Warum haben wir das nicht gleich berücksichtigt? Das war ja auch eine Frage, die Sie angesprochen haben, Frau Franzen. Wir haben das nicht gleich berücksichtigt, weil wir angenommen haben, dass die gesetzliche Grundlage ausreichen würde, um neue Oberstufen zu genehmigen. Anhörungsergebnisse und auch das Ministerium haben uns eines Besseren belehrt. Die Koalition von CDU und FDP hat 2011 de facto einen Oberstufenverhinderungsparagrafen ins Gesetz geschrieben, auch wenn sich das in der Schulgesetzdebatte vonseiten der CDU damals deutlich anders angehört hat.
Hat die Änderung jetzt also einen Einfluss auf den Dialogprozess? Im Herbst letzten Jahres sind viele von uns und auch viele an den Schulen davon ausgegangen, dass natürlicherweise im Sommer und auch im kommenden Jahr neue Oberstufen an den Start gehen könnten. Im Anhörungsverfahren wur
de deutlich, dass das nicht der Fall ist. Wer unsere Änderungen heute also kritisiert, auf den fällt es als Bumerang selber zurück, weil die gesetzliche Grundlage vorher total unklar war. Es war eben nicht klar, Frau Franzen, wie das umgesetzt werden könnte. In Richtung der PIRATEN geht: Sie müssten dann eben auch Handewitt und Kellinghusen sagen: „Nein. Ihr Schulen ward zwar schnell. Die Politik hat es ausgesessen. Es ist euer Schaden.“ Wir finden, das ist das falsche Signal.
Ich möchte noch einmal zum Ausgangspunkt der Schulreform zurückkommen. „Eine Gemeinschaftsschule kann eine gymnasiale Oberstufe haben“. So haben es SPD und CDU im Gesetz von 2007 formuliert. Darauf haben sich viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort verlassen, egal welcher Couleur. Das möchte ich hier noch einmal deutlich hinzufügen. Für die Schulen war dieser Satz, den Sie formuliert haben - viele von denen, die das damals formuliert haben, sitzen ja auch noch hier -, eine Perspektive, eine echte Perspektive. Das hat Herr Bülow vom Gemeindetag ja auch in der mündlichen Anhörung gesagt: Viele Schulträger haben sich damals in ihrem Engagement ausgebremst gefühlt.
Das gilt nicht für alle Gemeinschaftsschulen; auch das ist klar. Aber an einigen Standorten war es wirklich eine zentrale Frage, ob die Oberstufe kommt, und zwar vom Anfang an. Und dennoch, das Verfahren ist von Anfang bis hinein in diese Sitzung - das tut uns auch sehr leid - insgesamt hektisch und holperig. Den Schuh ziehen wir uns an. In der Anhörung wurde das auch kritisiert, ebenso wie einzelne Umsetzungsmaßnahmen, auf die ich gleich noch eingehen werde.
Eines aber möchte ich zuvor deutlich machen. Dafür dass wir auch an Gemeinschaftsschulen zusätzliche Oberstufen brauchen, hat es auch im Ausschuss eine sehr breite Mehrheit gegeben. Für die mündliche Anhörung sind auch viele kritische Stimmen eingeladen worden, weil es sich hierbei um einen Punkt gehandelt hat, zu dem wir uns noch etwas anhören wollten. Auf die einzelnen Punkte möchte ich nun kurz eingehen.
Erstens - das hat auch Frau Franzen angesprochen sei die Mindestschülerzahl pro Jahrgang zu klein. Ich habe mir daraufhin noch einmal die Schulstatistik genau angesehen. Diese zeigt: Kleine Oberstufen in Schleswig-Holstein, auch so kleine, wie wir sie hier im Gesetz als Mindestgröße verankern wol
len, sind nicht Standard, aber sie sind auch keine Seltenheit. Dass auch Schulen mit kleinen Oberstufen gute Arbeit machen, wird in diesem Parlament wohl niemand infrage stellen wollen. Wer diese Regelung also kritisiert, der soll dann bitte auch sagen: Wie denn dann? Soll es um eine Dreizügigkeit gehen? Und wenn es um eine Dreizügigkeit geht, heißt das dann: Das gilt nur für die neuen Oberstufen, oder gilt das für alle Schulen insgesamt? Das ist mir bei der gesamten Kritik noch nicht deutlich geworden. Deswegen glaube ich, dass wir mit der konkreten Gesetzesausführung auf einem guten Weg sind.
Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass das Ministerium die Anträge und Potenziale eingehend geprüft hat, das ist ja klar, damit die Oberstufen, die vor Ort entstehen, auf festem Grund gebaut sind. Auch die Schulträger werden relativ genau wissen, auf was sie sich einlassen.
