Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum ist diese Debatte, die wir hier heute führen, eigentlich so wichtig? Es geht um die Wähler in unserem Land und um ihr Recht auf freie und faire Wahlen.
Dass in einer Demokratie die Regierungsmacht immer nur bis zur nächsten Wahl, also auf Zeit, verliehen wird und dass dann in freien Wahlen jede andere Partei auch gleiche Chancen haben muss, an die Macht zu kommen, das ist wirklich eine demokratische Errungenschaft und ein Juwel, auf das wir stolz sein können und das wir verteidigen müssen.
Gleiche Chancen zu garantieren, unterscheidet uns ja auch von autoritären Regimes wie der Türkei oder wie Russland, wo Oppositionelle verfolgt und die kritische Öffentlichkeit gleichgeschaltet werden. Natürlich gibt es so etwas bei uns nicht; bei uns findet im Wahlkampf eher ein Informationskrieg statt, in dem leider auch nicht immer die Grenzen der Verfassung und der Gesetze eingehalten werden. Insofern ist das Verhalten dieser Landesregierung kein Einzelfall. Lassen Sie mich drei Beispiele nennen:
Im Zuge der Barschel-Affäre sollte etwa ein politischer Konkurrent bespitzelt und diskreditiert werden. Eine modernere Form dessen haben wir neulich in den USA erlebt, wo durch einen Hacker-Angriff letztlich Material gegen eine politische Partei ausspioniert und veröffentlicht wurde. Wir haben aber auch in Deutschland erlebt, dass etwa die CDU schwarze Kassen angelegt und dieses Geld auch im Wahlkampf eingesetzt hat. Bei der letzten Landtagswahl hatte der Vorsitzende der letzten FDPBundestagsfraktion, Herr Brüderle, Wahlwerbebriefe verschickt, die das nordrhein-westfälische Verfassungsgericht als Verstoß gegen das Mäßigungsverbot verurteilt hat. Aber trotzdem wurden die Mittel meines Wissens nie zurückgezahlt.
Dass Herr Ministerpräsident Albig und seine Minister ihr Amt im vorliegenden Fall missbraucht haben, um für ihre Wiederwahl zu werben, das steht für uns PIRATEN außer Frage.
Weil wir aber den Antrag der CDU-Fraktion nicht in allen Einzelheiten teilen - zum Beispiel heißt es im zweiten Absatz sinngemäß, die entsprechenden Ministerschreiben dienten einzig und allein der Wahlwerbung; das sehen wir nicht so -, beantragen wir eine separate Abstimmung über den dritten Absatz, wie es der Herr Oppositionsführer auch schon getan hat. Diese Missbilligung, die darin enthalten ist, sprechen auch wir PIRATEN aus.
Trotz aller Missbilligung, zu reparieren sein wird der durch die Schreiben und Werbevideos entstandene Schaden kaum. Deshalb wäre es sinnvoll und nötig, Herr Ministerpräsident, dass Sie durch einen Erlass, durch ein Rundschreiben, die Grundsätze der Wahlwerbung klarstellen, wie das auch frühere Ministerpräsidenten getan haben, und noch einmal ganz klar zeigen, was im Wahlkampf nicht erlaubt ist; und daran sollten Sie sich auch selbst halten.
Wir PIRATEN haben schon im letzten Jahr vorgeschlagen: Lassen Sie uns doch vor Wahlen eine Wahlinformation an alle Wähler versenden, in der jede Partei die Chance bekommt, ihre Position darzustellen. So etwas macht die Schweiz schon seit Jahren mit großem Erfolg, und das sorgt für gleiche Chancen im Wahlkampf.
Wir dürfen aber auch nicht bei dem konkreten Anlass stehen bleiben, der uns hier zur Missbilligung vorliegt. Die Wahlwerbung durch diese Landesregierung wirft allgemein die Frage auf: Haben eigentlich alle Parteien die gleichen Chancen im Wahlkampf, wie es unsere Verfassung verlangt? Da, finde ich, ist es eigentlich um die Chancengleichheit schlecht bestellt. Das fängt schon damit an, dass in Deutschland juristische Personen, also Unternehmen, die gar nicht wahlberechtigt sind, Parteien Spenden zahlen dürfen und dadurch den ihnen nahestehenden Parteien Werbung im Wahlkampf finanzieren dürfen. Ist das eigentlich richtig? Es geht weiter damit, dass natürliche Personen in unbegrenzter Höhe Parteispenden leisten dürfen, was es natürlich den Wohlhabenden, den Reichen in stärkerem Maße ermöglicht, eine Aufmerksamkeit für die ihnen nahestehende Partei zu finanzieren, als es Parteien können, die für die weniger Wohlhabenden eintreten.
ten sind, natürlich auch einen finanziellen Vorteil gegenüber den anderen haben. Neue und kleine Parteien sind auch wegen der Sperrklausel und der Angst der Wähler vor einer verlorenen Stimme vielfach chancenlos. Deswegen haben wir eine Diskussion darüber angestoßen, ob man nicht eine Ersatzstimme einführen sollte, um die Chancengleichheit der Parteien, auch kleiner Parteien, besser zu gewährleisten.
Hinzu kommt, dass einige Schulen in unserem Land zu Diskussionsveranstaltungen nur die schon im Landtag vertretenen Parteien einladen. Auch das ist ein Problem mit Blick auf gleiche Chancen.
Ich beobachte in vielen Ländern im Moment mit Sorge, dass sich die Menschen dann, wenn bei einer Wahl quasi zwischen den bisherigen Parteien beziehungsweise dem bisherigen Establishment und einem radikalen Bruch im Sinne eines autoritären Staats entschieden werden kann, oft beziehungsweise zu oft für den Nationalismus entscheiden.
