Protocol of the Session on December 14, 2012

„Der Landesrechnungshof ist eine selbstständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde.“

- Exekutivorgan

„Seine Mitglieder genießen den Schutz richterlicher Unabhängigkeit.“

Ziehen wir jetzt eine Linie zwischen diesen beiden Punkten, sollten auch Sie zu dem Schluss kommen, dass das oberste Organ der politischen Auseinandersetzung mit richterlicher Unabhängigkeit ganz bewusst nicht vereinbart werden sollte.

Vor dem Hintergrund dieser Gedanken schließt es sich aus, dass der Rechnungshof ein generelles Rederecht im Parlament erhält, weil er in dem Moment, in dem er zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung wird, als Person nicht mehr die richterliche Unabhängigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Dann wird er Gegenstand einer allgemeinen politischen Auseinandersetzung etwas, was wir nicht wollen können.

Denn nichts wäre schlimmer, als dass der Eindruck entsteht oder vermittelt wird, dass der Rechnungshof seine Unabhängigkeit nicht mehr wahrt, sondern selbst zum Gegenstand einer politischen Aktion oder von politischen Akteuren wird.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Ich möchte auch hier den Kollegen Dr. Stegner zitieren: Wenn es denn der Weiterbildung dient, gern.

Ich hoffe, dass ich etwas zu Ihrer Weiterbildung beitragen kann. - Ich verstehe noch nicht ganz den Unterschied, wieso der Präsident des Landesrechnungshofs in den Ausschüssen nicht in eine politische Auseinandersetzung hineingezogen wird, das aber im Plenum der Fall sein soll. Vielleicht könnten Sie mich da aufklären.

- Da kann ich Sie gern aufklären: Er muss und soll auf Antrag der Ausschussmitglieder muss er, ansonsten hat er das Recht - an Ausschusssitzungen teilnehmen; weil er dort zu jeder einzelnen Fachfrage hinsichtlich der fiskalischen, haushalterischen Auswirkungen gefragt werden kann. Das ist vom System her so angelegt und so wie bei jedem anderen Sachverständigen auch. Wir laden hierher auch keine Sachverständigen ein, um hier zu reden. Er gilt in den Ausschüssen als Sachverständiger hinsichtlich der Auswirkungen von politischen Überlegungen auf den Haushalt jetzt und in Zukunft. Er wird dort auch als Sachverständiger genutzt.

Wenn Sie ein Rederecht im Plenum einführen wollen, verlässt er die Rolle des Sachverständigen und wird zum Gegenstand der politischen Aktion. Das kann von Verfassung wegen nicht gewollt sein.

Herr Dr. Breyer, setzen Sie sich einfach wieder hin. - Im Ausschuss hören wir Gott und die Welt und selbstverständlich auch den Rechnungshof. Trotzdem kommt niemand auf die Idee zu sagen: Gott und die Welt sollten demnächst von diesem Podium aus reden.

(Zurufe und Heiterkeit)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, seine Eminenz hat sich gleich gemeldet. Kollege Tietze kann jetzt von seinem Rederecht Gebrauch machen in der Eigenschaft als Präsident der Synode.

In Ausschusssitzungen - deshalb ist die Anwesenheit des Rechnungshofs durch Mitarbeiter im Ausschuss wünschenswert - werden Plenarentscheidungen vorbereitet. Die Entscheidungen selbst werden im Plenum getroffen. Das ist nicht nur der Ort der politischen Willensbildung, sondern auch der politisch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verantwortliche Ort. Es ist der Landtag, es sind wir Abgeordnete, die die Verantwortung für Entscheidungen tragen müssen. Wir sind gut beraten,

(Wolfgang Kubicki)

wenn wir uns den Sachverstand des Rechnungshofs bei der Entscheidungsfindung zunutze machen, aber nicht versuchen, durch Redebeiträge des Rechnungshofpräsidenten Entscheidungsfindungen auszuhebeln oder gar nicht erst möglich zu machen.

Deshalb wird auch meine Fraktion der Einführung eines generellen Rederechts des Rechnungshofpräsidenten, der Präsidentin oder von wem auch immer aus dem Rechnungshof nicht zustimmen.

Herr Kollege Breyer, Transparenz hätte bedeutet, dass Sie auch erklären, dass Brandenburg das macht - das macht es übrigen auch nicht so, wie Sie sich das vorstellen, sondern da darf der den Jahresbericht vorstellen, und anschließend wird darüber debattiert -, dass aber 15 andere Bundesländer das nicht machen, aus gutem Grund. Dabei soll es auch bleiben.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landesrechnungshof überwacht laut der Verfassung und dem Landesrechnungshofgesetz aus dem Jahr 1991 die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes. Ich zitiere aus dem Gesetz:

,,Er untersucht hierbei die zweckmäßigste, wirtschaftlichste und einfachste Gestaltung der öffentlichen Verwaltung.“

Das macht er ausgesprochen professionell und gewissenhaft. Der Landesrechnungshof hat mit seinen Berichten oftmals den Finger in die Wunde gelegt. Das war nicht immer angenehm - wer auch immer gerade regierte -, aber in vielen Fällen sehr hilfreich.

