Protocol of the Session on February 21, 2013

Ich stimme dem Minister zu: Es wird Zeit, darüber zu reden, wie und mit welchen Mitteln das Land die Kommunen versorgt, damit diese ihre Selbstverwaltungsaufgaben erfüllen können.

Auch die kommunalen Landesverbände haben immer wieder auf die Verantwortung des Landes hingewiesen, die Kommunen finanziell auskömmlich auszustatten. Natürlich ist der kommunale Finanz

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

ausgleich nicht alles. So hat diese Regierung erstmalig die Verantwortung des Landes für die Kosten der U3-Betreuung anerkannt und beteiligt sich in diesem Jahr mit 15 Millionen € daran.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nach Schätzungen werden sich diese zusätzlichen Mittel bis 2017, also bis zum Ende dieser Legislaturperiode, auf rund 260 Millionen € belaufen. Dadurch werden wir den 120-Millionen-€-Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich teilweise kompensieren. Außerdem gewährt das Land besonders notleidenden Kommunen nach wie vor Konsolidierungshilfe.

Dennoch sollte unser besonderes Augenmerk auf dem FAG liegen. Über den kommunalen Finanzausgleich verteilt das Land keine Wohltaten, sondern gibt den laut Grundgesetz zustehenden Anteil der Kommunen am Steueraufkommen an diese weiter. Artikel 49 der Landesverfassung bestimmt, dass das Land den Kommunen im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung stellt, durch die eine angemessene Finanzausstattung gewährleistet wird. Gleichzeitig soll der Finanzausgleich dazu dienen, die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Kommunen zu sichern und die unterschiedliche Belastung mit Aufgaben auszugleichen.

Die Finanzsituation der Kommunen hat der Innenminister in seinem Bericht genau beschrieben. Eine gewisse - um es vorsichtig zu formulieren - Schieflage ist wohl nicht zu leugnen. Deswegen ist es höchste Zeit für eine Reform.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Erfreulicherweise stellt sich die Küstenkoalition dieser Aufgabe, auch wenn es dabei nicht nur Lorbeeren zu verdienen gibt. Unser Ziel haben wir klar benannt: Wir wollen Aufgaben finanzieren, nicht Strukturen. Der Finanzausgleich soll transparenter und effizienter werden und auf höhere Akzeptanz stoßen. Davon profitieren nicht nur die Kämmerer, sondern auch die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Der Prozess ist transparent und mit den Beteiligten abgesprochen, Verfahren und Zeitplan sind geeint. Für besondere Fragen soll ein externer Gutachter hinzugezogen werden. Das ist das Gegenteil von Geheimniskrämerei und Kungelrunde, denn die Betroffenen werden zu Beteiligten gemacht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es gibt keine Vorfestlegungen und schon gar keine Ergebnisse, denn der Prozess läuft ja noch. Am Ende wird ein Kompromiss stehen, der in den Gesetzentwurf der Landesregierung einfließt. Dieser kann dann im Herbst dieses Jahres bewertet werden. Jetzt schon über mögliche Gewinner und Verlierer zu sprechen, wie die Opposition es getan hat, ist hochspekulativ und wenig zielführend. Es bringt Unfrieden in die kommunale Familie und schwächt die Verhandlungsposition der kommunalen Landesverbände.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Diese sind im Übrigen sehr wohl in der Lage, selbst kraftvoll für die Interessen ihrer Mitgliedskommunen einzutreten. Das haben sie bei der Auseinandersetzung über die Kosten des Krippenausbaus nachdrücklich bewiesen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Nachhilfe aus dem Landtag brauchen die kommunalen Landesverbände sicher nicht. Deshalb sollten wir uns zurückhalten, den Prozess abwarten und das Ergebnis bewerten, nämlich den Gesetzentwurf. Dann ist immer noch Zeit für politische Auseinandersetzungen in diesem Haus.

Der Versuch, Stadt und Land gegeneinander auszuspielen, läuft - so finde ich - ins Leere. Es ist ein Streit um Begriffe, wie ich an einigen Beispiele zeigen will: Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag vertritt zum Beispiel die Gemeinde HenstedtUlzburg mit 26.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und die Stadt Tornesch mit 13.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Städte Bredstedt und Wilster, die dem Städtebund Schleswig-Holstein angehören, haben jeweils weniger als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Und dann hätten wir noch die Stadt Fehmarn. Wo also beginnt die Stadt, wo endet die Gemeinde? - Nur gemeinsam können die regionalen Zentren und ihre Nachbarn gewinnen. Stadt-Umland-Kooperationen, gemeinsame Bauleitplanung oder Verwaltungszusammenarbeit sind wichtige Instrumente auf diesem Weg.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen ist es richtig, nicht über Strukturen zu reden, sondern über Aufgaben und darüber, wie sie auskömmlich finanziert werden. Ich wiederhole es noch einmal: Wir wollen keine Gebietsreform auf Kreis- oder Gemeindeebene. Wenn sich Kommunen aber freiwillig zusammenschließen, dann dür

(Beate Raudies)

fen sie dadurch nicht schlechtergestellt werden. Ich bin zuversichtlich, dass die Regierung im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen wird, der all diesen Überlegungen Rechnung trägt. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Callsen, Sie müssen sich entscheiden. Wollen Sie den Dialog gutheißen oder nicht? - Auf der einen Seite sagen Sie, wir würden durchregieren. Aber wenn wir einen Dialog führen, dann ist das auch nicht richtig, und Sie sagen, die Rede sei frei von Inhalten. Ich glaube, Sie haben den Dialogprozess irgendwie noch nicht richtig verstanden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zuerst möchte ich dem Innenminister und seinem Haus ganz herzlich für seinen Bericht danken.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Man kann auch einen inhaltsfreien Dialog führen!)

