Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Praktikum dient dazu, praktische Erfahrungen für ein zukünftiges Berufsleben zu machen. Leider setzen viele Unternehmen, zeitweilig auch die öffentliche Hand oder auch gemeinnützige Unternehmen, Praktikantinnen und Praktikanten oft als billige Arbeitskräfte ein. Um es gleich vorweg zu sagen: Das finde ich nicht okay.
Praktika - an sich etwas Gutes. Ich selbst habe in meinem Berufsleben zahlreiche Praktika, übrigens bezahlte und unbezahlte, absolviert. Ich möchte sagen, dass ich es immer als Bereicherung empfunden habe, sowohl aus der Perspektive eines bezahlten, aber durchaus auch aus der Perspektive eines nicht bezahlten Praktikanten. Man kommt theoriegeschwängert aus dem Studium in die Praxis und ist dann doch etwas erstaunt, wie Praxis funktioniert. Manchmal ist man dann sehr dankbar, dass man auf Menschen trifft, die einem dieses theoretische Wissen ein bisschen ordnen und sagen: Schau mal, es gibt auch noch einen Sitz im Leben, das kannst du in diesem Praxisbetrieb erreichen. Es dient auch zur Selbstvergewisserung, zur fachlichen Vertiefung des erworbenen Wissens.
Schnupperpraktika hieß das in unserer Zeit. Bei mir war es, einmal hineinzuriechen in die hauptamtliche Leitung eines Jugendzentrums.
Aber ich finde auch, dass sich heute - ich sehe das auch bei meinen eigenen Kindern - viele junge Leute, gut ausgebildete Leute für einen Beruf entscheiden und diesen Praxisweg gar nicht mehr gehen wollen. Wir haben auch durch den Bologna-Prozess, Bachelor und Master, erreicht, dass die Studienzeit kürzer wird und wir mit dem Bachelor in den Beruf gehen sollen, um dann aus dem Beruf heraus den Master zu machen.
Also, man muss bei dieser Debatte den Fokus schon auf Unternehmen lenken, die für wenig Geld Leute ausbeuten. Ich habe das einmal recherchiert. Ganz besonders prägnant ist das in der Werbe-, in der Medien- und in der Grafikbranche. Da werden oftmals auch junge Grafikdesigner im Praktikum eingestellt, und diese Produkte werden entsprechend verkauft.
Deshalb gibt es dafür in der Wissenschaft auch einen Begriff, nämlich die sogenannte Floundering Period, also eine Phase, in der man zappelt wie eine
Fakt ist, viele machen ein Praktikum, weil sie es müssen, weil Ausbildung und Studium die Praxis vorsehen, weil der Arbeitgeber es verlangt - kennenlernen - und weil der Arbeitsmarkt nichts anderes hergibt; ich spreche da vom Prekariat.
Insofern, liebe PIRATEN, legen Sie den Finger genau in die Wunde, wenn Sie faire Arbeitsbedingungen für Praktikantinnen und Praktikanten thematisieren. Ich bin dafür sehr dankbar.
Auch meine Fraktion beschäftigt Praktikantinnen und Praktikanten. Wir geben ihnen Wertschätzung und Anerkennung - im Übrigen auch gerechte Entlohnung. Wir sind stolz auf die vier jungen Leute, die bei uns arbeiten, die sich für uns entscheiden. Deshalb erhalten unsere Praktikanten, die von der Uni kommen, einen festen Vertrag und circa 400 € im Monat. Sie bekommen ein qualifiziertes Zeugnis. Vielen unserer ehemaligen Praktikantinnen und Praktikanten übrigens konnten wir feste Jobs anbieten. Andere sitzen heute in Landesparlamenten, im Bundestag oder sogar im Europaparlament.
Unsere Schülerpraktikantinnen und -praktikanten immer wieder zahlreich in unserer Fraktion vorhanden - bekommen zwar keine Entlohnung, dafür aber freies Essen, Getränke und ein kleines Geschenk zum Abschied.
Also, liebe PIRATEN, vieles, was Sie fordern, kann ich zumindest für meine Fraktion sagen, erfüllen wir in unserer Fraktion. Auch die Landesregierung richtet sich nach der Praktikanten-Richtlinie, die die Tarifgemeinschaft der Länder erlassen hat. In dieser Richtlinie sind die Standards gefordert. Ich habe vernommen, dass sich die Landesregierung auch an diese Standards hält.
Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken äußern, weil Sie so auf die Belohnung abzielen. Ich habe vorhin zu Beginn schon gesagt: Ein Praktikum ist immer auch ein Lernprozess. Ich habe gesagt, dass ich in meiner Berufslaufbahn als Sozialpädagoge viele Praktikantinnen und Praktikanten betreut habe und immer darauf geachtet habe, dass ich ihnen mein ganzes Wissen quasi umsonst zur Verfügung gestellt habe. Es war, wie vielleicht auch bei Ihnen, eine Frage der Ehre.
Das Prinzip, was ich übrigens auch selber erfahren habe, nämlich das Prinzip „Nutzen statt Haben“. Ja, es waren auch einige Praktikantinnen und Praktikanten dabei, die haben mehr Zeit beansprucht, als ich eigentlich für sie eingeplant hatte. Aber auch da gibt es einige erfolgreiche Menschen. Ich habe sie letztes Jahr wiedergetroffen, einige leiten heute Kitas, andere arbeiten in Ämtern. Es ist schon interessant, man bekommt nach 15 Jahren dann eine Rückmeldung: Übrigens danke, dass du dir damals Zeit genommen und mir gute Tipps gegeben hast. Ich nehme an, bei Ihnen ist es genauso. Das ist nicht nur mit Geld zu bezahlen. Es ist ein Tauschprinzip.
