Protocol of the Session on January 25, 2013

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne die ehemalige Kollegin und jetzige Europaabgeordnete Ulrike Rodust. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Heiner Rickers das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte und geschätzte Kollegin Frau Eickhoff-Weber, Landwirtschaft ökologisch vernünftig und sozial gerecht auszurichten - wer wollte das bei uns in der Gesellschaft nicht? Insofern zolle ich Ihnen Anerkennung für Ihre Rede. Aber mir hat gefehlt, dass Sie auf die 7-%-Ökologisierungsvorrangfläche näher eingehen. Ich werde versuchen, das in einem kurzen Abriss zu tun.

Wir sind auf der Grünen Woche gewesen. Herr Ausschussvorsitzender, es hat ein Blitzlichtgewitter gegeben. Die Eingeweihten wissen, wovon ich spreche.

(Vereinzelter Beifall und Heiterkeit SPD, Beifall Katja Rathje-Hoffmann [CDU] und Oliver Kumbartzky [FDP])

Alle Experten aus der Agrarbranche haben sich dort getroffen und versammelt und natürlich auch zur GAP gesprochen. Auch das haben Sie beschrieben, dass sich der Agrarausschuss im EU-Parlament damit beschäftigt hat, wie es in der nächsten Förderperiode ab 2014 mit der GAP weitergehen soll.

Ich selbst, seit über 25 Jahren Landwirt mit praktischer Erfahrung, habe mit dieser GAP zu tun. Herr Voß kann es bestätigen. Wir kommen aus Zeiten mit Exportsubventionen, Überschüssen privater Lagerhaltung, mit bis zu 30 % Flächenstilllegung, weil keiner wusste, wohin das Getreide noch fließen sollte. Man hat das einfach auf dem Markt nicht absetzen können. Wir sind aus diesem System der Niedrigstpreise und der Preisstützung für die Landwirte, damit sie überhaupt leben können, heute bei einem entkoppelten System gelandet, das den deutschen Bauern nur noch eine gewisse Prämie pro Hektar Anbaufläche gibt und nicht mehr an die

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Produktion im Einzelnen, zum Beispiel Milch, Fleisch oder Getreide, gebunden ist.

Als Volkswirt könnte man natürlich sagen, in so einer Hochpreisphase mit internationalen Märkten und der Nachfrage, wie wir sie kennen - das können Sie jeden Tag den Medien entnehmen -, ist es vielleicht an der Zeit, einmal ohne Subventionen im landwirtschaftlichen Bereich zu leben. Und da beginnt das Problem.

Wir befinden uns in einem geeinten Europa. Deutschland ist nach wie vor Nettozahler, 24 Milliarden € zahlen wir ein, 12,5 Milliarden € kommen zurück. Zum Vergleich bekommt Polen - bekommt! - als Nettonehmer 8 Milliarden €, Estland 4 Milliarden €, Ungarn 3 Milliarden €, die Tschechen und die Bulgaren jeweils 2 Milliarden € jährlich. Das ist sehr viel Geld. Sie sehen also, so einfach zu fordern, die Agrarsubventionen - auch wenn das bei uns am Markt vielleicht machbar wäre - einfach wegzulassen, geht nicht.

Denn was ist der Kitt in dieser gemeinsamen Politik? Es ist an Europa nicht nur die freie Meinungsäußerung und die Demokratie gefragt, sondern tatsächlich macht im ländlichen Bereich, gerade bei den neuen Beitrittsländern, das Geld dasjenige aus, was uns an Europa bindet. Und das ist auch gut so. Also müssen wir zahlen.

Wir unterhalten uns, damit wir gleiche Wettbewerbsbedingungen auch bei uns haben, darüber, in welcher Höhe das geschehen soll und mit welchen Bindungen. Und da ist klar und das ist auch schon angesprochen worden: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Es ist schon angesprochen worden, und ich will dort nicht alles wiederholen.

Wir hoffen, dass wir in der zukünftigen Förderperiode nationale Spielräume erhalten und dass das für unsere Landwirte unbürokratisch abgearbeitet werden kann. Ich denke an die Diskussion über den Tierschutz. Da habe ich als Beispiel immer wieder den Schenkelbrand genannt. Es gab eine nationale Umsetzung, jedoch hat die EU eine andere Vorgabe gemacht. Wir hätten gleich den von der EU vorgegebenen Weg gehen und das erhalten können.

Wir brauchen natürlich die starke zweite Säule für die ländlichen Räume. Aber auch dabei dürfen wir die Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft nicht vergessen. Wir wollen dem demografischen Wandel Rechnung tragen, und wir wollen gleiche Lebensbedingungen für alle. Wir wollen - jetzt komme ich zum Hauptpunkt - die Agrarumweltmaßnahmen umsetzen. Dabei geht es um das sogenannte Greening. Wir sind uns alle darin einig,

dass ein hoher Dauergrünlandanteil oberste Priorität haben muss. Insofern können auch wir damit leben, dass es keinen Grünlandumbruch mehr geben wird. Wir können auch damit leben, dass in irgendeiner Form ab einer gewissen Betriebsgröße eine Fruchtfolge eingeführt werden muss. Auch bei uns auf dem Mittelrücken, über den immer gesagt wird, da gingen nur Gras und Mais, glaube ich, ist das technisch machbar. Die Bauern würden sich sehr schnell darauf einstellen.