Deswegen werbe ich dafür, die Spielregeln neu zu gestalten, damit innerhalb des demokratischen Systems und auf seiner Grundlage eine echte Veränderung möglich wird. Demokratie braucht freie Wahlen und auch das Vertrauen der Bürger. Lassen Sie uns alle um dieses Vertrauen werben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schlussfolgerungen des Wissenschaftlichen Dienstes sind eindeutig, und eigentlich bräuchten wir hierfür nicht auch noch ein weiteres Urteil des Landesverfassungsgerichts. Aber es schadet auch nicht, wenn eine im Landtag vertretene Partei von ihrem Recht Gebrauch macht, dieses noch einmal verfassungsrechtlich durch das zuständige Gericht bestätigen zu lassen. Wenn also von diesem Recht Gebrauch gemacht wird, werden wir dies mit Sicherheit nicht kritisieren; denn es
Dabei gehe ich davon aus, dass durch die beiden Minister nicht beabsichtigt war, Wahlwerbung zu betreiben. Ich glaube sogar, dass solche Schreiben auch nicht unbedingt einen entsprechenden Effekt haben. Aber das kann jeder selbst beurteilen. Das Verfassungsgericht wird ja nicht nur anhand der wissenschaftlichen Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes die Schreiben an sich beurteilen müssen, sondern eben auch, ob eine entsprechende Absicht dahinter gestanden hat. Meine Einschätzung hierzu haben Sie schon gehört.
Trotzdem bleibt, dass Teile der Schreiben inhaltlich über das hinausgegangen sind, was eigentlich vertretbar ist. So sieht es zumindest jetzt aus. Da ist das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ziemlich eindeutig. Deshalb muss es doch nun unsere Schlussfolgerung sein, dass wir erstens die im Gutachten zur Kenntnis gegebenen Grundlagen eines fairen Wettbewerbs für uns anerkennen und dass wir zweitens zusagen, dass wir uns in Zukunft genau an diese Spielregeln halten werden. Aus unserer Sicht sollten wir das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes und auch den Inhalt des zukünftigen Urteils des Landesverfassungsgerichts zum Anlass nehmen, über Spielregeln nachzudenken, die wir uns gemeinsam geben, damit solche Schreiben oder andere Aktionen so nicht mehr stattfinden können.
In einer Demokratie geht es auch um Fairness. Und diese Fairness darf auch nicht ungewollt untergraben werden. Deshalb sind Spielregeln nötig. Wir sollten uns gleich nach der Wahl zusammensetzen und hierfür die Spielregeln aufstellen. Bis dahin, meine Damen und Herren, sind die Schlussfolgerungen des Wissenschaftlichen Dienstes die Richtschnur, an der wir uns orientieren müssen und an der wir uns auch orientieren werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Harms, ich bedaure, dass Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, sonst hätte ich Ihnen nämlich gesagt, dass ich es im Hinblick auf Ihre Einschätzung auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes - ich teile diese Einschätzung voll und ganz - angemessener gefunden hätte, wenn ein Vertreter der Sozialdemokratie, zum Beispiel der Vorsitzende der SPD-Fraktion, oder vielleicht auch ein Vertreter der Regierung schlicht und ergreifend heute die Größe gehabt hätte, sich hier hinzustellen und zu sagen:
Ja, wir haben da einen Fehler gemacht, wir haben hier über die Stränge geschlagen, das kommt nicht mehr vor! - Dies wäre doch besser gewesen, als dass man hier eine Rede des Vorsitzenden der SPDFraktion ertragen muss, die das Ganze nicht besser, sondern nur noch schlimmer gemacht hat.
Insofern bin ich Ihnen ausgesprochen dankbar für Ihren Redebeitrag, Herr Kollege Harms, weil er genau das zum Ausdruck gebracht hat, was die FDPFraktion in dieser Sache denkt und fühlt.
Ich appelliere noch einmal sowohl an die Mitglieder Ihrer Gruppe als auch an die Kolleginnen und Kollegen der Grünen: Fraktionszwänge und Koalitionszwänge müssen ja nicht so weit gehen, dass man sich in Mithaftung nehmen lässt für etwas, was man selber gar nicht zu verantworten hat.
Ich finde, nach der Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden muss man dieses Vorgehen missbilligen, wenn jetzt noch nicht einmal ein Regierungsvertreter die Chance ergreift, sich schlicht und ergreifend vor dem Parlament dafür zu entschuldigen.
Seitens der CDU-Fraktion ist namentliche Abstimmung über Absatz 3 des Antrages beantragt worden. Das hierfür erforderliche Quorum ist erfüllt.
(Namentliche Abstimmung) 1 Präsident Klaus Schlie: Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Dem Absatz 3 des Antrages haben 32 Abgeordnete zugestimmt, 35 Abgeordnete haben ihn abgelehnt. Damit ist der Absatz 3 des Antrages Drucksache 18/ 5346 abgelehnt. Ich lasse dann über die Absätze 1 und 2 des Antrages Drucksache 18/5346 abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Wer enthält sich? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der PIRATEN. Damit sind die Absätze 1 und 2 des Antrags abgelehnt, und damit ist der Antrag insgesamt abgelehnt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Landtages Schülerinnen und Schüler des WolfgangBorchert-Gymnasiums Halstenbek und der Holstenschule Neumünster sowie Mitglieder des SPD-Ortsvereins Ratekau. - Herzlich willkommen bei uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag! (Beifall)
Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4928
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich erteile der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses das Wort.