Protocol of the Session on March 24, 2017

Europa hat momentan viele Sorgen. Brexit, Rechtspopulisten, die Europa am liebsten ganz abschaffen wollen, sollen die Existenz der Europäischen Union infrage stellen. Solange wir aber mit unseren Nachbarn über gemeinsame Ziele sprechen, solange wir in der Lage sind, gemeinsame Initiativen zu starten und seien diese auch „nur“ kultureller Art, solange weiß ich, dass die europäische Idee lebt, die Idee von einem friedlichen, sozialen, geeinten Europa nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft, sondern als Wertekonzept, das in der Welt seinesgleichen sucht!

Abschließend, liebe Frau Ministerin, sage ich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich Danke für Ihren Einsatz und Ihr Bemühen um den europäischen Dialog, auch als die Zeiten rauer wurden - Sie haben unser Kaliningrader Hanse-Office angesprochen. Den mit Ihnen gemeinsam eingeschlagenen pro-europäischen Weg gehen wir gern weiter!

Herr Präsident! Die aktuelle Europapolitik der Landesregierung macht abermals deutlich, wie weit die Verflechtung Schleswig-Holsteins in Europa vorangeschritten ist, und verdeutlich, dass die Reaktion auf die gegenwärtigen Herausforderungen nicht in „weniger Europa“, sondern in „mehr Europa“ liegen muss.

In grenzüberschreitender Wirtschafts- und Sozialpolitik oder der Bekämpfung von Steuerdumping

ist kein Mitgliedstaat allein fähig, gute europäische Lösungen für Bürgerinnen und Bürger zu finden.

Angesichts eines fortwährendes Streites über eine europäische Flüchtlingspolitik sowie des Aufkommens und Erstarkens von demokratie- und europafeindlichen Parteien muss eine Diskussion über die Zukunft Europas geführt werden. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen - ungeklärtes gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingspolitik, Brexit, neue Finanzkrise, nicht zuletzt die fortwährende ökonomische Instabilität und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Mitgliedsländern -, sind zu komplex, als dass sie auf nationaler Ebene gelöst werden können.

Es müssen hierfür europäische Lösungen gefunden werden. 60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge stellt sich wieder die Frage, ob die Optimisten oder die Pessimisten Recht behalten werden.

Die Kandidatur des proeuropäischen französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron und die Wahl Alexander Van der Bellen geben Grund zur Hoffnung. Nachdem die über 70 Jahre andauernde europäische Integration dem Kontinent neben Frieden auch wirtschaftliche und politische Stabilität brachte, wurde die Unumkehrbarkeit dieses Projektes mit dem Ausgang des Referendums in Großbritannien erstmals infrage gestellt. Damit diese Krise nie dagewesenen Ausmaßes überwunden werden kann, müssen Abschottung und Kleingeistigkeit gegenüber Verhandlungsbereitschaft und sozialer Solidarität zurücktreten. Nur so kann Handlungsfähigkeit erhalten bleiben.

Die Lösungen müssen Grenzen überschreitende Kooperationen und partnerschaftliches Miteinander sein, da durch sie innovative Lösungen erst ermöglicht werden. Die EU wird weiterhin von vielen Menschen außerhalb als Hort von Stabilität und Frieden bewundert. Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Anfang März in einer Rede vor dem Europäischen Parlament zu Recht angemahnt, die Sorgen und Ängste der Bürger ernst zu nehmen.

Dies darf aber nicht dazu führen, dass die EU fortwährend für alles in Haftung genommen wird, was nicht klappt. Die enormen Errungenschaften der EU müssen gewürdigt werden und dürfen nicht zur Selbstverständlichkeit verkommen.

Der vorliegende Bericht greift eine große Bandbreite bedeutsamer Themen auf, wodurch es schwerfällt, einzelne Themen besonders hervorzuheben. An dieser Stelle muss aber auf weitere Schwer

(Regina Poersch)

punkte der Europapolitik in dieser Legislaturperiode eingegangen werden. Sie fokussieren sich insbesondere auf die deutsch-dänische und die Ostseekooperation.