(Beifall PIRATEN)

Ich habe die Passage aus dem Gesetz zitiert, um noch einmal an den genauen Auftrag des Landesrechnungshofs zu erinnern. Er soll nicht die Zielsetzung von Gesetzen und Beschlüssen überprüfen. Die Formulierung politischer Ziele obliegt nämlich dem Landtag. Die gewählten Abgeordneten ringen um den richtigen Weg, öffentlich und transparent. Wenn ein Gesetz beschlossen oder ein Beschluss gefasst worden ist, dann ist eine Entscheidung über

die politische Zielsetzung gefallen, deren Rechtmäßigkeit außer Frage steht.

Ob wir allerdings bei der Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen und in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns die richtigen und geeigneten Mittel wählen, genau das prüft der Landesrechnungshof. Die Ergebnisse seiner Prüfungen sind öffentlich zugänglich und werden in den Medien entsprechend gewürdigt.

Der Landesrechnungshof weiß sich Gehör zu verschaffen. Ich kann mich an Landtagssitzungen erinnern, in denen Stellungnahmen des Landesrechnungshofs sehr engagiert diskutiert wurden. Der Landtag bedient sich also bereits des Know-hows des Landesrechnungshofs, und in der täglichen Arbeit sind die Wege kurz.

In der Begründung des Antrags weisen die Antragsteller, die PIRATEN, dezidiert darauf hin, dass die Expertise des Landesrechnungshofs bereits ohne Rederecht des Präsidenten in Anspruch genommen wird. Ich möchte hinzufügen, dass die Prüfungsergebnisse auch ohne Rederecht bereits hinlänglich berücksichtigt werden. Es ist ja kein Geheimwissen, über das wir reden.

In der Begründung des Antrags offenbart sich allerdings auch das Problem des Ansinnens: Der Präsident oder die Präsidentin soll dazu beitragen, das Ziel der Reduzierung der Neuverschuldung und der Stabilisierung der finanziellen Lage zu erreichen. Damit gerät der Präsident des Landesrechnungshofs beziehungsweise seine Präsidentin mitten hinein in eine politische Debatte, und da gehören er oder sie nicht hin.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Wolf- gang Kubicki [FDP])

Andere Bundesländer räumen dem Landesrechnungshofpräsidenten bereits ein Rederecht bei der Vorstellung seines Berichts - und nur dort - ein. Darüber kann man gern diskutieren.

(Beifall PIRATEN)

Zuletzt hat der Landtag in Baden-Württemberg im Sommer diese Neuregelung in seiner Geschäftsordnung verankert. Erfahrungen mit diesem Vorgehen liegen bisher allerdings nicht vor, und diese sollte man abwarten, bevor man Anträge stellt.

Es wird sich noch zeigen, ob sich die Neuregelung dort bewährt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Landesrechnungshof in unseren Ausschüssen durchaus ein Rederecht hat und die

(Wolfgang Kubicki)

ses natürlich auch nutzt. Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalens hat sich in einer Stellungnahme ausdrücklich gegen ein Rederecht im Landtag ausgesprochen:

„Eine Stärkung der Finanzkontrolle wäre von einem Rederecht der Präsidentin/des Präsidenten nicht zu erwarten.“

So heißt es dort. Die politische Neutralität des Rechnungshofs sei gefährdet, wenn Fragen an den Präsidenten gerichtet würden, die ausdrücklich eine politische Aussage einfordern.

„Eine Teilnahme an politischen Erörterungen verträgt sich aber nicht mit den Aufgaben und der Stellung des Landesrechnungshofs als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle.“

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das schreibt der Landesrechnungshof NordrheinWestfalen in seiner Stellungnahme.

Es muss dabei bleiben: Der Landtag entscheidet über die politischen Zielsetzungen. Diese Ziele können unterschiedlich von den politischen Parteien bewertet werden, und jede Mehrheit in einem Parlament muss sich regelmäßig Wahlen stellen. Dieses demokratische Verfahren sollte hier nicht angetastet werden.

Wer den Landesrechnungshof zu einer politischen Instanz machen möchte, hebelt die Verantwortlichkeiten aus. Wir sollten uns nicht angewöhnen, uns hinter der Expertise zu verschanzen. Deren Knowhow sollen wir in der Umsetzung der politischen Ziele nutzen, die Entscheidungen treffen allerdings wir, denn dafür sind wir alle vom Volk gewählt worden. Das ist unsere Aufgabe, und daran haben wir uns zu halten. Deswegen hat der Landesrechnungshof hier kein Rederecht. Das ist auch vernünftig so. Wir sind diejenigen, die dem Volk gegenüber verantwortlich sind. Deswegen müssen wir für diese Sachen geradestehen. Der Landesrechnungshof möge uns gern wirtschaftliche Tipps geben. Dafür sind wir auch dankbar. Die werden wir dann bei Sinnhaftigkeit selbstverständlich auch beachten.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor wir zu Dreiminutenbeiträgen kommen, begrüßen Sie bitte mit mir den Vizepräsidenten des Niedersächsischen Landtags und stellvertretenden

Bürgermeister der Stadt Diepholz, Herrn HansWerner Schwarz, und den Bürgermeister, Herrn Dr. Thomas Schulze, mit einer Delegation der Stadt Diepholz als Gäste der FDP-Fraktion. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)