabdingbar sind.
(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN], Tor- ge Schmidt [PIRATEN], Wolfgang Baasch [SPD] und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe im Ausschuss sehr deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass ich die vorgelegten Anträge gern im Zusammenhang und in genauer Kenntnis des genannten Gutachtens diskutiert hätte. Dies ist aus zweierlei Gründen so. Zum einen halte ich viel davon, erst dann über Dinge abzustimmen, wenn ich die Hintergrundfakten vollständig kenne,
denn erst das befähigt mich dazu, gute Entscheidungen zu treffen und Voten abzugeben. Zum anderen hätte ich das Thema gern länger in der sachlichen öffentlichen Diskussion gehalten. Ich hätte gern länger den Blick der kritischen Öffentlichkeit auf die Unzulänglichkeiten dieser Bundesregierung gelenkt, die meint, diese durch Vertuschen und Verschönerungen von Armutsberichten oder Gutachten zur Familienpolitik unter den Tisch kehren zu können.
Ich muss mich auch mit kritischen Worten an die SPD wenden. Ich hätte mir eine entschlossenere Positionierung von Ihnen gewünscht.
Das Land braucht mehr soziale Kompetenz. Es braucht mehr soziale Gerechtigkeit und mehr sozialen Mut. Es braucht insgesamt eine sozialere Politik.
Wenn man aber einmal zur parteipolitischen Trompete greift und in Zeiten des Wahlkampfes Stichworte in die Welt hinausbläst, nach denen alles besser werden muss, hat man noch nichts verändert, geschweige denn verbessert. Ein geschönter Armutsbericht und ein desaströses Gutachten zur Familienpolitik, das ist die Bilanz dieser Bundesregierung. Es ist gut, dass wir auch in den Ländern den Finger in diese Wunden legen, dass wir die politisch Verantwortlichen nicht einfach damit durchkommen lassen.
Ich kann viele Inhalte des vorliegenden Antrags unterstreichen. Gleichwohl finde ich ihn ein bisschen zu kurz gesprungen. Ich hätte mir eine umfänglichere Diskussion wirklich herzlich gewünscht. Das habe ich im Ausschuss gesagt. Der Antrag ist dünn, aber - ich bleibe dabei - er ist ein Anfang. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich vorweg sagen: Es ist vollkommen egal, was ich jetzt hier sage. Ich führe hier keinen Bundestagswahlkampf.
Eine explizite Familienpolitik, die sich auch so nennt, gibt es in Europa nur in Deutschland und in Frankreich. Die zähe und in unseren Augen völlig unnütze Debatte um das Betreuungsgeld hat vor allem eines deutlich gemacht: Auch wenn Deutschland sich zu einer Familienpolitik bekennt, gibt es in diesem Land einfach keine einheitliche Zielvorstellung. Die Gesellschafts- und Familienbilder in den verschiedenen Regionen weichen offensichtlich sehr stark voneinander ab.
Mit Blick auf die ungemein wichtige frühkindliche Bildung setzen die einen zum Beispiel auf den Ausbau der Infrastruktur. Andere aber wollen lieber rein finanzielle Anreize für Eltern schaffen, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Maßnahmen werden aus den abenteuerlichsten Gründen eingeführt und häufig auch schnell wieder kassiert.
Frau Klahn sprach von 154 familienpolitischen Maßnahmen. Ich habe recherchiert und bin auf 252 verschiedene familienpolitische Maßnahmen gekommen. Es ist schlicht und einfach keine klare Linie erkennbar. Eine Grundvoraussetzung, die in meinen Augen völlig fehlt, ist eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wohin die Reise in der Familienpolitik eigentlich gehen soll. Wie sehen die Ziele aus, und wie können wir diese Ziele erreichen?
Ich bezweifle nicht die Notwendigkeit der Familienförderung. Wir müssen Familien fördern, weil der Bedarf deutlich erkennbar ist. Dabei sollten wir uns auch nichts vormachen. Im Vergleich zu Gutverdienern mit Kindern sind Familien mit einem durchschnittlichen oder geringen Einkommen ganz klar gewissen Einschränkungen ausgesetzt. Diese Einschränkungen sind häufig finanzieller Art. Das lässt sich kaum leugnen.
In manchen Fällen wird dann auch der Punkt erreicht, an dem auch die konkrete Entwicklung der Kinder betroffen ist und an dem diese Kinder klar erkennbare Nachteile gegenüber Gleichaltrigen haben. An dieser Stelle muss der Staat eingreifen.
Dies muss aus unserer Sicht die Zielsetzung sein. Schwächen müssen ausgeglichen und konkrete Nachteile für Kinder aus weniger gut situierten Elternhäusern verhindert werden.