Ungeachtet der abweichenden Positionen bei Grenzkontrollen und Flüchtlingsaufnahme war die Zusammenarbeit mit der dänischen Regierung erfreulicherweise zu keinem Zeitpunkt enger und vertrauensvoller als im Moment. Eng verbundene Regionen können sich innerhalb Europas wechselseitig stärken. Entlang der deutsch-dänischen Grenze ist in den letzten Jahrzehnten ein prosperierender Wirtschaftraum entstanden. Mit der Umsetzung des „Rahmenplans für die deutsch-dänische Zusammenarbeit“ wurden die grenzüberschreitende Kooperation und das Zusammenwachsen der Regierungen vorangetrieben. Die Kooperation reicht mittlerweile weit über den lokalen und kommunalen Bereich hinaus. Die Umsetzung gelang glücklicherweise schneller und weitreichender als ursprünglich angenommen, angefangen bei Kooperationen im Bereich von Energie-Clustern über eine Reihe strategischer INTERERREG-Projekte unter Beteiligung von Schleswig-Holstein und Dänemark bis hin zum Werben für einen Beobachterstatus Schleswig-Holsteins beim Nordischen Rat. So sind wir eben auch südlichste Region Skandinaviens. Diese Erfolge dürfen nicht durch Abschottung und Grenzkontrollen gefährdet werden.

In der Ostseeregion trägt die Ostseepolitik und interregionale Zusammenarbeit durch Einbindung von Parlamenten, Zivilgesellschaft und Wirtschaft Früchte. In über 20 Netzwerken arbeiten diese Akteure zusammen. Exemplarisch steht hierfür die Ostseeparlamentarierkonferenz BPSC. Dieses Format kann Lösungen für grenzüberschreitende Herausforderungen entwickeln und positive Auswirkung auf die gemeinsame Entwicklung und Lebensverhältnisse in der Region haben.

Ein weiteres Projekt ist die gemeinsame Koordination des Politikbereichs Kultur mit dem polnischen Ministerium für Kultur und nationales Erbe, wodurch das Fundament für eine Weiterentwicklung der kulturpolitischen Zusammenarbeit im Ostseeraum geschaffen werden kann.

Es lohnt sich eben, für ein friedliches, sozialeres, ökologisches und demokratisches Europa zu streiten. So ist Europa stabil und handlungsfähig.

Herr Präsident! Schleswig-Holstein hat auch während der zurückliegenden 15 Monate in bewährter

Form europäische Programme genutzt und mit anderen europäischen Regionen zusammengearbeitet, und es hat sich im Rahmen der Zuständigkeit des Bundesrats auch an Entscheidungsprozessen innerhalb der EU beteiligt.

In der nächsten Zeit stehen in der Europäischen Union Entscheidungen bevor, die sehr tiefgreifende Auswirkungen haben werden. Das beginnt mit dem Brexit, dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU, und den damit verbundenen Folgen für die EU-Programme und deren Finanzierung, aber auch für die Stellung der Europäischen Union in der Welt.

Außerdem ist Großbritannien für Schleswig-Holstein neben den Niederlanden und Dänemark der wichtigste Außenhandelspartner in Europa. Neben der Frage, wie der Brexit praktisch umgesetzt wird, ist für uns daher vor allem wichtig, wie sich die Briten die künftigen Beziehungen zur EU vorstellen und welche Lösungen dazu bei den anstehenden Verhandlungen gefunden werden.

Erfreulicherweise hat die Mehrheitsentscheidung der britischen Wähler - jedenfalls bislang - nicht dazu beigetragen, die zentrifugalen Kräfte in der Europäischen Union noch weiter zu verstärken. Es hat vielmehr eher den Anschein, dass der Brexit, aber auch die Herausforderungen, die mit der Wahl des neuen Präsidenten der USA verbunden sind Stichwort: Protektionismus -, zu einer Neubesinnung beigetragen, die Europa wieder zusammenrücken lässt.

Der Ausgang der Wahlen in den Niederlanden ist jedenfalls ein erfreuliches Signal. Hoffentlich wird ein solches Signal auch aus der bevorstehenden Präsidentschaftswahl in Frankreich hervorgehen, indem die französischen Wählerinnen und Wähler die Kandidatin des Front National in die Schranken verweisen.

Das Stichwort „in die Schranken verweisen“ gilt auch für einen anderen Akteur aus dem rechtspopulistisch-despotischen Lager: den Präsidenten der Türkei. Die Art und Weise, wie Herr Erdogan gegen Mitgliedstaaten der EU Stimmung macht und wüste Drohungen ausstößt, hat das Fass nun wirklich zum Überlaufen gebracht.