- Das tut er nicht. - Um es vorweg zu sagen: Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist ein Mammutprojekt. Das Finanzausgleichsgesetz ist kompliziert und undurchsichtig und braucht unbedingt ein Update. Gerade deshalb lohnt sich die Reform. Der KFA soll für einen gerechten Ausgleich von Steuereinnahmen und Ausgabenbelastungen im ganzen Land sorgen; von den Hunderten kleinen Kommunen mit weniger als 500 Einwohnerinnen und Einwohnern bis hin zur Landeshauptstadt Kiel, und er muss für alle Kommunen in Schleswig-Holstein funktionieren. Das tut er aber nicht, zumindest nicht mehr. Es gibt etwa 300 schuldenfreie Kommunen. Die meisten davon sind sehr klein. Es gibt aber auch hoch verschuldete Kommunen. Spitzenreiter ist Lübeck. Die Stadt hat fast 3.500 € Schulden pro Kopf.

Der kommunale Finanzausgleich muss erstens zeitgemäßer gestaltet werden. Der KFA hat sich seit den 70er-Jahren kaum verändert, die kommunale Situation aber sehr wohl. Das beste Beispiel wurde in der Debatte schon mehrfach genannt, nämlich die Zonenrandförderung. Sie ist ein Überbleibsel aus einer anderen Epoche und muss endlich aus

dem FAG gestrichen werden. Der demografische Wandel ist zwar kein neues Phänomen, aber der kommunale Finanzausgleich berücksichtigt ihn bisher nicht. Hier müssen wir nachsteuern.

Zweitens brauchen wir mehr Einfachheit und Transparenz. Der kommunale Finanzausgleich enthält Regelungen aus sechs Jahrzehnten. Bei einigen kennt heute niemand mehr so genau die Grundlagen. Jahrelang ist dieses Gesetz wild gewuchert. Wenn ich auch sonst für Natürlichkeit plädiere, hier ist es höchste Zeit, das Gesetz wieder in Form zu bringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Manche Regelungen können selbst Fachleute nicht mehr nachvollziehen. Sie basieren auf Deals in der Vergangenheit, die heute mit keiner Aufgabe und keinem konkreten Bedarfsindikator mehr zusammenpassen. So werden für manche Kreise die Zuwendungen pauschal gekürzt, für andere erhöht, ohne nachvollziehbare Begründung und Rechengrundlage.

Auch die Anteile, die Gemeinden für übergemeindliche Aufgaben erhalten, wurden vor Jahrzehnten pauschal festgelegt und spiegeln die heutige Realität nicht wider. Das müssen wir ändern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Doch Transparenz und Einfachheit allein können aus Sicht unserer Fraktion nicht das einzige Ziel bleiben, wenn wir den Finanzausgleich reformieren.

Das Geld muss drittens auch gerechter verteilt werden. Gerechtigkeit heißt im Falle der Kommunen, dass das Geld den Aufgaben folgen muss. Eine Gemeinde, die eine Volkshochschule oder eine Stadtbücherei bereitstellt, von der auch das Umland profitiert, muss auskömmlich ausgestattet werden.

Wir müssen auch darüber reden, ob wir in Zukunft bei der Bedarfsbemessung mit Sozialindikatoren arbeiten - Ideen gibt es aus anderen Ländern genug -, zum Beispiel einem Demografiefaktor oder einem Faktor, der Kinder unter sechs Jahren besonders berücksichtigt.

Wir brauchen eine empirische Untersuchung, welche Faktoren heutzutage beim Finanzbedarf in Schleswig-Holstein die entscheidende Rolle spielen. Dass das Innenministerium dazu Gutachten einholen will, ist richtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Beate Raudies)

Auf keinen Fall werden wir uns darauf einlassen, bei der FAG-Reform einen Stadt-Land-Konflikt heraufzubeschwören. Für fast alle Menschen in Schleswig-Holstein spannt sich der Lebensraum doch zwischen verschiedenen Kommunen auf. Eine Familie wohnt zum Beispielt in Haseldorf. Die Kinder gehen in Uetersen zur Schule, aber in Wedel ins Schwimmbad. Die Eltern nutzen in Uetersen die Bücherei und in Wedel die Volkshochschule und das Theater. Auch die Einwohner ländlicher Gemeinden haben also ein Interesse an starken Zentralorten, deren Aufgaben auskömmlich finanziert werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Interessenlage ist längst nicht so schwarz-weiß, wie mancher sie hier gern zeichnet oder im kommunalen Vorwahlkampf auch gern überspitzt darstellt. Es geht im Kern nicht um kleine Gemeinden gegen große oder um Land gegen Stadt. Es sitzen alle in einem Boot. Es geht darum, bei wem die Aufgaben anfallen und wie sie bezahlt werden.

Die Landesregierung wählt mit ihrem Ansatz, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und in einem umfassenden strukturierten Prozess mit ausreichend Zeit das Finanzausgleichsgesetz zu modernisieren, den richtigen Weg. Nur so wird die gefundene Lösung auch Akzeptanz in der kommunalen Familie finden.

Wir setzen darauf, dass die Beteiligten im FAGBeirat nicht bei jedem einzelnen Punkt ihren Taschenrechner aus der Hosentasche ziehen, um auszurechnen, wie viel am Ende für sie herauskommt, sondern dass die einzelnen Mitglieder der kommunalen Familie aufeinander zugehen und an einem Strang ziehen. Nur so wird eine Modernisierung gelingen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu Protokoll: Ich habe die Wette des Kollegen Dr. Dolgner angenommen. Das muss ja zunächst festgehalten werden, Herr Kollege Dr. Dolgner, ich habe das nicht getan, weil das ein Kasperletheater ist, obwohl der Kasper in einem