Ein großes Problem aber haben wir mit den ökologischen Vorrangflächen, also - platt gesprochen mit den Flächenstilllegungen, das heißt: keine Bewirtschaftung oder eben nur Brache oder ökologische Bewirtschaftung. Dies in Schleswig-Holstein auf mindestens 7 % der Nettofläche vorzusehen, kann nicht unser Ansinnen sein.

(Beifall CDU)

Wir wissen, dass etwas kommen wird. Wir wissen auch, dass Schleswig-Holstein über Landschaftselemente - da werden immer wieder die Knicks genannt - durchschnittlich vielleicht 3 % schon liefern kann. Wir streiten uns also eigentlich über relativ geringfügige Flächenabweichungen. Das wären 3 bis 4 % der Nettofläche. Wir müssen sehen, dass wir da zu einem vernünftigen Lösungsvorschlag kommen.

Ich könnte auch damit leben - ich glaube, da geht die Meinung der Bundes-CDU mit meiner oder ich mit deren Meinung überein -, dass auf den verbliebenen Flächen geerntet werden darf, bestellt werden darf, angebaut werden darf, wenn auch mit Einschränkungen, also wahrscheinlich ohne Düngung und ohne Pflanzenschutz. Auf diese Weise würden wir die Fläche nicht komplett aus der Produktion herausnehmen müssen. Ich hoffe, dass das, was im Agrarausschuss in dieser Woche beschlossen wurde, Gehör findet.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Eickhoff-Weber, Sie haben richtig gesagt, wir sind immer noch in der Debatte. Insofern sollten wir uns klar positionieren, und das werden wir heute tun. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

(Heiner Rickers)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Sonntag wurde in Niedersachsen gewählt. Die eine oder andere Partei weiß noch immer nicht genau, wo die Stimmen herkamen. Sie haben den Ausgang sicherlich verfolgt.

Ich möchte auf ein Detail aufmerksam machen. Laut Infratest haben auf die Frage: „Welche Partei wäre Ihrer Meinung nach am ehesten in der Lage, eine gute Landwirtschaftspolitik zu machen?“, 35 % gesagt: die Grünen. Die CDU lag mit knapp 34 % dahinter.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Heiner Rickers [CDU]: Das war in Niedersachsen!)

Schleswig-Holstein ist wie Niedersachsen ein agrarisch geprägtes Land. Politik für den ländlichen Raum hat einen hohen Stellenwert, und wir Grüne sehen darin ein ganz zentrales Politikfeld. Ich freue mich, dass diese Botschaft draußen angekommen ist. Wir nehmen diese Herausforderung ja schon seit einigen Jahrzehnten an.

Am vergangenen Wochenende gab es in Berlin eine große Demonstration. Bei Ostwind und minus 7 °C haben am Samstagmorgen um 10 Uhr mehr als 25.000 Menschen demonstriert. Sie haben aus den verschiedensten Interessensgruppen heraus für eine neue Ausrichtung der Agrarpolitik demonstriert. Warum brauchen wir überhaupt diese neue Ausrichtung?

Es gibt einfach ein wachsendes Unbehagen in der Gesellschaft gegenüber der Landwirtschaft, aber insbesondere im Hinblick darauf, wie und wohin sich die Ketten der Land- und Ernährungswirtschaft entwickeln. Dieses Unbehagen gibt es genauso wie in den anderen Gruppen auch bei Bauern und Bäuerinnen. Viele fühlen sich einseitig bedrängt. Sie fühlen sich durch die gegenwärtige Agrarpolitik im Wettbewerb benachteiligt, und das ist real. Von den Direktzahlungen profitieren überproportional die flächenstarken Betriebe mit wenigen Arbeitskräften. Bäuerlichen Betrieben, die Beschäftigung im ländlichen Raum sichern, erschwert das im Grunde das Überleben. Dabei betreiben diese Betriebe oft eine Form der Landwirtschaft, die gesellschaftlich breit gewünscht wird: vielfältige Fruchtfolgen, artgerechte Tierhaltung, Weidewirtschaft, an die Flä

che gebundene Tierhaltung, Erzeugung des Futters weitgehend auf der eigenen Fläche. Gerade diese Betriebe werden infolge der fehlgeleiteten Politik im Wettbewerb oft benachteiligt. Es muss Schluss damit sein, dass diejenigen die Dummen sind, die versuchen, sich daran auszurichten, was gesellschaftlich gefordert ist und was von der Vernunft her eigentlich geboten ist.

Dieser Trend geht ungebremst weiter. EU-weit wurden in Zeit von 2007 bis 2010 fast 2 Millionen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft vernichtet. Wenn wir dabei auch die Familienarbeitskräfte einbeziehen, waren in Europa über 6 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland sind in diesem Zeitraum 11 % der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren gegangen. Das Geld fließt oft in die falsche Richtung, in die falschen Kanäle.