Mit der unaufgeregten Deutlichkeit, wie sie der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte vorbildlich an den Tag gelegt hat, sollte die EU Herrn Erdogan jetzt nicht nur widersprechen, sondern sie sollte auch so konsequent sein, die Beitrittsgespräche mit der Türkei zu beenden. Solange sich die Verhältnisse in der Türkei nicht grundlegend im

(Bernd Voß)

Sinne europäischer Werte und Ideale ändern, kann eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union auf keinen Fall infrage kommen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 60 Jahre nach den Römischen Verträgen sitzen wir hier im Landeshaus und nehmen einen Europabericht zur Kenntnis, der zwar schön ist, aber keinen Ausblick auf die Zukunft Europas wagt.

Während die Briten den Austritt aus der Europäischen Union verkünden wollen, verschließt die Landesregierung in diesem Bericht die Augen vor der bitteren Realität: Die EU droht aufgrund der Wiedererstarkung nationalistischer Kräfte in Großbritannien, in Frankreich, in den Niederlanden, in Polen, in Ungarn aber auch bei unseren direkten Nachbarn, Dänemark, zu zerbrechen.

60 Jahre nach dem Unterzeichnen der Römischen Verträge brauchen wir eine mutige Vision, wie die europäische Einigung fortgeführt werden kann. Stattdessen haben wir einen mutlosen Kommissionspräsidenten, der zwischen einem „Weiter so!“, einer EU der zwei Geschwindigkeiten oder gar einem exklusiven „Kerneuropa“ schwankt.

Dabei existiert dieses Kerneuropa, bestehend aus der Schengen- und Eurozone und unter deutscher Führung, schon längst. Dies ist auch der Grund, warum Süd- und Osteuropäer die derzeitige Entwicklung der Europäischen Union mit berechtigter Skepsis betrachten.

Was ist von diesem grenzenlosen Europa geblieben? Heute vor 16 Jahre endeten die Grenzkontrollen zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein. 16 Jahre später ist das grenzenlose Europa hier im Norden Geschichte. Es wird an der deutsch-dänischen Grenze wieder kontrolliert.

Es kann und darf nicht sein, dass Schotten und Nordiren von Europa im Stich gelassen werden, nur weil eine knappe Mehrheit der Briten die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU ablehnt. Wenn die Schotten in der EU bleiben wollen, dann sollten wir - und auch die Engländer - diesen Wunsch respektieren.

Uns PIRATEN fehlt in dem Bericht die klare und deutliche Aussage, wohin die Reise gehen soll!

Ein weiteres Beispiel für die Mutlosigkeit der Europäischen Union ist die gescheiterte Flüchtlingspolitik. Länder wie Italien und Griechenland werden mit der Last alleingelassen. Zusagen zur Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten werden

ignoriert. Während man Trumps Pläne, eine Mauer zwischen Mexiko und den USA zu errichten, belächelt oder als unmenschlich kritisiert, wird an der Südostgrenze der EU eine ebensolche Mauer errichtet - FRONTEX.

Die Bundesregierung geht einen Flüchtlingsdeal mit der Türkei ein, und in der Hoffnung, dass die Türkei die Grenzen schließt, ignoriert man die Gleichschaltung der türkischen Presse und Justiz und ignoriert die dortigen Menschenrechtsverletzungen. Ist diese Appeasement-Politik gegenüber Erdogan es wert, unsere europäischen Grund- und Menschenrechte aufzugeben?

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist diese Abschottungspolitik noch mit den europäischen Grund- und Menschenrechten vereinbar? Ist es mit unserem Verständnis der Menschenrechte vereinbar, in autoritären Staaten oder Diktaturen, in denen teilweise sogar Bürgerkriege herrschen, Auffanglager zu errichten?

Wir entfernen uns von dem europäischen Gedanken, den Robert Schuman, Jean Monnet, Paul-Henri Spaak und Konrad Adenauer einst hatten. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die Mehrheit der jungen Mittel- und Osteuropäer trotz der Nationalchauvinistischen aus Warschau und Budapest die Europäische Union als Friedensgarant schätzen. Es sind wie nach dem Krieg die jungen Europäer, die sich von der nationalistischen Rhetorik der Populisten nicht beeindrucken lassen und die Freiheit und Demokratie des Staatenbundes zu schätzen wissen.

