Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass es Umstände geben kann, in denen es tatsächlich verfassungsrechtlich geboten ist, Splitterparteien auszuschalten, um das verfassungsmäßige Leben nicht zu stören. Es kann geboten sein. Selbstverständlich ist es dem Gesetzgeber überlassen, festzulegen, dass wir die Klausel absenken oder anheben können oder andere Maßnahmen ergreifen können, um das parlamentarische Leben zu sichern. Ich glaube, das hat der Kollege Peters zitiert. Ich komme gleich noch einmal dazu. Ihre Erklärung aber, die Klausel sei verfassungswidrig, ist mit Sicherheit unzutreffend.
Der von Ihnen erwähnte vermeintlich positive Nebenaspekt, dass die Abschaffung der Sperrklausel klarere Verhältnisse in Sachen Minderheitenparteien bringen werde, ist unserer Ansicht nach keine stichhaltige Begründung. Zum einen ist festzuhalten, dass es dann, wenn es keine Sperrklausel gäbe, auch keine Begründung für die Privilegierung einer Minderheitenpartei geben würde. Wenn es keine Regelung gibt, dann muss man auch keine Ausnahmeregelung schaffen. Zum anderen gibt es aus unserer Sicht intelligentere Vorschläge dahin gehend, wie einerseits eine Destabilisierung vermieden wird und andererseits dem besonderen Status der dänischen Minderheit Rechnung getragen werden kann, indem man zum Beispiel dem SSW ein Grundmandat unter der Fünfprozenthürde zubilligt, sofern er die notwendigen Stimmen für ein Mandat erhält.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Breyer, dass Sie in der Frage der angeblichen Verfassungswidrigkeit der Fünfprozenthürde eine Schnittmenge mit der NPD sehen, ist aus meiner Sicht nicht nur instinktlos und töricht. Ich finde, Ihr Bundesvorstandsmit
„Patrick Breyer hat keine Haltung gezeigt. Politik ohne Haltung aber ist apolitische Technokratie, die nicht in Parlamente gehört.“
Es ist mir ein Anliegen, und ich bettele gern um einen Ordnungsruf: Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, noch einmal die Begründung des Antrags zu lesen. Dort ist ein Satz enthalten, der so bodenlos unverschämt ist, dass ich ihn persönlich von dieser Stelle aus zurückweisen will. Er lautet wie folgt:
„Sperrklauseln machen rechte Parteien eher gefährlicher, weil sie es den demokratischen Parteien ermöglichen, ihren Kopf in den Sand zu stecken, anstatt sich offensiv mit dem zugrunde liegenden Problem auseinanderzusetzen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Parlament hatten wir eine rechte Partei, nämlich die DVU. Ich bin seit 20 Jahren im Parlament und Fraktionsvorsitzender. Ich kenne kein anderes deutsches Parlament, in dem über alle Streitereien hinweg alle demokratischen Fraktionen dieses Landtags die Rechten offensiv bis zum Gehtnichtmehr bekämpft haben.
Zu erklären, die Aufrechterhaltung der Sperrklausel würde diese rechten Parteien stärken, ist wirklich unverschämt, und ich weise sie zurück, Herr Dr. Breyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt die Fraktion der PIRATEN das Ziel einer Abschaffung der Fünfprozenthürde bei den Wahlen zum SchleswigHolsteinischen Landtag. Die Fünfprozenthürde, die Sperrklausel für kleinere Parteien gegen den Eintritt
in die deutschen Parlamente, ist schon bei der Gründung der Bundesrepublik und seitdem durchgängig umstritten gewesen. Der Versuch der Einführung einer solchen Sperrklausel in das Grundgesetz scheiterte 1948 im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates.
Gleichwohl sind Anfang der 50er-Jahre verschiedene Formen von Sperrklauseln in die Wahlgesetze des Bundes und einiger Länder eingeführt worden. In Schleswig-Holstein wurde 1951 sogar eine 7,5-%-Klausel eingeführt, um den SSW aus dem Landtag fernzuhalten. Diese Klausel wurde in einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 1952 für verfassungswidrig erklärt. In derselben Entscheidung deutete das Bundesverfassungsgericht an, ein Quorum bis zu einer Höhe von 5 % für zulässig zu halten. Diese Beschränkung im Wahlrecht gilt seit der Wahlrechtsänderung von 1955 in Schleswig-Holstein einschließlich einer Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von diesem Wahlrechtseingriff.
Aus Sicht des SSW ist die Sperrklausel in der Tat kritisch zu sehen; dies gilt erst recht, wenn man die neueren Entwicklungen, namentlich die Entscheidungen des schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010 zur Mandatsberechnung im Landtag sowie des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2008 zu Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht und 2011 zur Sperrklausel bei den Wahlen zum Europaparlament berücksichtigt. Der SSW hat in Zusammenhang mit den Entscheidungen der Verfassungsgerichte Initiativen zur Abschaffung der Sperrklausel ebenso wie eine deutliche Herabsetzung des Quorums nach dänischem Vorbild immer grundsätzlich begrüßt.