Zweitens wurde bemängelt, dass nicht gleichzeitig die weitgehende Kooperation von Schulen mit und ohne Oberstufen auf den Weg gebracht wird. Auch ich sehe das; ich bedaure das. In Kiel, in Rendsburg und in Mölln stehen gute Schulprojekte am Start und wollen loslegen. Die können es aber nicht, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Das aber ist ein Punkt, bei dem man fragen muss: Warum ist die gesetzliche Grundlage noch nicht vorhanden? Da gab es offensichtlich einen langwierigen Stillstand in der Rechtspflege.
Wir haben dies jetzt im Bildungsdialog als einen der wichtigen Punkte aufgegriffen. Der ist aber zurzeit noch nicht entscheidungsreif. Deswegen können wir das jetzt so nicht teilen. Wir stimmen aber wohl alle fraktionsübergreifend darin überein, dass das 2014/2015 kommen wird; denn man darf keinen Unterschied für Jugendliche machen, ganz gleich, ob diese an einer Schule sind, an der zufälligerweise eine Oberstufe ist oder zufälligerweise eben nicht.
Drittens wurde kritisiert, mehr Oberstufen trotz Schülerrückgang würden zu Überkapazitäten führen. Wir wissen, dass ein Schülerrückgang bevorsteht. Der fällt aber regional sehr unterschiedlich aus - übrigens auch unsere Abiturquoten -, und er wird in den Oberstufen bis 2020 zunächst gar nicht eintreten. Es gibt zunächst noch einen Anstieg, und bis zum Jahre 2020 bleiben die Zahlen erst einmal konstant. Das sind KMK-Zahlen aus dem Jahre 2011. Wir kennen, Frau Franzen, die KMK-Zahlen
von 2011 für die Schülerzahlen in der Sekundarstufe II. Unser Ziel ist es, mehr Jugendliche zu höheren Abschlüssen zu führen, sie ausbildungsfähig zu machen und mehr, natürlich nicht alle, Schülerinnen und Schüler auf dem Weg bis zum Abitur zu begleiten. Darum haben unter anderem die IHK und der Bildungsforscher Professor Köller unsere Vorschläge begrüßt, weil wir zusätzliche Oberstufen einrichten. Auch das war ein Ergebnis des Anhörungsverfahrens.
Wir wissen von den ehemaligen Gesamtschulen, dass mehr als 50 % der Abiturienten in diesen Schulen keine Gymnasialempfehlung hatten. Das ist für mich ein richtiger Weg. Wir brauchen prozentual mehr Schülerinnen und Schüler mit hohen Abschlüssen. Deswegen wird der Schülerrückgang an vielen Stellen auch kompensiert.
Eine weitere Zahl finde ich beeindruckend, und das kann man in diesem Hause auch einmal sagen. Die Gemeinschaftsschulen mit Oberstufen hatten im letzten Frühjahr rund 3.700 Anmeldungen. Plätze gab es aber nur 2.700; 1.000 blieben also vor der Tür.
„Du schaffst es nicht“, so lautet der Titel der „Zeit“ vom 24. Januar. Im Dossier wurde ausführlich der Bildungsweg vom „Zeit“-Journalisten Marco Maurer nachgezeichnet, dem sein damaliger Lehrer, sicherlich mit bestem Wissen und Gewissen, gesagt hatte: „Du schaffst die Hauptschule, und mehr ist nicht drin.“ Dieser Lehrer lag daneben. Wir wissen, dass dies keine Seltenheit ist. Dies ist aber nicht so, weil die Lehrer den falschen Blick haben. Vielmehr hat das auch etwas mit dem Schulsystem insgesamt zu tun.
Unser System ist durchlässig nach unten, nicht aber nach oben. Das wollen wir ändern. Die zusätzlichen Oberstufen sind ein Beitrag zu mehr „Du schaffst das“ in unserem Schulen.
Ein Gesetz, das keine Schule zur Veränderung zwingt und zwei weitere Oberstufen zum Sommer sowie wahrscheinlich sieben weitere zum kommenden Jahr ermöglicht - von weiteren Oberstufen sind viele hier im Lande ausgegangen -, ein solches Gesetz wird den groß angelegten Bildungsdialog nicht aufhalten. Wenn das, Herr Kollege Callsen, ein Vorgehen mit der Brechstange ist, dann wüsste ich gern, wie Sie Ihre Gesetzesänderungen von 2007
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Erdmann, ich hätte mir in der letzten Legislaturperiode diese Art von Dialog zwischen uns gewünscht, einen Dialog, in dem Sie in einer angenehmen und sachlichen Art und Weise einmal mit Fakten aufgetreten wären. Ich habe Sie in der letzten Legislaturperiode jedoch vielfach als hektische, schnelle Sprecherin erlebt, die schnell irgendwelche Behauptungen aufstellt und nicht prüft, ob es passt. Das ist eigentlich schade.
