Protocol of the Session on January 24, 2013

Wir schauen uns das in Ruhe und Gelassenheit an. Ich sehe nur, dass die neue Dialogkultur, die hier ausgerufen worden ist, richtige Blüten treibt. Ich freue mich auf die nächsten Monate in diesem Parlament. Wenn das so weitergeht, Herr Dr. Stegner, dann werden wir hier richtig bunte Debattenbeiträge haben. Aber das, was Sie momentan machen, führt nicht zu etwas Vernünftigem zusammen, sondern das ist eine Art und Weise der Debattenkultur, die dieses Land nicht verdient hat.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Patrick Breyer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den beabsichtigten Beitritt des Landes zum Glücksspielstaatsvertrag. Dieses Regelungswerk ist nun einmal so untauglich und in sich widersprüchlich, dass es den Autoren dieses Vertrages wirklich nicht um Suchtprävention gegangen sein kann. Ich nenne dazu ein paar Beispiele:

Die Landesstelle für Suchtfragen, ein wahrlich unverdächtiges Gremium, stellt fest, dass die geplante Vorgehensweise, Lotto im Monopol zu behalten, Sportwetten aber teilweise zu liberalisieren, suchtpräventiv nicht begründet werden kann, da Sportwetten bekanntlich suchtrelevanter sind als Lotto.

(Wolfgang Kubicki)

Dieselbe Landesstelle stellt fest, dass das gefährlichste Glücksspiel, nämlich die Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen und in der Gastronomie, nicht in vergleichbarem Maße eingeschränkt wird wie zum Beispiel die Spielautomaten in den Spielbanken. Nicht nur unter der aktuellen schwarz-gelben Regierung, sondern auch unter der vorherigen rot-schwarzen und der rot-grünen Regierung sind diese Kanäle über die Spielautomaten nicht eingeschränkt worden.

Umgekehrt mussten wir aus der Zeitung erfahren, dass die Automatenindustrie - namentlich um Herrn Gauselmann - seit Jahren Politiker aller etablierten Parteien mit Großspenden schmiert, FDP-Parteitage sponsert und sich sogar an FDP-Tochterunternehmen beteiligt haben soll. Möglicherweise mehr als 1 Million € sollen an Politiker von Union, SPD, FDP und Grüne geflossen sein. Mitarbeiterschecks von unter 10.000 € wurden verteilt, um die Regelungen der Parteispenden zu umgehen und weil sämtliche etablierte Fraktionen seit Jahren eine echte Transparenz von Spenden verweigern. Das ist doch der eigentliche Skandal an der Sache.

(Beifall PIRATEN)

Seit Jahren werden die Empfehlungen des GRECO Antikorruptionsgremiums des Europarates in Deutschland nicht umgesetzt. Wir PIRATEN gehen freiwillig voran und veröffentlichen alle Spenden ab einer Bagatellgrenze von 1.000 € mitsamt dem Namen des Spenders. Ich kann Ihnen auch sagen: Wenn mir Mitarbeiterschecks angeboten werden, nehme ich die nicht an, auch keine 50-€-Scheine.

An die Adresse der damaligen schwarz-gelben Koalition will ich gar nicht auf die im „Spiegel“ so betitelte „Sylt-Sause“ zu sprechen kommen, zu der Boris Becker eingeflogen wurde mit Business Dinner und Cocktail-Rezeption.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Sie sind ja nur nei- disch, weil Sie nicht eingeladen worden wa- ren!)

- Ich glaube, Herr Arp, inzwischen ist bekannt, dass ich solche Einladungen nicht annehme.

(Zuruf FDP: Ja, weil Sie eben nicht eingela- den werden!)

Zu dem Glücksspielstaatsvertrag ist zu sagen, dass sich der Staat damit das Lottomonopol sichert und selbst vom Glücksspiel profitiert. Das Land betreibt sogar über seine Spielbanken selbst Glücksspiele, und es betreibt Werbung dafür. Die Suchtprävention bei dieser Sache ist doch eigentlich nur vorgeschoben.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Winter?

Herr Kollege Dr. Breyer, habe ich das eben richtig verstanden, dass Sie sagten, wenn Ihnen Mitarbeiterschecks angeboten werden würden, dann würden Sie die nicht annehmen? Verstehe ich das so, dass Sie behaupten wollen, dass es hier im Hause andere Personen gibt, denen Mitarbeiterschecks angeboten wurden, die sie angenommen haben?

- Das verstehen Sie falsch, Herr Kollege. Ich habe gesagt, dass Politiker aller etablierten Parteien nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ solche Schecks im Wert von insgesamt mehr als 1 Million € angenommen haben.

Dass es nicht um Suchtprävention geht, zeigt sich auch daran, wie die Mittel nach Ihrem Ausführungsgesetz verwendet werden sollen. Anders als zum Beispiel für die Sportförderung ist nämlich gerade keine feste finanzielle Beteiligung der Suchtpräventionsstellen vorgesehen, sondern die sollen mit den verbleibenden Mitteln abgespeist werden. Das zeigt doch den geringen Stellenwert, den die Suchtprävention bei diesem Regularium hat.