Deshalb ist es wichtig, dass es ein faires Prinzip bleibt. Aber wenn es kapitalisiert wird und jemand versucht, Geld damit zu verdienen, dann ist es die Frage einer gerechten Entlohnung.
Aber, liebe PIRATEN, es ist immer ein bisschen beides. Vielleicht sollten wir das bei aller Wertschätzung Ihrem Antrag gegenüber sagen, dass wir das auch in der Frage der Praktikanten sehen. Und für mich gilt der Grundsatz
- und lassen Sie mich mit dem Satz schließen -, der schon in der Bibel steht, Herr Präsident, nämlich im Dritten Buch Mose: Wer für dich arbeitet, dem gib auch gerechten Lohn! - Vielen Dank.
Ich möchte an dieser Stelle den Hinweis geben, dass die FDP-Fraktion ebenso wie die Landesregierung ihren Beitrag zu Protokoll gibt. Dann hat jetzt für die Fraktion der Abgeordneten des SSW Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ein gutes Praktikum funktioniert im Idealfall wie eine Brücke, eine Brücke aus der Arbeitslosigkeit in einen Job, vom Studium auf den
Arbeitsmarkt oder von der Schule in den Ausbildungsbetrieb. Ich kenne mehrere Handwerksbetriebe, die das Praktikum zur Voraussetzung für den Abschluss eines Ausbildungsvertrags machen. Sie wollen sich ein Bild davon machen, wie sich der zukünftige Kollege im betrieblichen Alltag bewährt und wie belastbar er tatsächlich ist. So etwas kann man aufgrund eines kurzen Bewerbungsgesprächs nicht beurteilen. Die Abbrecherquote ist in diesen Betrieben niedriger, denn ein Praktikum gibt auch dem jungen Menschen einen guten Einblick in das Berufsfeld und die Aufgaben.
Nach dem Schulgesetz gehört das Praktikum ausdrücklich zum Auftrag der Schule, die junge Menschen zur Teilnahme am Arbeitsleben und zur Aufnahme einer hierfür erforderlichen Berufsausbildung befähigen soll. Diese Berufsorientierung kann man nicht in der Schule aus Büchern lernen, sondern eben nur in einem Betrieb selbst. Ergänzend wird das sogenannte Praktikum plus entwickelt, um die Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt besser zu unterstützen. Die Jugendlichen ergänzen ihre praktischen Erfahrungen in einem Betrieb durch den Besuch einer beruflichen Schule, also ein vielversprechendes und vertiefendes Praktikum.
Es gibt auch negative Erfahrungen. Ein schlechtes Praktikum ist eine Sackgasse. Es dient nur den Interessen des Betriebs, dem mit einem Praktikanten eine billige Arbeitskraft zur Verfügung steht. Die Arbeitsagenturen kennen eine Reihe schwarzer Schafe, die die Standards unterlaufen. Das funktioniert in der Regel so: Da, wo es etwas zu holen gibt, betätigen sich auch Betrüger. Auf diese Weise ist das Praktikum an einigen Stellen zu einem sehr schlechten Ruf gekommen. Bekannt geworden sind monatelange unbezahlte Praktika in der Marketingund Medienbranche, die sich aus dem Bewerberüberschuss freigiebig bedient haben.
Eine funktionierende Kontrolle allerdings kann diesen Markt sehr schnell austrocknen. Die Arbeitsagenturen beobachten beispielsweis ganz genau, wohin sie Arbeitssuchende ins Praktikum vermitteln und was nach der Vermittlung passiert. Sollte es sich zeigen, dass die Praktikanten ausgenutzt werden, wird die Vermittlung im Handumdrehen eingestellt.
Diese Standards sollten natürlich auch für die Landesregierung und ihre Behörden gelten. Ihnen kommt eine besondere Vorbildfunktion als Arbeitgeber zu. Die Mindeststandards bezüglich Bezahlung, Praktikumsinhalten und Praktikumsdauer sehe ich aber als gegeben an. Eine Skandalisierung der
Praktika innerhalb der Landesregierung hat überhaupt keine Grundlage. Die Zahlen über Praktikanten zeigen, dass sich die Landesregierung dieser Verantwortung stellt.
Wir haben diese Faktenlage allerdings noch nicht abschließend im Wirtschaftsausschuss beraten. Das ist zwar bedauerlich, aber angesichts des nahenden Endes der Legislaturperiode nicht überraschend. Ich will ganz klar sagen: Der SSW lehnt diesen Antrag und die Aufhebung der Ausschussüberweisung ab. Ich frage mich ganz ehrlich, warum wir so spät noch so ein Ding auf den Tisch bekommen haben. Ich denke nicht, dass sich dieses Thema wirklich für den Wahlkampf eignet, wenn das der Sinn war. - Jo tak.
Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen, wenn jetzt niemand widerspricht. Das ist gewünscht, sogar von den Antragstellern selbst. Es geht um die Drucksache 18/5334. Wer diesem Antrag der Piratenfraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das ist die Piratenfraktion. Gegenstimmen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
b) Traditionsschifffahrt retten - Sicherheitsvorschriften für Traditionsschiffe mit Augenmaß anpassen, umsetzen und anwenden
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/5320
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann hat der älteste vorliegende Antrag Vorrang. Deshalb hat die FDP-Fraktion und für sie der Abgeordnete Christopher Vogt das Wort.