Sie sprechen heute von uneleganter Hast. Das ist auch eine wunderbare diplomatische Formulierung für das, was Sie mit der Änderung des Schulgesetzes vorhaben.
Es ist auch deutlich geworden, dass die Landesregierung beziehungsweise der Ministerpräsident unbedingt Gemeinschaftsschulen einrichten will. Von daher wissen wir, was wir zu erwarten haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich war sehr angetan, als Frau Ministerin Professor Wende beim ersten Teil der Bildungskonferenz ankündigte, dass es Zeit hätte mit der Schulgesetzänderung.
Ich war wirklich erstaunt, dass sie das da so deutlich gesagt hat, und habe gedacht: Okay, sie meint es ernst mit dem Dialog. - Wie ernst zu nehmen das war, haben wir ja dann wenige Tage später festgestellt, als der erste Schulgesetzentwurf mit Ihren Änderungen vorgelegt worden ist. An der Stelle möchte ich Sie fragen, wie Sie denn persönlich damit umgehen, dass Sie in der letzten Legislaturperiode ständig nach Schulfrieden gerufen haben, es aber eine Ihrer ersten Amtshandlungen gewesen ist, eine Schulgesetzänderung auf den Weg zu bringen.
Für mich ist das wirklich ein Widerspruch. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Schulgesetz in dieser
Form ist unserer Ansicht nach ein Trauerspiel für das Land. Ich habe durch Zufall in den letzten Tagen ein Schülerreferat gesehen; da sollte ein Schüler zu dem Schulgesetz und zu unserem Bildungssystem referieren. Er hat es so wunderbar formuliert: Gefühlt gab es einen Schulfrieden bis 2001. Sie wissen, wie es danach weitergegangen ist.
Zu Ihnen, Herr Dr. Stegner. Wenn Sie sagen, von allen Seiten erführen Sie Zustimmung zu Ihrer Änderung, dann frage ich Sie: Wozu zählen Sie den Philologenverband, die Interessenvertretung der Lehrkräfte, den Verband der Berufsschullehrer, den Landeselternbeirat für Grundschulen und Förderzentren, den Landeselternbeirat der Gymnasien, den Schleswig-Holsteinischen Elternverein, den Verband der Regionalen Berufsbildungszentren, den Direktorenverbindungsausschuss, den Zusammenschluss der G-9-Gymnasien, die MINT-Akademie, den Verein zur Förderung des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts, die Städte Brunsbüttel, Rendsburg, Itzehoe, Flensburg, Neumünster sowie die Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde, Steinburg und Dithmarschen? Diese lehnen das Vorschaltgesetz aus guten Gründen eindeutig ab.
- Kein Problem, Herr Dr. Stegner. - Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, dann werden zukünftig an allen Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein zusätzliche Oberstufen eingerichtet; denn nach Ihrer Aussage und nach dem, was wir wissen, wollen über 80 % der Eltern gern G 9 haben.
Seitens der FDP gibt es nicht weniger als zehn Hauptkritikpunkte am Vorschaltgesetz, bezogen auf die Frage G 8, G 9, Y und abschlussbezogene Klassen sowie die Errichtung weiterer Oberstufen, die einer Verabschiedung klar widersprechen.
Beginnen wir mit G 8, G 9, Art der Differenzierung. Sie missachten schlicht und einfach den Eltern- und Schülerwillen. Eltern und Schüler wollen G 9 an den Gymnasien. Eine bundesweite Studie aus 2012 ergibt, dass 79 % der Befragten das neunjährige Gymnasium befürworten. Der Elternbeirat der Grundschulen hat in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass sich eine überwältigende Mehrheit der Grundschuleltern für G 9 ausspricht. In
Hamburg gibt es im Moment eine repräsentative Umfrage, nach der sich 72 % der befragten Grundschuleltern dafür ausgesprochen haben. Das missachten Sie.
Außerdem beklagen der Landessportverband, der Landesjugendring, der Kinderschutzbund und die Feuerwehren mangelnde Freizeit und den Rückgang des ehrenamtlichen Engagements unter G 8. Mit diesem Gesetz verbauen Sie den Gymnasien absichtlich den Weg zu G 9 und Y.