Die Mittel für die zweite Säule, mit der Agrarumweltmaßnahmen, Dorferneuerung und so weiter finanziert werden, reichen längst nicht mehr annähernd aus, um die Schäden auszugleichen, die durch Fehlsteuerung und dadurch angerichtet werden, dass die Chancen, die sich aus den Mitteln der ersten Säule ergeben, nicht wahrgenommen werden. Das ist gerade für ein Land wie SchleswigHolstein, für ein finanzschwaches Land, von größter Bedeutung. Es ist ja mehr als bekannt - wir haben den Haushalt verabschiedet -, wie schwierig es in Schleswig-Holstein ist, die Finanzierung der verschiedenen Programme überhaupt noch hinzubekommen, also eine Kofinanzierung aus Landesmitteln und kommunalen Mitteln dafür sicherzustellen.

Nach Schleswig-Holstein fließen jährlich - um die Zahlenverhältnisse einmal deutlich zu machen - etwa 370 Millionen € an Direktzahlungen. Die Mittel der zweiten Säule betragen nur 43 Millionen € jährlich. Das ist ungefähr ein Neuntel. Deshalb sage ich: Wir brauchen eine Qualifizierung der Direktzahlungen, wenn wir an der ökologischen und sozialen Schieflage etwas ändern wollen, wenn wir die Zahlungen für das Land sicherer und wirksamer machen wollen; denn so, wie sie jetzt ausgerichtet sind, werden wir nachhaltig sichere politische Entscheidungen in Bezug auf dieses Geld für das Land, für die Bauern und Bäuerinnen nicht treffen beziehungsweise in Europa nicht hinbekommen können.

Zu den Mindestanforderungen gehören - das ist bereits mehrfach gesagt worden - ein Fruchtwechsel und die Schaffung von - dies ist ein Kampfbegriff 7 % ökologischer Vorrangfläche. Das ist keine Flächenstilllegung, wie der Bauernverband und auch die lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition gern behaupten. Heiner Rickers hat es

heute etwas abgeschwächt. Auch Sie wiederholen immer wieder gerne diese falschen Argumente. Davon werden sie nicht besser.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich nenne einmal die Zahlen für Schleswig-Holstein. In Schleswig-Holstein gibt es 10.800 Ackerbaubetriebe. Sie haben Landschaftselemente wie Hecken, Gewässer, Feldgehölze auf dem Acker und bekommen dafür auch Flächenprämie. Bereits jetzt erfüllt ein gutes Drittel dieser Betriebe, nämlich 37 %, die Forderung nach mindestens 7 % Vorrangfläche. Diese ist auf diesen Betrieben jetzt erfüllt.

Dieses gute Drittel bewirtschaftet allerdings nur 15 % der Ackerfläche. 2.300 Betriebe haben weniger als 3 % Landschaftselemente. Sie bewirtschaften 22 % der Ackerfläche. Daraus folgt: Kleinere Betriebe, vielfältige Betriebe haben oft einen schwierigeren Standort, aber sie haben bisher erheblich mehr für die Vielfalt in der Landschaft getan. Ich denke, wir brauchen ein verbindliches Greening, um die Benachteiligung dieser Betriebe zu beseitigen.

Der Agrarausschuss des Parlaments hat gestern und vorgestern seine Positionen festgelegt, und die sind alles andere als bequem.

Herr Abgeordneter, kommen bitte zum Ende.

Ich komme zum Ende. - Ich sage trotzdem: Es ist nichts entschieden; gar nichts ist entschieden. Im März wird das Europaparlament entscheiden, und es bleibt für uns noch sehr viel Zeit, hier intensiv Einfluss zu nehmen - über die Landesregierung, über die Bundesregierung, über die Europaabgeordneten -, um zu einer besseren Entscheidung für das Land zu kommen.

Zum Schluss möchte ich noch sagen: Das, was heute in der „Süddeutschen Zeitung“ steht, macht, denke ich, sehr deutlich, wie wir uns in dieser Frage der Bundesregierung gegenüber positionieren müssen.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Deutlich wird: Die Bundesregierung will überhaupt kein wirkliches Greening, und das ist gegen die Interessen aller Länder; denn die Konferenz der Agrarminister und -ministerinnen von Bund und Ländern hat ganz klar gesagt, dass sie ein Greening will. Dafür werden wir kämpfen. Wir werden uns der Bundesregierung mit dieser Positionierung widersetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Ausschussvorsitzender! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wer zu Beginn der Legislaturperiode noch die leise Hoffnung hatte, dass die Küstenkoalition keine Agrarpolitik zulasten der konventionellen Landwirtschaft betreiben würde, dem müssen spätestens mit dem Antrag zum Knickschutz die Augen geöffnet worden sein. Auch dem allerletzten Zweifler dürfte, nachdem er den Antrag, den wir heute beraten, gelesen hat, klar geworden sein, dass die Grünen beziehungsweise die gesamte Koalition in der Umwelt- und Agrarpolitik wirklich eine ganz knallharte Linie fahren.