Dass Sie außerdem einen Betrag von summenmäßig mindestens 7 Millionen € in diesem Ausführungsgesetz festlegen, verstärkt weiter den Eindruck, dass es hier primär um die Erzielung von Einnahmen geht und überhaupt nicht um die Prävention von Sucht.

Wahrscheinlich am unlogischsten ist, dass Sie das Internetglücksspiel insgesamt verbieten, Sportwetten über das Internet aber zulassen wollen. Zur Rechtfertigung werden abenteuerliche Gründe vorgebracht, zum einen natürlich das Argument der Spielsucht, die angeblich im Internet durch fehlenden unmittelbaren Kontakt, ständige Zugangsmöglichkeit, durch die Häufigkeit der Angebote und die Isolation des Spielers durch fehlende soziale Kontrolle begünstigt werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie, wie das in Spielhallen aussieht, in denen Menschen vor Spielautomaten sitzen. Sind die vielleicht nicht sozial isoliert? Fehlt denen vielleicht nicht der unmittelbare Kontakt? Können die nicht auch Tag und Nacht in Spielhallen spielen und ihr Geld verlieren?

(Dr. Patrick Breyer)

- Es ist unglaubwürdig, das Internet hier auszusondern und völlig anders zu behandeln.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Wir haben in Deutschland 200.000 pathologische Spieler. Wir haben aber eben auch Millionen von Spielern, die nicht pathologisch spielen, sondern zum Vergnügen. Da ist es insbesondere auch für die Grünen - das muss ich hier sagen - ein Armutszeugnis, das sie hier hinter alle Erkenntnisse der modernen Suchtprävention zurückfallen. Dass nämlich eine Illegalität des Angebots von Suchtgefährdungen eben keinem Süchtigen hilft, ist international längst anerkannt. Dass Sie da trotzdem zustimmen, kann ich überhaupt nicht verstehen.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Gern.

Bitte schön.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, da Sie ein bisschen den Eindruck erwecken, als ob sich dieses Haus noch nie mit der Spielhallenproblematik beschäftigt hätte, möchte ich Sie gern fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass sowohl der Glücksspielstaatsvertrag als auch das in der letzten Wahlperiode hier beschlossene Spielhallengesetz eine starke Einschränkung der Tätigkeiten in Spielhallen, unter anderem die Abschaffung von Mehrfachkonzessionen und so weiter, vorgesehen hat. Es ist mitnichten so, dass sich außerhalb der Piratenpartei niemand bewusst wäre, dass auch das Spielautomatenspiel nicht nur ein hohes Suchtpotenzial hat, sondern auch ganz viele Leute betrifft.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrter Herr Kollege!

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wir hätten es ja noch weiter einschränken können!)

Mir ist bekannt, dass Spielhallen heute überall rund um die Uhr verfügbar sind - trotz aller Einschrän

kungen - und dass, was die Spielverordnung angeht, auch eine rot-grüne Bundesregierung damals keine Einschränkung vorgenommen hat.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dolgner?

Bitte.

Ich habe mich auf die letzte Wahlperiode bezogen. Da gab es keine rot-grüne Landesregierung. Das noch einmal zur Erinnerung.

Bundesregierung!

- Aber es gab hier ein neues Gesetz, das uns in den Einschränkungen nicht weit genug ging bezüglich der Spielhallen, aber was wir von der Grundtendenz gelobt haben. Ich darf Ihnen anempfehlen, sich dieses Gesetz einmal anzusehen. Nur weil Sie noch nicht dabei waren, ist es nicht so, dass andere sich nicht auch Gedanken gemacht und gehandelt hätten.

(Anita Klahn [FDP]: Da hat er recht!)

- Auf die Spielhallen komme ich später in meiner Rede gern noch zu sprechen, Herr Kollege. Ich will aber jetzt aus dem Koalitionsvertrag zitieren, in dem es interessanterweise heißt:

„Wir bekennen uns zu einer modernen, effektiven Sucht- und Drogenpolitik, die sich an der Lebenswirklichkeit der Adressaten orientiert und auf Aufklärung, niedrigschwellige Angebote … und qualifizierte Hilfen für Suchtkranke setzt.“

Hier tun Sie das genaue Gegenteil. Deswegen geht dieser Vertrag komplett an der Lebenswirklichkeit vorbei. Sie gaukeln vor, mit einem Verbot von Internetglücksspiel wäre das Problem weg. Tatsächlich ist es aber doch so, dass mehr als 90 % des Glücksspiels im unregulierten Markt getätigt wird, wo es in der Regel überhaupt keine Vorkehrungen zur Suchtprävention gibt. Die Landesstelle für

(Dr. Patrick Breyer)

Suchtfragen fordert doch als wichtige Vorkehrung ein Sperrsystem, das im Ausland und im unregulierten Markt gerade nicht realisierbar ist.

Deswegen muss bei der Eindämmung der Spielsucht eine möglichst hohe Kanalisierung in den regulierten Markt oberste Priorität haben - gerade um Spieler zu schützen.

(Beifall PIRATEN)