Diese Menschen sind trotz aller antieuropäischen Ressentiments überzeugt, dass die Mehrheit an die Grundidee der Europäischen Union, an Reformen und die Weiterentwicklung glauben. Während antieuropäische und nationalistische Parteien in Europa immer stärker werden, demonstrieren unter dem Motto #PulseOfEurope in mehr als 20.000 Menschen in 60 europäischen Städten für ein demokratisches und vereintes Europa. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Präsident! Europa bleibt ein Projekt, für das wir uns immer wieder einsetzen müssen. Wir beobachten in der ganzen Welt nationalistische Strömungen, das Erstarken der Rechten, das Denken in Grenzen und Abschottungen. Wir beklagen tiefe Konflikte in der gemeinsamen Flüchtlingspolitik, wenn sich einzelne Staaten weigern, sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen, statt gemeinsame

(Dr. Ekkehard Klug)

europäische Solidarität zu leben. Dabei brauchen wir immer noch eine gerechte Verteilung von Schutzsuchenden. Die derzeitigen Zustände an den Außengrenzen Europas sind schrecklich und unhaltbar.

Wir brauchen im Kleinen und im Großen deutliche Bekenntnisse zur Europäischen Union. Wir dürfen uns nicht abschotten, zurückziehen und uns unsere Offenheit verbauen lassen. Wenn wir gemeinsam handeln, füreinander einstehen und miteinander für dieses gemeinsame Europa kämpfen, bewahren wir etwas, was es in dieser Welt so kein zweites Mal gibt. Wir brauchen einen europäisch-internationalen Austausch für ein europäisch-internationales Denken. Und wir in Schleswig-Holstein gehen mit gutem Beispiel voran. Wir denken weltgewandt und grenzüberschreitend!

Unsere Landesregierung hat die Bedeutung der europäischen Integration immer wieder deutlich gemacht und die Weiterentwicklung der EU immer als Projekt der europäischen Grundwerte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der friedlichen Entwicklung und der sozialen Solidarität behandelt.

Der uns vorliegende Bericht macht deutlich, was das konkret für unser Bundesland auf den verschiedenen Ebenen bedeutet: Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Hanse-Office eine direkte Verbindung zur parlamentarischen Ebene in Brüssel haben. Das Hanse-Office hat in beide Richtungen einen großen Nutzen. Unsere Interessen werden dort wahrgenommen, wir werden zuverlässig über aktuelle politische Vorgänge, Rechtsetzungsverfahren und Förderprogramme informiert, und nicht zuletzt profitieren wir davon, frühzeitig in die Meinungsbildung auf europäischer Ebene eingebunden zu werden. Zudem haben wir mit Jan Diedrichsen einen zuverlässigen und kompetenten Interessenvertreter Schleswig-Holsteins im Haus der Regionen in Brüssel.

Auch mit Blick in den europäischen Norden hat sich einiges getan. Durch den neuen Beobachterstatus Schleswig-Holsteins im Nordischen Rat haben wir einen direkten Zugang zu einem nordeuropäischen Netzwerk erhalten. Hier war unsere Ministerin Anke Spoorendonk Türöffnerin, und ich freue mich schon sehr darauf, Anfang April mit Birte Pauls Schleswig-Holstein in Stockholm zu vertreten. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP für die Zustimmung in dieser Sache.

Das Verhältnis mit unserem direkten nordischen Nachbarn war noch nie so gut wie heute. Unsere

grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat sich mit der Umsetzung des „Rahmenplans für die deutschdänische Zusammenarbeit“, der 2015 in seiner Art erstmals vorgelegt wurde, und den Zusammenarbeitserklärungen der Regionen Sønderjylland und Sjælland wirklich lobenswert und effizient entwickelt. Unsere INTERREG-Programme sind dabei die wichtigsten Instrumente in der Umsetzung und Vertiefung der deutsch-dänischen Zusammenarbeit.

Wir kommen mit der Umsetzung des Rahmenplans, wie sich auch aus dem Bericht entnehmen lässt, auf mehreren Ebenen deutlich schneller voran, als ursprünglich einmal geplant, und das, indem wir grenzüberschreitend Wirtschaftsräume miteinander verflechten, Infrastrukturplanungen aufeinander abstimmen, deutsch-dänische Bildungs- und Forschungsvorhaben gemeinsam ausbauen und das grenzüberschreitende kulturelle Miteinander fördern.

Durch die deutsch-dänische Ministererklärung wurde unser Land direkter Partner der dänischen Regierung. Noch im letzten Monat hat unsere Ministerin für Justiz, Kultur und Europa die neuen Vereinbarungen Sønderjylland-Schleswig 2017 bis 2020 unterzeichnet und erst gestern weitere Kooperationsvereinbarungen mit der Region Süddänemark vereinbart. Wir werden in Zukunft im Tourismus, in der Gesundheitswirtschaft, in der Kulturarbeit, in der Bildung und Forschung noch näher mit Süddänemark zusammenrücken, und das freut uns natürlich ganz besonders.