Die vom Landesverfassungsgericht geforderte strenge Wahlrechtsgleichheit kann unstreitig am besten erreicht werden, wenn die Sperrklausel vollständig abgeschafft würde.
Das hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal in seiner Entscheidung vom 9. November 2011 bestätigt. Auch eine deutliche Herabsenkung - in Dänemark gibt es beispielsweise eine 2-%-Sperrklausel - würde dem Gesichtspunkt der Wahlrechtsgleichheit dienen.
Das Bundesverfassungsgericht hat von Anfang an gesehen, dass derartige Klauseln in einer Konfliktlage zum Grundsatz der Gleichheit der Wahl ste
hen, und zwar sowohl was den einzelnen Wähler als auch was die Parteien angeht. Wählerstimmen werden bei Anwendung einer solchen Klausel hinsichtlich ihres Erfolgswertes ungleich behandelt. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht über viele Jahre Fünfprozentklauseln für die Wahlen zum Bundestag, zu den Landtagen, im Kommunalwahlrecht und zum Europaparlament gebilligt.
Die Anordnung einer Sperrklausel durch den Gesetzgeber bedarf nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu ihrer Rechtfertigung eines zwingenden Grundes. Das wäre die Funktionsfähigkeit des Parlamentes oder auch das Ermöglichen einer stabilen Regierungsmehrheit. Kein zwingender Grund ist der Wunsch, bestimmten Parteien den Einzug in die Parlamente zu erschweren.
Extremistische Parteien können nicht über das Wahlrecht bekämpft werden. Oft werden trotzdem auch heute wieder - noch die sogenannten Weimarer Verhältnisse angeführt, um die Fünfprozentklausel zu rechtfertigen. Dieser Vergleich hinkt. Erstens ist die Demokratie in unserem Land wesentlich gefestigter als noch vor 80 oder 90 Jahren.
Zweitens zeigen andere europäische Staaten mit einem bunteren Parteienspektrum als bei uns - auch hier sei das Beispiel Dänemark mit acht dänischen Parteien und weiteren vier Parteien von den Färöern und Grönland im Folketing genannt -, dass die Parlamente bei ihnen funktionsfähig sind.
Sehen wir uns unsere Kreistage an, so hat auch da die Abschaffung der Fünfprozentklausel die Funktionsfähigkeit der Vertretungen nicht beeinträchtigt.
In die Auseinandersetzung über Sperrklauseln ist in den letzten Jahren, nachdem die Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sperrklauseln nie verstummt ist, Bewegung gekommen. Im Jahre 2008 hat das Bundesverfassungsgericht aufgrund eines Antrags der Grünen im SchleswigHolsteinischen Landtag die Fünfprozentklausel bei Kommunalwahlen für unzulässig erklärt.
Im Jahre 2011 entschied es, dass der mit der Fünfprozentsperrklausel im Europawahlgesetz verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlgleichheit und Chancengleichheit der poli
tischen Parteien unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen sei.
Somit kann man sich auch vorstellen, dass in Zukunft die Einschätzung von Verfassungsrichtern in Bezug auf Landtagswahlgesetze ähnlich sein könnte.
Die Frage, wie weit eine Sperrklausel für die Wahlen zu einem Landesparlament und ganz konkret zum Landtag in Schleswig-Holstein unter den gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen noch zu rechtfertigen ist, und zwar sowohl dem Grundsatz als auch der Höhe nach, ist auch und gerade im Lichte der Rechtsprechung sowohl des Landesverfassungsgerichts als auch des Bundesverfassungsgerichts durchaus ernsthaft zu stellen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir spannende und ergebnisoffene Ausschussberatungen und freuen uns auf diese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der PIRATEN möchte mit ihrem Gesetzentwurf erreichen, dass bei zukünftigen Landtagswahlen jede Partei, deren Landesliste mit der Zweitstimme wählbar war, an der Berechnung des Verhältnisausgleichs teilnimmt. Die bisher zur Landtagswahl geltende Fünfprozentsperrklausel soll entfallen.
Begründet wird dieser Antrag unter anderem damit, dass die Offenheit für neue Ideen, der politische Wettbewerb und die politische Vielfalt gestärkt werden sollen. Die Wählerstimmen für kleine Parteien würden nicht mehr wertlos entfallen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der verfassungsrechtliche Grundsatz der Wahlgleichheit bedeutet bei der Verhältniswahl, dass jede Wählerin und jeder Wähler mit ihrer oder seiner Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben muss. Es ist völlig unstrittig, dass die Anwendung einer Sperrklausel - welche Höhe